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Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Jugend in ausgewählten MENA-Staaten

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Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Jugend in ausgewählten

MENA-Staaten

März 2021

(2)

Zusammenfassung

Die aktuelle Pandemie des Virus SARS-CoV-2 und die dadurch

ausgelöste Erkrankung COVID-19 haben die Staaten der MENA-Region in unterschiedlichem Ausmaß erfasst.

Während die unmittelbaren Folgen verstärkt ältere Menschen und

Menschen mit Vorerkrankungen betreffen, sind für die Jugend in diesen Staaten besonders die unmittelbaren Folgen zu spüren.

Junge Menschen sind aufgrund verschiedener sozio-ökonomischer

Faktoren indirekt von der Pandemie betroffen: eine bereits zuvor hohe Arbeitslosenquote, ein erschwerter Berufseinstieg sowie ein beschränkter Zugung zu Bildungsangeboten.

Daraus ergibt sich das Risiko, dass eine gesamte Generation anhaltend

unter den Auswirkungen der Pandemie leiden wird. Die bisherigen Maßnahmen der jeweiligen Regierungen tragen dem in unterschiedlichem Maß Rechnung.

Daher wird empfohlen, der Situation der Jugend und potentiellen

mittel- und langfristigen Folgen besondere Beachtung zu widmen. Das

gilt für die jeweiligen Regierungen ebenso wie für externe Akteure wie

Deutschland oder die EU.

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Anahita Reinsch

Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Jugend in ausgewählten MENA-Staaten

I. Einleitung

Die neuartige Krankheit COVID-19, die erst- mals in Wuhan, China im Dezember 2019 entdeckt wurde, hat sich auf der ganzen Welt ausgebreitet1und wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt.2 Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass besonders Jugendliche von den absehbaren Folgen der Pandemie betroffen sein werden.3 Im Gegensatz zu älteren Menschen und Menschen mit einem geschwächten Immun- system, die von den durch das Virus ver- ursachten gesundheitlichen Schäden am meisten bedroht sind,4 werden viele junge Menschen die Nachwirkungen dieser Krise aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu spüren bekommen.5 Durch den aktuellen Rückgang des Wirtschafts- wachstums und eine wachsende Arbeits- losigkeit sind negative Folgen zu erwarten und erschweren vor allem jungen Menschen am Ende ihrer Ausbildung den Eintritt in den Arbeitsmarkt.6 Dazu trägt auch der zum Teil fehlende Zugang zu Bildung bei, welcher durch mangelhafte digitale Ausstattung, wie etwa den fehlenden Zugang zu Laptops und Internet zuhause, erschwert wird.7

Die Staaten der MENA-(Middle East and North Africa) Region werden ihre eigenen individuellen Schwierigkeiten mit den Folgen dieser Krise haben. Einige Länder waren bereits vor der Pandemie durch politische Unruhen, Konflikte und mäßige wirtschaftliche Entwicklung geprägt.8Zwar hat die Region im Vergleich zu Europa aufgrund ihrer jüngeren Bevölkerung eine wesentlich geringere Zahl von Todesopfern zu beklagen (146.102 bzw.

875.330 Tote),9da ältere Menschen stärker gefährdet sind.10Die Jugend in den MENA- Staaten wird jedoch mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen haben als ihre europäischen Nachbarn,11 denn bereits vor der Pandemie hatte die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen im erwerbsfähigen Alter in fast allen MENA-Ländern die allgemeine Arbeitslosenquote überstiegen.12 Die gesamten Folgen der Pandemie für die Jugend können erst in den nächsten Jahren beurteilt werden, aber die wahrscheinlichen Auswirkungen werden bereits jetzt diskutiert.

In dieser Studie werden die Verhältnisse in Tunesien, Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verglichen. Die direkten Erkenntnisse bezie- hen sich also auf diese vier Länder – gleich- sam können daraus aber auch vorsichtig Einblicke für die Region insgesamt abgeleitet werden. Zunächst wird die Situation für die Jugend vor der Pandemie dargestellt und danach werden die aktuellen Auswirkungen der Krise und die politischen Maßnahmen der jeweiligen Regierungen aufgezeigt. Dabei werden die ausgewählten MENA-Staaten in den Blick genommen, um die Situationen im Gesundheits-, Bildungs- und Wirtschafts- sektor zu analysieren und anhand ihrer politischen und sozioökonomischen Lage und dem Grad der staatlichen Intervention zu vergleichen. Anschließend werden Hand- lungsempfehlungen für die Regierungen der einzelnen Länder, für die Region insgesamt sowie für die EU diskutiert.

Die MENA-Region muss viele Heraus- forderungen bewältigen, die durch die

1 Alessa et al., Public Trust and Compliance with the Precautionary Measures Against COVID-19 Employed by Authorities in Saudi Arabia, 2020.

2 World Health Organization, WHO characterizes COVID-19 as a pandemic, 2020.

3 Ader, Allam und Igrioglu, Youth and COVID-19: Response, recovery and resilience, 2020.

4 World Health Organization, Older people are at highest risk from COVID-19, but all must act to prevent community spread, 2020.

