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Archiv "Schulaufenthalt im Ausland: Die Qual der Wahl" (24.01.2003)

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D

ie Vorteile eines Schul- aufenthalts im Ausland sind offensichtlich: Fremd- sprachenkenntnisse verbessern, eine fremde Kultur kennen lernen und vielleicht Freunde fürs Leben finden. Viele El- tern ermöglichen ihren Kin- dern inzwischen einen Schul- besuch in einem anderen Land. Rund 13 000 deutsche Schüler gingen im Schuljahr 2001/2002 für einige Monate bis zu einem Jahr ins Ausland.

Das größte Interesse besteht für die englischsprachigen Länder. An der Spitze steht die USA, in die es 70 Prozent der Schüler zog. Der Rest ver- teilt sich auf Kanada, Austra- lien, Neuseeland, England, Frankreich, Spanien und an- dere Länder.

Sprachkenntnisse werden bei den meisten Programmen vorausgesetzt – ein Grund für die Beliebtheit der englisch-

sprachigen Länder. Organi- siert werden die Auslands- schulaufenthalte von rund 40 Anbietern, die zusammen mit Partnerorganisationen vor Ort Jugendliche an Schulen und Gastfamilien vermitteln.

Die Vielzahl der Austausch- organisationen ist verwir- rend. Hilfe bei der Auswahl bietet die gemeinnützige Ver- braucherschutzeinrichtung für Bildungsfragen „Aktion Bildungsinformation e.V.“

(ABI), Stuttgart. Der Verein berät telefonisch und veröf- fentlicht in der Broschüre

„Schuljahresaufenthalte in den USA“ jedes Jahr eine Übersicht der Organisatio- nen, ihrer Programme, Prei- se und Leistungen. ABI geht auch gegen unzulässige Ver- tragsbedingungen und Wett- bewerbsverstöße vor und sor- tiert „schwarze Schafe“ aus.

Für das Schuljahr 2002/2003

wurde erstmals die Bro- schüre „Schulbesuch weltweit“ erstellt. Eine der größten dort vorgestellten Organisationen ist das „Deut- sche Youth for Understanding Komitee e.V.“ (YFU), Ham- burg, das mit Partnerorgani- sationen in rund 35 Ländern Schüleraustauschprogramme organisiert. Jährlich entsendet YFU rund 1 500 Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren ins Ausland. Der seit 1957 tätige gemeinnützige Verein ist als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt.

Einige Organisationen die in die USA vermitteln, stellen sich auf den regelmäßig durchgeführten „Youth Ex- change Fairs“ vor, die das Council Education USA in Berlin veranstaltet, ein unab- hängiger Beratungsdienst, der im Auftrag des Referats für Bildungsinformation des

US-Außenmi- nisteriums arbeitet. Das Council ist mit Beratungszen- tren in den Amerika-Häusern in Berlin, Köln und Frankfurt sowie im US-Generalkonsu- lat in Leipzig vertreten. Dort wird nicht nur über Aufent- halte an High Schools infor- miert, sondern auch über Stu- dienmöglichkeiten sowie Jobs und Praktika bei amerikani- schen Unternehmen.

Eine gute Adresse sind auch die Carl Duisberg Cen- tren (CDC), die Austausch- programme an öffentliche und private High Schools in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland organisie- ren. Die gemeinnützige Ge- sellschaft, mit langjähriger Erfahrung in der interkultu- rellen Erwachsenenbildung, stellt für die „High School Years“ in die USA auch Teil- stipendien zur Verfügung.

Schulaufenthalt im Ausland

Die Qual der Wahl

Als Austauschschüler in ein anderes Land zu gehen ist meist lehrreich. Rund 40 Organisationen helfen dabei – die Wahl ist nicht leicht.

Bildung

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Nichts geht über persönli- che Erfahrungen: Im Internet stellt www.auslandsschuljahr.

de ein Forum für Austausch- schüler zur Verfügung. Ge- chattet werden kann in den Gruppierungen „Zukünftige“

(Austauschschüler), „Glückli- che“ und „Ehemalige“. Auch für Eltern gibt es ein Forum.

Bei dem anbieter- und ver- lagsunabhängigen Forum kön- nen per E-Mail auch die Ka- taloge der Austauschorgani- sationen angefordert werden.

Ein günstiger Zeitpunkt für einen Schulbesuch im Ausland ist für Gymnasiasten nach Abschluss der zehnten Klasse. Dann ist eine Beur- laubung meist problemlos. Ei- ne Förderung nach dem Bun- desausbildungsförderungsge- setz (BAföG) ist möglich, wenn der Schüler länger als ein hal- bes Jahres im Gastland bleibt.

