c:\program files (x86)\neevia.com\document converter\temp\convert_ede7401234c1419b89276d1dc74ee5db.doc
M 080/2002 GEF 7. August 2002 44C
Motion
2794 Schärer, Bern (GB)
Weitere Unterschriften: 5 Eingereicht am: 26.03.2002
Personalmangel in Kindertagesstätten – Ursachen abklären
Der Regierungsrat wird beauftragt, die Arbeitssituation von Kleinkinderzieherinnen und –erzieher im Kanton (insbesondere Arbeitsumfeld, Aufstiegsmöglichkeiten und Lohn) abzuklären und dem Grossen Rat einen Bericht vorzulegen. Falls nötig sind Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation von Kleinkinderzieherinnen und –erzieher vorzuschlagen.
Begründung
Im Sozialhilfegesetz ist im Artikel 71 verankert, dass die Gesundheits- und Fürsorgedirektion Angebote zur sozialen Integration bereitstellt. Zu diesen Angeboten gehören auch Einrichtungen zur familienergänzenden Kinderbetreuung, namentlich Krippen und Tagesstätten.
Damit der Kanton diesen Auftrag erfüllen kann, ist er auch darauf angewiesen, dass es genügend Personal für die Führung der Tagesstätten und für die Betreuung der Kinder hat.
Hier wird aber ein Personalmangel festgestellt. Von verschiedener Seite wird diese Entwicklung als Hemmschuh in der Förderung von Kindertagesstätten erachtet. So will beispielsweise die Stadt Bern im Rahmen des Projektes „Public Private Partnerschaft“, das die Kooperation von Wirtschaft, Eltern und öffentlicher Hand bei der Schaffung von neuen familienbegleitenden Betreuungsplätzen zum Ziel hat, dem Mangel an Personal mit einem neuen Ausbildungsangebot für Spätberufene entgegenwirken.
Mit diesem neuen Ausbildungsangebot kann allenfalls kurzfristig ein Mangel an Personal überbrückt werden. Allerdings ist damit noch nicht geklärt, welche Ursachen dem Personalmangel zugrunde liegen. Tatsache ist, dass sich offenbar viele für die Ausbildung zur Kleinkinderzieherin oder zum Kleinkinderzieher entscheiden und in diesen Beruf einsteigen, aber auch relativ schnell wieder aussteigen. Die Fluktuation ist also auch in diesem typischen Frauenberuf hoch.
Dafür gibt es auf den ersten Blick verschiedene Gründe: Wer Kinder im Vorschulalter betreut, steht auf der untersten Sprosse der Lohnleiter im pädagogischen Bereich. Dies ist kein Wunder, denn die Wertschätzung dieses typischen Frauenberufs ist klein. Selbst die NZZ gab in einem Ende letztes Jahr erschienen Artikel zu bedenken, dass dem Ruf nach mehr Betreuungsplätzen nicht Folge geleistet werden kann, wenn dieser Beruf nicht mehr gefördert wird. Nötig ist also wahrscheinlich eine Aufwertung dieses Berufs, so dass sich Arbeitsumfeld, Aufstiegsmöglichkeiten und Lohn verbessern: Wird Kleinkinderzieherin zu einem attraktiven Beruf in einem attraktiven Umfeld, dann werden auch mehr in diesem Beruf bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist aber eine vertiefte und seriöse Abklärung der Ursachen für den Personalmangel nötig.
2
Antwort des Regierungsrates:
Die Arbeitssituation hängt von der Nachfrage nach Fachkräften im entsprechenden Beruf sowie von der Grundausbildung und den Weiterbildungs- bzw. Aufstiegsmöglichkeiten ab.
Zu den einzelnen Punkten nehmen wir wie folgt Stellung:
Nachfrage
Die Nachfrage nach ausserfamiliären Betreuungsplätzen ist in letzter Zeit deutlich gestiegen, dem entsprechend die Nachfrage nach ausgebildetem Personal. Erklären lässt sich dies einerseits durch den gestiegenen Anteil erwerbstätiger Frauen mit Kindern unter 15 Jahren (1991: 59,8%; 2001: 71%. Quelle: Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE); ein weiterer wichtiger und nachfragesteigernder Faktor ist der Wunsch vieler Ein- Kind-Familien nach einer Sozialisation ihres Kindes innerhalb einer grösseren Gruppe.
Darüber hinaus wird die Nachfrage nach Fachkräften eine weitere Steigerung erfahren im Zusammenhang mit der auf Bundesebene geplanten Anstossfinanzierung für familienexterne Betreuungsangebote. Die für die Umsetzung der Anstossfinanzierung zuständige eidgenössische Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit hat in ihrem Bericht vom Mai 2002 auch auf den Mangel an Fachkräften hingewiesen und entsprechende Massnahmen angekündigt (siehe unter d) Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten). Das Problem ist sowohl seitens des Bundes wie des Kantons erkannt.
