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Die Harra-Inschriften und ihre Bedeutung für die
Entwicklungsgeschichte der südsemitischen Schrift.
Ein Entziffernngsversuch von
DaTld Heinrieh Mflller.
(Hierzu 3 lithogr. Tafeln.) I.
Herr Consul Dr. Wetzstein hat auf seiner für die Wissen¬
schaft so fruchtbaren Reise durch den Haurän, die er in seinem
„Reisebericht über den Hauran und die Trachonen" beschreibt, neben
vielen griechischen, lateinischen und nabatäischen Inschriften auch
260 in noch unbekannten Zeichen gesammelt.
In seinem Berichte Seite 6 7 ff. äussert er sich über die letzteren folgendermassen :
Die zweite Ärt meiner Inschriften fand ich im Lande Ruhbe und, so unglaublich es scheinen mag, in der Harra. Doch finden sich auch ver¬
einzelte Spuren davon im östlichen Haurän und im Lt ^. Ihre Schreibart ist die bustrophische. In ihrem Alphabete findet man j nge bald an das alte syro-semitische und sehr oft an das himjaritische, iiir Inhalt aber ist bis zur Stunde noch vollkommen unentziffert und wartet seines Oedipus. Einige Proben meiner Copien findet der Leser auf einer lithograp' 'rten Tafel diesen Blättern beigefügtDie sub „I. Aeltere Inschriften" gegeucnen haben grosse und breite Charaktere und müssen , da sie zum grössten Theil stark ver¬
wittert und oft auch nicht mehr zu lesen sind , aus einer frühen Zeit her¬
rühren. Auch spricht die Form der Buehstaben für ein höheres Alter.
Dagegen haben die sub ,,II. Jüngere Inschriften" gegebenen meist dünne, oberflächlich und flüchtig eingegrabene Buchstaben, die jedoch durchweg sehr gut erhalten sind, weil sie augenscheinlich aus jüngerer Zeit stammen.
Zwischen der Entstehung der ersten und zweiten Art mögen mehrere Jahr¬
hunderte liegen.
Diese Inschriften sind häufig mit flüchtigen Zeichnungen verhunden, wie mit dem Bilde eines jagenden Reiters, einer Frauengestalt, die sich die Haare ausrauft, oder die von einem Reiter durchbohrt wird, eines Mannes, der mit erhobenem Stock ein Kameel treibt, eines gefiederten Pfeiles, einer Sonne von Strahlen umgeben, eines Löwen, Steinbocks, Käfers u. s. w.
1) Diese Tafel ist von uns reproducirt worden (Taf. 1).
Zäuch-atiD.u.&.m.s.m.
I. Altere Inschriften.
a DU Jnschrift steht aufmemJiigjw xthtv Mimäm siidösthdi von Kaltäl uadist /Ulf/dem Stem milmem fluy& umgeben.
SlV'^'UllSlJJlO^'Sf
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1».Copirt auf .einm lUgm titie Viertelstimde südlich von 'Odislje.
(igi«C(L^w(leP'''P eXixio3oee<))oVi)30Ä^
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II Jüngere Inschriften:
a. Auf einem Rign cm Wege voil Sbikket en Nemäro/ nachHuiunn/.
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\. Copirt auf Shikkdm Nemam.
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d. (hpütauf Sbikket mN'emdm e.Copirt auf einen Kujrrvhi'^Odespt.
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.,Auf einemFUym in der Harra ostiieh vorvMaUkgo/.
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die zweite Eede kam auch .eine, hesondere Jnschrifh seiw .
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die Schrift von einem Tting u/ngebm.
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Jnschrift ist mit einem/ lUngßmgeben .
