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3.6.1 Studienarten und deren Bewertung

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Academic year: 2022

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Dr. Neubauer Elektromagnetische Felder und der Mensch Seite 3.6.1.1

3.6.1 Studienarten und deren Bewertung 3.6.1.1 In vitro Studien

Im Rahmen von in vitro Studien werden an Zellen oder Gewebe toxikologische, mechanistische oder andere relevante Effekte untersucht, um das Verständnis bei der Entwicklung von Krebs oder anderen Erkrankungen zu erhöhen. Dazu müssen geeignete Zelltypen zur korrekten Identifikation von biologi- schen Effekten ausgewählt werden. Neue Untersuchungsmethoden können z.B. zur Untersuchung von Gentranskription, Protein Expression oder zellulare Stoffwechsel herangezogen werden. Es stehen ver- schiedene Methoden zur Untersuchung zellularer Effekte zur Verfügung, die sich idealerweise ergänzen bzw. bestätigen sollen.

Bei der Durchführung von Experimenten sind adäquate Kontrollbedingungen von großer Bedeutung.

Sowohl negative als auch positive Kontrollen sollten in Experimenten inkludiert werden. In der EMF For- schung wird auch Scheinexposition oftmals im Projektdesign eingeführt, die Experimente sollten gene- rell verblindet ablaufen. Die Feldcharakteristika (wie z.B. Frequenz, Feldstärke, SAR Verteilung), Tem- peratur, CO2, Verhältnisse zwischen Exposition und biologischen Reaktionen, zeitliches Expositions- protokolle müssen genau dokumentiert werden. Zudem müssen statistische Aspekte berücksichtigt werden. In Abbildung 3.6.1/1 wird ein Beispiel aus dem EU Projekt Reflex gezeigt. Das linke Bild zeigt sogenannte Mikronuklei (Indikatoren für Störungen bei der Zellteilung durch Abspaltung von Chromo- somenmaterial), das rechte Bild ist ein Beispiel für die Abhängigkeit des Auftretens von Micronuklei von den SAR Werten in den Zellkulturen.

Bild 3.6.1/1: Ergebnisse aus dem Reflex Projekt: Auftreten von Mikronuklei in HL60 Zellen bei zuneh- menden SAR Werten

3.6.1.2 Tierstudien

Tierstudien werden oftmals mit Laborstämmen von Mäusen oder Ratten durchgeführt. Der Vorteil von Tierstudien ist, dass sie Erkenntnisse über Effekte in lebenden Organismen ermöglichen, die das ge- samte Repertoire von Körperstrukturen und Funktionen, wie ein Nervensystem, ein endokrines System oder ein Immunsystem aufweisen. In diesem Sinn sind Tierstudien für Schlussfolgerungen über ge- sundheitliche Risiken für Menschen meist aussagekräftiger als in vitro Studien. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass unmittelbare Rückschlüsse aufgrund von Unterschieden in der Masse, Lebens- dauer, Physiologie oder des Stoffwechsels zwischen den Arten schwer möglich sind. Bei Extrapolatio- nen von Tierexperimenten auf Menschen sollte man die Aussagekraft des Tiermodells in Betracht zie- hen. Allerdings sind viele Prozesse, wie zum Beispiel DNS Schädigung und Reparatur bei Tier und

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Mensch ähnlich. Aus diesem Grund sind Tiermodelle bei der Untersuchung der Toxizität von chemi- schen und physikalischen Agenzien von großer Bedeutung. Bei der Durchführung von Tierstudien sind unter anderem folgende Aspekte berücksichtigt werden:

• Eigenschaften der Versuchstiere (z.B. Geschlecht, Art, Stamm,..)