Die Kosten eines Aus- landsaufenthalts unterschei- den sich je nach Land. Rund 5 500 Euro kostet ein Jahr in den USA, an öffentlichen Schule, die keine Schulge- bühren erheben, und bei eh- renamtlich arbeitenden Gast- familien. Bei privaten und Konfessionsschulen kommen noch Schulgebühren zwi- schen 8 000 und 25 000 US- Dollar hinzu. Privat kann der Aufenthalt nicht organisiert werden, da nur die Aus- tauschorganisationen das für den Visumsantrag nötige

„IAP-66“-Formular ausstel- len dürfen. Im Gegenzug un- terliegen die Organisationen der Kontrolle des Council on Standards for International Educational Travel (CSIET), eines Kontrollausschusses der High Schools,Austauschorga- nisationen und der US-Regie- rung. Auf seiner Homepage (www.csiet.org) veröffentlicht das private gemeinnützige Council jährlich eine Liste mit den geprüften Austausch- organisationen (CSIET advi- sory list).

Mindestens 12 000 Euro müssen Eltern für ein Jahr in Australien und Kanada ausge- ben. Dort gibt es kaum „ko- stenfreie“ Schulplätze, weil aufgrund eines Austauschab- kommens nur so viele Deut-

sche in das jeweilige Land rei- sen dürfen, wie von Australien und Kanada nach Deutschland kommen. Die Gastfamilien erhalten zudem eine Aufwands- entschädigung. Mit vergleich- baren Kosten muss man auch für ein Jahr in England, Irland und Neuseeland rechnen. Für ein Schuljahr in Frankreich und Spanien müssen, wie in den USA, weder Schulge- bühren gezahlt werden, noch erhalten die Gastfamilien Geld.

Dennoch erheben die Vermitt- ler rund 5 500 Euro.

Wessen Eltern nicht über die finanziellen Mittel verfü- gen oder wer sich nicht für ei- nen längeren Zeitrum vom vertrauten Zuhause trennen will, hat noch eine andere Möglichkeit, fremde Kulturen kennen zu lernen: einen Gast- schüler aufnehmen. Allein das YFU vermittelt jährlich rund 500 Schüler, vor allem aus den USA, aber auch aus Südame- rika, Asien und Europa für ein Jahr an Gastfamilien in Deutschland. Vielleicht wird man ja auf einen Gegenbesuch eingeladen. Petra Bühring

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 424. Januar 2003 AA207

Adressen:

ABI Aktion Bildungsforum e.V.

Alte Poststraße 5 70173 Stuttgart Telefon: 07 11/22 02 16 30 Fax: 07 11/22 02 16 40 Internet: www.abi-ev.de Deutsches Youth for Understanding Komitee e.V.

Postfach 76 21 67, 22069 Hamburg Telefon: 0 40/22 70 02 0 Fax: 0 40/22 70 02 27, E-Mail:

info@yfu.de, Internet: www.yfu.de Council Education USA im Amerika- Haus Berlin

Hardenbergstraße 22–24 10623 Berlin, Telefon und Fax:

0 30/313 27 32, E-Mail:

edusa.berlincouncilexchanges.de Internet: www.educationusa.de Carl Duisberg Centren Abt. High School Year Hansaring 49–5, 50670 Köln Telefon: 02 21/1 62 62 41 Fax: 02 21/1 62 62 56 E-Mail: highschool@cdc.de Internet: www.cdc.de www.auslandsschuljahr.de www.csiet.org

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W

ir fördern jedes Kind in seinen individuel- len Fähigkeiten und dahingehend, in der Gemein- schaft leben zu können. Die Schüler sollen Verantwortung für sich und andere überneh- men.“ So fasst die Schulleite- rin, Dr. Benita Daublebsky, die Erziehungsziele des Land- schulheims am Solling zusam- men, das seine Wurzeln in der Reformpädagogik von Herr- mann Lietz hat. Das vor 90 Jahren gegründete Lander- ziehungsheim mit staatlich an- erkanntem Gymnasium liegt auf einem 22 Hektar großen Gelände im Weserbergland zwischen dem ausgedehnten Waldgebiet des Sollings und der Stadt Holzminden.

200 Schüler leben zurzeit im Internat, und noch einmal 60 Schüler besuchen als Externe das Gymnasium. Der Anteil von Jungen und Mädchen bei

den Internatsschülern ist aus- geglichen – in vielen Interna- ten sind oft mehr Jungen. Die Kinder kommen aus allen so- zialen Schichten und aus vie- len Teilen der Welt. Nicht nur wohlhabenden Familien wird der Aufenthalt ihrer Kinder ermöglicht, wie das Schulgeld (zwischen 1 665 und 1 830 Eu- ro im Monat je nach Jahr- gang) vermuten lässt. Möglich wird dies durch Nachlässe um bis zur Hälfte des Schulgeldes.