5 OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

6 Ader, Allam und Igrioglu, Youth and COVID-19: Response, recovery and resilience, 2020.

7 Cazes, Hijzen und Saint-Martin, Measuring and Assessing Job Quality: The OECD Job Quality Framework, 2015.

8 Economic and Social Commission for Western Asia (ESCWA), The Arab Middle Class: Measurement and Role in Driving Change, 2014.

9 World Health Organization: https://covid19.who.int/. Zuletzt geprüft am 05.03.2021.

10Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

11OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

12Al-Khatib, Lynch und Yom, Youth Politics in the Middle East and North Africa, 2019.

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COVID-19-Krise sichtbarer wurden, jedoch auf grundlegenden Problemen basieren. Die Jugend ist einer hohen Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit ausgesetzt, die durch den pandemiebedingten Wirtschafts- abschwung verstärkt werden könnten.

Zusammen mit dem autoritären Führungsstil der Regierungen könnte dies dazu führen, dass der politische Führungsanspruch zunehmend in Frage gestellt und die soziale Stabilität gefährdet werden könnte, wenn die sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie nicht abgemildert werden.

Fallauswahl

In dieser Studie werden Ägypten, Tunesien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabi- schen Emirate untersucht. Die Erkenntnisse werden also primär die Situation in diesen vier Staaten abbilden. Diese Staaten wurden ausgewählt, um sowohl wirtschaftlich starke Länder aus der Golfregion als auch die besondere Lage nordafrikanischer Staaten abzubilden. Die Situation dieser vier Länder ist sicherlich nicht bedingungslos aussage- kräftig für die gesamte Region. Diese Staaten sind jedoch in der direkten Gegenüberstellung gut vergleichbar, da Ägypten und Tunesien sowie die VAE und Saudi-Arabien in zwei ver- schiedenen Abschnitten analysiert werden.

Des Weiteren liegt bei einigen Staaten aus der MENA-Region, insbesondere in Kriegs- gebieten, oft eine eher eingeschränkte Datenlage vor, gepaart mit einer bereits vor der Pandemie teilweise desaströsen medizinischen Situation.

Im Rahmen dieser Untersuchung können durch die Fallauswahl interessante Aspekte deduziert und betont werden. Während hier also vier Staaten ausgewählt wurden und näher betrachtet werden, können einzelne Entwicklungen, Faktoren und Szenarien durchaus über deren Grenzen hinaus für andere Staaten der Region oder die Region insgesamt Relevanz aufweisen. Die Analyse kann zukünftig erweitert und vertieft werden.

Aufgrund der schnellen und fortwährenden Entwicklung der COVID-19-Pandemie und

sich verändernden Datenlage wurde die Auswahl der Hauptquellen am 18. Dezember 2020 abgeschlossen. Lediglich einzelne Daten (Fallzahlen o.ä.) wurden seitdem aktualisiert.

II. Die Situation der Jugend vor der COVID-19-Pandemie

Die Situation der Jugend in den MENA- Staaten war bereits vor der COVID-19- Pandemie prekär: so ist die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen im Alter von 15-24 Jahren in der MENA-Region die höchste weltweit.13 Das gilt sowohl für jene ohne formale Qualifi- kation als auch für jene mit abgeschlossenen sekundären oder tertiären Ausbildungen.14 Auffällig ist, dass Bildung in dieser Region keinesfalls vor Arbeitslosigkeit schützt, sondern letztere tendenziell mit zunehmender Schulbildung steigt, wie beispielsweise in Ägypten und Tunesien.15 In Tunesien zeigt sich dies durch die höhere Arbeitslosenquote von Hochschulabsolventen, dass es für diese mit höherem Bildungsniveau zunehmend schwieriger wird, sich eine Beschäftigung zu sichern.16

Obwohl sich die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der MENA- Länder unterscheiden, ist Jugendarbeits- losigkeit überall in der Region eine Heraus- forderung.17 Im Jahr 2019 betraf Arbeits- losigkeit etwa ein Drittel der Jugend in Ägypten (31,1%), Tunesien (36,3%) und Saudi-Arabien (28,6%).18Zudem hat sich die Situation in den letzten Jahren durch die Finanzkrise von 2008, die Proteste und Revolten von 2011, bewaffnete Konflikte und den Rückgang der Ölpreise im Jahr 2014 verschärft. Allerdings sind vor allem struk- turelle Faktoren der Hauptgrund für die hohe Unzufriedenheit der Jugend: fehlende qualitativ hochwertige Bildung, einge- schränkte politische und persönliche Frei- heiten, niedrige Wirtschaftswachstums- raten19 sowie fehlende Möglichkeiten für Partizipation und Engagement in ihren Gemeinden.20 Jugendliche und junge Erwachsene werden oft durch das Bildungs-

13Beise et al., MENA Generation 2030, 2019.

14No Lost Generation, Translating Research into Scaled-up Action: Evidence Symposium on Adolescents and Youth in MENA, 2017.