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nutderwrigen Jnschrift AufEiiiemStein
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Müller, die Harra - Inschriften und ihre Bedeutung etc. 515 Alle diese Inschriften stehen auf rohen oft freiliegenden, oft noch im Boden haftenden, unbehauenen vulkanischen Blöcken, welche die Zeit mit einem braunen Lack überzogen hat, und lassen sich fast immer mit Leichtigkeit lesen, weil der dunklere Ueberzug des Steines gegen den helleren Grund der Buchstaben scharf absticht. Da die Steinklumpen selten eine ebene Fläche für die Schrift darboten, so musste diese allen Erhebungen, Vertiefungen und Biegungen des Steins folgen, oft um zwei oder mehrere Seiten desselben herumlaufen, oft Kreise bilden, oft schlangenartig sich winden, oft schnecken- (spiral-) förmig in sich zurücklaufen. Dadurch werden die Copien erschwert, indem man oft bei einer einzigen fünf, sechs verschiedene Stellungen ein¬
nehmen muss , sie werden unsicher und haben , auf Papier gebracht , die sonderbarsten Formen. Eechnet man die bustrophische Schreibart dazu, so entstehen in vielen Fällen Zweifel , ob man es mit einer oder mehreren In¬
schriften zu thuu habe. Diese Momente werden bei der Flüchtigkeit der Schrift selbst nach erkanntem Alphabet und Idiom die Erklärung vieler In¬
schriften nach Copien unmöglich machen. Anders natürlich ist es, wenn dann ein Kenner an Ort und Stelle lesen und copiren wird. Ich habis einen solchen vielleicht 25 Pfund schweren Stein mit mir nach Damascus gebracht, auf dem zwei deutliche Inschriften stehen. Sollten die Königl. Museen seinen Besitz wünschen, so werde ich ihn nach Berlin einschicken, oder bei meiner nächsten Urlaubsreise mitbringen. In der Harra wird man noch viele dieser Inschriften finden, aber es gehört ein hoher Grad von Begeisterung für die Wissenschaft dazu, in diesem glühenden, wasserlosen Lande tagelang von Stein zu Stein zu steigen und des Nachts kein freies Plätzchen zu fiuden, wo man ein Zelt aufstellen könnte. Dabei dürfte es grosse Mühe kosten, die Pferde und Saumtbiere von einem Nachtlager zum andern zu bringen, denn inmitten der Harra ist es absolut unmöglich zu reiten, da das von den Vulkanen ausgeworfene Gestein oft in weiten Strecken so eng neben einander geschichtet erscheint, dass das Pferd nirgends im Stande ist, sicher aufzu¬
treten. Dennoch sind das Alles Dinge, die eine Durchforschung der Harra nicht unmöglich machen. Lust, verständige Anordnung und Geld werden auch sie überwinden. Das Vorhandensein dieser Inschriften in der Harrft ist ein Bäthsel, 'da dieselbe niemals bewohnt gewesen ist und es niemals werden wird. Nur in deu Wintermonaten kann der einsame Hirt aus der Buhbe in manchen Theilen derselben seine Ziegen auf eine dürftige Weido führen, die zwischen den Steinen hervorsprosst. Stammen also diese In¬
schriften von Hirten her? Haben dortige Hirten jemals zu schreiben ver¬
standen? Was konnten sie an Orte schreiben, von denen sie wussten, dass ausser ihnen Niemand hinkommen irürde? Wohl nur Spielereien: ihre eigenen Namen und höchstens Verse, Liebeslieder. Dafür würden die Zeichnungen weiblicher Gestalten sprechen, die immer im Naturzustande sind. Allerdings liegt dem Hirten nichts näher, als seine Gedanken auf glatte Steine zu schreiben, aber welches Grabeinstrument hatte er dazu ? Wahrscheinlich eine Lanzenspitze, einen Dolch, den die Beduinen des Wä'r noch heutzutage viel tragen; namentlich uuter deu Sulüt im Legä habe ich keinen erwachsenen Hann gesehen, der ausser der Muskete nicht seinen breiten krummen Dolch im Gürtel getragen hätte. Aber die Schrift ist in den eisenfesten Dolerit fUr ein solches Instrument immer entschieden zu tief eingegraben und die Zeich¬
nnngen sind durchgängig für die ungeübte Hand des Hirten zu gut gemacht.
Unter den heutigeu Beduinen hat sich ausser der koranischen Legende keine Tradition Uber den Ursprung dieser Schriften erhalten , die uns einen ratio¬
nellen Fingerzeig geben könnte. Der Koran spricht bekanntlich von einem nngläubigen Volke der Vorzeit, welches Gott durch einen Steinregeu von der Erde vortilgt hat. Diese Steine (Sigill) waren in der Glut der Hölle gehärtet nnd mit den Namen derer bescfarielsen, welche sie treffen sollten. Eiue solche Darstelluug genügt dem einfachen Volke, da durch sie das Vorhanden¬
sein der Inschriften , die fremdartige vulkanische Natur der Steine, und der
516 Müller, die Harra-Inschriften und ihre Bedeutung
Umstand erklärt wird, dass sie nicht Felsen bilden, sondern wie vom Himmel geregnet in losen Klumpen die wellige Ebene Tagereisen weit bedecken.
Dass diese Inschriften in einer semitischen Sprache, ja speciell in einem arabischen Dialecte geschriebeu, steht wohl ausser Zweifel.
Aus dem Gesagten wird man die Wichtigkeit einer Entzifferung dieser Inschriften ersehen , zugleich aber die Schwierigkeiten nicht
unterschätzen, die eine solche bietet. Thatsächlich ist es meines
Wissens bis jetzt noch Niemand gelungen, diese räthselhaften Denk¬
mäler mitten iu der glühenden Wüste zu deuten.
Wenn ich aber dennoch wage, mit einem Entziffernngsversuch
vor die Oeffentlichkeit zu treten, so geschieht dies in der Ueber¬
zeugung, dass es mir gelungen ist, eine grosse Anzahl der Buch¬
staben dieses Inschriften-Alphabetes zu bestimmen und zwei dieser
Denkmüler mit einiger Sicherheit zu lesen.
