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Archiv "Indikationen zur operativen Knochenbruch-Behandlung bei Kindern" (15.01.1976)

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ÜBERSICHTSAUFSÄTZE:

Indikationen zur operativen

Knochenbruch-Behandlung bei Kindern

Obstipation und Diarrhöe

KONGRESSBERICHT:

Rationale

Arzneimitteltherapie

AUS DER PRAXIS — FÜR DIE PRAXIS:

Die Rezeptur

von Betäubungsmitteln

FÜR SIE GELESEN:

Fettembolie-Syndrom

MERKBLATT DES BUNDES-

GESUNDHEITSAMTES:

Masernschutzimpfung

THERAPIE IN KÜRZE

DIAGNOSTIK IN KÜRZE

Ein Indikationenkatalog zur operati- ven Behandlung von Frakturen bei

Kindern muß den Unterschieden zwischen dem Skelett des Erwach- senen und des Kindes den richti- gen Stellenwert einräumen und die Frage beantworten: welche Fraktu- ren muß man bei Kindern operativ versorgen?

Zunächst werden deshalb die be- sonderen Eigenschaften des wach- senden Knochens im Vergleich mit dem Knochen des Erwachsenen dargestellt (Tabelle 1), anschlie- ßend wird mit diesen Eigenschaf- ten ein Indikationenkatalog für die operative Knochenbruchbehand- lung bei Kindern begründet.

1. Anatomische und

pathophysiologische Unterschiede in der Knochenbruchheilung bei Kindern und Erwachsenen Im Gegensatz zum Erwachsenen trifft das Trauma beim Kind einen noch wachsenden Knochen. Dies bedeutet:

0 Die Epiphysenfugen sind noch offen Die Wachstumsfuge kann fraktur- bedingte Achsenfehlstellungen in- nerhalb bestimmter Grenzen aus eigener Kraft korrigieren. Entsteht infolge eines Achsenfehlers eine exzentrische Druckwirkung auf die

Indikationen zur operativen Knochenbruch-Behandlung bei Kindern

Paul Schweizer

Aus der Kinderchirurgischen Abteilung

(Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Andreas Flach) der Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen (Direktor: Professor Dr. Leo Koslowski)

Frakturen müssen bei Kindern in der Regel konservativ behandelt werden. Diese Forderung ist in anatomischen und physiologischen Eigenschaften des wachsenden Knochens begründet, wodurch sich die Knochenbruchbehandlung bei Kindern grundsätzlich von der Knochenbruchbehandlung bei Erwachsenen unterscheidet. Be- stimmte Frakturen zwingen jedoch auch bei Kindern zur operativen Behandlung. Sie sind in einem Indikationenkatalog zusammengefaßt worden. Bei diesen Knochenbrüchen ist das Risiko eines Wachs- tumsschadens, einer ischämischen Hüftkopfnekrose oder nichtkon- gruenter Gelenkflächen größer als das Risiko eines Infektes.

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Tabelle 1: Anatomische und pathophysiologische Grund- lagen der Knochenbruchbe- handlung bei Kindern

O Die Epiphysenfugen sind noch offen.

O Das Periost ist repara- tionsfähig.

O Das Gefäßsystem und die Struktur des Hüftkopfes sind noch unreif.

O Die lange Ruhigstellung verursacht keine bleibenden Weichteilschrumpfungen.

O Die Folgen einer operativ gesetzten Osteomyelitis sind am wachsenden Knochen schwerwiegender als am Knochen des Erwachsenen.

Tabelle 2: Indikationenkatalog zur operativen Knochen- bruchbehandlung bei Kin- dern

O Frakturen der Wachs- tumsfuge.

O Hüftnahe Frakturen.

O Nicht reponierbare Frak- turen = gelenknahe Fraktu- ren und Gelenkbrüche O Distraktionsbrüche.

Pseudarthrosen und in Fehlstellung geheilte Fraktu- ren.