15Ahmed, Guillaume und Furceri, Youth Unemployment in the MENA Region: Determinants and Challenges, 2012.

16Ben Abada, A university diploma is no longer a source of pride in the Maghreb, 2018.

17Kabbani, Youth employment in the Middle East and North Africa: Revisiting and reframing the challenge, 2019.

18Daten der Weltbank: https://t1p.de/bbig.

19Kabbani, Youth employment in the Middle East and North Africa: Revisiting and reframing the challenge,, 2019.

20No Lost Generation, Translating Research into Scaled-up Action: Evidence Symposium on Adolescents and Youth in MENA, 2017.

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system nur unzureichend auf die Berufswelt vorbereitet, dringend benötigte Arbeitsplätze werden in den Märkten nicht geschaffen,21 Marktinformationen und Berufsberatung für Arbeitssuchende nicht angeboten.22 Besonders Jugendliche aus den ärmsten Haushalten23 und junge Frauen haben weniger Zugang zu angemessener Bildung, was ihre wirtschaftliche Ausgrenzung und soziale Diskriminierung verstärkt.24 Neben Unterschieden innerhalb der Länder bestehen ebenfalls Diskrepanzen zwischen den MENA- Staaten: Während die durchschnittliche Ausbildungsdauer 2018 in Ägypten und Tunesien 7,3 beziehungsweise 7,2 Jahre betrug, dauerte diese in Saudi-Arabien und den VAE mit 9,7 bzw. 11 Jahren wesentlich länger.25 Die Brutto-Absolventenquoten der Erststudiengänge im tertiären Bildungs- bereich lagen 2016 in Tunesien und Ägypten bei 24,75% und 17,75%, während sie in den VAE und Saudi-Arabien 15,22% bzw.

30,18% betrugen.26

Dennoch ist nicht nur die geringe Bildungs- qualität ein Grund für die Jugendarbeits- losigkeit in den meisten MENA-Ländern,

sondern auch die Suche nach einem ge- eigneten Arbeitsplatz. Vor allem gut aus- gebildete junge Menschen brauchen mehr Zeit, um eine ihren Fähigkeiten ent- sprechende Arbeit zu finden. Somit ist es die Dauer der Arbeitslosigkeit, die den größten negativen Effekt auf die Bildung von Human- kapital hat, nicht die Arbeitslosigkeit an sich.27 Für junge Menschen ist die Arbeit im öffent- lichen Sektor aufgrund der hohen Gehälter, Sozialleistungen und Arbeitsplatzsicherheit äußerst attraktiv. Junge Menschen finden jedoch im formellen Sektor immer weniger Arbeit.28 Unter anderem behindert die über- mäßige Regulierung des formellen Privat- sektors die Schaffung erstrebenswerter Arbeitsplätze.29

Die Regierungen der MENA-Staaten haben zwar erkannt, wie wichtig es ist, den privaten Sektor zu fördern, damit Arbeitsplätze entstehen. Jedoch können oder wollen nur wenige MENA-Länder die erforderlichen Regulierungsänderungen implementieren.30 Einige junge Menschen entscheiden sich wegen des fehlenden Angebots an geeig- neten Beschäftigungsmöglichkeiten für das

21Beise, MENA Generation 2030, 2019.

22Kabbani, Youth employment in the Middle East and North Africa: Revisiting and reframing the challenge, 2019.

23Beise, MENA Generation 2030, 2019.

24Kabbani, Youth employment in the Middle East and North Africa: Revisiting and reframing the challenge, 2019.

25Human Development Reports: http://hdr.undp.org/en/data#. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

26UNESCO-Institut für Statistik: http://data.uis.unesco.org/. Zuletzt geprüft am 18.12.2020.

27Ahmed, Guillaume, Furceri, Youth Unemployment in the MENA Region: Determinants and Challenges, 2012.

28Assaad, Making sense of Arab labor markets: the enduring legacy of dualism, 2014.

29De Lima et al., What's holding back the private sector in MENA? Lessons from the enterprise survey, 2016.

30Weltbank, Doing Business 2018: Reforming to Create Jobs, 2017.

Quelle: Weltbank/ILOSTAT

Abbildung 1. Arbeitslosenquoten im Vergleich

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Unternehmertum und die Selbstständigkeit.31 Aber jungen Unternehmern wird zu oft der Zugang zu Finanzmitteln verwehrt oder er- schwert: sie müssen die gleichen restriktiven Bedingungen erfüllen wie etablierte Unter- nehmen und können sogar noch seltener Kredite aufnehmen.32 Im Durchschnitt belegten die arabischen Länder einen Rang von 130 von 190 Volkswirtschaften, was den Zugang zu Krediten anbelangt.