• Benötigte Anzahl der Tiere

• Expositionsniveau und Expositionsdauer

• Benötigte Versuchsdauer in Abhängigkeit vom untersuchten Endpunkt

• Gleiche Behandlung von exponierten und Versuchstieren (abgesehen von der Exposition durch das untersuchte Agens)

• Adäquate Endpunkte

• Dosis – Wirkungsbeziehung

• Negative, positive und scheinexponierte Gruppen 3.6.1.3 Humanstudien

Experimentelle Studien in Laboratorien oder anderen kontrollierten Aufbauten werden verwendet um zu untersuchen, ob Effekte während des Auftretens oder kurz nach dem Auftreten eines kausalen Risiko- faktors wie zum Beispiel elektromagnetische Felder auftreten. Man nennt solche Studien auch Provoka- tionsstudien: sie versuchen die Frage zu beantworten, ob eine bestimmte Exposition einen bestimmten Effekt wie zum Beispiel physiologische Reaktionen oder Symptome hervorruft (provoziert). Diese Stu- dien sollten doppelblind durchgeführt werden um zu verhindern, dass die Erwartungen von Teilnehmern oder Forschern das Ergebnis verzerren könnten. Außerdem sollten die Probanden nach dem Zufalls- prinzip bestimmten Expositionsbedingungen zugeordnet werden. Bevor man mit den verblindeten Expe- rimenten beginnt, kann es sinnvoll sein vorher in offenen Provokationsstudien die Eignung des experi- mentellen Versuchsaufbau zu überprüfen. Es ist zielführend Scheinexpositionsbedingungen im Ver- suchsablauf zu inkludieren. Ein sogenanntes Cross Over Design (die Versuchsteilnehmer werden nach dem Zufallsprinzip mehreren oder allen Expositionsbedingungen unterworfen) wird in vielen Studien vorgezogen. „Gewöhnungssitzungen“, in denen die Teilnehmer an den Versuchsaufbau und den Ablauf gewöhnt werden, können hilfreich sein. Auch die Zusammenstellung von Versuchsgruppen kann be- deutsam sein: eine z.B. in Bezug auf Alter, Geschlecht und Symptomatik sehr homogene Gruppe kön- nen die Aussagekraft der Studien einschränken, da sie nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung gültig ist. Bei sehr heterogenen Gruppen wiederum besteht das Risiko Effekte nicht erkennen zu können, da Effekte die nur in einer kleinen Gruppe der Bevölkerung auftreten, möglicherweise nicht erkannt werden können. Objektiv messbare Daten wie Herzrate oder Blutparameter werden üblicherweise subjektiven Daten wie Kopfschmerzen vorgezogen.

3.6.1.4 Epidemiologische Studien

Die Epidemiologie befasst sich mit der regionalen und zeitlichen Verteilung und Verbreitung von Krank- heiten in der Bevölkerung und mit denjenigen Faktoren, die diese Verteilung ursächlich beeinflussen.

Epidemiologie umfasst somit sowohl die reine Beschreibung von Krankheitsverteilungen (deskriptive Epidemiologie) als auch gezielte Ursachenforschung, meist im Rahmen von Beobachtungsstudien (ana- lytische Epidemiologie).

Epidemiologische Studien belegen in erster Linie eine statistische Assoziation. Sie sind damit ein Be- standteil des Nachweises einer Ursache-Wirkungs-Beziehung, als alleiniger Bestandteil sind sie aller- dings meist nicht ausreichend. Beobachtungen aus epidemiologischen Studien werden gestärkt, wenn Ergebnisse kontrollierter experimenteller Forschung (in vitro wie in vivo) in die gleiche Richtung deuten und/oder eine biologisch plausible Erklärung für die Beobachtung bekannt ist. Vorteile epidemiologi- scher Studien sind jedoch, dass sie reale Situationen abbilden, d.h. eine Exposition wird unter Alltags-

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bedingungen an denjenigen Menschen untersucht, die dieser Exposition auch tatsächlich ausgesetzt sind. Einige Studien am Menschen sind im Labor gar nicht möglich und die Übertragbarkeit der Be- obachtungen von Tier auf Mensch ist nicht immer gesichert. Epidemiologische Forschung hat zudem den Vorteil, dass die Bedeutung eines Effektes auf Bevölkerungsebene abgeschätzt werden kann.

