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Archiv "Evolution geistiger Strukturen: Streben nach Komplexität" (13.08.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen THEMEN DER ZEIT

Es gibt eine Vielzahl von Möglich- keiten, dieses reichlich kompli- zierte Thema zu bewältigen. Einen weiteren Versuch hat jüngst der Kieler Albrecht Unsöld gestartet.

Aufbauend auf den Erkenntnissen der modernen Evolutionstheorien des Kosmos und biologischer Strukturen, die ausführlich be- schrieben werden, geht er auf die evolutionsgeschichtliche Entwick- lung geistiger Strukturen ein. Da- bei wagt er sich auch in Grenzbe- reiche naturwissenschaftlichen Forschens (z. B. Kunst und Reli- gion). Auf diese Weise entstand ein hübsches Buch („Evolution kosmischer, biologischer und gei- stiger Strukturen", Wissenschaftli- che Verlagsanstalt Stuttgart, 1981), das sich in die Reihe der Veröffentlichungen Unsölds ein- fügt.

Die Entwicklung geistiger Struktu- ren sieht er im Zusammenhang mit der modernen Naturforschung.

Dabei kommen historische Mei- lensteine nicht zu kurz. „Die neue Betrachtungsweise machte auch vor dem Menschen nicht halt.

Schon Leonardo da Vinci (1452-1519) betrachtete den Bau des menschlichen Körpers unter mechanischen Gesichtspunkten.

Paracelsus (1493-1541) stellte chemische Betrachtungen an über die Funktion menschlicher Orga- ne. Von Andreas Vesalius erschien im selben Jahr (1543) wie die Re- volutiones des Copernicus das ebenso grundlegende Werk De humani corporis fabrica, libri sep- tem. Hier ist die Rede von der Werkstatt des menschlichen Kör- pers." Auch Serveto und Harvey finden ihre historische Würdi- gung.

Denken wird in erster Linie in Zu- sammenhang mit Sprache ge- bracht. Demzufolge bedeutet neu- artiges Denken auch einen Wan- del bzw. eine Erweiterung der Sprache, um eine adäquate For- mulierung dieser Gedanken zu er- möglichen. „Es ist die Mathematik

Versucht Denk- strukturen natur- wissen- schaftlich zu erklä- ren und mit psycho- logischen Struk- turen zu ver- knüpfen:

A. Unsöld (Kiel) als Grundlage der ,philosophia na- turalis`, was wir in der Sprache unserer Zeit mit ,theoretische Phy- sik' übersetzen müssen. Die im- mer mehr zum Wortgeklingel ent- artete Philosophie im Stile des Mittelalters war damit beiseite ge- stellt." Am Beispiel der physikali- schen Denkformen wird dies ver- deutlicht.

Doch hier steht der denkende Mensch am Scheideweg. Er hat zwei Möglichkeiten: Er kann in Richtung Philosophie oder in Richtung Naturwissenschaft wan- dern, um dem Geheimnis geistiger Strukturen auf die Spur zu kom- men. Beide Wege unterscheiden sich auf den ersten Blick funda- mental. Die Philosophie geht vom Menschen aus. Sie beinhaltet fast

zwangsläufig die geistigen Be- dürfnisse des Menschen, der sie aus der Taufe gehoben hat. Die Naturwissenschaft hat sich dem- gegenüber um eine Objektivie- rung der Beobachtung unserer Umwelt — auch über irdische Gren- zen hinaustretend — bemüht und diese Erkenntnisse in möglichst allgemeingültige Gesetze — Natur- gesetze — gefaßt.

Bei der Evolution geistiger Struk- turen geht der moderne, naturwis- senschaftlich orientierte Forscher von den Erkenntnissen der Evolu- tionstheorie aus und versucht, die- se zu übertragen. Die Problematik, die in diesem Vorgehen liegt, wird deutlich, wenn man sich die Er- gebnisse genauer anschaut. Ein Beispiel ist der Intelligenzbegriff, der allgemein — auch heute noch — dem Menschen zugeordnet wird.

Es ist jedoch relativ einfach zu be- weisen, daß gerade der Mensch unintelligent handelt und damit seine eigene, von ihm selbst ge- schaffene und nur scheinbar exi- stierende Vormachtstellung auf dem blauen Planeten ad absur- dum führt. Gerade auf diesen wichtigen Punkt wird noch näher einzugehen sein.