Durch dieses begrenzte und überregulierte Angebot finden junge Arbeitnehmer immer häufiger Arbeitsplätze im informellen Sektor.34 Dieser bezieht sich auf wirtschaftliche Aktivi- täten, die nicht staatlich erfasst und kon- trolliert werden und deshalb keine staatliche Sicherung oder Unterstützung bekommen.35 In der Folge arbeiten 80% der tunesischen und ägyptischen Jugendlichen im informellen Sektor.36Diese bieten jedoch weniger Schutz und sind der Volatilität des Marktes stärker ausgesetzt. Darüber hinaus sind Firmen im

informellen Sektor weniger in der Lage, in Wachstum und die Schaffung neuer Arbeits- plätze zu investieren, da dies sie zur Formali- sierung zwingen würde.37Viele Jugendliche aus ländlichen Gebieten ziehen in die Städte, um Arbeit zu suchen. Viele verlassen sogar die MENA-Region ganz oder emigrieren auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglich- keiten in die Golfstaaten.38In den Vereinigten Arabischen Emiraten machten internationale Migranten im Jahr 2019 87,9% der Bevölke- rung aus, in Saudi-Arabien 38,3%.39

In allen vier hier untersuchten MENA-Staaten sank die Geburtenrate in den letzten Jahr- zehnten erheblich. Im Vergleich zu 1995 konnten nur Ägypten und Tunesien ihre Quote bis 2018 stabilisieren.40 Laut Unicef könnte der Anteil der 15-24-Jährigen in den nordafrikanischen Ländern in Zukunft hoch bleiben und besonders in Ägypten deutlich ansteigen.41 In den Golfstaaten kann man aufgrund der niedrigen Geburtenrate42 und

31Al Kubaisi et al., GEM 2017 Middle East and North Africa Report, 2017.

32Kabbani, Youth employment in the Middle East and North Africa: Revisiting and reframing the challenge, 2019.

33Weltbank, Doing Business 2018: Reforming to Create Jobs, 2017.

34Kabbani, Youth employment in the Middle East and North Africa: Revisiting and reframing the challenge, 2019.

35Für eine genaue Definition sowie weiterführende Verortung der informellen Wirtschaft siehe: OECD/ILO, Tackling Vulnerability in the Informal Economy, 2019, 155ff.

36Dimova, Elder und Stephan, Labour market transitions of young women and men in the Middle East and North Africa, 2016.

37Kabbani, Youth employment in the Middle East and North Africa: Revisiting and reframing the challenge, 2019.

38Ebd.

39United Nations: https://t1p.de/htls. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

40Weltbank: https://t1p.de/liy5. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

41Unicef: https://www.unicef.org/mena/media/4181/file. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

42Weltbank: https://t1p.de/liy5. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

Quelle: Weltbank/ILOSTAT

Abbildung 2. Jugendarbeitslosenquoten im Vergleich

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von Schätzungen seitens Unicef43vermuten, dass diese Länder einen demografischen Wandel zu einer alternden Gesellschaft erleben werden.

Zudem besteht in der MENA-Region eine enorme Ungleichheit, sowohl zwischen den Ländern als auch innerhalb der einzelnen Länder.44 Rund 25% der arbeitenden Jugendlichen in Nordafrika und 28% in den arabischen Staaten insgesamt leben unter mäßig bis extrem armen Bedingungen.

Die damit verbundene Frustration führt in vielen Fällen zu riskanten Bewältigungs-

methoden wie risikoreichen sexuellen Akti- vitäten und Drogenkonsum.45Vor allem die Golfstaaten gelten als besonders ungleiche Gesellschaften, in denen es ungenügende Statistiken über den großen Anteil an Migranten in der Bevölkerung gibt, die mehr- heitlich in den schlecht bezahlten Sektoren arbeiten, in kritischen Verhältnissen leben und erheblich weniger verdienen als die einheimische Bevölkerung.46

Auch die Gesundheitssysteme der MENA- Staaten variieren bezüglich ihres Zugangs, der Qualität und der Kapazität: Während die Staaten der Golf-Region durch die staat- lichen Einnahmen aus dem Ölexport ihre Gesundheitssysteme ausbauen konnten, sind die Gesundheitssysteme in den nicht erdöl- produzierenden Ländern weitgehend unter- entwickelt.48Sowohl die ägyptische als auch die saudische Verfassung garantieren die Unterstützung und Optimierung der öffent- lichen Gesundheitssysteme.49Die jährlichen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben lagen im Jahr 2017 in Ägypten und Tunesien bei ungefähr USD 200 bzw. USD 500, während Saudi-Arabien und die VAE im gleichen Jahr ca. USD 2.400 bzw. 1.700 pro Kopf aus- gaben.50 Da die ägyptische Regierung insgesamt weniger als 30% der Gesundheits- ausgaben finanziert, muss der einzelne Bür- ger größtenteils für den Rest aufkommen.51

43Unicef: https://www.unicef.org/mena/media/4236/file. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

44Alvaredo, Assouad und Piketty, Inequality in the Middle East, 2018.

45Beise et al., MENA Generation 2030, 2019.

46Alvaredo, Assouad und Piketty, Inequality in the Middle East, 2018.

47Baloc et al., Unique challenges to control the spread of COVID-19 in the Middle East, 2020.

48Mohsen, Government Responses Toward the Coronavirus Crisis: A Comparative Analysis of Egypt, Turkey, and Saudi Arabia, 2020.

