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Zu ausgewählten jue/k-Balladen der Sechzehn Staaten (304-439)

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(1)

(304-439) und der Nördlichen Weí-Dynastie (386-534) 1

Seit

Beginn der Westlichen Han-Dynastie

(206

v.u.Z. bis

9

u.Z.) war das so genannte „Musikamt" (Yuefu HlJ#) ein fester Bestandteil des imperialen Verwaltungsapparats. Seine Aufgabe bestand unter anderem darin, im Volk

kursierende Lieder zu sammeln und zu archivieren (man glaubte dadurch Rückschlüsse auf die Stimmung in der Bevölkerung ziehen zu können). Der Name des Amtes wurde bald auch als Gattungsbezeichnung für diese Lieder verwendet; im Deutschen wird yuefu mit „Balladen", „Volksgesänge" oder

„Musikamtslieder" übersetzt.

2

Im Vergleich zu den Gedichten, die von Ge¬

lehrten verfasst wurden, zeichnen sie sich durch einen unkomplizierten Stil aus, der weitgehend auf ,versteckte' (d.h. nur Gelehrten verständliche) An¬

spielungen oder Andeutungen verzichtet; auch thematisch unterscheiden sie sich durch ihren klaren Bezug zum

A

lltagsleben des ^niederen' Volkes deutlich von jenen. Das Genre erfreute sich dennoch unter den Gelehrten so großer Beliebtheit, dass viele von ihnen selbst Gedichte Imyuefu-SûX verfassten.

Zu Beginn des vierten Jahrhunderts brach die Westliche Jin-Dynastie P

tí"

(265-316) auseinander, und große Teile des Nordens gerieten unter die Herrschaft von Fremdvölkern

3

wie den Xianbei ffl^> den Qiang In, den 1

Für hilfreiche

Anmerkungen

und Hinweise bedanke ich michbei

Lutz

Bieg

(Köln), Florian Reiter

(Berlin) und He l

molt Vittinghoff (Köln).

2 Zu den

(teilweise

erheblichen)

Bedeutungs Verschiebungen des Begriffs

yuefu vgl.

insbesondere

Liu

Yuejin

SJiSïiÈ: Zhonggu wenxue wenxian

xue ÍílSv'?^ (Mate¬

rialienkunde zur mittelalterlichenLiteratur). Nanjing

1997,S.

225-264, und Cao Dao-

II

eng

HfJËÛÏ,Liu

Yuejin: Xian

Qin Hang

Han

wenxue shiliao xue

^iiMIt^^ifef^^

(Historische

Materialien

zur

Literatur

der Vor-

Qin-Zeit

undder

Han-Dynastien). Beijing

2005, S. 378-413. -

WeiterführendeLiteratur

zum Thema yuefu:

Anne Birrell: Popular

Songs and Balladsof

Han China. London

1988;

Joseph

R.

Allen:

In the Voiceof

Others.

ChineseMusicBureau Poetry. Ann

Arbor

1992.

Charles

H.

Egan

hat sich detailliert

mit

der Frage

auseinandergesetzt,

inwieweites sich bei yuefu tatsächlich um Volksgut

handelt.

Seine

Betrachtungbeschränkt

sich dabei ausschließlich auf den

Zeitraum

der späten

Han.

Vgl.Ch

arles H. Egan: „Reconsidering

the Role of

Folk

Songs in Pre-T'ang

Yueh-Fu

Development." In:

Toung

Pao 86 (2000),S.

47-99.

3 Der

Begriff ist nicht unp robi emat i sch, da nach dem Zerfall der Westlichen

Jin die

meisten Staaten des

Nordens

von

Führern

einiger Völker gegründet

wurden,

die

teilweise

Von Thilo Diefenbach, Köln

(2)

Di

oder den Xiongnu HM. Bis zur Einigung der Gebiete im Jahre 439 durch die Nördliche Wei-Dynastie JblJt (386-534) wurden diese - von einer kurzen Phase der Einheit unter der Früheren Qin-Dynastie ftfft (351-394) zwischen 376 und 384 abgesehen - von einer Reihe nebeneinander existie¬

render, teilweise sehr kurzlebiger Staaten beherrscht, die üblicherweise zu¬

sammenfassend

als

Shiliu guo I*/\ H (Sechzehn Staaten) bezeichnet werden. 4 Einige dieser nördlichen Staaten haben wohl auch über eigene Musikämter verfügt, ihre Aufzeichnungen sind jedoch nicht erhalten. 5

Die hier übersetzten yuefu stammen alle aus dem

25.

Kapitel des Yuefu shiji Mííf¥fM (Sammlung von yueîu-Lyrik), das der Gelehrte Guo Maoqian fßj^flf (Lebensdaten unklar) um 1126 mit Rückgriff auf zahlreiche heute verlorene Quellen kompilierte.

6

Im ersten Teil dieses Kapitels mit dem Titel Liang gujiao hengchui qu ^StÄÄ^ft (etwa: „Lieder aus Liang, die von Trommeln und geblasenen Hörnern sowie Querpfeifen begleitet werden") findet man 21 anonyme Lieder mit insgesamt 66 Strophen, von denen die meisten vermutlich aus den Sechzehn Staaten (304-439) stammen;

7

einige

schon seit Generationen innerhalb des chinesischen Herrschaftsbereichs gelebt hatten und daher in der Regel bereits bis zu einem gewissen Grad assimiliert waren. Darin be¬

steht ein wichtiger Unterschied zu den Vorgängen inner- und außerhalb des Römischen Reichs während der Völkerwanderungszeit. Vgl. dazu Charles Holcombe: The Genesis

ofEast Asia221 B.C. -A.D. 907. Honolulu 2001, S. 116-128.