Analytische epidemiologische Studientypen zu Krankheitsursachen werden nach ihrem methodischen Ansatz in ökologische Studien, Querschnittstudien und Längsschnittstudien unterteilt, wobei sich letzte- re Gruppe aus Fallkontrollstudien und Kohortenstudien zusammensetzt. Bevölkerungsbasierte Interven- tionsstudien sind in der Ursachenforschung eher selten.

Abbildung 3.6.1/2 veranschaulicht einige Charakteristiken epidemiologischer Untersuchungen. Als Maß für den Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankungsrisiko verwendet man meist das soge- nannte relative Risiko, das aus Kohortenstudien direkt aus dem Quotienten der Erkrankungsrisiken Ex- ponierter und nicht Exponierter errechnet werden kann und bei Fall-Kontrollstudien über das Chancen- verhältnis (Odds Ratio, im folgenden als OR-Wert bezeichnet) geschätzt wird. Das relative Risiko und dementsprechend der OR-Wert (Definition in Abbildung 3.6.1/3) können Werte über 1, unter 1 und den Wert 1 selbst annehmen (s. rechtes Teilbild in Abbildung 3.6.1/2). Man spricht dann im Zusammenhang mit dem untersuchten Faktor (z.B. EMF) von erhöhtem, reduziertem bzw. unbeeinflusstem Risiko für das Auftreten der betreffenden Krankheit. Ein relatives Risiko bzw. OR-Wert von 2 entspricht genau einer Risikoverdopplung bei Vorliegen der Exposition, ein relatives Risiko von 0,5 wäre eine Risikohal- bierung.

Bild 3.6.1/2: Grundsätzliches zur Epidemiologie

Das am häufigsten gebrauchte Maß für die statistische Verlässlichkeit des Risikoschätzers ist dessen Konfidenzintervall (Vertrauensbereich), das in Abbildung 3.6.1/2 mit dem Balken an den Symbolen dar- gestellt wird. Per Definition umschließt das Konfidenzintervall den „wahren“ Parameter mit hoher Wahr- scheinlichkeit, ein Fehler ist aber nicht ausgeschlossen. In der Realität wird bei Anwendung eines z.B.

95%-Vertrauensbereiches für ausreichend große Stichproben erwartet, dass bei einer 100-maligen Wiederholung des identischen Experimentes 95 der 100 Ergebnisse innerhalb des Konfidenzintervalls liegen. Das 95%-Konfidenzintervall korrespondiert auf diese Weise mit dem zweiseitigen statistischen Signifikanztest mit einem Signifikanzniveau von 5%. Befindet sich der Wert OR = 1 innerhalb des Ver- trauensbereichs, so ist die aus dem OR-Wert abgeleitete Aussage hinsichtlich Erhöhung oder Verringe- rung des mit dem Studienfaktor verbundenen Risikos auf dem 5%-Niveau nicht statistisch signifikant.

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Liegt der Wert OR = 1 hingegen außerhalb des Balkens, dann bezeichnet man den OR-Wert als statis- tisch signifikant.

Es kann gezeigt werden, dass die obere und untere Grenze CI+ bzw. CI- des 95%-Konfidenzintervalls für den OR -Wert aus folgendem Ausdruck näherungsweise berechnet werden können, wenn a, b, c, und d nicht zu klein (etwa >5) sind:

+ = CI bc

d a

. .

exp(±1,96. (1 1 1 1) d c b

a + + + 0,5

) (3.6.1/1)

Bild 3.6.1/3: Schema einer Fall-Kontrollstudie. Gesunde (Kontrollen) und Kranke (Fälle) sind mit auf- recht stehenden bzw. liegenden Symbolen angedeutet. Die Exposition ist mit den senkrechten Pfeilen, die sich auf die beiden linken Personengruppen beziehen, symbolisiert.

Das Risk Ratio berechnet sich wie folgt:

𝑅𝑅 =(𝑎/(𝑎+𝑐))/(𝑏/(𝑏+𝑑)) (3.6.1/2)

Im Falle des OR stellt man das Verhältnis der exponierten Erkrankten zu den nicht exponierten Er- krankten dem Verhältnis der exponierten Gesunden zu den nicht exponierten Gesunden gegenüber.