O Schaftfrakturen bei Mehr- fachverletzungen und in der Intensivpflege.

aulenknOrpel

und Ossifikation

Abbildung 1: Aufbau und Blutversorgung der Wachstumsfuge

108 Heft 3 vom 15. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Wachstumsfuge, also eine Druck- differenz, so antwortet die stärker belastete Seite solange mit ver- mehrtem Wachstum, bis sich die Fuge wieder senkrecht zur einwir- kenden Kraft ausgerichtet hat.

Die Fähigkeit der Epiphysenfuge zum Achsenausgleich erstreckt sich jedoch nur auf Varus- und Val- gusfehlstellungen sowie auf Ante- und Retrokurvaturen. Dagegen können Rotationsfehler nie spontan ausgeglichen werden; sie müssen deshalb stets primär vollständig korrigiert werden.

Wenn die Epiphysenfuge aber selbst verletzt wird, kann dies je nach Verlauf und Ausdehnung des Frakturspaltes zum Achsenfehl- wachstum oder zur Verkürzung führen. Ist sie insgesamt betroffen, resultiert eine Verkürzung der Ex- tremität durch frühzeitigen Fugen- verschluß, bei teilweiser Schädi- gung eine Deformierung durch par- tiellen Fugenschluß.

O Das Periost ist beim Kind repara- tionsfähiger als beim Erwachsenen Unter physiologischen Bedingun- gen stimuliert achsengerichteter

Druck das periostale Dickenwachs- tum des Knochens. Bei exzentri- scher Druckrichtung — im Falle ei- ner Fraktur also — baut das Peri- ost auf der konkaven Druckseite Knochen an, auf der konvexen Zugseite entwickelt sich ein längs- gerichtetes periostales Faserge- rüst, das als Zuggurtung wirkt. Die Resultante daraus ist bis zu einer bestimmten Grenze die Begradi- gung der Achse.

fp Die vaskuläre Nekrose des Hüftkop- fes ist nach Schenkelhals- und Hüft- kopfverletzungen bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen

Die vaskuläre Nekrose des Hüft- kopfes ist nach medialen und me- dio-lateralen Schenkelhalsfraktu- ren sowie Verletzungen der Epi- physenfuge bei Kindern um 30 Pro- zent höher als bei Erwachsenen — und dies unabhängig davon, ob die

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Abbildung 2: Blutversorgung der Epiphysenfuge über drei Gefäßstämme (nach Süssenbach und Weber)

Schenkelhalsfrakturen bei Erwach- senen operativ oder konservativ behandelt wurden. Diese hohe Rate traumatischer ischämischer Hüftkopfnekrosen bei Kindern ist mit morphologischen Eigenschaf- ten des Periosts und der Gelenk- kapsel, mit der charakteristischen Anordnung der Belastungszonen im wachsenden Hüftkopf und mit einer noch nicht ausgereiften Blut- versorgung des Hüftkopfes erklär- bar.

Folgen der Ruhigstellung einer Extremität

In der Knochenbruchbehandlung des Erwachsenen zwingen direkte Folgen der Ruhigstellung einer Ex- tremität wie Schrumpfungen von Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenkkapseln sowie allgemeine Komplikationen wie Thrombose, Embolie, Pneumonie, Dekubitus und Sudecksche Dystrophie nach gelungener Reposition eine Metho- de der Fixation anzuwenden, die eine möglichst kurzfristige Ruhig- stellung fordert. Dieses Ziel er- reicht nur die belastungs- und übungsstabile Osteosynthese. Da- gegen können Extremitäten bei Kindern zwölf Wochen und länger ruhiggestellt werden, ohne eine bleibende Weichteilschrumpfung und Gelenksteife in Kauf nehmen zu müssen. Deshalb können bei Kindern in der Regel konservative Fixationsmethoden angewandt wer- den.