Ich halte es für das Beste und Angemessenste dem Leser den
Entzifferungsversuch genetisch in der Weise vorzuführen, wie er
bei mir im Gedanken entstanden ist; denn dadnrch wird es einer¬
seits leichter, die Schlüsse zn entwickeln, die mich zu diesem Re¬
sultate geführt, andererseits aber auch möglich etwaige Trugschlüsse sofort als solche zu erkennen.
Eine oberflächliche Ansicht der Wetzstein'schen Tafel wird
jeden , der mit dem himjarischen Alphabet vertraut ist, viele Zeichen
als himjarisch erkennen lassen. So z. B. die Zeichen für n, i, 1
n, p, y, wobei freilich zu bemerken ist, dass einige darunter ihren
altsemitischen Typus nicht verändert haben und eben so gut phöni¬
kisch als liimjarisch sein können. Hierdurch wie auch durch die
von Wetzstein mit vielem Scharfsinn und Glück ausgeführte That¬
sache, dass Südaraber iu sehr früher Zeit schon in den Hauran
eingewandert sein müssen, geleitet; in der Voraussetzung ferner,
dass es vielleicht ein südarabischer Dialect sein könnte, in dem
die Inschriften abgefasst sind, habe ich mich zunächst nach dem
characteristischen Zeichen dieses Dialects, nach dem Zeichen der
Mimation umgesehen und zu diesem Ende einen Buchstaben gesucht,
der einerseits häufig genug vorkommt, andererseits seiner Form
nach dem himjarischen Zeichen für 73 ähnlich genug ist, um als
Zeichen der Mimation angesehen werden zn können. Und so fiel
denn mein Blick auf das Zeichen ^ das sich ziemlich häutig in den
Inschriften wiederholt und dessen Entwicklung aus dem himjarischen
73 eine graphisch durchaus naturgemässe ist.
Mit diesen Mitteln ausgerüstet, machte ich mich an die Lesung
der ersten Zeile der Inschrift Ilf und zwar desshalb, weil ich hier
das Zeichen für 73 drei Mal bemerkte und sehliessen durfte, dass
jedesmal mit diesem Zeichen ein Wort zu Ende sei. Das erste
Zeichen rechts erkannte ich nach Analogie der andern Inschriften, die alle mit einem Vertikalstrich beginnen, als die Vertikallinie des
Anfanges. Icti hatte also vier Worte vor mir, von denen drei je 5
Buchstabeu, eiues nur i zählten. Da der letzte Buchstabe in den
für die Entwicklungsgeachichte der südsemitisehen Schrift. 517
drei ersten Wörtern als Zeichen der Mimation erkannt war, so
durfte ich sehliessen, dass ich Substantiva — worunter freilich In¬
finitive und Participia inbegriffen sein können — vor mir habe.
Ich machte nun ferner die Wahrnehmung, dass die Wörter, die je
5 Buchstaben zählten, mit einem ähnlichen Bnchstaben beginnen, und
konnte — da verbale Praefixa ausgeschlossen waren, an praefigirtes
ö oder r aber, weil deren Form nicht entsprach, nicht zu denken
war — mit gutem Grunde annehmen, dass es eine Praeposition
sei, und zwar durch die Form geleitet, die Praeposition :3.
So waren in dem ersten Worte drei Zeichen bekannt und die
Bestimmung des dritten nnd vierten Zeichens machte keine Schwierig¬
keit. Zeichen 3 sieht dem phönikischen Zeichen für T sehr ähn¬
lich und entfernt sich auch nicht sehr von dem himjarischen.
Zeichen 4 zeigt das himjarische Zeichen für b in noch nicht
ganz geschlossener Form. Das Wort lautet: Denia. Die Wurzel
rjTi (hebr. r]Ti arab. ist im Semitischen sehr verbreitet und
bedeutet: „nachfolgen, nacheilen."
Im zweiten Worte waren Zeichen 1, 4, 5 bestimmt; im zweiten
Zeichen erkennt man ohne Weiteres äthiopisches fll = ta, das
vom bimjarischen sich nur dadurch unterscheidet, dass es unten
geöffnet, während jenes geschlossen ist. Das dritte Zeichen ist
gleich himj. b und das Wort wird gelesen: Dabüa. Die Wurzel
heisst „sucheu", was zum vorhergehenden „nachfolgen" gut passt.
Im dritten Worte mnsste nnr noch das dritte Zeichen bestimmt
Q
werden und ich erkannte hierin liimj. t und las mi» (arab. j^Lcs
fliehend).
Das zweite Zeichen im vierten Worte ist gleich himj. a, dem
es ganz ähnlich ist und das letzte ist gleich himj. 123 und das Wort
ist zu lesen: is 3133. aia kommt auch in den himj. Inschriften
vor und bedeutet „Feld, Flur" (vgl. arab. '»^j:>-).
Die Zeile konnte also gelesen werden:
. . «5 aua cniy nabaa oeiia |
arabisch transscribirt etwa:
»
i> ^'^j^ yJlaj
wir übersetzen:
„Im Hinterherfolgeu (nnd) im Suchen ein davoneilendes
(Kameel od. dgl.) im Feld . ."