Es werden also vereinfacht gesagt Kranke mit Gesunden verglichen.

Im Falle des RR stellt man das Verhältnis der erkrankten Exponierten zu allen Exponierten dem Ver- hältnis der erkrankten Nicht Exponierten zu allen Nicht Exponierten gegenüber. Es werden also ver- einfacht gesagt (die Verhältnisse zwischen) Exponierten und Nicht Exponierten verglichen, es handelt sich um das Verhältnis bedingter Wahrscheinlichkeiten.

In der Epidemiologie wird die Darstellung einer Assoziation zwischen Exposition und Erkrankungsrisiko über Risikoschätzer und Vertrauensbereich dem statistischen Test gegenüber vorgezogen. Der Vorteil ist, dass diese Darstellung gleichermaßen Auskunft über die Stärke der Assoziation und die dazugehö- rige statistische Unsicherheit gibt. Bei einer hohen statistischen Unsicherheit, d.h. einem sehr breiten Vertrauensbereich, ist zu beachten, dass dann oft die statistische Nachweiskraft („statistische Power“) der Studie nicht besonders hoch war. Ein nicht statistisch signifikant erhöhtes Risiko darf deshalb nie im Sinne eines Nachweises eines nicht vorhandenen Risikos interpretiert werden.

Epidemiologische Fall-Kontroll-Studie

OR=a.d/(b.c)

2x2-Matrix mit den Elementen a: Kranke, die exponiert

waren

b: Kranke, die nicht exponiert waren

c: Gesunde, die exponiert waren

d: Gesunde, die nicht exponiert waren

a b

c d

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Kriterien zur Expositionserfassung in epidemiologischen Studien

Für die Einschätzung der Exposition in epidemiologischen Studien spielen die Begriffe Sensitivität und Spezifizität (auch Spezifität) eine große Rolle. Beide Begriffe stammen ursprünglich aus der Medizin und beschreiben die Qualität eines diagnostischen Tests:

Sensitivität beschreibt den Anteil der Personen die erkrankt (oder infiziert) sind, die ein positi- ves Testergebnis erzielen

Spezifizität beschreibt den Anteil der Personen die gesund (oder nicht-infiziert) sind, die ein negatives Testergebnis erzielen

In Bezug auf die Expositionsklassifizierung werden die gleichen Begriffe verwendet. Der Einfachheit halber wird ein binärer Expositionsstatus angenommen: entweder exponiert oder nicht exponiert. In Be- zug auf den wahren Expositionsstatus kann die Expositionsabschätzung zu einer Klassifizierung von Personen in vier Kombinationen führen (siehe Tabelle 11 ):

• (a) diejenigen, die als exponiert eingestuft werden, die tatsächlich exponiert sind

• (b) diejenigen, die als exponiert eingestuft werden, die in Wirklichkeit nicht exponiert sind

• (c) diejenigen, die als nicht exponiert eingestuft werden, die in Wirklichkeit exponiert sind

• (d) diejenigen, die als nicht exponiert eingestuft werden, die wirklich nicht exponiert sind Natürlich versucht man, (a) und (d) so groß wie möglich und b und c so klein wie möglich zu halten. Die Spezifität bezieht sich auf den Anteil der Personen, die exponiert sind und (korrekt) als exponiert klassi- fiziert werden (=a/(a+c)). Und die Sensitivität bezieht sich auf den Anteil der Personen, die nicht expo- niert sind und (korrekt) als nicht exponiert eingestuft werden (=d/(b+d)).