O Risiko der Knochenentzündung Jede Operation am Knochen und jede Implantation von körperfrem- dem Material birgt das Risiko der bakteriellen oder sterilen Knochen- entzündung, die zur Verkürzung, Achsenfehlstellung und Pseudar- throse der Extremität führen kann.

Es ist nun keineswegs bewiesen, daß der wachsende Knochen eine größere Osteomyelitisbereitschaft hat, vielmehr wiegen die Folgen ei- ner Osteomyelitis am wachsenden Skelett noch schwerer als am Ske- lett der Erwachsenen. Dieser Un-

terschied allein fordert im Kindes- alter strengere Maßstäbe für eine Operationsindikation am Knochen.

II. Indikation zur operativen Knochenbruchbehandlung bei Kindern

Auf Grund der besprochenen Vor- und Nachteile des wachsenden Skeletts für die Knochenbruchhei- lung läßt sich ein Indikationen- katalog der operativen Behandlung von Knochenbrüchen bei Kindern aufstellen (Tabelle 2).

0 Frakturen der Wachstumsfuge Im Zuge des stärker um sich grei- fenden Fußball- und vor allem Ski- sportes mit seinen kombinierten Schub-, Scher-, Torsion- und Stauchkräften werden Epiphysenfu- genverletzungen immer häufiger.

Nach neuesten Statistiken ist die Wachstumsfuge in 15 bis 20 Pro-

zent mitbetroffen. Zum Verständnis der verschiedenen Formen der Epi- physenfugenverletzungen und ihrer Behandlungsprinzipien seien Auf- bau und Blutversorgung der Wachstumsfuge kurz dargestellt (Abbildungen 1 und 2).

Die Wachstumsfuge wird über drei Gefäßsysteme mit Blut versorgt:

O von der Epiphysenfuge her wird das Stratum germinativum, also die Zone des Wachstums versorgt.

© Von der Metaphyse her wird die Zone der Knorpelverknöcherung vaskularisiert.

O Von perichondralen Gefäßen werden die Randbezirke der Epi- physenfuge zusätzlich ernährt.

Eine perichondrale Minderdurch- blutung hat keine Störung des Wachstums zur Folge. Eine Schädi- gung der metaphyseren Gefäße

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Abbildung 3: Klassifizierung der Epiphysenfugenverletzungen:

• Lockerung der Epiphysenfuge ohne Dislokation (a) O Lockerung der Epiphysenfuge mit Dislokation (b)

• Epiphysenfugen-Frakturen, Typ Aitken 1 (c), Typ Aitken 11 (d), Typ Aitken 111 (e) (modifiziert nach Süssenbach und Weber)

4■11111111■MP

Abbildung 4: Im Bruchspalt von Epiphysenfrakturen sind dicke Periostlap- pen inkarzeriert. Sie verhindern die „wasserdichte" Reposition

führt nur zu einer vorübergehenden Wachstumsstörung. Nach der Re- vaskularisierung der Verknöche- rungszone wird die Funktion des Knorpelumbaus zu Knochen wie- der aufgenommen.

Dagegen bewirkt die Schädigung der epiphysialen Gefäße Nekrosen

des ruhenden und proliferierenden Knorpels und somit bleibende Wachstumsstörungen.

Folgende Epiphysenfugenverlet- zungen kommen in Betracht (Abbil- dung 3): Die bloße Lockerung der Epiphysenfuge ereignet sich in der Schicht der Knorpeldegeneration

und Knorpelverknöcherung, wo die geringste mechanische Festigkeit der Epiphysenfuge besteht. Bei dieser Verletzung werden lediglich metaphysere Gefäße geschädigt, epiphysere Gefäße und das Stra- tum germinativum — also die Wachstumszone der Epiphysenfuge

— bleiben unverletzt. Die Lyse der Epiphysenfuge führt deshalb nicht zu Wachstumsstörungen. Dasselbe gilt für Lysen der Fuge mit grober Dislokation und für partielle Lysen mit einem der Epiphysenfuge an- haftenden metaphyseren Fragment.