Bei einigen Kindern wird die Unterbringung auch im Rah- men des Kinder- und Jugend- hilfegesetzes finanziert.

Dr. Daublebsky legt Wert darauf, „kein elitärer Betrieb“

zu sein. So werden auch den Kindern aus weniger privile- gierten Familien „elitäre“

Sportarten wie Golfen, Tennis oder Reiten ermöglicht. 17 Pferde beherbergt das Land- schulheim zurzeit, davon die

meisten Schulpferde. Einige der rund 30 ambitionierten Reiterinnen – pferdebegei- stert sind meist Mädchen – ha- ben auch ihre eigenen Pferde dabei.

Musische Fächer wie Kunst, Musik und Theater sind ein Schwerpunkt des Lehrplans am Gymnasium des Land- schulheims. Kunst und Musik können auch als Leistungskur- se in der Oberstufe gewählt werden. Der Schwerpunkt Lateinamerika führt dazu, dass Spanisch als zweite und dritte Fremdsprache angebo- ten wird. Handwerkliches Ta- lent können die Kinder in der Freizeit erproben: Tischlern, Töpfern und Schmieden wird in den Werkstätten auf dem Gelände angeboten. Für die Oberstufenschüler ist zudem

ein „sozialer Dienst“ einmal in der Woche verpflichtend, denn die Übernahme von so- zialen Aufgaben ist im Sinne der Pädagogik der Landerzie- hungsheime. Das kann eine Ausbildung zum Sanitäter, Mitarbeit beim Technischen Hilfswerk, die Betreuung der Jüngeren oder auch Biblio- theksdienst sein. Das Internat bietet dem alten Motto der Reformpädagogik entspre- chend „Bildung für Kopf, Herz und Hand“. Petra Bühring

Landschulheim am Solling

Mit Kopf, Herz und Hand

Das Internat im Weserbergland legt Wert darauf, allen die gleichen Chancen zu bieten.

Informationen:

Stiftung Landschulheim am Solling, Einbecker Straße 1 37603 Holzminden Telefon: 0 55 31/1 28 70 Fax: 0 55 31/12 87 88 E-Mail: info@Lsh-holzminden.de Internet: www.Lsh-holzminden.de

Foto:Landschulheim am Solling

Musik ist ein Schwerpunkt des Lehrplans.

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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 424. Januar 2003 AA209 DÄ:Was ist der Hauptunter-

schied zwischen einer Wal- dorfschule und einer Regel- schule?

Pühler: Rechtlich sind Wal- dorfschulen in Deutschland staatlich anerkannte Ersatz- schulen, an denen die Schüler zwar nicht nach einem staatli- chen Lehrplan unterrichtet werden, aber doch staatlich anerkannte Abschlüsse ma- chen. Doch weil der Staat die- se Schulen in freier

Trägerschaft nur un- zureichend finanziell unterstützt, müssen Eltern – neben ihrem sozialen Engage- ment in der Schule – sich auch finanziell an den Kosten betei- ligen. Der Betrag hierfür wird im Ein- zelfall abgesprochen, sodass es nicht dazu kommen muss, dass ein Kind aus finanzi- ellen Gründen abge- lehnt wird. Jede Wal- dorfschule ist eigen- ständig und auch

wirtschaftlich für sich selbst verantwortlich. Sie entschei- det über Personal- und Ge- haltsfragen und in gewissem Rahmen auch über das Schul- profil, zum Beispiel welche Fremdsprachen unterrichtet und welche Abschlüsse ange- boten werden.

Als Schule „besonderer pädagogischer Prägung“ blei- ben die Schüler einer Waldorf- schule von der ersten bis zur 12. Klasse in ihrem Klassen- verband zusammen, Sitzen- bleiben gibt es nicht, Zensuren erst im Vorfeld der Abschlüs- se. Der Lehrplan ist viel brei- ter als an einer staatlichen Schule, viele Projekte und Praktika gehören dazu, eben- so wie künstlerisch-handwerk- liche Fächer. Die Waldorf- pädagogik sieht ihr Ziel nicht darin, so früh wie möglich so viel Wissen wie möglich zu vermitteln. Vielmehr versteht sie ihren Auftrag ganzheitlich:

Die körperliche, emotionale, soziale und kognitive Ent- wicklung eines Menschen braucht Zeit und verläuft indi- viduell unterschiedlich. Die Schule als Ganzes, die Lehrer und insbesondere die Klassen- lehrer, die ihre Schüler über viele Jahre intensiv begleiten, sollen diesen Prozess der Entfaltung der Fähigkeiten und Fertigkeiten unterstüt- zen, indem sie darauf achten, welche Inhalte die jungen Menschen in welcher Phase ihrer Entwicklung brau- chen.