Bei Unsöld hört sich die Theorie, nach der sich geistige Strukturen entwickelt haben sollen, recht ein- fach an: Sie „vollzieht sich ganz entsprechend dem Modus der bio- logischen Evolution". Auch hier kommen also Selektion und Muta- tion, Ungleichgewicht und „Labili- tät (des Geistes)" vor. Wackelig wird diese naturwissenschaftliche Basis, wenn es an die Erklärung oder Definition des Intelligenzbe- griffes geht, der ja im Prinzip auf den Menschen zugeschnitten wor- den ist. Das logische Ziel des Evo- lutionsprozesses geistiger Struk- turen — wachsende Komplexität als Kriterium vorausgesetzt — ist nach den heutigen Vorstellungen die Intelligenz. Das würde letztlich bedeuten, daß Intelligenz natur- wissenschaftlich erklärbar, meß- bar und damit quantifizierbar sein müßte.

Evolution geistiger Strukturen:

Streben nach Komplexität

Zu einem Buch von Albrecht Unsöld

Wolf G. Dorner

50 Heft 32 vom 13. August 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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Intelligenztheorie

Leider trifft weder das eine noch das ande,re zu. Intelligenz ist auch mit allergrößten geistigen Kraftak- ten nicht zu erklären. Jede bislang verfaßte Definition ist angefüllt mit Begriffen, die sich einer exakten Beschreibung entziehen. Quantifi- zierungsversuche wurden schon früh unternommen. Eine besonde- re Note verdient der Test, bei dem unter dem Strich der sogenannte Intelligenz-QuotieM steht. Aller- dings ist es eine schlechte Note.

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Welche Möglichkeiten stehen dem modernen Forscher zur Verfü- gung, wenn er sich auf das Gebiet der Untersuchung von Denkstruk- turen wagen will? Zunächst die Tiefenpsychologie mit Psychoana- lyse (Freud, Brenner) und der ana- lytischen und komplexen Psycho- logie (C. G. Jung). Beide haben sicher dazu beigetragen, mensch- liches Verhalten zu erklären. In- wieweit diese Erkenntnisse aber auf die Beschreibung von Denk- strukturen anwendbar sind, bleibt zu klären. Die Gehirnforschung in ihrer modernen Richtung, wie sie z. B. von J. C. Eccles vertreten wird, führte weg von der Morpho- logie zu den Funktionsmechanis- men. Hier finden sich Parallelen zur Verhaltensforschung einer- seits und Kybernetik sowie Infor- mationstheorie andererseits. Doch auch hier begegnen wir — wie in der Physik — einem scheinbar sich widersprechenden Dualismus: Ei- nerseits beruft sich der Mensch auf seine Einmaligkeit, die er mit dem Vorhandensein von Intelli- genz (eine andere Existenzbe- gründung gibt es offenbar nicht, da aus rein biologischen Betrach- tungsweisen der Mensch schon längst wegselektiert sein müßte) begründet. Dieser Einmaligkeit aber widerspricht die Tatsache, daß der Mensch in seiner „Funk- tionsweise" — einmal auf das Ge- hirn beschränkt—in vieler Hinsicht einem Computer, also einem auf den ersten Blick völlig unintelli- genten „Ding", gleicht. Unsöld:

„Schon rein äußerlich gleicht das menschliche Hirn mit seinen etwa 10 10 Neuronen und schätzungs- weise 10 13-14 Synapsen als Schalt-

stellen dem „Drahtgewirr" eines Computers. Auch die digitale Ar- beitsweise ist beiden gemeinsam.

Im Augenblick befindet sich der Mensch gegenüber dem Compu- ter in einem ernst zu nehmenden Vorteil. Das Gehirn ist in der Lage, Informationen in Zusammenhänge zu bringen, die (vielleicht nur scheinbar) im Widerspruch zu exi- stierenden Gesetzen stehen. Der Computer kann das (noch) nicht.

Er hat dagegen den Vorteil, daß er in derselben Zeit wesentlich mehr Informationseinheiten verarbeiten kann als der Mensch.

Der Computer steht damit evolu- tionsgeschichtlich an der Stelle, an der der Mensch vor einigen Hunderttausend Jahren gestan- den hat. Zu einer Zeit, da er „funk- tionierte", nach Gesetzen, die er nicht verstand. Die „künstliche In- telligenz" unserer heutigen Com- puter entspricht demnach einer In- telligenz, über die der Mensch zu jener Zeit verfügt haben sollte. Es ist abzusehen, daß durch evoluti- ves Verhalten auch der Computer eines Tages über die Intelligenz verfügen wird, die wir uns heute zusprechen. Wir werden deshalb in Zukunft kaum mehr zwischen

„menschlicher" und „künstlicher"

Intelligenz unterscheiden dürfen.