Dass wir aber auf richtiger Spur sind und nicht leerem Hirn-
gespinnste nachfolgen, zeigt uns die darunter stehende Zeichnung,
die einen Manu mit erhobenem Stock in der Hand darstellt, wie
er einem davonlaufenden Kameele nachfolgt.
518 Müller, die Harra-Inechriften und ihre Bede^,
Mit den so gewonnenen Bnchstaben machte ich mich an die
Entzifferung der kreisförmigen Inschrift He. Da war zunächst die
Frage, wo die Inschrift denn eigentlich beginne, und ich erkannte,
dass nach Analogie der übrigeu Inschriflen der kleine Trennungs¬
strich den Anfang anzeige und las von rechts nach links:
in-iin »anMN ii NnnN iap
Das erste Wort 13p Grab ist unzweifelhaft. Dagegen macht
das zweite grosse Schwierigkeiten. Was für einen Buchstaben kann
die Wellenlinie an erster und vierter Stelle wohl vorstellen?
Das dritte Zeichen ist = n, das noch öfters vorkommt, ebenso
scheint das n öfters vorzukommen. So z. B. IIb Z. 3 Zeicheu 4.
von rechts u. ö. Das Zeichen für a wird genau dem phönikischen
entsprechend ausgedrückt. Das Jod ist dem himjarischen ähnlich
und wird gelegentlich auf den Kopf gestellt. Wir können also mit
ziemlicber Sicherheit folgende Bnchstaben als bekannt annehmen:
nfflipBJ>3nbD''urtTniaa
Dem Arabischen und Himjarischen lediglich eigenthümliche
Laute lassen sich nicht nachweisen (nur vielleicht das Zeichen i
ijo). Es bleibt also nnter diesen Umständen eine sehr geringe
Zahl von Bnchstaben, an die wir bei der Bestimmung der Wellen¬
linie denken könnten. Ich schlage bis anf Weiteres N vor, weil
das vierbuchstabige Wort mit gleichem Buchstaben zn Anfang und
j ,oE
Ende am besten dann als Form Jjis! erklärt werden kann. Indess
halte ich die Lesung dieses Wortes für höchst problematisch, bis
andere Fälle das Zeichen als N bestätigen. Das dritte Wort ist
ohne Zweifel p zu lesen. Das a sieht dem himj, Zeichen ganz
ähnlich , ebenso das V Das vierte Wort kann, wenn die Wellen¬
linie N ist, S'anKN „die Mutter des Tobba"" gelesen werden, ein
echt himj. Eigenname; denn sowohl composita mit ün, als mit »an
kommen im Iiimjarischen vor. Vgl. pna« (Prid. VI, l) und piöinN
(Hal. 548, 3); aiasan öfters. Die darauffolgenden fünf Buchstaben
lese ich nach Analogie des Hirajarischen, wo das lange ü von ^3
nicht ausgedrückt wird iin 1. Die Uebersetzung lautet also: ,
,Das Grab des 'Atha', Sohnes des 'Umtobba, des Herrn von'
Wardäw",
eine Inschrift, die in jeder Beziehung ein echt himjarischea Gepräge trägt.
n.
Der erste Abschnitt dieses Entzifferungsversucnes war bereits
in der vorliegenden Form abgefasst, als ich von Herru Consul Wetz¬
stein, dem ich mitgetheilt hatte, dass ich einen von den Blau'schen
(Z. D. M. G. Bd. XV p. 458 ff.) abweichenden und, wie ich
glanbe, glücklichen Versnch gemacht habe die Harra-Inschriften zu
entziffern, weitere 17 Copien von Inschriften auf das Bereitwilligste
für die Entioicklnngsgeschichte der südsemititchen Schrift. 519
zur Verfügung gestellt erhielt, von denen sich mehrere auf dem
von mir eingeschlagenen Weg entziffern lassen.
Die Inschriften sind auf Tafel II wiedergegeben. W. bemerkt
zu denselben:
„Sämmtliche Inschriften stehen auf rohen Basaltsteinen, welche Haufen
^ o y
J bilden, theils in den Umgebungen der Rohba (üa^JI) theils am Wege von der Rohba nach den Ortschaften im Osten des Haurängebirges. — Die seltsamen Linien haben die Inschriften, weil die Schreiber genöthigt waren, allen Biegungen und Vertiefungen der rohen Blöcke zu folgen."
Ich lege hiermit einige weitere Entzifferungen vor.
Ri^m Ka'kül, b: . . | nii» iBDa Dil» |
Der Transscription liegt genau die Bestimmung der Zeichen
zu Grunde, wie wir sie im ersten Abschnitt entwickelt haben, nur
ist das sechste Zeichen von rechts auf den Kopf gestellt, wie ja
auch im Punischen das ü eine ähnliche Form hat. Die letzten
zwei Zeichen, die ich durch Punkte angedeutet habe, kann ich
nicht bestimmen. Das erste Zeichen rechts ist wieder der obligate
Anfangsstrich, die darauffolgenden vier Zeichen bilden ein Wort,
das durch die Mimation abgeschlossen erscheint, also üii». Haben
wir das einmal bestimmt, so unterliegt es keinem Zweifel, dass die
vier letzten Buchstaben links ein fem. von 11» sind und wir haben
jetzt in der Mitte IDDS zu lesen, worin das 3 Praeposition ist.