4 Diese Zahl scheint allerdings etwas willkürlich gewählt zu sein, da einige Dynas¬

tien jener Zeit von der offiziellen Geschichtsschreibung aus unbekannten Gründen nicht mitgerechnet wurden und werden. Vgl. dazu Otto Franke: Geschichtedes chinesischen Reiches. Berlin/New York22001 [1948-1965J.Band II, S. 116-117.

5 Siehe Zhou Jianjiang JWUti: Beichao wenxueshijb^Ü'^ Î! (Literaturgeschichte der nördlichen Dynastien). Beijing1997,S.55.

6 Als Grundlage für die hier vorgelegten Ubersetzungen wurden folgende Ausgaben verwendet: Guo Maoqian (Komp.): Yuefu shiji. Beijing 62003 [1979]. Vierbändige Zhonghua shuju-Ausgabe in Langzeichen; fortan als YFSJ abgekürzt; Guo Maoqian (Komp.): Yuefushiji. Shanghai 1998.Einbändig, in Kurzzeichen; fortan alsYSabgekürzt;

Cao Daoheng WÄÄT (Hrsg.): Yuefu shixuan WíJfíWfM(Ausgewählte yueiu-Lyrik). Bei¬

jing 2000. Nach vermuteter Herkunft der Lieder geordnet, in Kurzzeichen, enthält An¬

merkungen und Kurzinterpretationen; fortan als YFSX abgekürzt; Wang Yunxi

Wang Guo an zEH'i: (Hrsg.): Han WeiLiuchao yuefu shi pin gzhu MMr\tñMMW Sf ft (Kommentierte yueiu-Lyrik der Han-, Wei- und Sechs Dynastien). Jinan 2000. Ausge¬

wählte yuefu mit Anmerkungen und Kommentaren; fortan alsHWYS abgekürzt; Chen Xiao IÉB#(Hrsg.): Han Weiyuefu MMMM (Yuefu der Han- und We i-Zeit). Zhuhai 2004. Ähnelt im Aufbau dem HWYS; fortan alsHWYF abgekürzt.

7 Die häufig anzutreffende Sammelbezeichnung der Liederdes 25. Yuefu shiji- Kapitel s als „yuefu der Nördlichen Dynastien (Beichao yuefu Ít4ñMM) Mist daher ungenau, wie Cao Daoheng betont hat (denn der Begriff beichao umfasst nicht die Sechzehn Staaten, dafür aber z.B. auchdie Nördliche Zhou™ itM (557-581) und die Nördliche Qi-Dynastie JtPf (550-577); es findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass yuefu aus diesen Staaten im 25.Kapitel vorhanden sind). Vgl.Cao Daoheng: Guanyu Beichao yuefu minge|ü) i :":lt -IKÜiifRM (Über yuefu und Volkslieder der Nördlichen Dynastien). In: Cao Daoheng:

(3)

könnten jedoch auch erst nach der Einigung durch die Nördliche Wei-Dy¬

nastie entstanden

sein. 8

Die yuefu dieser Periode haben bislang in der west™

liehen Sinologie eher wenig Beachtung gefunden; in der Regel findet man in Anthologien oder Literaturgeschichten nur vereinzelte Beispiele, d.h. über¬

setzte Einzelstrophen, nie aber ganze Lieder. Hauptanliegen dieses Beitrags, der eine Vorstudie zur Erforschung der Literatur jener Epoche darstellt, ist daher eine Erweiterung des Blickwinkels.

Das 25. Kapitel des Yuefu shiji geht - wie der oben genannte Titel an¬

deutet- auf Sammlungen der Liang-Dynastie IS zurück, die von 502 bis 557 den Süden des ehemaligen Jin-Reiches beherrschte und offensichtlich auch Liedgut aus den nördlichen Gebiete berücksichtigte (die Grenzen zwischen Nord und Süd waren während des gesamten Zeitraums sehr viel durchlässiger, als man aufgrund der damaligen politischen und militä¬

rischen Situation vermuten könnte). Es ist sehr wahrscheinlich, dass dabei auch aus den Sprachen der Fremdvölker übersetzt wurde (vgl. Nr. 12.4). Da sich der genaue Ursprung der Lieder aber nicht mit Sicherheit feststellen ließ, wird die Einstufung von Liedern als „nördlich" oder „südlich" von chinesischen Forschern meistens anhand thematischer Gesichtspunkte vor¬

genommen: Was kriegerisch und raubeinig klingt, wird in der Regel den nördlichen Fremdvölkern zugeschrieben; was dagegen sanft, erotisch oder elegisch klingt, dem Süden.

9

Die Themen- und Ausdrucksvielfalt, die in den hier übersetzten Liedern zu finden ist, scheint gegen dieses Muster zu sprechen: Man hört von Liebe (wobei in diesem Zusammenhang auch einige Male weibliche Perspektiven eingenommen werden; vgl. Nr. 5.3,

5.4) 10

und

Zbonggu wenxueshi lunwen

ji

rf1 ÍT

Ï í

¡Mi5C>fc {Gesammelte Aufsätze

zur mittelalter¬

lichen

Literatur).

Beijing 2002[1986],S.

140-154.

8 Cao Daoheng

hat darauf

hingewiesen,

dass man bei manchen Liedern

-

er

nennt

alsBeispieledie weiter

unten

als

Nr.

9, 10

und

11

aufgeführten-

nicht mehr

entscheiden

könne, zu welcher Zeit und an welchem

Ort

sie

entstanden seien.

9

Vgl.

Zhou Jianjiang

1997, S.

212-13; Cao Daoheng, Shen Yucheng jÇfcE£j$:

Nanbei

chao wenxue shi Pf3

Jb^ji^St

{Geschichteder

Literatur

der Nördlichen und

Süd-

liehen

Dynastien).

Beijing1998, S. 451-452;

Luo Yuming SzEöJ, Zhang Zongyuan

r

M

tkIiK:

Nanbeichao wenxue tiíit$¡

SC*/ : {Die

Literatur

der

Nördlichen

und Südlichen

Dy¬

nastien). Hefei21998 [1991], S. 37-38.