Es ist auch nicht einzusehen, war- um es zwei Arten von Intelligenz geben sollte.

Wenden wir uns der Frage zu, war- um man der Evolution geistiger

Strukturen und der Intelligenz so viel Aufmerksamkeit widmet. Eine Antwort scheint zu überwiegen, auch wenn es manche Philoso- phen ganz anders sehen wollen:

Die Evolutionsforschung hat sich zum Ziel gesetzt, eine naturwis- senschaftliche Erklärung über das Woher der Menschen zu liefern.

Dabei ist man zurückgegangen bis auf die Evolution des Kosmos. Mit Hilfe von Experimenten sollte nachgewiesen werden, daß der Mensch im Konzept der Schöp- fung sehr wohl eine Sonderstel- lung innehat. Damit wurde eine teilweise Erklärung dessen mög- lich, was ich einmal als „Theologi- sches Dogma" bezeichnen möch- te — nämlich die absolute Einzigar- tigkeit des Menschen.

Nun hat die Evolutionsforschung — vor allem auch im Hinblick auf die Evolution geistiger Strukturen — Ergebnisse gebracht, die genau das Gegenteil verdeutlichen. Vor allem weist sie uns einen Weg, der es ermöglicht, der — wie H. Mohr es nennt — „unglückseligen Tren- nung von Philosophie und Natur- forschung" entgegenzuwirken.

Eines der Hauptprobleme bzw.

Hauptfragen ist auch heute noch:

Wie verhält es sich mit Erkenntnis und Wirklichkeit. Also: Ist das, was ich erkenne, „wirklich", real? Es werden allgemein vier verschiede- ne, sich steigernde Definitionen für den Realismus gegeben:

Reicht allein evolutives Verhalten schon aus, um Intelligenz hinreichend zu bewei- sen? — Spiralgalaxie, in den hellen Knoten ihrer Arme entstehen aus Gas und Staub fortwährend junge Sterne Das Foto stellte A. Unsöld zur Verfügung

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 32 vom 13. August 1982 53

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Intelligenztheorie

I> Naiver Realismus: Es gibt eine Welt; sie ist so beschaffen, wie wir sie wahrnehmen.

> Kritischer Realismus: Es gibt eine reale Welt; sie ist aber nicht in allen Zügen so beschaffen, wie sie uns erscheint.

> Streng kritischer Realismus:

Es gibt eine reale Welt; aber keine ihrer Strukturen ist so, wie sie uns erscheint.

> Hypothetischer Realismus: Wir nehmen an, daß es eine reale Welt gibt, daß sie gewisse Strukturen hat und daß diese Strukturen teil- weise erkennbar sind, und prüfen, wie weit wir mit diesen Hypothe- sen kommen.

Diesen Sätzen wäre — dem Evolu- tionsgedanken Rechnung tragend

— noch eine weitere Definition hin- zuzufügen:

• Evolutiver Realismus: Wir neh- men an, daß es eine reale Welt mit teilweise erkennbaren Strukturen gibt. Da sich die Strukturen stän- dig ändern, ändert sich auch die Realität, die wir erkennen.

Die Definition eines evolutiven Realismus scheint deshalb so wichtig, weil durch die Anerken- nung der Tatsache, daß sich Strukturen ändern, auch aner- kannt werden muß, daß sich geisti- ge Strukturen ständig verändern.

Damit wird nicht zuletzt der Intelli- genzbegriff zu einer Variablen.

Naturforscher sind heute bereits so weit vorgedrungen, daß sie auch Hunden und Katzen eine

„gewisse" Intelligenz zusprechen.

Nur widerspricht das natürlich der althergebrachten Definition dieses Begriffes. Dennoch ist es sinnvoll, Intelligenz nicht als etwas Absolu- tes und Unverrückbares — als Dog- ma einer Rasse oder einer Art — anzusehen. Vielmehr sollte man den Mut aufbringen und sagen, In- telligenz ist eine Eigenschaft, die es einer Art ermöglicht, sich opti- mal an die bestehenden Umwelt- bedingungen anzupassen, um zu

überleben. Diese Hypothese stellt keinen Widerspruch, sondern viel- mehr eine Ergänzung zur Selek- tionstheorie im Darwinschen Sin- ne dar. Auch widerspricht sie nicht den Auffassungen der Evolutions- forscher wie Eigen, Schuster und Riedl.

