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Archiv "Phytotherapie eine moderne Wissenschaft" (20.11.1985)

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Phytotherapie

eine moderne Wissenschaft

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHTE Umweltmedizin

sergefährdende Stoffe darf man danach nur noch eingeschränkt, in der Nähe von Wassergewin- nungsanlagen überhaupt nicht mehr verwenden.

Mülldeponien belasten Böden und Grundwasser

Gefahren gehen auch von Müllde- ponien aus. Schätzungsweise an 50 000 Standorten gibt es Altla- sten, die hauptsächlich aus Haus- müll und Bauschutt bestehen.

Rund tausend Altdeponien davon enthalten Sondermüll, die über das Sickerwasser Umweltgifte ab- sondern. Da manche Deponien mittlerweile in Vergessenheit ge- raten sind, sollten die Altlasten neu erfaßt, g rundwasserhygie- nisch bewertet und gegebenen- falls saniert werden.

Das Beispiel des Sevesogiftes (Dioxin) zeigt deutlich, daß man bei den Umweltgiften sehr wohl nach den Einzelsubstanzen diffe- renzieren muß. Vielfach kann man schon ein Milliardstel eines Gramms mittels modernster Ana- lysetechniken nachweisen. Wenn man nur empfindlich genug wird, müssen dann viele Stoffe als ubi- quitär verbreitet gelten. Deshalb muß man künftig das Risiko ge- ringster Giftmengen sorgfältig ab- schätzen.

Die Höchstkonzentration Null zu fordern, ist sinnlos. Ganz abgese- hen davon, daß dies nicht meß- technisch überprüfbar wäre, kom- men einige Gifte auch natürlich vor. Auch aus physikalisch-chemi- schen Gründen kann man keine völlig giftfreien Ökosysteme erhal- ten. Vielmehr gilt es, durch verant- wortungsbewußten Umgang mit gefährlichen Stoffen möglichst wenig in die Luft, Gewässer und Böden einzutragen. Dabei müs- sen die Schadstoffgehalte unter- halb der Grenzwerte bleiben, bei denen mit biologischen Gefähr- dungen zu rechnen ist. Nur dann wird die Regenerationskraft der Natur nicht überbeansprucht.

Dr. rer. nat. Jürgen Vogt

„Phytotherapie — eine moderne Wissenschaft": unter dieses Mot- to stellten fünf der phytotherapie- verbundenen Verbände ein Sym- posium in der Universität Tübin- gen am 26. Juli 1985. Anlaß gab der 90. Geburtstag des Nestors der Phytotherapie Dr. med. Rudolf Fritz Weiß. Die Veranstaltung un- ter Leitung von Professor Dr.

Ernst Reinhard vom Pharmazeuti- schen Institut der Universität Tü- bingen sollte die gegenwärtige Stellung der Pflanzenheilkunde in der Medizin analysieren und Mög- lichkeiten für ihre wissenschaft- liche Entwicklung aufzeigen. Die Gedanken zur Standortbestim- mung wurden in einer gemeinsa- men Erklärung niedergelegt (nachzulesen in der Zeitschrift für Phytotherapie 5/85, Hippokrates- Verlag Stuttgart). Die „Tübinger Erklärung" sieht die Phytothera- pie als integralen Bestandteil der naturwissenschaftlich begründe- ten Therapie.

Die Erklärung enthält daneben auch Forderungen der Phy- totherapeuten: pflanzliche Arznei- mittel entsprechend der gesicher- ten ärztlichen Erfahrung zuzulas- sen; Forschungs- und Lehrein- richtungen an Hochschulen zu er- halten und auszubauen; außer- dem Lehrstühle für Phytotherapie zu schaffen, die Forschung, Aus- und Weiterbildung von Ärzten und Apothekern betreiben; und die Phytotherapie in der pharmazeuti- schen und medizinischen Appro- bationsordnung zu verankern. Auf diesem Weg sei die Berufung von erfahrenen Ärzten als Lehrbeauf- tragte an den Universitäten Tübin- gen und München ein erster Schritt.