Die epiphyseren Arterien und das Stratum germinativum werden ebenfalls nicht geschädigt.

Nach genauer Reposition bleiben keine Wachstumsschäden. Doch ist die exakte Reposition oft nicht möglich, weil dicke Periostlappen in den Lysespalt eingeschlagen sind und eine partielle Pseudar- throse zwischen Epiphyse und Me- taphyse erzeugen (Abbildung 4).

Um das 10. bis 14. Lebensjahr wird die Verbindung Diaphyse—Epiphyse fester. Eine Lyse ohne gleichzeitige knöcherne Verletzung ist deshalb in dieser Altersstufe selten. Es ent- stehen jetzt Lysen mit Fraktur der Epiphysenfuge unter Durchkreu- zung des Stratum germinativum und Frakturen, die von der Meta- physe unter Durchkreuzung des Stratum germinativum bis zur Epi- physe reichen. Diese Epiphysenfu- genfrakturen schädigen die epiphy- säre Blutversorgung und das Stra- tum germinativum, woraus Knor- pelnekrosen und totale oder par- tielle Fugenverknöcherungen resul- tieren. Die verschiedenen Typen von Epiphysenfugenverletzungen mit unterschiedlicher Prognose für das weitere Wachstum haben des- halb verschiedene therapeutische Konsequenz.

Die reinen Lysen, Lysen mit grober Dislokation und Lysen mit einem metaphyseren Fragment heilen in der Regel unter konservativer Ru- higstellung folgenlos aus. Sie müs- sen nur operiert werden, wenn ein eingeschlagener Periostlappen die exakte Reposition verhindert.

110 Heft 3 vom 15. Januar 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Dagegen führen alle Frakturen, bei denen die Frakturlinie die Zone des Wachstums kreuzt zu Wachs- tumsschäden. Das Ausmaß dieses Schadens ist jedoch abhängig von der Breite des Frakturspaltes. Der Schaden ist um so kleiner je schmäler der Spalt ist. Im Fraktur- spalt bleiben nach konservativer Reposition regelmäßig Koagel und Periostfetzen liegen, die später bin- degewebig umgewandelt verkalken und den Spalt durch eine Kallus- brücke verschließen. In diesem Epiphysensegment ist dann kein Wachstum mehr möglich. Ideal wäre deshalb ein „wasserdichter"

Verschluß des Spaltes, der keine Kallusbildung zuläßt. Dieser kann jedoch nur operativ erreicht wer- den.

Experimentelle Untersuchungen zeigen, daß möglichst senkrecht durch die Fuge gebohrte Kirsch- nerdrähte das Wachstum nicht negativ beeinflussen: die Epiphy- senfuge wächst den sie senkrecht kreuzenden Drähten gleichsam da- von, und das Trauma durch dünne

Kirschnerdrähte ist gering.

Meta- und epiphysäre Fragmente werden parallel zur Fuge mit Zug- schrauben versorgt, ohne die Fuge selbst zu berühren (Abbildung 5).

Abbildungen 5a (oben) und 5b (unten): Epiphysenfraktur Typ Aitken II.

„Wasserdichte" Versorgung mit Zugschraube parallel zur Epiphysenfuge

0

Hüftnahe Frakturen bei Kindern Die hüftnahen Frakturen, also Epi- physenfugenfrakturen und medio- laterale Schenkelhalsfrakturen stel- len eine weitere Indikation zur ope- rativen Behandlung dar. Die für Kinder charakteristische Blutver- sorgung des Hüftkopfes, das mit dem Knochen fest verwachsene Periost und die zerreißfeste Ge- lenkkapsel fordern im Falle einer Fraktur die Entlastung der im Peri- ost verlaufenden Gefäße.

Dies kann nur durch Fenestra- tion der Gelenkkapsel geschehen, damit das Hämatom ablaufen kann.