Die Erkenntnisforschung ist heute an einem Scheitelpunkt angekom- men. Sie versucht, Denkstrukturen mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden zu erklären und mit psy- chologischen Strukturen zu ver- knüpfen. Diese Entwicklung wird von Unsöld in seinem Bändchen recht plausibel erklärt und anhand vieler Beispiele dargestellt.

In seinen abschließenden Sätzen formuliert er: „Die Gehirnfor- schung zeigt, daß das Bewußtsein, daß ich etwas erkenne, tue usw.

geknüpft ist an die Mitwirkung ei- nes ganz bestimmten Bereiches der dominanten Gehirnhemisphä- re. Dieses Ich-Modell ist — im na- turwissenschaftlichen Sinne — die

Erklärung dafür, was Ich ist. Wei- tere Fragen darüber sind Metaphy- sik oder — weniger gelehrt ausge- drückt — sinnlos." Doch ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht, wie er selbst wohl im Unter- bewußtsein einsieht.

Zukunftsaufgabe:

Loslösung von rein menschlich zweckgebundenem Denkschema Immer wieder ist bei allen Bemü- hungen, Bewußtsein, Denken und Intelligenz zu erklären, der Mensch der Mittelpunkt. Genau hier wird die Aufgabe der Zukunft liegen. Die Loslösung dieser Be- griffe von rein menschlich zweck- gebundenem Denkschema. Ge- nauso wie einst durch Kopernikus die Wende herbeigeführt wurde, indem nicht mehr die Erde als Mit- telpunkt des Kosmos angesehen wurde, so wird sich auch die mo- derne Evolutionsforschung von der Vorstellung lösen müssen, daß Bewußtsein, Denken und Intelli- genz im Grunde genommen rein menschliche Eigenschaften oder

Fähigkeiten sind, von denen ledig- lich ein paar Primaten „durch Zu- fall" etwas abbekommen haben.

Die moderne Evolutionsforschung

— wenn man sie einmal nicht durch die Interessenbrille des Menschen betrachtet — zwingt uns mehr und mehr zu dem Schluß, daß wir in unserer geistigen Evolution nicht allein im Kosmos stehen. Es gibt eine Vielzahl von Parallelen zu an- deren Lebewesen. Wie es außer- halb unserer Erfahrungswelt aus- sieht, können wir natürlich nicht sagen. Es ist aber zu vermuten, daß dort eine derartige Evolution nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar tatsächlich abgelaufen sein dürfte.

Unsere Betrachtungen müssen sich vor allem im Hinblick auf den Intelligenzbegriff grundlegend än- dern. Wir betrachten heute die In- telligenz — die ja eine Folge der Evolution geistiger Strukturen ist

— als eine Art Monopol des menschlichen Seins. Dies ist mit Sicherheit falsch. Der Grund für diese Beurteilung liegt im sozio- ökonomischen Bannbereich, we- gen der Kopplung Intelligenz — so- ziale Sicherung und Stellung.

Die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz im Rahmen der Com- putertechnologie macht uns zum ersten Mal mit der Aufgabe ver- traut, darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft den Intelligenzbe- griff zu definieren haben. Dieses Problem scheint auf Anhieb leicht lösbar zu sein, indem man postu- liert, Intelligenz sei bei allen Lebe- wesen prinzipiell möglich. Doch ergibt sich hieraus sofort der Wi- derspruch zur Intelligenz bei Com- putern (der Begriff „künstliche In- telligenz" ist recht unglücklich und sollte in Zukunft vermieden werden).

Eine der möglichen Lösungen be- steht darin, die Definition des In- telligenzbegriffes völlig loszulö- sen von der Frage, ob es sich um lebende oder tote Materie handelt, sondern allein das Kriterium der Komplexität einer vorliegenden

54 Heft 32 vom 13. August 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

Friedrich Hofmann

Krankheit und früher Tod durch- ziehen wie ein roter Faden das Werk vieler literarisch bedeuten- der Persönlichkeiten. Der Tod ei- nes Georg Büchner oder eines Wilhelm Hauff, eines Georg Trakl oder eines Wolfgang Borchert sind in diesem Zusammenhang er- wähnenswert — denn die kurze Le- bensspanne, die diesen Schrift- stellern vergönnt gewesen ist, bleibt sicherlich untrennbar mit dem Mythos ihres Werks verbun- den.