Für die Entwicklung von Arznei- mitteln, die in ihrer Wirkung bere-

chenbar seien, kommt der moder- nen Analytik eine ganz wesent- liche Bedeutung zu, gestand Reinhard zu. Das gilt sowohl für Reinsubstanzen als auch für Stoff- gemische. Die Arzneipflanzenfor- schung konnte nachweisen, daß Pflanzeninhaltsstoffe im Gemisch oft wirksamer sind, weil sich hier häufig synergistische Wirkungen ergeben. Neben pharmakologi- schen Untersuchungen und klini- schen Studien spielt für die Beur- teilung der Wirksamkeit eines Pharmakons die ärztliche Erfah- rung eine ganz entscheidende Rolle, besonders bei den kaum vorhersehbaren individuellen Re- aktionen auf ein bestimmtes Phy- topharmakon.

Aus der Sicht des Medizinhistori- kers trug G. Keil, Würzburg, zum Symposium bei. Wie in keiner an- deren naturwissenschaftlichen Disziplin reichen bei der Phy- totherapie die Wurzeln bis in die Anfänge der Menschheit zurück.

Bereits in der altägyptischen Lite- ratur und zu Zeiten Aristoteles' gab es Drogenmonographien. Da- neben dienten Antidotarien und Dispensatorien zur Zusammen- setzung von Arzneimitteln und normierten deren Herstellung; sie reichen bis ins 20. Jahrhundert.

Ein Hauptproblem besteht für den Medizinhistoriker in der außeror- dentlichen Benennungsvielfalt der Pflanzenarten. In vielen Fällen ist es unmöglich, therapeutische Wirkungen und Indikationsberei- che eindeutig einer einzelnen Pflanze zuzuordnen. Für eine Vielzahl von Drogen hat die mo- derne Pharmakologie und Medi- zin deren therapeutische Rele- vanz eindeutig gesichert.

Die Bedeutung der Phytotherapie in Klinik und Praxis stellte L. Mai- 3518 (28) Heft 47 vom 20. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Phytotherapie

wald, Würzburg, dar. Daß Phyto- pharmaka auch heute noch eine wesentliche Rolle in der Praxis spielen, belegt die Tatsache, daß zirka 40 Prozent des Weltumsat- zes an Pharmaprodukten aus Pflanzen gewonnen oder aus pflanzlichen Stoffen hergestellt werden. Der Gesetzgeber defi- niert diese Stoffe als „Pflanzen, Pflanzenteile und Pflanzenbe- standteile in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand". So wird das pflanzliche Mittel in jeder Form und Zubereitung wie ein chemisch reiner Stoff, der viel- leicht sogar synthetisch herge- stellt wurde, behandelt. Das heißt aber auch, daß in der klassischen Phytotherapie die bekannten und bewährten Zubereitungen vor an- derem nach Stoffwirksamkeit und Stoffwirkung zu beurteilen sind.

Spezielle

Wirkstoffkombination

Doch dabei bleiben die Besonder- heiten pflanzeneigener Wirkstoff- kombinationen, die oft multiplen Indikatoren der Einzelpflanze, die Latenzzeit des Wirkungseintrittes und nicht zuletzt die individuelle Verschiedenheit der Wirkung am Einzelpatienten unberücksichtigt.

Bis vor etwa 50 Jahren beruhte die Anwendung pflanzlicher Mittel auf therapeutischer Empirie. Heute dagegen werden die Einsatzmög- lichkeiten auch bewährter Drogen und ihrer Zubereitungen zuneh- mend eingeschränkt. Beschleu- nigt wird dieser Prozeß durch die Flut der pharmakochemischen Neuentwicklungen, für die zu- nächst ärztlicherseits wenig Be- dürfnis besteht. Im Bereich der Klinik bleibt der junge Arzt hin- sichtlich seiner Therapie unter dem Einfluß der klinischen Phar- makologie. Erst unter dem Druck erlebter Arzneimittelnebenwir- kungen und vor das ungeheure Problem der Arzneimittelinterak- tion gestellt, beginnt die Suche nach Alternativen, nach weniger belastenden, vielleicht im Augen- blick nicht so stark wirkenden, aber auf die Dauer doch wirksa- meren Behandlungsmethoden.

Unter diesem Aspekt findet eine andere Bewertung und Neuein- schätzung der phytotherapeuti- schen Möglichkeiten insbesonde- re dann statt, wenn sich der junge Arzt in eigener Praxis niederläßt.