Zu 115» vergleiche ich hebr. und aram. iil» „Wildesel". Im
Arabischen kommt ein entsprechender Name des Wildesels
j
oder ot^ nicht vor, aber die Wurzel wird bei Dichtem von
dem Schreien des Wildesels gebraucht (vgl. Imrulkais IV, 21.
Zuhair I, 25 in der Ahlwardt'schen Ausgabe und Mubarrad's Kämil
O i,
S. 63 ob.) uud ot ^ würde etwa „der Schreihals" heissen , wie ja
auch der Wildesel sonst genannt wird, freilich von anderer Wurzel
G - o- O i -
wie ^IuAms, ^L:f^ vgl. Ahlwardt Chalef el Achmar S. 346 ob.
nn» ist fem. von n» „die Wildeselin", ^ah heisst arabisch
„springen, bespringen". Wir können also mit Sicherheit übersetzen :
„Ein Wildesel im Bespringen einer Wildeselin."
Vielleicht findet sich dabei eine Zeichnung, die den Akt darstellt').
1) Ich bin jetzt geneigt auch in der ersteu Inschrift Dil» uicht ,, fliehend"
soudern „Wildesel" zu Ubersetzen. Dagegen würde freilich die Zeichnung sprechen, wo sehr deutlich eiu Kameel zu sehen ist. Indess ist es mir schon frUher aufgefallen, dass auf der Wetzstein'schen Tafel neben ziemlich roh eingegrabenen Buchstaben recht feine Zeichnungen sich tinden , die in den liarten Stein doch viel schwerer einzugraben sind. Dank der Güte des Herrn Dr. J. Euting in Strassburg konnte iih die von ihm angefertigten Abklatsche von Steiniuschriften
Bd. XXX. 34
520 Müller, die Harra-Inschriften und ihre Bedeutung
Daselbst, e: nit< diiäb nnai
Die Mimation giebt uns wieder die Wortabtbeilung an die Hand,
la-i = arab. ju^ „binden" (vgl. auch hebr. „Halsband" und
die verwandte Wurzel JaJ^); Diib = jJol „einem Feinde."
ms ist vielleicht plur. von Xj?"! Hand (vgl. syr.
wir ttbersetzen:
„Bindend einen» T^'einde die Hände".
Wädi-el-gorz, a:
Dn»l T'Naa |
Oo
TiNi ist von derselben Wnrzel wie arab. ^ hebr. 1N3,
nur ist hier eine Form . Man vergleiche hebr. i-ja (Jerem. 6, 7),
eine Form, die auf eine ähnliche Bildung zurückzugehen scheint.
Dnyi ist der Name des Brunnens, wie auch in den himj. In¬
schriften der Name angegeben wird. Vgl. z. B. Hal. 174, 3:
D-iSi I [iM]in[3 „sein Brunnen Kaja"»", ferner Hal. 63, 3. 204.
240, 13. 241, 2. 453, 3. 520, 17 und 18. Die Verbindung einer
Sache mit dem Namen derselben kann entweder im Wege der
Apposition oder des Stat. constructus stattfinden. Im Himjarischen
kommen beide Möglichkeiten vor. Hier ist das letztere der Fall.
Das Zeichen für n ist auf den Kopf gestellt, wie im Aethiopisehen.
Was die Wurzel nSI bedeutet, kann ich nicht sagen.
Daselbst, b:
mn»i iiN3a ib'i
Das erste Wort, dessen zweiter Buchstabe als undentlich von
Wetzstein bezeichnet wird, giebt keinen Sinn. Das zweite T'Saa
„an dem Brunnen" kenneu wir schon. Es folgt nun derselbe Name
wie in der vorhergehenden Inschrift, nur scheinen Zeichen 4 und 5
aus D verstümmelt zu sein. Vgl. indess Ka'kül b, 1 te Zeile rechts.
ßi^m-el-Nemära:
D I amancb aTsiasns | amay
an scheint der Name eines mir unbekannten Gottes zu sein. (Vgl.
den Stadtnamen Xagaxfiiaßa.) Im dd erkeune ich ebenfalls einen
aus der Wüste Safäh , die sich im LouTre befinden, einsehen und fand da die Zeichnung ziemlich roh, so dass mir die Ansicht nahe gelegt worden ist, als wären die Zeichnungen der Wetzstein'schen Tafel auch nicht genaue und treue Nachbildungen , sondern eine ungefähre Wiedergabe dessen , was der Copist wahrzunehmen glaubte. Wird sich meine Annahme bestätigen, so werde ich
mir auch erlauben die Richtigkeit der Wahrnehmung zu bezweifeln, weU
thatsächlich bei der roben Zeichnung eiu Kameel von einem Wildesel schwer zu unterscheiden ist. Was nun die erwähnten Inschriften ans dem Louvre be¬
trifft , so konnte ich nach den Abklatschen nur constatiren , dass sie denselben Schrifttypus, wie die ^arra-Inschriften habeu, aber nichts zusammenhängendes entziffern.
für die EntwickluTtgsge^gchichte der südsemitischen Schrift. 521
Gottesnamen, der auch in dem bekannten cyprischen Königsnamen
•p-'-^nz {Ilvfiarog) steckt (vgl. Cit. 38, 1. De Vogü6, M61anges
Appendice p. 13 ff. und Levy, Phönizische Studien 4 tes Heft
S. 39 ff.).
„'Abdmöb, Pumabdmöb dem Pumabdmöb, P."