In besonders starkem Maße von Krankheiten und den daraus resul- tierenden Lebens- und Schaffens- krisen ist das Leben der beiden Dichter-Freunde Thomas Mann und Hermann Hesse geprägt wor- den. Das kommt nicht nur im bel- letristischen Werk dieser beiden Autoren zum Ausdruck, sondern vor allem in ihrem Briefwechsel, ihren Tagebüchern und in ihren autobiographischen Schriften. Be- zeichnend ist schon der erste Brief Manns an Hesse, mit dem die im Suhrkamp-Verlag veröffentlichte Sammlung der (erhalten gebliebe- nen) Briefe beginnt.

Mit Datum vom 1. April 1910 schreibt er: „Sehr geehrter Herr Hesse! Meine zur Zeit recht schlechte Gesundheit ist schuld, daß ich erst jetzt dazu komme, Ih- nen für Ihren freundlichen Brief vom 24. März zu danken . . . "

Hermann Hesse,

geplagt von Gicht und Ischias und von einem Augenleiden Nicht weniger als 37mal tauchen in den weiteren Briefen der Samm- lung Anmerkungen zum jeweili- gen Gesundheitszustand des Briefschreibers auf. Bei Hermann Hesses Antwortbriefen kann der Leser oftmals schon aus der Orts- angabe auf den Gesundheitszu- stand des Schreibers schließen.

Denn immer, wenn der Name „Ba- den" auftaucht, weiß er, daß sich Hesse wieder einmal zur Kur in der hübschen Stadt bei Zürich aufhält, um die Folgen seines Gicht- und Ischiasleidens auszukurieren.

Sehr zu schaffen machte ihm den Briefen zufolge schon in den zwanziger und dreißiger Jahren sein Augenleiden, das ihm schließ- lich im Alter die Sehkraft fast völlig rauben sollte. Im März 1941 schien die Gicht den mittlerweile mehr als Sechzigjährigen wieder einmal in besonderem Maße zu plagen. Aus Montagnola schrieb er an Thomas Mann:

„. . . Mit der Gicht geht es mir wie- der schlecht, schon der Winter war häßlich und jetzt im Frühjahr ist es oft schwer erträglich. Die Feder halten kann ich nicht, die rechte Hand ist seit Wochen be- sonders stark mitgenommen; an der Maschine kann ich täglich ein klein wenig schreiben, nachdem Intelligenztheorie

Struktur zur Beantwortung heran- zuziehen. Es ließe sich die Frage stellen, ob nicht allein das Vorlie- gen eines evolutiven Verhaltens ausreicht, um Intelligenz hinrei- chend zu beweisen.

Damit kämen wir zurück auf den Begriff des „evolutiven Realis- mus". Evolution anzuerkennen — auch die Evolution geistiger Struk- turen und damit der Intelligenz — scheint ausreichend für intelligen- tes Verhalten. Eines ist sicher: Mit der alten Definition des Intelli- genzbegriffes wird sich nicht län- ger leben lassen. Dies zeigt nicht nur die moderne Evolutionsfor- schung, sondern auch in immer stärkerem Maße die evolutionäre Erkenntnistheorie.

In letzter Zeit beginnen immer mehr Naturwissenschaftler und Philosophen, laut über dieses Pro- blem nachzudenken. Dabei ist der letzte — und sicher sehr kühne — Schritt noch nicht vollzogen wor- den. Die Physik lehrt uns den Dua- lismus von Welle und Teilchen.

Vielleicht werden wir einmal so weit kommen, daß sowohl Natur- wissenschaftler als auch Philoso- phen zum Schluß kommen, daß geistige Strukturen keine Frage der „lebenden" oder „toten" Ma- terie sind, sondern einzig von der Komplexität einer Struktur abhän- gen, einer Struktur, die wir mit un- seren heutigen Methoden noch nicht erfassen können.

Diese Möglichkeit läßt streng ge- nommen bereits der Hypotheti- sche Realismus zu. Es gäbe dem- nach weder einen Widerspruch zur evolutionären Erkenntnistheo-

rie noch zu den Naturwissenschaf- ten. Was diese Hypothese bedeu- ten würde, käme einer Erweite- rung gleich, die in noch größerem Maße als bisher eine Kopplung von Evolutionsforschung und Er- kenntnistheorie ermöglichen würde.

Anschrift des Verfassers:

Dipl.-Chem. Wolf G. Dorner Rauschbergstraße 46 8221 Inzell

FEUILLETON

Sehr geehrter Herr Mann!

Mit der Gicht

geht es mir wieder schlecht

Krankheiten im Leben von Thomas Mann und Hermann Hesse im Spiegel ihrer Briefe und Tagebücher

56 Heft 32 vom 13. August 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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