Der Zwang zur Sparsamkeit, aber auch der Anspruch des Patienten, sind häufig Faktoren, die das In- teresse des Arztes an der Phy- totherapie wecken. Doch findet er objektive Darstellungen der Pflan- zenheilkunde selten. Das ärztlich konzipierte Werk von R. F. Weiß stellt eine rühmliche Ausnahme dar. Es enthält Angaben über Zu- bereitung pflanzlicher Mittel ebenso wie Wertungen von Dro- gen und Rezepturen zum prakti- schen Gebrauch. In anderen phy- totherapeutischen Werken fehlen diese Angaben längst und sind durch solche über Fertigpräpara- te und Hersteller ersetzt. Auch die phytotherapeutischen Zeitschrif- ten lassen eine Auseinanderset- zung mit den Besonderheiten der pflanzeneigenen Wirkstoffkombi- nationen allzuoft vermissen. So ist es für die Anwendung von pflanz- lichen Wirkstoffen beispielsweise von großer Bedeutung, daß die ak- tiven Stoffe oft nur in speziellen Teilen der Pflanze lokalisiert sind und nur unter ganz bestimmten Zubereitungsbedingungen wirk- sam werden können. Weiter spie- len die Verhältnisse der Einzel- stoffe zueinander, die Elektrolyt- zusammensetzung und der pH- Wert bei der Anwendung von Dro- gen und galenischen Präparaten eine wesentliche Rolle. Es wird aber kaum berichtet, daß pflanz- liche Stoffgemische aus einer Vielzahl chemisch verschiedener und zum Teil labiler Stoffe beste- hen, welche an eine komplizierte biologische Matrix gebunden sind. Darüber hinaus steht außer Frage, daß Elektrolyt-, Protein-, Kohlenhydrat- und Lipidanteile in Extrakten neben den eigentlichen Wirkstoffen ihre Bedeutung ha- ben. All das findet wenig Erwäh- nung.

Offensichtlich sind die Probleme des Umgangs mit der Phytothera- pie nur in der Bundesrepublik so

ausgeprägt. In den Ostblockstaa- ten ebenso wie in den angelsäch- sischen Ländern gilt die Behand- lung mit galenischen Zubereitun- gen aus Pflanzen durchaus als an- erkannte Therapie. Bei uns erhält die Phytotherapie objektive Unter- stützung nur durch wenige Her- steller pflanzlicher Präparate. Die Entwicklung phytotherapeuti- scher Präparate muß darauf ab- zielen, den Phytostandard einzu- halten und den pflanzeneigenen Wirkstoffkombinationen mehr und mehr zu entsprechen.

Daten von Drogen vorhanden Einen Nutzen ohne Risiko stellte C.-P. Siegers, Lübeck, in Frage.

Klinische Erfahrungen über Ne- benwirkungen, Wechselwirkun- gen, Gegenanzeigen und Toxizi- tät ergeben sich meist erst im Ver- lauf einer längeren und breiteren Anwendung neu eingeführter Arz- neimittel. Für pflanzliche Arznei- en sind aufgrund der langen und breiten Anwendungserfahrung solche klinischen Daten in der Li- teratur bereits vorhanden. Dies darf allerdings nicht dazu verlei- ten, pflanzliche Arzneimittel von vornherein als unbedenklich und gut verträglich anzusehen. Spe- zielle Risiken bei pflanzlichen Präparaten können aus dem Feh- len pharmakokinetischer Daten ihrer Inhaltsstoffe resultieren.

Dies fällt aber bei pflanzlichen Arzneimitteln mit großer thera- peutischer Breite kaum ins Ge- wicht, sondern beschränkt sich auf die stark wirksamen Phyto- pharmaka. Weitere Probleme kön- nen sich aus der unkontrollierten und langdauernden Anwendung pflanzlicher Mittel oder aus der Selbstmedikation sowie aus der kanzerogenen Potenz pflanz- licher Stoffe oder allergenen Wir- kung von Phytopräparaten erge- ben.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. phil. Hans D. Reuter Medizinische Universitätsklinik I Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 47 vom 20. November 1985 (31) 3519

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