-

Manche Wissenschaftler versuchen, die

wechsel¬

seitigen Einflüsse zwischen

,Nationalcharakter' und Kultur

der

Nordvölker darzulegen;

dabei gleitensie jedoch nicht selten ins Schematischeab. Vgl. Wu

Xianning Bei¬

chao wenhua

tezhiyu

wenxuejinch eng

;|^ SCÎ^ffî

ï::l "SC'9

K

{DieBesonderheiten

der

Kultur der Nördlichen

Dynastien

und die Entwicklung ihrer

Literatur).

Beijing1997;

Cao Daoheng

WxËÎtï: Nan cha o wenxue yu Beichao wenxue

yanjiu I^M^#^Â4b?fl3t^¥î?L

(Die

Literatur

der Südlichen

Dynastien

unddie Erforschungder

Literatur

der

Nördlichen

Dynastien).

Nanjing 1999.

10 Da es sich hier (vermutlich) um Volksdichtung handelt, ist es

natürlich

gut

möglich,

dass solche Lieder

tatsächlich von Frauen gedichtet wurden. Dennoch besteht

auch

in

diesen Fällendie Möglichkeit, dasssie von

Männern stammen.

(4)

männlichem Heldentum (vgl. Nr. 1.1, 2.1, 12.5) ebenso wie von Angst vor dem Krieg und dem Tod (vgl. Nr. 1.4, 3.2), aber auch Kritik an sozialer Un™

gleichheit (vgl. Nr.

7,

14.1). Auffällig ist die fast durchgängige Verwendung von Naturbildern, ein stilistisches Element, das in der chinesischen Volks¬

und Balladendichtung seit jeher eine große Rolle gespielt hat. Die meisten Lieder sind thematisch nicht homogen, was auf Schwierigkeiten schon bei der ursprünglichen Kompilation durch Guo Maoqian hinweisen könnte (Nr.

8, 9

und

10

sind bemerkenswerte Ausnahmen). Ursache für diese Hete- rogenität ist wahrscheinlich die Tatsache,

dass

die unter einem Titel zusam- mengefassten Lieder nach derselben Melodie gesungen wurden. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass die Titel der Lieder nur selten direkt etwas mit dem Inhalt der unter ihnen zusammengefassten Strophen zu tun haben (ein Phänomen, das an die in der Song-Zeit [960-1279] sehr populäre ci ll- Dichtung erinnert). Darüber hinaus sind die Titel zum großen Teil auch oft unverständlich, weil sie sich oft auf inzwischen vergessene Personen bzw.

Ereignisse oder längst umbenannte Orte beziehen (auch die modernen chi¬

nesischen Kommentare wissen hier oftmals nicht weiter

11

).

Das vorherrschende Reimschema der hier vorliegenden yuefu ist

„x a x

a", wobei

x

für eine nicht reimende Zeile steht.

12

Seltener trifft man auf die Sche¬

mata „a b a b" oder „a b b a"; noch seltener sind Lieder wie das Longtou liushui geci Pfl°lÜt7Xlf II (Texte zum Lied von den Flüssen beim Longtou)

13

, in dem überhaupt keine Reime feststellbar sind, oder die zweite Strophe des Liedes Gegu ge

M^tMX

(Nr.

9),

in dem jede der vier Strophen auf denselben Reim endet („a

a a

a").

1.

Qiyu geci siqu ±mXBE ft (Vier Strophen zum Lied von Qiyu) 14 (l.i) 15

Ein Mann

soll

stets

ein

starker Recke sein, Nur selten

soll n

Gefährten ihn begleiten!

11 Vgl.beispielsweise die Fußnoten 14, 20,32und 47.

12 Zur Rekonstruktion der frühmittelalterlichen Aussprache desChinesischen habe ich zurückgegriffen auf Edwin G. Pulleyblank: Lexiconof Reconstructed Pronunciation in Early Middle Chinese, Late Middle Chinese and Early Mandarin. Vancouver 1991.

13 Mit „Longtou" sinddie noch heute alsLongshan KIlit (Long-Berge) bekannten Ge¬

birgszüge an der südlichen Grenze zwischen den Provinzen Shaanxi und Gansu gemeint.

Vgl. Nr. 2.5.

14 YFS] II, 363;YS 299-300; YFSX 459-460. HWYF 171-172 enthält 1.1, 1.2und 1.4;

HWYS 17-19 enthält 1.1und 1.4. - Die Bedeutung von „Qiyu" ist unklar; es könnte sich um einen Ort oder um eine Person handeln.

15 Eine (ungereimte) Ubersetzung ins Englische findet man in Stephen Owen: An Anthology of Chinese Literature. New York/London 1996,S. 240.

(5)

Sowie

der

Sperber hoch

am

Himmel fliegt, Der Spatzen Schar zerstiebt nach beiden Seiten.

Diese Strophe demonstriert das heroische Kriegerideal, das in der teilweise nomadischen Gesellschaft des Nordens offensichtlich vorherrschend war.

Chinesische Forscher ziehen sie häufig als Beleg für die „Wildheit" der nördlichen Völker heran.

16

Tatsächlich lässt es sich nicht leugnen, dass man derartige Lobeshymnen auf männliche Stärke nicht in den yuefu findet, die - soweit man dies rekonstruieren kann - zu jener Zeit im Süden des Reiches

entstanden. Ohnehin nimmt das Pathetisch-Kriegerische in der gesamten chinesischen Literaturgeschichte offensichtlich nur wenig Raum

ein.

17

(1.2)

Am großen Moor

lass

deine Pferde weiden,

Das Gras

ist

saftig,

dass der

Rappe wohl gedeihen kann!

Nimm deinen Schild,

leg an

den schweren Harnisch Und ziere deinen Helm mit Federn vom Fasan.