49Weltbank: https://t1p.de/0s5k. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

50Mohsen, Government Responses Toward the Coronavirus Crisis: A Comparative Analysis of Egypt, Turkey, and Saudi Arabia, 2020.

51Jahic und Kovacevic, COVID-19 and Human Development: Exploring global preparedness and vulnerability, 2020.

Land47 Zugang zur allgemeiner Gesundheitsversorgung

Einschließlich Einwohner ohne Staatsbürgerschaft

Saudi-Arabien

X

VAE

✓ ✓

Tunesien Xi X

Ägypten

ii X

Tabelle 1 Quelle: Unicef

Abbildung 3. Bevölkerung Ägyptens

i Ein solches Gesetz wurde verabschiedet, jedoch noch nicht implementiert.

ii Ein solches Gesetz wird innerhalb von 15 Jahren schrittweise implementiert.

(8)

Der durchschnittliche Wert für Ärzte (11,1), Krankenschwestern und Hebammen (21) sowie Krankenhausbetten (15) pro 10.000 Einwohner liegt in der arabischen Region weit unter dem weltweiten Durchschnitt (14,9, 34 und 28) – in Ägypten liegen die Werte des medizinischen Personals sogar nur bei 7,9 und 14.52 Saudi-Arabien verfügt jedoch seit dem Ausbruch des Respiratorischen Syndroms im Nahen Osten (MERS-CoV) im Jahr 2012 über mehr Erfahrungen und Wissen im Hinblick auf Gesundheitskrisen.53 Das Land hatte weltweit die meisten Fälle

des Virus registriert54 und erhöhte danach neben den staatlichen Gesundheits- ausgaben55 ebenfalls zwischen 2000 und 2014 die Anzahl an Krankenhausbetten von 23 auf 27 pro 10.000 Personen.56 Im Global Health Security Index 2019, der die Robust- heit der Gesundheitssysteme bewertet, rangiert Saudi-Arabien auf Platz 47, die VAE auf Platz 56, Ägypten auf Platz 87 und Tunesien auf Platz 122.57

III. Die Auswirkungen der Krise und politische Maßnahmen gegen COVID-19 Die Gesundheitssysteme in der MENA- Region sind unterschiedlich stark gerüstet, doch haben sich die Gesundheitsmanage- mentstrategien einiger Länder insbesondere durch entschiedene Eindämmungsmaß- nahmen in den frühen Phasen des Ausbruchs bewährt. Während von Mai bis August 2020 vorsichtige Lockerungen durchgeführt wurden, beispielsweise die Bewegungsfreiheit, wirtschaftliche Aktivi- täten und die Wiederöffnung der Grenzen betreffend, ist die Zahl der Neuer- krankungen in den Golfstaaten gesunken.

Im Maghreb und in den anfälligsten Ländern Nordafrikas dagegen bahnt sich derzeit eine zweite Welle an, auf die teilweise erneut mit härteren Maßnahmen wie lokalen Schließungen reagiert wird, um einer zu schnellen Wiederausbreitung des Virus Einhalt zu gebieten.58 Der Internationale Währungsfond (IWF) ging im Oktober 2020 davon aus, dass der gesamte Verlust des BIP in der MENA-Region und Zentralasien im Jahr 2020 sich auf etwa USD 338 Milliarden belaufen wird.59

III.1 Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate

Die Golfstaaten konnten aufgrund ihrer wirt- schaftlichen Ressourcen, der verbreiteten Überwachungssysteme und ihrer auto- kratisch-technokratischen Herrschaft eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. So wurden medizinische und lebenswichtige

52Mohsen, Government Responses Toward the Coronavirus Crisis: A Comparative Analysis of Egypt, Turkey, and Saudi Arabia, 2020.

53World Health Organization: https://t1p.de/ryr9. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

54Mohsen, Government Responses Toward the Coronavirus Crisis: A Comparative Analysis of Egypt, Turkey, and Saudi Arabia, 2020.

55Weltbank: https://t1p.de/egsf. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

56Global Health Security Index 2019: https://www.ghsindex.org.

57Ebd.

58OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

59International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, 2020.

Abbildung 4. Bevölkerung Tunesiens

Quelle: Unicef

Abbildung 5. Bevölkerung Saudi-Arabiens

Quelle: Unicef

(9)

Güter beschafft, Ausbrüche schnell erkannt und Einschränkungen umgesetzt, um drama- tische gesellschaftliche Schließungen zu erzwingen.61 In Saudi-Arabien und den VAE wurden auch zeitweise Ausgangssperren, Reisebeschränkungen, die Aussetzung oder Annullierung religiöser, unterhaltender und sportlicher Massenversammlungen, die Schließung von Einkaufszentren und die Ausweitung von Tests angeordnet.62Zudem durften die Bewohner des VAE-Emirats Dubai ihren Wohnort nur mit einem triftigen Grund und ausgefülltem Online-Formular verlassen. Dafür mussten personenbezogene Informationen angegeben werden, die mit dem Telefon- und Autokennzeichen der Person verknüpft sind.63 Darüber hinaus besteht im gesamten Emirat Dubai im Straßenverkehr ein intelligentes Über- wachungsnetzwerk aus Kameras, die Auto- kennzeichen auswerten und bei Verstößen gegen Bewegungsgenehmigungen die ent- sprechenden Strafen direkt anordnen können.