Wahrer Expositionsstatus Exponiert Nicht exponiert

Expositionsklassifikation Exponiert a b

Nicht Exponiert c d

Tabelle 3.6.1/1: Die vier möglichen Expositionsklassifikationen aus Neubauer et al 2005

Eine Expositionsabschätzung mit einer Spezifizität von 90 Prozent und einer Sensitivität von 80 Prozent bedeutet, dass 90 Prozent der nicht exponierten Personen korrekt als nicht exponiert und 80 Prozent der exponierten Personen korrekt als exponiert eingestuft werden. Die restlichen Studienteilnehmer werden fälschlicherweise der falschen Expositionskategorie zugeordnet, was in unserem Beispiel zu 10 Prozent falsch-positiven und 20 Prozent falsch-negativen Ergebnissen führt.

Für epidemiologische Studien mit wenigen hoch exponierten Personen ist die Spezifizität von gro- ßer Bedeutung, während die Sensitivität eine geringere Rolle spielt. Dies liegt daran, dass nur eine geringe Anzahl von Personen hoch exponiert ist und wenn auch nur ein geringer Anteil der Personen, die niedrig exponiert sind, fälschlicherweise als hoch exponiert eingestuft wird, führt dies zu einer star- ken Verfälschung der Ergebnisse, da ja die Anzahl der tatsächlich hoch exponierten Personen gering ist und daher eine starke Überschätzung der Anzahl der hoch exponierten Personen die Folge ist. Hinge- gen spielt eine kleine Sensitivität eine weitaus geringere Rolle, da ja die Anzahl der gering exponierten Personen hoch ist. Wenn also ein auch relativ großer Anteil der wenigen hoch exponierten Personen fälschlicherweise als gering exponiert eingestuft wird, so hat dies wenig Einfluss auf die Anzahl der als gering eingestuften Personen. Abbildung 3.6.1/4 zeigt die Auswirkungen von Spezifizität und Sensitivität auf ein modelliertes Risk Ratio (RR) mit einem geringen Anteil von 4,8% hoch exponierter Personen.

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Das tatsächliche RR beträgt 5. Man sieht dass das RR auch bei einer relativ hohen Spezifizität von 0,98 stark verfälscht wird, im Gegensatz dazu ist das Ergebnis auch bei sehr schlechter Sensitivität von z.B.

0,6 vergleichsweise wenig stark beeinflusst.

Bild 3.6.1/4: Modelliertes RR mit verschiedenen Annahmen zur Spezifizität und Sensitivität aus Neu- bauer et al 2007

Abgesehen von der Bedeutung von der Sensitivität und der Spezifizität sind verschiedene Expositions- metriken für epidemiologische Studien über die Exposition durch elektromagnetische Felder durch Quel- len relativ geringer Exposition bei unbekannten Wirkmechanismen wie zum Beispiel Basisstationen von Bedeutung. Hier können drei Konzepte herangezogen werden:

• Der Fokus auf Expositionen über einem bestimmten Schwellwert

• Heranziehen einer kumulativen Exposition unter Annahme einer linearen Dosis- Wirkungsbeziehung

• Der Fokus auf die Expositionsvariabilität

Denkbar ist auch eine Kombination der oben genannten Ansätze. Ein weiterer relevanter Aspekt können unterschiedliche Signalcharakteristika sein. Hier stehen sich zwei diametrale Ansätze gegenüber:

• Abgesehen von der Intensität spielen alle anderen Parameter keine Rolle

• Demgegenüber steht die Ansicht, dass Parameter wie Frequenz, Tastverhältnisse, Modulation sowie auch Intensität für die Gesundheit von Bedeutung sein können

Die Annahme spezifischer Effekte wie die Auswirkung der Modulation würde die Nicht-Berücksichtigung Quellen mit Signalen mit anderer Modulation gerechtfertigen, hingegen ist bei der Annahme nicht-

Sensitivity

RR

1 0.8 0.6 0.4 0.2

012345

Specificity=1

Specificity=0.9 Specificity=0.7 Specificity=0.98

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spezifischer Effekte die Vernachlässigung anderer Quellen nur in bestimmten Fällen zulässig, zum Bei- spiel wenn die Expositionsbeiträge der anderen Quellen vergleichsweise vernachlässigbar sind.

Abschließend werden zum Themenkomplex Spezifizität und Sensitivität noch Beispiele aus dem Pan- demiemanagement gebracht (Epidemiologisches Bulletin 8/2021, Robert Koch Institut).