Die Fasanenfeder bzw. der Fasan stehen für bedingungslosen Kampf bis zum Tod.

(1.3)

Wer

beim Marsch

von

vorne

sieht die

hinteren Ränge, Erblickt eiserne Panzer

in

dichtem Gedränge.

Schaut von vorn nach hinten der tapfere Soldat,

So

sieht

er aus

Helmen

ein

eisern' Ornat.

(L4)

18

Ein armer Wurm fürwahr

ist

jeder Mann,

Fernab der Heimat muss

er

stets

an

Tod und Qualen denken.

Sein

Leichnam liegt verborgen

tief in

Schluchten dann, Ein Grab wird seinen bleichen Knochen niemand schenken.

Diese Strophe scheint der Aussage der ersten Strophe zuwiderzulaufen, denn eine solch pessimistische Sicht dürfte den Kampfesmut nicht gerade fördern. Da j/¿e/^-Dichtung mit kriegskritischen Untertönen während jener Zeit im Süden weit verbreitet war, liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier um eine falsche Zuordnung handeln könnte. Tatsächlich aber weist schon Guo Maoqian in seiner Vorbemerkung zu diesem Lied darauf hin, dass die

16

Cao Daoheng,

S hen

Yuchenc

1998, S. 456;

Zhou Jianjiang

1997, S. 58; Luo

Yu-

MiNG,

Zhang Zongyuan

1998, S. 38; YFSX

460.

17 Vgl. den Uberblick zur

Gewaltdarstellung

in

vormoderner

chinesischer Literatur

in Thilo Diefenbach:

Kontexte der Gewalt in moderner chinesischer Literatur.

Wiesbaden

2004, S.

33-88.

18 Eine

ungereimte Übersetzung

ins Englische findet man in

Stephen Owen 1996,

S.

241.

(6)

letzte Strophe in der (heute verlorenen) Anthologie Gujin yuelu Jï^/MM Fu Rong í\fSÍ zugeschrieben wird, dem jüngsten Bruder des als besonders kriegslüstern bekannten Herrschers Fu Jian ífM (reg. 358-385) der Frühe¬

ren Qin-Dynastie

HÍfiH

(351-394). Diese Zuschreibung suggeriert eine pa¬

zifistische Haltung Fu Rongs; allerdings scheint er sich tatsächlich aus eher pragmatischen Gründen gegen den geplanten Feldzug seines Bruders gegen die Jin-Dynastie ausgesprochen zu haben. 19

2. Langyawang geci ilf Kl^If

(Texte zum Lied über den Prinzen von Langya) 20

(2.1)

21

Ich

habe mir

ein

neues Schwert gekauft, von fünf Fuß Länge, Nun hängt

es

dort

am

Mittelbalken

in dem

Dachgestühl.

Tagtäglich geh'

ich

hin,

die

Klinge

zu

liebkosen,

Eine Maid von fünfzehn Jahren erzeugt

in

mir kein schöneres Gefühl.

(2.2)

Höre, Langya, Langya, hör' mich an,

Wie

groß und ritterlich

ist

dein Regent!

Und scheint

die

Sonne warm

im

zweiten, dritten Monat, Dann legt

er an sein

reich geschmücktes Kettenhemd.

(2.3)

Vom

Ostberg schau'

ich auf den

Westberg, Des Flusses Fluten

an die

Felsen schlagen.

Eine Wiederheirat nach

dem

Tod

des

Vaters

Ist

für den Sohn

am

schwersten zu ertragen.

(2.4)

Höre, Langya, Langya, hör' mich an,

Wie

groß und ritterlich

ist

dein Regent!

Laut schreit

der

Hirsch, der grüne Wiesen misst, Betrübt

ist

jeder Mann, der

sich

nach Hause sehnt.

19 Vgl.dazu die Zusammenfassung der Diskussion um den geplanten Angriff in Otto Franke: Geschichtedes chinesischen Reiches. Band II,S.92-95.

20YFS] II, 364; YS 300-301; YFSX 460-62 enthält 2.1,2.3, 2.5, 2.7 und 2.8; HWYS 19-20 enthält 2.1.und 2.7;HWYF 177enthält 2.1.- Der Ort Langya lag in der Nähe des heutigen Linyi Bjjtf/f in der Provinz Shandong; die Identität der titelgebenden Person ist unklar. Während Zhou Jianjiang (1997,S.60) von einem gemeinsamen Ursprung aller Strophen dieses Liedes ausgeht, verweist das YSFX (462) auf die thematischen Uneinheit¬

lich keiten.

21Liegtinungereimter englischer Ubersetzung vorin Stephen Owen 1996, S.241.

(7)

(2.5)

Zwölf große

Tore

hat

die

Stadt Changan,

Das

,Tor des Glanzes 4ist als

prachtvollstes bekannt.

Vom Long™Gebirge

fließt

der Wei in diese

Stadt

Bis

hin zu einer Brücke,

die

nach ihm benannt.

Die Stadt Changan -pl'lc lag in der Nähe des heutigen Xi an

'Ic

(Provinz Shaanxi) und diente einigen Staaten jener Zeit als Hauptstadt. Das Long™

Gebirge

HI

ill, in dem sich die Quelle des Flusses Wei Vr/K befindet, liegt im Süden der heutigen Provinz Gansu.

(2.6)

Höre, Langya, Langya, hör' mich an,

Groß und

edel ist der

Herrscher,

der

über

alle

wacht!

Scheint

die

Sonne heiß

im

dritten, vierten Monat, Sucht man den

Schlaf, wo

keine Sonne lacht.

[Der

elfte

Monat bringt den strengsten Winter,

Man kehrt zur Frau zurück,

die

dann

das

Essen macht.]