Mithilfe dieser technologischen Kontroll- mechanismen lassen sich die Bewegungen der Einwohner jederzeit feststellen.64

Aus neuen Daten geht hervor, dass Länder, die frühzeitig entschiedene Vorkehrungen getroffen haben, die Ausbreitung der Krankheit weitestgehend unter Kontrolle gebracht und den Verlauf der Epidemie verlangsamt haben könnten.65Aufgrund des MERS-Ausbruchs im Jahr 2014 hat die saudische Regierung bereits Erfahrungen mit Gesundheitskrisen gemacht und war besser vorbereitet als viele andere Staaten.66 Seit dem Ausbruch von COVID-19 wurden neue provisorische Krankenhäuser für einen mög- lichen Anstieg der Patientenzahlen gebaut67 und allen Bürgern und Einwohnern in den GCC-Staaten eine kostenlose medizinische Behandlung gewährt.68 Scheich Mohammad bin Zayed, der Kronprinz von Abu Dhabi und stellvertretender Oberbefehlshaber der Streit- kräfte der VAE, eröffnete ein Drive-Through-

60Global Health Security Index 2019: https://www.ghsindex.org.

61Lynch, The COVID-19 Pandemic in the Middle East and North Africa, 2020.

62The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

63Hedges, Authoritarian Exploitation of COVID-19 in the GCC, 2020.

65Ebd.

66Fisher und Wilder-Smith, The global community needs to swiftly ramp up the response to contain COVID-19, 2020.

67Mohsen, Government Responses Toward the Coronavirus Crisis: A Comparative Analysis of Egypt, Turkey, and Saudi Arabia, 2020.

68The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

Land60

Verfügbarkeit eines aktuellen

nationalen Notfallplans für

die öffentliche Gesundheit

Verfügbarkeit eines Risikokommuni-

kationsplans in einem nationalen Notfallplan/Gesetz/

Vorschrift/Strategie- dokument für die öffentliche Gesundheit

Staatliche Einschrän- kung des Handels oder der Mobilität im letzten Jahr aufgrund

eines Ausbruch- risikos einer Infektionskrankheit

Verfügbarkeit eines öffentlichen Plans/

Dokuments zur Ver- sorgung persönlicher Schutzausrüstung für den routinemäßigen

Gebrauch sowie im Notfall Saudi-

Arabien Unklar Xi

X

VAE

✓ ✓ ✓

X

Tunesien Unklar Xi Xi X

Ägypten X

✓ ✓

Xi

Tabelle 1

i Eingeschränkte Belege.

(10)

Testzentrum für COVID-19-Tests.69Die VAE waren im Dezember 2020 eines der weltweit führenden Länder in Bezug auf die täglichen Tests pro 1.000 Personen.70Dennoch besteht das Risiko, dass sich die gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Krise ver- schlimmern, unter anderem weil die Golf- staaten eine der weltweit höchsten Quoten von an Diabetes und Adipositas erkrankten Menschen aufweisen. Diese zwei Gruppen sind einer besonders großen Gefahr aus- gesetzt, einen schweren Verlauf von COVID- 19 zu erleiden. Dazu kommt, dass die GCC- Staaten infolge der mehrheitlich männlichen Arbeitsmigration ein unausgewogenes Geschlechterverhältnis besteht: In den VAE sind 30% der Einwohner Frauen und in Saudi- Arabien 42%. Da anscheinend mehr Männer als Frauen stärker an COVID-19 erkranken, müssen diese Länder möglicherweise mehr Patienten erwarten.71

Während der Krise waren die VAE dank ihrer Kapazitäten in der Lage, bereits im März medizinische Hilfsgüter an andere Staaten zu liefern.72Die VAE waren nach China der welt- weit zweitgrößte Geber von Hilfsleistungen, die sowohl regional als auch global verteilt wurden und sich nicht primär an arme Länder, sondern an alle um Hilfe ersuchenden Länder richteten,73wie der Iran, Afghanistan, Indien, Griechenland, Kolumbien und Italien.74Auch im Bereich der Impfstoffforschung gab es Fortschritte und internationale Kooperationen;

so haben die VAE, Saudi-Arabien und Marokko eine Zusammenarbeit mit ver- schiedenen Staaten, insbesondere mit China und Israel, und privaten Unternehmen begonnen. Im Sommer begannen in den VAE und Saudi-Arabien fortgeschrittene Test- phasen für Impfstoffe, die von zwei chine- sischen Unternehmen, Sinopharm und CanSino Biologics, entwickelt wurden.75Der Impfstoff von Sinopharm wurde mittlerweile

offiziell anerkannt und hat eine 86%ige Wirksamkeit gegen die Krankheit.76 Am 7.