Die sterile Punktion, wie sie zur Entlastung der Gefäße bei der Ko-

xitis durchgeführt werden muß, ist dafür ungeeignet, weil der Bluter- guß nachlaufen wird. Die frühzeiti- ge Reposition der Fragmente entla- stet zudem im Periost abgeknickte und überstreckte Gefäße. Die Fixa- tion mit Kirschnerdrähten oder Zugschrauben, die, sofern notwen- dig, die Epiphysenfugen senkrecht kreuzen müssen, ist der einzige Weg, die Entlastung der periostal verlaufenden Gefäße zu garantie- ren. Mit diesem therapeutischen Vorgehen konnte die Rate trauma- tischer-ischämischer Hüftkopfne- krosen von rund 50 auf 10 Prozent gesenkt werden.

Q

Nicht reponierbare Frakturen = ge- lenknahe Frakturen und Gelenkbrüche Eine weitere Indikation zur operati- ven Knochenbruchbehandlung faßt konservativ nicht reponierbare ge- lenknahe Frakturen und Gelenk- brüche selbst zusammen. Häufig- ster Ort dieser Frakturen sind das distale Femur und der Humerus. In der Regel wird bei solchen Fraktu- ren die Epiphysenfuge mitverletzt.

Schon dies rechtfertigt die Opera- tion. Außerdem kann bei gelenkna- hen Brüchen in vielen Fällen kon- servativ die richtige Stellung der Gelenkfläche zur Schaftachse we-

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Abbildungen 6a bis 6d: Osteomyelitis, Refraktur und Pseudoarthrose nach Osteosynthese einer Femurschaftfraktur bei einem fünfjährigen Jungen

112 Heft 3 vom 15. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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der rekonstruiert noch fixiert wer- den. Y-förmig ins Gelenk laufende Brüche und Trümmerfrakturen der gelenkbildenden Knochen lassen sich konservativ überhaupt nie stu- fenfrei reponieren. Sie sind des- halb nach einmütiger Ansicht eine Domäne der Operation und Osteo- synthese mit gekreuzten Kirchner- drähten.

Distraktionsbrüche

Die vierte Indikation zur operativen Behandlung stellen sogenannte Dis- traktionsbrüche dar. Gemeint sind Querbrüche der Kniescheibe und des Ellbogens sowie Abrißfraktu- ren des Epicondylus medialis hu- meri und Abbruchfrakturen des Condylus radialis humeri.

Diese Brüche lassen sich zwar re- ponieren mit keiner konservativen Methode aber stufenfrei fixieren.

Sie stehen unter Muskelzug, nei- gen deshalb zum Auseinanderklaf- fen und damit zu Pseudarthrosen.

Außerdem bilden sie Stufen zum Gelenk. Die hohe Rate von Pseud- arthrosen und Gelenkstufen be- gründen hier die Indikation zur operativen Fixation mit gekreuzten Kirschnerdrähten oder Drahtzug- gurtungen.

Die Abbruchfraktur des Condylus radialis humeri ist außerdem stets eine intraartikuläre Fraktur und läuft wenigstens in ihrem medialen Anteil durch die Epiphysenfuge, die am Längenwachstum des Oberar- mes teilnimmt. Sie stellt also zu- gleich eine Epiphysenfugenfraktur, einen Gelenkbruch und einen Dis- traktionsbruch dar. Bei pseudar- throtisch verheilten Frakturen des Condylus radialis humeri, die stets Beschwerden machen, werden zu- dem in 10 Prozent Ulnarisparesen beschrieben, die noch 10 bis 15 Jahre nach dem Unfallereignis auf- treten können.