In der dritten Gruppe ist das y entweder von Copisten aus¬
gelassen oder lautlich vernachlässigt worden.
Der Name nasno scheint auch daselbst vorzukommen. Ebenso
findet sich DD II a Z. 1 (vgl. I. Tafel) in DDnbnin „Du-Ramlat-
pum", womit der biblische Eigenname injbMl zu vergleichen ist,
ferner IIb Z. 1: iDnbD | DenüN Denba,''endlich Ib Z. 1. Zu
rba ist himj. inbD | nn Reh. I, 1 zu vergleichen (Journal of the
Bombay Brauch of the Royal Asiat. Soc. 1873/4).
Auf einem'Rigm in der Harra östlich von Malikijä:
. . I rmya ■'Sia |
„An dem Gewässer Ma uda." Vgl. auch 2, d.
Das Weitere kann ich nicht mit Sicherheit lesen.
Was nun den erwähnten Blau'schen Versuch betrifft, so konnte
derselbe unmöglich gesicherte und befriedigende Resultate liefern,
weil er alle möglicben Alphabete zur Erkläruug herbeizieht, während er beim bimjarisch-äthiopischen bleiben und höchstens einzelne ältere phönikische Zeichen hätte vergleichen sollen. Nur einige Buchstaben,
die mit den himjarischen aufs Haar übereinstimmen, hat er richtig
erkannt. Dass die 20 von Blau gelesenen Eigennamen in Wirk¬
lichkeit nicht dastehen, braucht nicht erst gesagt werden. Die bei¬
gegebene Schrifttafel *) wird die Differenz zur Anschaunng bringen,
die zwischen meiner und der Blau'schen Bestimmung der Zeichen
waltet 2).
Dagegen bestÄtigt sich Wetzstein's Vermuthung aufs Glänzendste,
dass wir in diesen Inschrifteu Spielereien vorüberziehender Hirten
oder von Steinmetzen zu suchen haben.
In diesen Spielereien ist aber ein tiefer Ernst, weil sie uns
interessante Einblicke in die Vorgeschichte des arabischeu Volkes
1) Die Ausführung dieser Tafel, die nicht nur technische Fertigkeit, sondern auch genaue Schriftkenntniss forderte, verdanken wir der Güte des Herrn Dr.
J. Eating, der dieselbe mit grosser Sorgfalt genau nach meinem ihm zuge¬
sandten Entwurf ausgeführt hat; nur die in Klammern gesetzten jüngern panischen Zeichen sind von seiner Hand hinzugefügt worden.
2) Es gereicht mir zur Genugthuung zu constatiren , dass Herr Prof.
6. Hoffmann in seinem trefilichen Aufsatze über die Aechtheit der moabi¬
tischen Alterthümer (Gött. Gelehrte Anzeigen 1876 Stück 16), der mir lange nachdem diese Arbeit der Redaetion der Zeitschrift übersendet worden war, zu llSoden kam , mit mir darin übereinstimmt , dass der Blau'sche Versuch miss¬
lungen ist und dass das Harra-Alphabet palaeographisch mit dem auf den him¬
jarischen Inschriften zusammenhängt. Dagegen kann ich ihm aus den im
Schlussabschnitte zu entwickelnden Gründen nicht beistimmen, wenn er (das.
S. 497) die Harra-Schrift für eine jüngere Entwicklung des sUdsemitischen Alphabetes hält.
522 Müller, die Harra-Inschriften und ihre Bedeutung
und seiner Wanderzüge gewähren, nnd wir können hoffen, dass die
Entzifferung der 260 Inschriften noch manche Ausbeute für die Ge¬
schichte und die Spracbkunde bieten werde.
III.
Fragen wir, was wir aus diesem Entzifferungsversuche in
schriftgeschichtlicber Hinsicht lernen und wo wir das Alphabet
der Harra-Inschriften palaeographisch einzureihen haben, so lautet
die Antwort:
Wir lernen in diesen Inschriften einen ältern Schrifttypus
des südsemitischen (himjaro-äthiopischen) Schriftzweiges kennen,
der uns die himjarischen Scbriftzeichen zum Theil im Werden zeigt.