Dezember 2020 lag die Zahl der COVID-19- Fälle in den VAE bei 176.429 mit 592 Todes- fällen77 und in Saudi-Arabien bei 358.713 mit 5965 Toten.78

Nachdem am 2. März 2020 der erste Fall von COVID-19 von den saudischen Behörden gemeldet wurde, erklärte das saudische Bildungsministerium sechs Tage später die vorübergehende Schließung aller Schulen und Universitäten. Durch diese Schließungen konnten soziale Interaktionen reduziert und so die Ausbreitung der Epidemie verringert und verzögert werden.79Gleichzeitig wurden mehrere Technologieinitiativen entwickelt und ausgeweitet, um Online-Unterricht von Zuhause aus zu fördern. Das saudische Bildungsministerium unterstützte das saudische Forschungs- und Innovations- netzwerk und The Integrated Telecom Company, um die Bereitstellung qualitativ hochwertiger virtueller Klassenzimmer und Lernplattformen zu gewährleisten.80 Eine ähnliche Initiative für die Sicherstellung einer virtuellen kontinuierlichen Ausbildung wurde in den VAE eingeführt. Die Schulen wurden im September teilweise wiedereröffnet.81 In den VAE wird der Lernstoff neben den Online-Plattformen auch durch interaktiven Online-Unterricht und radiobasiertes Lernen vermittelt.82Der Übergang zum Fernunterricht wurde durch die sehr hohe Internetver- breitungsrate erleichtert, die in den VAE und Saudi-Arabien bei über 95% liegt.83 Viele Universitäten organisierten zur Vorbereitung auf virtuelle Kurse Workshops und setzten spezielle Richtlinien für die Abschluss- prüfungen um.84

Die Corona-Krise betrifft verschiedene Sektoren der GCC-Volkswirtschaften, wie den Einzelhandel, Energie und Immobilien. Viele

69Aidrous, Economic Challenges and Support Measures in GCC as a Response to Current Global Situation, 2020.

70Galeeva, Small states response to COVID-19: View from the UAE, 2020.

71Our World in Data: https://t1p.de/7r2r. Zuletzt geprüft am 18.12.2020.

72Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

73OECD: https://www.oecd.org/coronavirus/country-policy-tracker/. Zuletzt geprüft am 18.12.2020.

74Galeeva, Small states response to COVID-19: View from the UAE, 2020.

75OECD: https://www.oecd.org/coronavirus/country-policy-tracker/. Zuletzt geprüft am 18.12.2020.

76OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

77Hilton, Coronavirus: Abu Dhabi to resume all normal activity within two weeks, 2020.

78World Health Organization: https://covid19.who.int/region/emro/country/ae. Zuletzt geprüft am 18.12.2020.

79World Health Organization: https://covid19.who.int/region/emro/country/sa. Zuletzt geprüft am 18.12.2020.

80Khan und Yezli, COVID-19 social distancing in the Kingdom of Saudi Arabia: Bold measures in the face of political, economic, social and religious challenges, 2020.

81Bensaid und Brahimi, Coping with COVID-19: Higher Education in the GCC Countries, 2020.

82The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

83Al Hamami und Chehab, Alternative Solutions to School Closure in Arab Countries to Ensuring that Learning Never Stops, 2020.

(11)

Maßnahmen seitens der Regierung richten sich an die kleinen und mittleren Unter- nehmen (KMU) und Privatfirmen, die von den wirtschaftlichen Auswirkungen betroffen sind.

Des Weiteren hat Saudi-Arabien in den letzten Jahren als Ziel der saudischen Vision 2030 in den Tourismus investiert, um jedes Jahr Millionen von Besuchern anzuziehen.85 Für 2020 wurden rund zwei Millionen Pilger erwartet,86von denen dieses Jahr nur 1.000 an der Pilgerfahrt Hadsch teilnehmen konnten, da Saudi-Arabien internationale Reisen und religiöse Pilgerfahrten bereits im Februar 2020 verbot. Auch die VAE haben einen starken Tourismussektor, der am 7. Juli 2020 wieder für internationale Touristen in Dubai öffnete.87 Trotzdem könnten in den GCC-Ländern schätzungsweise bis zu 400.000 Angestellte im Tourismusbereich ihre Arbeitsstelle verlieren.88 In den VAE wurden als Teil des nationalen Epidemiebe- kämpfungsplans neue Telearbeitsrichtlinien angeordnet, damit Regierungsangestellte von Zuhause aus arbeiten können.89Der techno- logische Fortschritt und die hohe Internet- nutzung erleichtern dabei nicht nur den Bildungszugang, sondern unterstützen in einigen Wirtschaftssektoren ebenfalls das Arbeiten aus der Ferne. Gefährdeten Mit- gliedern der Gesellschaft wurde erlaubt, von zu Hause aus zu arbeiten.90 Dennoch helfen diese virtuellen Maßnahmen nicht in allen Sektoren.91