Guo Maoqian verweist in einer Vorbemerkung zu dieser Strophe auf das Gujin yueluj in dem die beiden letzten Zeilen an den Vierzeiler angehängt sind. Diese Irregularität ist wohl ein weiterer Hinweis darauf, dass die hier zusammengefassten Strophen ursprünglich nicht zusammengehörten.

(2.7) _

Als

Fliehender vertraut man

auf

den Schutz

des

Forts Und sucht

des

wackren Kommandanten Nähe.

In

unwegsamen Bergen sucht

der

wilde Tiger Schutz,

Wo

Kiefern und Zypressen wachsen

in die

Höhe.

Hier wird auf die Situation der Einwohner von den Gebieten des Nordens des zerfallenen Jin-Reiches Bezug genommen, die sich angesichts der maro¬

dierend umherziehenden Armeen oft in Forts verschanzten. 22 (2.8)

Mit

wehender Mähne fliegt

das

Pferd,

Von

ferne gleicht

es

einer Drachenbrut.

Wer

kann

es

zähmen, kann

es

reiten?

Der Herzog von Guangping beherrscht

es

gut.

Mit dem Herzog von Guangping

/ill

YÄ ist Yao Bi MÏM gemeint, der Sohn des Herrschers der Späteren Qin-Dynastie Jníü (384-417), Yao Xing (reg. 394^416).

22 Vgl.

dazu David

A.

Graff:

Medieval Chinese Warfare.

London/New

York

2002,

S.

55-56.

(8)

3. Ziliuma geci jgfflMWlfö

(Texte zum Lied vom hellbraunen Pferd mit schwarzer Mähne) 23 (3.1)

Zur Jagd entfacht, verbrennt das Feuer Wald und Wiesen, Wilde Gänse, scharenweise, flieh'n erschreckt von hinnen.

Die alte Kriegerwitwe sucht sich einen jungen Kerl als Gatten Und kann dem Männermorden so noch Gutes abgewinnen.

(3.2) _

Sieh die Bäume auf den hohen Gipfeln, Die Blätter fall'n, wenn Winde wehen.

Viel' tausend Meilen bin ich schon marschiert - Wann werde ich die Heimat wieder sehen?

Die ersten beiden Strophen sind voneinander unabhängige Kommentare zum Kriegsgeschehen. Die nun folgenden Strophen erzählen dagegen eine zusammenhängende Geschichte. Guo Maoqian bezeichnet 3.3 bis 3.6 als gu shi TÊftf, wörtl. „altes Gedicht" bzw. „Gedicht im alten Stil" (auch guti shi ífíISI^). Gu shi sind längere fünf- oder siebensilbige Gedichte, die auch enge Verbindungen zur Volkspoesie aufwiesen, im Gegensatz zu den yuefu aber nicht gesungen wurden. Sie waren als Gattung besonders in der späten Iian- Zeit MM (25-220) populär.

(33)

Mit fünfzehn Jahren zog man mich zum Militärdienst ein, Erst mit achtzig dürft' ich mich nach Haus begeben.

Ein Landsmann kommt mir unterwegs entgegen -

„Sag, wer aus meiner Sippe ist heut noch am Leben?"

(3.4)

„Sieh Dein Haus, dort hinten in der Ferne, Unter jenen Bäumen reiht sich Grab an Grab.

Hasen hoppeln da, wo früher Hunde wachten, Unterm Dache fliegen Hühner auf und ab.

(3.5)

Der Innenhof, von wilder Hirse ist er ganz bedeckt Wuchernd wachsen Malven auf des Brunnens Seiten.

Aus Hirse kannst du eine Mahlzeit kochen Und aus den Malven eine Suppe dir bereiten."

(3.6)

Schnell ist meine Mahlzeit gar -

Doch wer kann meine Lieben mir ersetzen?

23YFSJ II, 365;YS 301;YFSX 462-463; HWYS 20-22 enthält 3.2 bis 3.6;HWYF 173 enthält 3.2, allerdings unter dem falsch zugeordneten Titel Ziliuma ge (vgl.Nr. 4).

(9)

Ich trete aus dem Tor und blicke ostwärts Sieh, wie Tränen mein Gewand benetzen.

4. Zíliuma ge HIIMf:

(Lied vom hellbraunen Pferd mit schwarzer Mähne) 24 Ein Ast allein ist noch kein Baum,

Ein Baum allein ist noch kein Wald.

Ich vermisse meinen schmucken Mann, Nie vergess' ich seine herrliche Gestalt!

5. Diqu ge yue cí MmXWiB

(Texte zur Musik des Liedes von der Treibjagd) 25 (5.1)

Grün die Wiesen warn, und gelb die Felder, als die Roten Felsen in die Tiefe krachten!

Las st uns wilde Rinder jagen und dann töten, Lasst uns wilde Ziegen fangen und dann schlachten!

Hier wird wahr schein 1ich ein Naturereignis aufgegriffen, das sich nicht mehr genau datieren lässt: Wie Li Daoyuan IPÜijn (?-527) im zweiten Ka¬

pitel seines Shuijing zhu TK^ríí: (Kommentar zum Buch über die Flussläufe) erwähnt, soll während der Zeit der Sechzehn Staaten ein ganzer Berg am Ufer des Gelben Flusses in sich zusammengestürzt sein. 26

(5.2)

Die Herde trottet langsam in das Tal, Ein weißes Schaf geht ihr voran.

Die alte Jungfer, die keinen Mann mehr findet Sinkt bald auf die Knie und fleht den Himmel an.

(5.3)

Oh Weh und Ach, hört an meine Klage:

Ich werde ihn vermissen bis ans Ende aller Tage!

Wie gerne lehnte ich den Kopf an seine Schulter, Treu folgt' ich ihm in jeder Lebenslage.

(5.4)

Lass mich streicheln deine bärtgen Wangen, Bitte, lass mich dein Gesicht ansehen.

Deine Liebe zu mir ist schon lang vergangen, Nun lass uns wieder auseinander gehen.