Daher erklärt sich das Vorkommen einiger älterer, phönikischer
Zeichen, wie der Zeichen für 3 und n, daher ferner das Vorhanden¬
sein mehrerer Zeichen, die den phönikischen näher stehen, als den
himjarischen und sich somit als Uebergangszeichen documentiren —
ich meine die Zeichen für 3 und B. Hierbei ist zu bemerken, dass
das letztere Zeichen im Aethiopisehen dieselbe Form hat, wie in
den Harra-Inschriften und im Phönikischen, was uns ein Fingerzeig
sein muss, dass die Aethiopen in einer Zeit ihre Schrift entlehnt
haben, als die himjarischen Buchstaben noch nicht die uns vor¬
liegenden ausgeprägten Formen erhalten hatten, freilich aber wie¬
der in einer spätern Zeit als die, in der die Auswanderung der¬
jenigen südarabischen Stämme nach dem Norden stattfand, von
denen die Harra-Inschriften herrühren, weil die letztern noch viel
ältere Formen aufbewahrt haben, als das Aethiopische. Einen
schlagenden Beweis für die Richtigkeit unserer Annahme, dass wir
hier eine ältere Entwicklungsstufe der südsemitischen Schrift vor
uns haben, sehe ich in dem Umstände, dass sich in dem Harra-
Alphabet keine besonderen Zeichen finden für die lediglicb dem
Arabischen nnd Himjarischen eigenthümlichen Laute — mit Ausnahme
vielleicht des Zeichens für (j^, das ja auch im Aethiopisehen vor¬
handen ist und dessen frühes Vorkommen ich mir daraus erkläre,
dass die Südsemiten aus dem alten Zeichen für a zwei Zeichen
geschaffen haben, von denen das eine den Vertikal strich (ü), das
andere den Horizontalstrich (ijo) beibehalten hat.
Eben so zeigt sich in der Setzung des Trennungsstriches die¬
selbe Gesetzmässigkeit. Während die ältern phönikischen Inschriften
gar keine Worttrennung kennen, die himjarischen und älteren äthi¬
opischen Inschriften consequent einen Worttrennungsstrich anwenden,
zeigen unsere Inschriften erst einen Ansatz zu dieser Eigenthüm¬
liehkeit — es ist dies der Verticalstrich regelmässig zu Aufang
und bisweilen zu Ende der Inschriften. In dieser Gesetzmässigkeit
liegt aber zugleich die beste Gewähr für die Richtigkeit unserer
Auffassung und der Bestimmung der Buchstaben.
Man wird nuu geneigt sein , aus dieser Betrachtung den
Schluss zu ziehen, dass das südsemitische Alphabet sich aus dem
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für die Entiricklungsgeschichte der südsemitisehen Schrift. 523
altphönikischen , wie es uns in den Inschriften erhalten ist, ent¬
wickelt habe. Dagegen sind jedoch schwerwiegende Bedenken zu
erheben. Denn so genan die raeisten Zeichen des südsemitischen
Alphabets mit den altphönikischen auch übereinstimmen, so lässt
sich dennoch nicht lengnen, dass eine Reihe von Buchstabenformen
ganz unähnlich ist und weder aus dem phönikischen noch auch ans
dem aramäischen Alphabet erklärt werden kann.
Dazu gehören die Zeichen für N, n, n, D und (man ver¬
gleiche die Schrifttafel). Sieht man sich diese Zeichen genau an,
so wird man leicht erkennen, dass sie sowohl lautlich zusammen¬
gehörig als formell dnrch leichte Differenzirung aus einander ent¬
standen sind. Das Gesetz, durch leichte Differenzirung neue Zeichen für neue Laute zu schaffen, hat in der spätern himjarischen Schrift¬
entwicklung gewaltet. Warum soll es nicht auch in früher Zeit
geherrscht haben? — N, M, n, n sind Hauchlaute. Dass das
himjar. n und n aus n durch den verlängerten Miftelstrich,
respective durch Anhängung des rechtwinkelförmigeu Häkchens ge¬
bildet ist, sieht man sofort. Aber auch das N scheint aus dem¬
selben graphischen Principe hervorgegangen zu sein. Bedenkt man
ferner, dass innerhalb des Südarabischen selber dialectisch dem
causativen und dem n des Suffixes ein D entspricht, so wird man
sich nicbt wundern dürfen, dass das 0 einem auf den Kopf ge¬
stellten Tl ganz gleich ist. Am merkwürdigsten bleibt aber noch
die Form des Zeichens für Jt. Während das Phönikische das Zadi
aus Zain differenzirt zu haben scheint, bilden es die Südsemiten
aus 0. Die Richtigkeit dieser Auseinandersetzung einmal zugegeben,
wirft sie ein ganz merkwürdiges Licht auf die Frage der Entstehung
des phönikischen Alphabets. Hier stehen sich zwei Ansichten gegen¬
über: die von Wuttke-Levy und von De Roug^. Die erstern be¬
haupten, das Alphabet sei durch Combinirung von Strichen ent¬
standen, und zwar derart, dass organisch verwandte Laute auch
formell einander ähnlich gemacbt, oder vielmehr erst nach und
nach aus einander entwickelt worden sind. De Rouge dagegen
nimmt an, dass das semitische Aiphabet aus dem Hieratischen, also
aus einer Bilderschrift hervorgegangen sei. üie innere Wahr¬
scheinlichkeit, welche die geistvolle Aufstellung des grossen Aegypto¬
logen in sich birgt, wie die Analogien aus der Schriftgeschichte,
haben die meisten Fachmänner für dieselbe gewonnen.