Gründe für die hohe Fluktuation
Der Beruf der Kleinkindererzieherin bietet aufgrund des klar vorgegebenen Tätigkeitsrahmens in relativ kleinen Organisationseinheiten wenig Entwicklungsspielraum im Sinne einer Karriere. In den mangelnden Aufstiegschancen und in fehlenden alternativen Betätigungsfeldern liegen denn wohl die wesentlichen Probleme dieses Berufes, bei welchem eine hohe Fluktuation feststellbar ist. Viele Kleinkindererzieherinnen sind heute nicht mehr im Beruf tätig. Zum einen aus familiären Gründen, zum anderen aber auch deshalb, weil eine ganze Reihe von ihnen in andere Berufe abwandert. Eine oft gehörte Begründung für das Desinteresse an einer weiteren Berufstätigkeit als Kleinkindererzieherin ist die eigene Mutterschaft, die dazu führt, dass sowohl im Beruf wie im Privatleben die gleiche Tätigkeit im Vordergrund steht. Die Tätigkeit als Kleinkindererzieherin oder als Mutter bedeutet eine dauernde emotionale Beanspruchung und Verfügbarkeit – ein Anforderungsprofil, das sämtliche Berufe auszeichnet, bei welchen überwiegend mit Menschen am Menschen gearbeitet wird. Die hohe Fluktuation bei Kleinkindererzieherinnen ist demnach zu einem grossen Teil auch auf eine lebensgeschichtliche Kontingenz zwischen Mutterschaft und Beruf zurückzuführen.
Einiges spricht dafür, dass der Beruf der Kleinkindererzieherin ein Einstiegs- und Uebergangsberuf ist. Etwas von dieser Sicht ist zweifellos in die geplanten Ausbildungsreformen eingeflossen, die in der einen oder andern Weise sicher stellen sollen, dass Kleinkindererzieherinnen mit Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten in verwandten Tätigkeitsbereichen im Beruf gehalten werden können.
Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten
Zusammen mit der Berufs- Fach- und Fortbildungsschule Bern (BFF) ist die Kantonale Erziehungsdirektion bestrebt, die Grundausbildung der Kleinkindererziehung (KKE) in eine BBT-konforme dreijährige Lehre umzugestalten (BBT = Bundesamt für Berufsbildung und Technologie). Ein Pilotversuch dafür wird im Schuljahr 2002/03 anlaufen. Es besteht die Absicht, diese Ausbildung mit der kommenden sozialen Lehre zu verbinden. Die soziale Lehre ist eine berufliche Grundausbildung im sozialen Bereich und führt zu einem
3
eidgenössischen Fähigkeitszeugnis als Sozialagogin/Sozialagoge. Die Ausbildung wird sogleich nach Schulabschluss und nicht wie bisher erst nach vollendetem 18. Altersjahr möglich sein. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Betreuungskosten: Der Praktikantinnen-Status wird infolge fehlender personeller Ressourcen zusehends verschwinden und die Professionalisierung in der Kinderbetreuung wird dadurch erhöht werden.
Das neue eidgenössische Berufsbildungsgesetz wird die Voraussetzungen dafür schaffen.
Die Einführung des Gesetzes ist für das Jahr 2004 geplant. Die Ausbildung zur KKE dürfte somit eidgenössisch geregelt werden und bei erfolgreichem Abschluss mit der Verleihung eines Fähigkeitszeugnisses (EFZ) abschliessen. Damit wird der Anschluss an eine anerkannte Tertiärausbildung mit Diplomabschluss gewährleistet (Sozialpädagogik). Eine KKE mit EFZ und Berufsmatur wird zudem künftig zur Fachhochschule für Sozialarbeit zugelassen werden. Mit diesen Reformen erschliessen sich der KKE vielfältige Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Nicht zuletzt wird die eidgenössische Anerkennung des Berufes das soziale Prestige verbessern.
Gegenwärtig ist noch nicht abzusehen, wie sich die in Planung begriffenen Massnahmen im Aus- und Weiterbildungsbereich auf den Personalmarkt im Bereich der ausserfamiliären Kinderbetreuung auswirken werden. Die bernischen Bildungsinstitutionen haben sich den auf Bundesebene empfohlenen Massnahmen gegenüber jedenfalls offen gezeigt und sind bereit, mit Unterstützung der Kantonalen Erziehungsdirektion neue Wege einzuschlagen.
Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, zunächst die Auswirkungen der Bildungsreformen abzuwarten und eine Neueinschätzung der Situation nach Vollzug dieser Veränderungen vorzunehmen.
Empfehlungen
Da wie bereits erwähnt einiges dafür spricht, dass der Beruf der Kleinkindererzieherin für viele Frauen eher ein Einstiegs- oder Uebergangsberuf ist, sollten auch pragmatische Lösungen zur Behebung des Personalmangels zusätzlich gefördert werden. Darunter verstehen wir Massnahmen wie leicht zugängliche Modulausbildungen für Spätberufene oder Wiedereinsteigerinnen (z.B. Fachschule für familienergänzende Kindererziehung, Zürich sowie Marie-Meierhofer-Institut für das Kind, Zürich). Auch die Anstellung von fachfremden aber motivierten Familienfrauen mit Erfahrung in Kinderpflege und Kindererziehung sollte vereinfacht und gefördert werden.
Antrag:
Aufgrund der noch nicht abschätzbaren Auswirkungen der bereits geplanten Aus- und Weiterbildungsmassnahmen empfehlen wir Ablehnung der Motion.
An den Grossen Rat