M E D I Z I N
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 3820. September 2002 AA2483
mehrte Auftreten von MCS nach be- stimmten Expositionen gezeigt werden könnte.
> Die Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankhei- ten solcher Art auch zu verursachen.
Wie bereits dargestellt, besteht in der medizinischen Wissenschaft derzeit kein Konsens darüber, ob MCS als ei- genständige Krankheit überhaupt exi- stiert. Die in deskriptiven Studien am häufigsten genannten Einwirkungen sind in der Regel von den Betroffenen selbst berichtet und wurden von den Untersuchern im Nachhinein nicht überprüft. Der Einfluss von Störfakto- ren wie zum Beispiel selektive Erinne- rung, Legendenbildung durch Medien- präsenz, suggestives Erfragen durch Untersucher kann in diesen Studien nicht ausgeschlossen werden. Es liegen somit zurzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die die generelle Eig- nung bestimmter Einwirkungen bele- gen, ein MCS zu verursachen. Das Vor- liegen dieser Voraussetzung muss somit derzeit jedenfalls verneint werden.
> Diese Erkenntnisse müssen neu sein.
Die neuen Erkenntnisse haben zum Zeitpunkt der letzten Änderung der Berufskrankheitenliste noch nicht vor- gelegen oder wurden nicht berücksich- tigt. Dieser Punkt ist der Vollständig- keit halber angeführt.
Resümee
Patienten mit Gesundheitsstörungen im Sinne eines MCS, die auf die Umwelt be- zogen werden, leiden unter einem Be- schwerdebild, über dessen Ursachen und Entstehungsweise bisher keine gesicher- ten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor- liegen. Die in der Begriffsbildung vorge- nommene Festlegung, nicht nur auf Aus- löser der Beschwerden, sondern auch auf die Ursache der Krankheit, ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht an- gemessen. Sie wirkt sich darüber hinaus hinderlich auf die Durchführung wei- terer unvoreingenommener Forschung aus.
Die betroffenen Patienten leiden er- heblich. Sie sind nach den Regeln der ärztlichen Kunst unter Berücksichtigung des vorliegenden Symptomprofils zum Ausschluss einer bekannten und gegebe- nenfalls behandelbaren Erkrankung dif- ferenzialdiagnostisch zu untersuchen.
Die primäre Vermutung einer psychia- trischen Genese ohne Bestehen entspre- chender Positivkriterien ist nicht ge- rechtfertigt. Ebenso wenig hilfreich ist allerdings die unkritische Zuweisung ei- ner „Umweltdiagnose“ mit dadurch be- dingter iatrogener Fixierung. Ist eine be- kannte Ursache nicht auffindbar, kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine supportive Behandlung zur Vermittlung geeigneter Bewältigungsstrategien wis- senschaftlich begründet werden. Zurzeit
liegen keine gesicherten Erkenntnisse über die Wirkung andersartiger Thera- piemaßnahmen vor.
Die gesetzlichen Voraussetzungen, MCS unfallversicherungsrechtlich als Berufskrankheit anzuerkennen,sind der- zeit nicht gegeben. Dessen ungeachtet kann das Vorliegen einer MCS-Sympto- matik in den übrigen Sozialversiche- rungsbereichen berücksichtigt werden.
Dieses Papier wurde als Positionspapier vom Arbeitskreis
„Klinische Umweltmedizin“ der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin erarbeitet. Im Ar- beitskreis wirkten mit: Dr. med. Karl-Heinz Antonin, Dr. rer.
nat. Michael Bader, Prof. Dr. med. Axel Buchter, Dr. med.
Michael C. Dietz, Prof. Dr. med. Hans Drexler, Prof. Dr. med.
Thomas Eikmann, Dr. med. Dieter Eis, Dr. med. Annegret Jaekel-Reinhard, Prof. Dr. med.Thomas Kraus, Prof. Dr. med.
Dipl.-Ing. Stephan Letzel, Dr. med. Dipl.-Chem. Herbert Lichtnecker, Dr. med. Michael Nasterlack, Prof. Dr. med.
Dennis Nowak, Dr. med. Andrea Otto, Dr. med. Alexander Petrovitch, Prof. Dr. med. Rainer Schiele, Dr. med. Markus Weihrauch, Prof. Dr. med. Renate Wrbitzky.
Manuskript eingereicht: 20.9.2001; revidierte Fassung angenommen: 21.5.2002
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2474–2483 [Heft 38]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Renate Wrbitzky Abteilung Arbeitsmedizin
der Medizinischen Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover E-Mail: Wrbitzky.renate@mh-hannover.de
Einer der stärksten Puffer für die Ma- gensäure ist die Nahrungsaufnahme.
Trotzdem klagen viele Menschen post- prandial über saures Aufstoßen oder Sodbrennen.
Die Autoren führten bei 40 Patienten mit dyspeptischen Beschwerden eine zweifache pH-Messung in Magen und Speiseröhre durch, wobei die Elektro- den nach proximal durchgezogen wur- den.
Dabei zeigte sich, dass nach einer Mahlzeit im Bereich des ösophagokar- dialen Übergangs ein pH von 1,6 zu messen ist, während im Magenkorpus der pH-Wert bei durchschnittlich 4,7 liegt. Offensichtlich schwimmt ober- halb der Nahrung, die im Korpusbe- reich die Säure puffert, noch ungepuf- ferte Säure, die in den distalen Ösopha- gus zurückschwappt und dort zu Re- fluxbeschwerden führen kann. w
Fletcher J, Wirz A, McColl KEL et al.: Unbuffered highly acidic gastric juice exists at the gastroesophageal junc- tion after a meal. Gastroenterology 2001; 121: 775–783.
Kenneth E. L. McColl, M.D. Department of Medicine and Therapeutics, Gardiner Institute, Western Infirmary, Glas- gow G11 6 NT, Großbritannien, E-Mail: k.e.l.mccoll@
clinmed.gla.ac.uk
Warum stößt man nach dem Essen sauer auf?
Referiert