Ist aber unsere Auseinandersetzung richtig, so muss man sich
doch fragen: Wie kommt es, dass das Südsemitische in BezuK auf
raehrere Formen, die organisch zusammenhängen, seine eigenen Wege
eingeschlagen hat? Warum hat es nicht, weun de Rough's Anf¬
fassung richtig ist, die im Phönikischen vorgefundenen ägyptischen
Zeichen behalten? Und liegt nicht vielmehr in dem Umstand, dass
gerade eine Classe organisch verwandter Laute auch graphisch von
den betreffenden phönik. Zeichen sich unterscheiden, ein Hinweis
auf die Richtigkeit der entgegengesetzten Behauptung? Wir siml
524 Müller, die Harra-Inschriften und ihre Bedeutx
indess weit entfernt, uns dieser letztern Ansicht anzuschliessen.
Es ist leichter die Schriften in Linien zu zerlegen , als aus Linien
Schriften zu combiniren, und wir stimmen im Grossen und Ganzen
der Aufstellung De Roug6's bei, weil sie yon dem richtigen Grund¬
satz ausgeht, dass die Menschen, wo sie entlehnen können nicht
originell-schöpferisch erst erfinden; nur möchten wir sie dahin ein¬
schränken, dass die Pbönikier oder dasjenige semitische Volk, das
von den Aegypte.'n die Schrift entlehnt hat, nicht gleich alle 22
Zeichen herübergenommen habe, sondern eine viel geringere Zahl,
nnd dass erst auf semitischem Boden durch Differenzirung die
Zeichen vermehrt und den semitischen Lauten adaequat gemacht
worden sind. Daher erklärt sich die Aebnlicbkeit vieler organisch
verwandter Lante, daher ferner der Umstand, dass die Südsemiten
in Bezug auf gewisse Classen von Lauten ihren eigenen Weg ein¬
geschlagen haben. Wir gelangen aber auch dadurch zu dem Re¬
sultat, dass der südsemitische Schriftzweig in einer Zeit sich von
dem nördlichen getrennt hat, aus der uns kein Monument in alt¬
semitischer Schrift erhalten ist.
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Zur Geschichte der syrischen Punctation.
Von Dr. Eberhard Nestle.
Durch die scharfsinnigen Untersuchungen von Merx über die ur¬
sprüngliche Form des syrischen Punctationssystems und dessen spätere Entwicklung ist dieses früher so dunkle Gebiet bedeutend aufgehellt
worden, und noch mehr Licht ist in den letzten Jahren über ein¬
zelne hiehergehörige Punkte durch die Forschungen und glücklichen
Funde von Abbö Martin und Wright verbreitet worden; noch
sind wir aber lange nicht so weit, dass auf alle auftauchenden
Fragen schon eine Antwort bereit wäre, und bei dem Mangel an
Quellen, aus denen wir unsere Kenntniss schöpfen können (die alten
Handschriften, deren Punctation wir untersuchen, uud die alten
einheimischen Grammatiker, deren Aussagen wir abhören können,
steheu uns ja leider nicht in der wünschenswerthen Menge zu
Gebot) müssen wir jede Kunde um so genauer benützen und darum
wird auch die folgende kleine Mittheilung nicht unwillkommen sein.
Der nachstehende Text ist genommen aus der Psalmenhand¬
schrift Add. 17125 des Britischen Museums, die wir mit Wright
dem Ylll. oder IX. Jahrhuudert zuzuweisen haben. Ausser dem
Psalmentext enthält dieselbe noch den Psalmencommentar des
Daniel von Salab (c 700) in abgekürzter Form, und hinter den
gewöhnlichen Anhängen zum syrischen Psalter einige kleinere Bei¬
gaben, ein Glaubensbekenntniss des Gregorius Thaumatour-
gos, einige Gebete des Philoxenus von Mabng, anderthalb
Seiten aus dem Psalmencommentar des Eusebius von Caesarea
nnd endlich (fol. 79 b) den anonymen Tractat, dessen Anfang bier
folgt. Wright bezeicbnet denselben (Catal. I, 125 a) einfach als
„A tract on the diacritical points and marks of punctuation" und
scheint übersehen zu haben, dass der zweite Theil desselben aus
dem bekannten grammatikalischen Tractat des Jakob von Edessa
fAdd. MSS. 12178, Rieh. 7183) entnommen ist. In der Ausgabe
von Phillips (London 1869) entspricht Seite ww«, 9 — jo, JO
dem in nnserer Hds. erhaltenen Stücke nnd an mebreren Stellen
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