24YFSJII, 365-366; YS 303;YFSX 464.

25YFSJII, 366-367; YS302;YFSX 465-466; FIWYS 22-23 enthält 5.2und 5.3.

Vgl. Li Daoyuan: Shuijing zhu quanyi /KMf^E^M. Guiyang 1996, Band1, S.46.

26

(10)

Das HWYS hebt bei den letzten beiden Strophen hervor, dass derart forsche und direkte Liebeserklärungen typisch für die selbstbewussten und eigen™

ständigen Frauen der Nordvölker gewesen seien. In den südlichen yuefu da¬

gegen könne man solche Töne kaum antreffen.

6. Díqu yuege MñMW

(Zur Musik des Liedes von der Treibjagd) 27 Der Mond strahlt hell am Himmel, die Sterne langsam untergehen Lass mich bitte schon bald wissen, ob wir uns einmal wieder sehen.

Z Qiao laoli geci ÍÉff f fjfc»

(Text zum Lied von den Sorgen der Spatzen) 28

In dichtem Schneegestöber den meisten Spatzen fällt die Futtersuche schwer, Ein langer Schnabel kann den Bauch wohl füllen - ein kurzer hilft nicht allzu

sehr.

8. Murong Chui geci HWÜltíí

(Text zum Lied über Murong Chui) 29 (8.1)

Fürst Murong auf den Stadtwall steigt, er sieht sich um -

Das Heer aus Wu erstreckt vor seinen Augen sich schier uferlos.

„Wie gerne würd' ich selbst mich nun in dies Getümmel stürzen, Die lian vor unsern Toren töten, grausam und erbarmungslos!"

(8-2)

Als den Fürsten wenig später tiefe Trauer dann befällt, Entzündet Weihrauch er, den großen Buddha anzuflehen.

„Am liebsten würde ich in eine Schwalbe mich verwandeln, Aus diesen Mauern aufzusteigen bis weit in luft'ge Höhen."

(8.3)

Zum Tor hinaus Fürst Murong schließlich tritt; er sieht sich um.

Das Heer aus Wu erstreckt vor seinen Augen sich schier uferlos.

Laut seufzt er auf: „Ach, meine Untertanen und Minister, Weh mir! Diesmal ist die Lage wahrhaft aussichtslos."

Murong Chui ülffl (reg. 384-396) vom Volk der Xianbei M war einer der wichtigsten Heerführer seiner Zeit und Gründer der Späteren Yan Jp^

27YFSJII, 367;YS 303;YFSX 466-467; HWYS 23-24.

28YFSJII, 367;YS 302;YFSX 467;HWYS 24.

29YFSJII, 367-368; YS302;YFSX 467-468.

(11)

(384-409). In diesem Lied wird jedoch laut Kommentar des YFSX die Ge¬

schichte der endgültigen Niederlage Murong Chaos îï^ia geschildert, der von 405 bis 409 die Südliche Yan-Dynastie Úíá (398-410) regierte. Im Jahre 409 wurde er in seiner Hauptstadt Guanggu ¡M \M(im heutigen Shandong) belagert und gefangen genommen. Die Südliche Yan zerfiel kurz darauf. 30 Eine komische Note erhält das Lied durch den Wunsch Murong Chaos, sich in eine Schwalbe verwandeln zu wollen - denn genau das ist die Bedeutung des dynastischen Namens „yan Ä". Mit dem „Heer aus Wu sind die Truppen der Ostlichen Jin-Dynastie jflit (316-420) gemeint, die damals

den Süden beherrschte.

9. Gegu ge Pft^fC

(Lied aus dem Nachbartal) 31 (9.1)

Der ältre Bruder ist noch in der Stadt, der jüngere verließ sie grad noch rechtzeitig.

Keine Sehnen für die Bögen mehr, auch Spitzen für die Pfeile sind uns ausgegangen!

Das Getreide wird schon knapp, nun muss ich um mein Leben bangen!

Komm rasch herbei und rette mich! Komm rasch herbei und rette mich!

(9.2)

Der ält're Bruder ist nun in Gefangenschaft, die Qual kaum zu ermessen, Müde Knochen, ausgelaugt, und selten nur hat er genug zu essen.

Der jüngre Bruder ist Beamter nun, sein Pferd kriegt feinen Reis zu fressen, Dein Geld könnt' mich befreien - hast du mich schon vergessen?

10. Chunyu wang ge 3iffc (Lied über den Prinzen Chunyu) 32 (10.1)

Es rauscht im Wind das Laub der Bäume am Fluss, Und die Blätter nehmen langsam gelbe Färbung an.

Alleine sitze ich in meinem Schlafgemach Und denke oft an den verführerischen Mann.

(10.2)

Der verführerische Mann ist in der Stadt, Wo so viel' verführerische Frauen lauern!

30Zu den Einzelheiten vgl. Otto Franke 2001, Band2, S. 135-137.

31YFSJII, 368;YS 303;YFSX 469-470; HWYS 25-26.

32YFSJII, 368-9; YS303;YFSX 470enthält 10.1.- Auch hier ist die Identität der titel- gebenden Person unklar.

(12)

Und dennoch denkt er immerzu an mich - Es überwindet unsre Liebe alle Mauern.

ll.Zhuonuo geÄ

(Lied vom gegenseitigen Necken) 33

(11.1) 34

Grobe Hirse soll in Mörsern man zerkleinern, die aus Stein gefertigt, Zerrissne Kleidung solPn geschickte Frauen flicken, das ist besser!

Ein Mann muss viel ertragen und wird von anderen gegängelt,

Eine alte Jungfer, unver mahlt, ist nichts weiter als ein unnützer Esser.

(11.2)

Aus welchem Haus stammst du, die gerade hier vorübereilt, So schnell, dass dein Unterrock sich zeigte meinem Blick.