DÄ:Waldorfschulen sind bekannt für ihre Theater- und Musik- aufführungen und die Basare, bei denen die Kunstwerke der Schüler ausgestellt werden. Warum wird so viel Wert auf künstlerische Betäti- gung gelegt?

Pühler: Weil die Wal- dorfpädagogik da- von ausgeht, dass der Mensch, um in der Welt verantwor- tungsvoll bestehen zu können, nicht nur den Verstand, son- dern auch seine sozialen und kreativen Fähigkeiten ent- wickeln muss. Im künstleri- schen Prozess lernen die Kin- der, sich mit einer Sache und einem Inhalt zu verbinden. Sie müssen etwas tun, wenn sie et- was gestalten oder verändern wollen. So wie sie den Lehm in die Hand nehmen und formen können. Dass das Künstleri- sche oder Handwerkliche in der Schule nicht nur überflüs- siger Luxus ist, hat auch die Wirtschaft erkannt: Die krea- tive Kompetenz wird bei der Personalauswahl immer wich- tiger.

Aber es gibt auch noch eine andere Argumentation: Im- mer mehr Untersuchungen belegen, dass die Entwicklung der körperlichen, sozialen und kreativen Fähigkeiten auch et-

Interview: Waldorfschulen

Selbstbewusst ins Leben

Susanne Pühler vom Bund der Frei- en Waldorfschulen e. V. in Stuttgart

gibt einen Überblick über die

Besonderheiten.

Foto:privat

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was mit der geistigen Beweg- lichkeit zu tun hat.

DÄ: Eurythmie ist ein Wal- dorf-spezifisches Fach. Wor- um geht es dabei?

Pühler: Eurythmie ist eine Be- wegungskunst, bei der Laute oder Musik in Bewegung um- gesetzt werden. Man hört also nicht nur akustisch ein Ge- dicht oder eine Musik, son- dern versucht, die Empfindun- gen, die damit verbunden sind, in sichtbare Bewegung umzu- setzen. Das innere Erleben wird aktiv und künstlerisch nach außen gestellt. Das ist ein moderner sozialpädagogischer Ansatz.

Die Eurythmie im Schulun- terricht leistet aber noch etwas anderes: Das Kind erfährt sich in seinem Umkreis, es nimmt seinen Körper im Raum wahr.

Wenn Sie wissen, dass Kinder, die normalerweise einen Rund- umblick von etwa 200 Grad hatten, heute oft nur noch ein

Blickfeld von 100 Grad haben, dann sehen Sie, dass diese Raumeswahrnehmung stark beeinträchtigt ist. Das liegt an zu hohem Fernsehkonsum im frühen Kindesalter, aber auch daran, dass Kinder zu wenige sinnliche Erfahrungen ma- chen. Dann wundern wir uns, dass sie nicht mehr balancie- ren, seilhüpfen oder rückwärts gehen können. Wer sein äuße- res Gleichgewicht nicht halten

kann, hat auch Probleme mit der seelischen Balance.

DÄ: Charakteristisch für die Waldorfschulen ist, dass es kei- ne Zensuren gibt. Ist das nicht für die Schüler ein wichtiger Maßstab, damit sie wissen, wo sie stehen?

Pühler: Stimmt, Schüler müs- sen wissen, wo sie stehen und was sie geleistet haben. Aber die Waldorfpädagogik hält Zensuren für ungeeignet.

Zahlen zwischen 1 und 5 kön- nen kein differenziertes Bild über die Leistung eines Schülers in einem Fach geben.

Denn die besteht nicht nur darin, wie viel er gewusst hat.

Dazu gehört auch, wie viel Einsatz er gebracht hat, wie viel er hätte geben können, wie sehr er sich angestrengt und beteiligt hat, ob er andere Schüler dabei in die Ecke ge- drückt oder mitgenommen hat. In der Waldorfschule ha- ben deshalb Lehrer die Aufga-

be, eine ausführliche schrift- liche Beurteilung ihrer Schü- ler abzugeben, in der all das berücksichtigt ist, einschließ- lich der bestehenden Defizite oder Aufgabenstellungen für die nächste Zeit. So kann ei- ne wirkliche Würdigung der Schülerleistung stattfinden.