Zum Nachweis der Infektion durch SARS-CoV-2 stehen einerseits PCR Test auf Basis von Nukleinsäu- reamplifikation sowie Antigentests zur Verfügung, die unterschiedliche Sensitivität und Spezifizität auf- weisen. Im Folgenden wird anhand einiger Beispiele die Vorhersagewerte von Tests bestimmt.

Bild 3.6.1/5: Vorhersagewerte von Tests bei einer angenommen Inzidenz von 1 % sowie einer Sensitivi- tät von 95 % und einer Spezifizität von 99 %

Bild 3.6.1/6: Vorhersagewerte von Tests bei einer angenommen Inzidenz von 10 % sowie einer Sensiti- vität von 95 % und einer Spezifizität von 99 %

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Bild 3.6.1/7: Vorhersagewerte von Tests bei einer angenommen Inzidenz von 1 % sowie einer Sensitivi- tät von 99 % und einer Spezifizität von 95 %

Die Ergebnisse aus den Abbildungen 3.6.1/5 bis 3.6.1/7 verdeutlichen die Bedeutung der Inzidenz (man spricht in dem Zusammenhang auch von der Vortestwahrscheinlichkeit) bei der Durchführung von Tests zum Status der Infektion in einer Population. Bei einer geringen Anzahl von Infizierten führt die Ver- gleichsweise hohe Anzahl an Falsch Positiven zu einer relativen geringen Aussagekraft durch die posi- tiven Vorhersagewerte, die tatsächliche Anzahl der Infizierten kann beträchtlich überschätzt werden.

Dieser Effekt tritt trotz relativ hoher Spezifität der Tests („Gesunde werden als Gesunde erkannt“) auf und verringert sich sobald die Anzahl der Infizierten in der Gesamtpopulation zunimmt. Das gleiche Problem tritt bei einer möglichen Studie über die Effekte hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf, wenn nur ein geringer Anteil der Population vergleichsweise hoch exponiert ist.

3.6.1.5 Dosimetrie

Zuverlässige Studien über biologische Effekte elektromagnetischer Felder setzen adäquate Expositi- onseinrichtungen und geeignete Methoden zur Expositionserfassung voraus. Ein Expositionsaufbau muss eine reproduzierbare und genaue Exposition erlauben. Dies bedeutet, dass das elektromagneti- sche Feld am Ort der Zellkulturen oder in einem bestimmten Gewebe von Versuchstieren oder Freiwilli- gen genau bestimmbar sein muss. Einflussfaktoren auf die Exposition wie die Haltung des Tieres im Versuchsaufbau oder anatomische sowie morphologische Variationen müssen berücksichtigt werden und ihr Einfluss auf das Experiment möglichst gering gehalten werden. Außerdem sind Umweltbedin- gungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Hintergrundfelder zu kontrollieren.

Zur Expositionsbestimmung sind grundsätzlich zwei Ansätze verfügbar: Messungen und Berechnungen.

Die adäquate Auswahl des Expositionsequipments hängt von der Art, der Größe und der Variabilität der Signale der Emissionsquellen sowie der Art der Studie ab. Bei der Expositionsbestimmung sind Umge- bungsbedingungen sowie Multi-Quellen Exposition zu berücksichtigen. Bei der Expositionsbestimmung sind Unsicherheitsbilanzen von großer Wichtigkeit. In Abbildung 3.6.1/5 wird links eine Expositionsein- richtung aus dem EU Projekt Perform A für Versuchsratten gezeigt, die Abbildung rechts zeigt die ein- zelnen Schritte bei der Bildung und Anwendung von numerischen Modellen von Versuchsratten, die es erlauben die Feldverteilung innerhalb von Versuchstieren zu bestimmen.

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Bild 3.6.1/5: Expositionseinrichtung für Versuchstiere aus dem Projekt PERFORM A (links) sowie die Schritte zur Expositionsbestimmung in Versuchstieren (rechts)

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