Der Himmel schafft das Männliche und Weibliche, lässt sie einander finden, Er wünscht, dass beide beieinander leben, zufrieden und in Glück.

(11.3)

Der Brunnen auf dem Huayin-Berg misst 100 zhang an Tiefe, Das Wasser unten plätschert, es ist wie Eis so kalt.

Ein schönes Mädchen will ihr Spiegelbild im Wasser gern betrachten, Doch erkennen kann sie nur eine verschwommene Gestalt.

Der erwähnte Berg IfSfUlil liegt im Süden der heutigen Provinz Shaanxi.

Wie viel Metern die Längenangabe zhang 5t hier entsprechen soll, ist nicht eindeutig zu klären, da die Maßeinheiten nicht nur regional stark variieren konnten, sondern sich auch im Laufe der Zeit veränderten. 35

(11.4)

Aus gelb gefärbtem Holz die Sohle, das Oberteil aus Pflanzenfasern, Mit langem Band kann beide Teile man zusammens chnürcn.

Als Mädchen liebt man seine Mutter, als Eheweib den Mann.

Wann endlich kann ich heiraten und meinen eignen Haushalt führen?

33YFSJ II, 369;YS 304; YFSX 471-472;MW YS 26-28 enthält 11.2und 11.4;HWYF

181 enthält 11.3und 11.4.

34Diese Strophe findet man in gereimter Übersetzung in Alfred Forke: Blüthen chi¬

nesischer Dichtung. Magdeburg 1899,S. 89. Forke hat ihr den Titel Der Frauen Beruf gegeben.

35Qiu GuANGMiNGJx }fc ^j gibt an, dass die Länge eineschi K zwischen dem dritten und sechsten Jahrhundert 23bis30 Zentimeter betragen konnte. Dementsprechend - zehn

chi ergebenein zhang - konnte ein zhangbis zu drei Meter messen.Vgl. Qiu Guangming:

Zhongguo duliangheng r \ ]PÄMitr (Maße und Gewichte in China). Beijing 1993,S.96.

Damit wäre der erwähnte Brunnen immerhin zwischen 230und 300Meter tief - eine An¬

gabe,die wohl nicht wörtlich zu nehmen, sondern als Mittel dichterischer Übertreibung zu werten ist.

(13)

12.

Zhe yangliu gecl ffff ÍÍPflií

(Texte zum Lied vom gebrochenen Weidenzweig) 36 (12.1)

Obwohl bereits

aufs

Pferd gestiegen, greifst

du

noch nicht zur Peitsche, Noch einmal sitzt

du ab,

mir einen Weidenzweig

zu

übergeben.

Noch einmal setzen wir uns hin und spielen

auf der

Flöte, Trennungsschmerz

wie

diesen kann

ein

Mann kaum überleben.

(12.2)

37

Trauer füllt mein Herz beim Abschied,

Als

deine Peitsche wollt'

ich

mit dir ziehen!

Auf

allen Wegen

wäre

ich in

deiner Hand Und

bei der

Rast lag'

ich auf

deinen Knien.

(12.3)

Ich ließ

mein Pferd

am

Moor

der

Doppelquelle weiden, Vergaß jedoch,

das

Tier

an

seinem Halfter anzubinden.

Nun such

ich es,

den Sattel

auf

der Schulter tragend, Werd'

ich

mein Pferd wohl jemals wieder finden?

(12.4)

38

Von

fern seh'

ich

Mengjin

am

Flusse liegen, Der Weiden Blätter tanzen

auf

und nieder.

Ich

stamme

aus

dem Land

der

Wilden, Verstehe nicht

die

Han und ihre Lieder.

Die Stadt Mengjin liegt in der heutigen Provinz Henan, am Ufer des Gelben Flusses. Interessant ist hier die Eigenbezeichnung des Vortragenden als „Wilder", wörtlich „lu jia

er

jJtliCjl", was man genauer mit „von Gaunern abstammend" übertragen könnte. „Lu" wurde in den südlichen Dynastien als äußerst herabwürdigende Benennung von Angehörigen der nördlichen Völker benutzt, besonders häufig mit Bezug auf die Xiongnu und Tuoba

ffiijt.

39

Es ist daher kaum denkbar, dass jemand von sich selbst als „lu"

spricht; man wird diese Eigenbezeichnung also als einen starken Eingriff

36YFSJ II, 369-70; YS 304; YFSX 471-472 enthält 12.1, 12.2,12.4 und 12.5; HWYS 28-30 enthält 12.1,12.2,12.4und 12.5; HWYF 175 enthält 12.1,12.4 und 12.5.

37 Eine gereimte Übersetzung ins Deutsche findet man unter der Überschrif tDie Peit¬

schein Alfred Forke 1899,S.90.

38Diese Strophe findet sich in einer ungereimten deutschen Fassung in Helwig Sen m idt- Glintze r: Geschichte der chinesischen Literatur. Bern/München/Wien 1990,

S. 159.

39Der Tuoba-Clan, der dem Volk der Xianbei entstammte, errichtete mit der bereits erwähnten Nördlichen Wei-Dynastie das stabilste nördliche Reich des frühen chine¬

sischen Mittelalters.

(14)

eines Redakteurs der Südlichen Dynastien in den ursprünglichen Text wer™

ten müssen. 40 (12.5)

Ein starker Mann braucht stets ein schnelles Pferd, Ein schnelles Pferd braucht einen starken Mann.

Staub fliegt auf, wo man die Hufe donnern hört - Mal seh n, wer mich im Rennen schlagen kann!

(13) Zhe yangliu zhi ge W\\

(Das Lied vom gebrochenen Weidenzweig) 41 (13.1)

ist identisch mit 12.1.

(13.2)42

Vor unserer Türe wächst ein Beerenstrauch, Das hohe Alter sieht man ihm nicht an.

Die Mutter will die Tochter nicht verheiraten - Ob sie wohl je ein Enkelkind umarmen kann?