DÄ:Was bedeuten die Zeug- nissprüche, die die Schüler er- halten?

Pühler: In den unteren Klas- sen fasst der Klassenleh- rer seine Beobachtungen in einem kleinen Gedicht, ei- nem Zeugnisspruch, zusam- men. Diesen lernt das Kind auswendig. Er begleitet es durch das ganze Schuljahr; im nächsten Jahr erhält es einen neuen. Sie können sich das wie einen Knoten im Taschentuch vorstellen: Damit wird das Kind regelmäßig an die er- reichten Leistungen, aber auch an die noch offenen Auf- gaben erinnert.

Der Anthroposoph Rudolf Steiner gründete 1919 die erste Waldorf- schule in Stuttgart. Die Idee dazu hatte Emil Molt, der fortschrittli- che und sozial engagierte Besitzer der Waldorf-Astoria Zigarettenfa- brik, der eine Schule für die Kinder seiner Arbeiter einrichten wollte.

Waldorfschulen sind inzwischen die größte von Staat und Kirche unabhängige Schulbewegung.

Weltweit gibt es 845 Waldorfschu- len, in Deutschland sind es derzeit 185 mit über 72 000 Schülern.

Jährlich kommen weitere hinzu.

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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 424. Januar 2003 AA211 DÄ:Im Rahmen der PISA-Dis-

kussion haben sich viele gegen das Sitzenbleiben ausgespro- chen. Welche Auffassung ver- treten die Waldorfpädagogen?

Pühler: Sitzenbleiben gibt es in Waldorfschulen nicht. Denn ein ganzes Jahr zu wiederho- len ist meistens nutzlos. Der Schüler empfindet es als Stra- fe und Diskriminierung: Er wird aus dem alten Klassen- verband herausgeworfen und ist im neuen ein Fremdkörper.

Die Alternative ist, dass der Lehrer ein Kind, das vorüber- gehend eine Schwäche hat, besonders fördert. Er muss pädagogisch fähig sein, dem Kind so zu helfen, dass es nicht außerhalb des Klassenverban- des gestellt wird. Dazu gehört auch, es in seinen Stärken zu würdigen. Die Mitschüler er- leben so, dass niemand nur

Schwächen, sondern jeder Mensch irgendwo Stärken und woanders Defizite hat.

DÄ:Der Waldorflehrplan en- det mit dem 12. Schuljahr und dem Waldorf-Abschluss. Wel- che Möglichkeiten hat ein Schüler,der Abitur machen will?

Pühler: Je nach Schulprofil ist mit dem Abschluss nach zwölf Jahren Waldorfschule auch der Realschul- oder sogar der Fachhochschulabschluss ver- bunden. Danach findet in der Waldorfschule ein zusätzliches Jahr statt, in dem sich die Schüler auf die Anforderungen an das staatliche Abitur vorbe-

reiten. Das heißt, sie müssen teilweise richtig büffeln, weil die Lehrpläne doch sehr unter-

schiedlich sind. Dennoch ist die Abiturientenquote an den Waldorfschulen höher als an staatlichen Schulen. (Anmer- kung der Redaktion: Im Jahr 2000 wurden 47 Prozent der Waldorfschüler mit Abitur ent- lassen, im Vergleich zu 24,5 Prozent von staatlichen allge- mein bildenden Schulen. Quel- le: Statistisches Bundesamt.) DÄ:Wie ist das zu erklären?

Pühler: Die Waldorfschüler haben ein solides Fundament

bekommen. Sie haben ge- lernt, in Zusammenhängen zu denken und zu handeln und sich intellektuell, sozial und kreativ entwickeln zu können – warum sollen sie nicht am Ende der Schulzeit ein wenig Stress überstehen können?

Immer noch besser, ein Jahr lang Prüfungsdruck zu haben als über die gesamte Schul- zeit.

DÄ-Fragen: Petra Bühring

„„W Waalld do orrffsscch hü ülleerr h haab been n eeiin n aau ussg geep prrääg gtteess S Seellb bsstt-- b

beew wu ussssttsseeiin n,, g geep paaaarrtt m miitt S So ozziiaallk ko om mp peetteen nzz..““

Susanne Pühler, Bund der Freien Waldorfschulen e.V.

Informationen:

Bund der Freien Waldorfschulen Heidehofstraße 32, 70184 Stuttgart Telefon: 07 11/2 10 42 0 Fax: 07 11/2 10 42 19 E-Mail: info@waldorfschule.de Internet: www.waldorfschule.de www.waldorf.net

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