Im Gegensatz zur Abbruchfraktur des Condylus radialis humeri stellt nicht jede Abrißfraktur des Epicon- dylus ulnaris humeri eine Opera-

tionsindikation dar. Einmal läuft die Frakturlinie hier nicht durch eine Wachstumsfuge, die am Längen- wachstum des Oberarmes beteiligt ist — ihre Wachstumsfuge nimmt nur an der Formgebung des Ellbo- gens teil. Zum anderen bereiten Pseudarthrosen des Epicondylus ulnaris humeri in der Regel keine Beschwerden. Eine Operationsindi- kation ist jedoch gegeben, wenn eine Ulnarisschädigung nachge- wiesen werden kann oder das Fragment — wie dies bei ulnaren Epikondylenbrüchen häufig der Fall ist — in den Gelenkspalt inkar- zeriert ist.

(;) Pseudarthrosen und

in Fehlstellung geheilte Frakturen Die fünfte Indikation zur operativen Knochenbruchbehandlung im Kin- desalter stellen Pseudarthrosen und in funktionsbehindernder Fehl- stellung verheilte Frakturen dar.

Pseudarthrosen entstehen bei kon- servativ behandelten Frakturen von Kindern fast nie. Seitdem jedoch vielerorts Schaftfrakturen operativ versorgt werden, können sie in zu- nehmendem Maße beobachtet wer- den. Sie entstehen nach operativ gesetzten Osteomyelitiden oder operativ verursachten Blutversor- gungsstörungen. So prädestiniert die Osteosynthese mit Drahtcercla- gen geradezu zur ischämischen Pseudarth rose.

Der größte Teil der Pseudarthrosen hat jedoch noch einen Kontakt der Bruchstücke — sie heilen bei Kin- dern in der Regel durch Ruhigstel- lung in Gips aus. Dagegen können Pseudarthrosen ohne Kontakt der Bruchstücke — bei denen der überbrückende Periostschlauch also fehlt — nur operativ geheilt werden.

In Fehlstellung verheilte Frakturen müssen operativ korrigiert werden, wenn ein Achsenfehler oder eine Extremitätenverkürzung zur unphy- siologischen Belastung benachbar- ter Gelenke oder der Wirbelsäule führt.

Die Abbildungen 6a bis 6d zeigen den Behandlungsverlauf bei einem fünfjährigen Jungen mit einer Oberschenkelfraktur, die operativ versorgt worden war. Postoperativ trat eine schwere Osteomyelitis auf, die schließlich zur Entfernung des Nagels führte. Danach kam es zur Refraktur und Pseudarthrose- bildung.

Wie dieser Fall exemplarisch de- monstriert, verbieten Schaftfraktu- ren die Osteosynthese. Am Schaft können Achsenfehler von 20 bis 30 Grad, Verkürzungen bis zur dop- pelten Schaftbreite und seitliche Verschiebungen bis zur Schaftbrei- te — wie bereits dargestellt wurde

— aus eigener Kraft von der Wachstumsfuge und vom Periost ausgeglichen werden. Nur Torsi- onsfehler kann die Epiphysenfuge nicht selbst korrigieren. Sie kön- nen vermieden werden, wenn man sich nicht selbst der natürlichen Kontrolle durch die gesunde kon- tralaterale Extremität beraubt. Des- halb soll die gesunde Extremität während des Repositionsmanövers und der Gipsanlage niemals ver- deckt werden.

Aus der Kontraindikation für eine operative Behandlung von Schaft- frakturen müssen jedoch manch- mal Kinder mit Mehrfachverletzun- gen genommen werden (zum Bei- spiel Schädel-Hirn-Trauma mit langdauernden schweren Streck- krämpfen, Lagerung bei ausge- dehnten Weichteilverletzungen und zur Intensivpflege). In diesen Fällen kann keine konservativ fixierende Methode ein ordentliches Reposi- tionsergebnis halten. Zur Vermei- dung von grotesken Achsenfehl- stellungen, insbesondere aber den Drehfehlern, ist hier die operative Fixation angezeigt.

Literatur beim Verfasser Anschrift des Verfassers:

Dozent Dr. med. Paul Schweizer 74 Tübingen

Kinderchirurgische Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen

Referenzen

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