Die erste Zeile benutzt ein Wortspiel: Das Wort für „Beerenstrauch" (zao M) klingt genau wie „früh" (zao li-), wodurch die Entschlossenheit des Mädchens, möglichst schnell zu heiraten, unterstrichen wird.

(13.3)

Klack-klack, klack-klack, „Oh weh, oh weh m ir, ach!"

Beim Weben sich das Mädchen an das Fenster lehnt.

Man hört nicht mehr das Rattern ihrer Webmaschine, Es wird von ihrem lauten Seufzen übertönt.

(13.4)

Ich gehe hin und frage sie, was sie so sehr bedrückt, Ich gehe hin und frage sie, was sie so sehr verstört.

„Dass Mutter endlich meine Ehe arrangiert, davon hab' auch dieses Jahr ich nichts gehört!"

Die Strophe 13.2 bis 13.4 weisen große Ähnlichkeit mit dem Beginn des be¬

rühmten Liedes von Mulan ^ÏJtfÉ auf (die Titelheldin ist dort jedoch aus ganz anderen Gründen als amourösen besorgt). 43

40 Vgl. Cao Daoheng: Guanyu beichao yuefu minge,S. 144-145.

41YFS] II, 370; YS305; YFSX 475-476; HWYS 31 enthält 13.2; HWYF 179-180 ent¬

hält 13.2, 13.3 und 13.4.- Der Titel dieses Liedes ist fast identisch mit dem von Nr. 12;

daher rührt wahr sche i ni ich auchdie Ähnlichkeit der ersten Strophe.

42Diese und die folgenden beiden Strophen sind ins Englische übersetzt worden; 13.3.

ist dabei gereimt.Vgl. Stephen Owen 1996, S.243.

(15)

(14) Youzhou make yin gecí ÉI^HM^^fCif

(Texte zum Lied vom fremden Reiter aus Youzhou) 44 (14.1)

Manch' junges Pferd ist schwach und mager, Manch' junger Mann ist arm und wird verachtet.

Mit gutem Futter werden schwache Rösser kräftig, Nur wer Geld hat, wird als Mensch betrachtet.

(14.2)45

Wie hell, wie hell die Kerze flackert hier im Zelt, Schon in Kürze wird sie ganz und gar verglühen.

Genieß' die Zeit, in der man Pflanzen sprießen sieht!

Des Frühlings Blumen werden einmal nur erblühen.

(14.3) 46

Der Südberg glaubt von gar enormer Höh' zu sein, Die Wahrheit ist: Der Nordberg ist genau so groß.

Die Jungfrau hält sich für gesittet und für fein,

Doch setzt auch sie sich gern auf des Geliebten Schoß.

(14.4)

In Purpurhosen wirkt der Mann recht stattlich, In bunten Kleidern sieht die Frau am schönsten aus.

Gemeinsam solIn sie wie die Schwalben weiterziehen, Die Chrysanthemen blüh'n im Garten hinterm Haus.

(14.5)

Chrysanthemen leuchten golden, strahlend hell, Die grüne Schlange bringt Zinnober, ein rundes Stück.

Als ich mich empfehle, liegt mein Liebchen noch im Bett Und gibt mir gern der Ringe zehn zurück.

Die letzten drei Strophen scheinen zusammen zu gehören, wobei 14.4 und 14.5 offensichtlich sexuell gefärbte Anspielungen enthalten, deren genaue

43Eine vollständige Übersetzung durch Frau Chiang Hsüeh-wen liegt vorin Sínica 14 (1939),S.27-29.

44YFSJ II, 370-371; YS304; YFSX 474-475 enthält 14.1bis 14.4;HWYS 31-32 ent¬

hält 14.1; HWYF 173 enthält 14.1. - Das Gebiet Youzhou entsprach unter der Nördlichen Wei-Dynastie ungefähr dem Großraum Beijing/Tianjin; allerdings haben zwischen dem vierten und sechsten Jahrhundert auch andere Landstriche und Städte diesen Namen ge¬

tragen. Eine eindeutige Zuordnung ist also nicht mehr möglich.

45Eine gereimte Ubersetzung ins Deutsche unter der Uberschrift Carpe diem findet man in Alfred Forke 1899,S. 90.

46Eine gereimte Ubersetzung ins Deutsche unter der Uberschrift Gleichheit findet man in Alfred Forke 1899,S. 90.

(16)

Bedeutung jedoch unklar ist (die modernen chinesischen Kommentare schweigen sich hierzu aus).

(15)

Murong jia zi Lu Qíyougu ge

1=1

#^i=i=i^fC (Lied vom Murong-Clan im Qiyou-Tal zu Shandong) 47

Im

zehnten Stock

des

Turmes der Geliebte harrt,

Im

neunten Stock

des

Pavillons

die

Liebste sitzt.

Wenn

er

doch nur

ein

starker, stolzer Adler wäre -

Haschen würde

er den

Spatz, der durch

die

Wolken flitzt.

Die hier übersetzten 15 Lieder sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem li¬

terarischen Fundus der nördlichen Staaten jener Periode; sie ermöglichen aber zumindest einen ersten Einblick in das kulturelle Alltagsleben jener komplexen Epoche. In China kommt die Erforschung dieses Feldes seit ca.

15

Jahren schnell voran, auch wenn man in chinesischen Studien bisweilen eine gewisse Abschätzigkeit gegenüber dem Niveau der nördlichen Kulturen spürt. Die hier vorgelegten Übersetzungen von yuefu legen aber nahe, dass eine solche Voreingenommenheit nicht angebracht ist.

47YFSJII, 371; YS 305;YFSX 476-477. - Ein Bezug zum bereits erwähnten Murong- Clan (vgl. Nr. 8) ist hier nicht erkennbar. Das Qiyou-Tal ist nicht mehr lokalisierbar.

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