Neben dem gesundheitlichen Risiko wurden Saudi-Arabien und die VAE besonders durch den starken Rückgang der Erdölpreise geschwächt.92Im Jahr 2017 hatte der Öl- und Gas-Sektor einen großen Anteil des Brutto- inlandsprodukts (Saudi-Arabien 25% bzw. die VAE 22,3%) und der Exporte (67% und 32%) sowie der Staatseinnahmen ausgemacht.93 Dementsprechend bleibt die bestehende Abhängigkeit vom Energiesektor in der

gegenwärtigen Krise herausfordernd. Im ersten Quartal sanken in Saudi-Arabien die Einnahmen aus der Ölindustrie um 24% und die Nicht-Öl-Einnahmen um etwa 17%.94 Zuletzt zeichnete sich im fünften Quartal in Folge ein Rückgang der saudischen Wirtschaft ab.95 Hinsichtlich des drastischen Wirtschaftsabschwungs und der derzeitigen Einschränkungen in der COVID-19-Krise verabschiedeten die GCC-Regierungen Konjunkturpakete. Mit etwa SAR 100 Milliarden (USD 26,6 Milliarden) wurden saudische Banken unterstützt, um unter anderem den Privatsektor durch erhöhte Kredit- vergaben an betroffene Unternehmen und Einzelpersonen zu fördern. Die Regierung übernahm Gehaltsentschädigungen in Höhe von 60% für drei Monate, um Mitarbeiter- entlassungen vorzubeugen. Rund 90.000 Unternehmen und 480.000 saudische Staatsbürger nahmen bis Juli 2020 diese finanzielle Hilfe in Anspruch.96 Die Zentral- bank der VAE hat AED 256 Milliarden (USD 27,2 Milliarden) für eine erleichterte Kredit- vergabe an die Wirtschaft bereitgestellt.

Insgesamt hat die Regierung der VAE AED 26,5 Milliarden (USD 7,2 Milliarden) für diverse Fiskalmaßnahmen bereitgestellt, um die Wirtschaft mithilfe von Senkungen der Lohnkosten und anderer Gebühren zu stärken und die Geschäftstätigkeit zu sichern.

AED 100 Milliarden (USD 27 Milliarden) sind für Wasser- und Elektrizitäts- subventionen für Bürger und industrielle Aktivitäten vorgesehen.97

Eine weitere Herausforderung der Corona- Krise ist die Situation der Wanderarbeiter, welche zwar in den meisten Wirtschafts- sektoren den größten Teil der Arbeitskräfte darstellen, jedoch kaum Hilfen seitens der GCC-Regierungen erhalten.98 Sie sind die Nachkommen von Migranten aus Afrika und Südostasien, die ohne Aufenthalts-

84Weltbank: https://t1p.de/h5s1. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

85Bensaid und Brahimi, Coping with COVID-19: Higher Education in the GCC Countries, 2020.

86Khan und Yezli, COVID-19 social distancing in the Kingdom of Saudi Arabia: Bold measures in the face of political, economic, social and religious challenges, 2020.

87OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

88The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

89Bejjani et al., How the GCC’s travel and tourism industry can get ready for the post-COVID-19 recovery, 2020.

90The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

91Aidrous, Economic Challenges and Support Measures in GCC as a Response to Current Global Situation, 2020.

92World Health Organization, WHO policy brief: the economic and social impact of COVID-19 in the Eastern Mediterranean Region, 2020.

93Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

94Aidrous, Economic Challenges and Support Measures in GCC as a Response to Current Global Situation, 2020.

95OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

96Alothman und Abu Omar, Saudi Arabia’s economy shrinks for a fifth straight quarter, 2020.

97Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

98OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

(12)

genehmigungen, mit begrenzten gesetzlichen Rechten und einem geringen Erwerbs- einkommen eine permanent benachteiligte Unterschicht darstellen.99Dennoch sind Hilfe- leistungen für ausländische Arbeitskräfte, zum Beispiel in Form von Lohnzuschüssen, in den Konjunkturpaketen der Golfstaaten in der Regel nicht vorgesehen. In Saudi-Arabien und den VAE sind ausländische Arbeiter ohne Lohn und ohne Möglichkeiten, ihr Einkommen zu sichern, auf sich alleine gestellt. Bei den engen Wohnverhältnissen ist soziale Distanzierung nahezu unmöglich, weshalb der Versuch der Regierungen, Wander arbeiter in den Arbeitslagern zu isolieren, deren Gesundheit zusätzlich gefährdet. Der überwiegende Teil der Infizierten sind Migranten.100 Durch den Beschluss der saudischen Regierung, allen Bewohnern die Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, wird die Gefahr, die von dieser Situation für die öffentliche Gesundheit ausgeht, indirekt anerkannt.101 Auch viele ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland wurden mit dem Virus infiziert und haben sich seit der Pandemie für die Rückkehr in ihr Heimatland entschieden. Dieser Personalmangel in den GCC-Ländern könnte für ein Umdenken in der aktuellen Arbeitsmarktpolitik sorgen.102 III.2 Ägypten und Tunesien

Der erste Fall von COVID-19 wurde in Ägyp- ten am 14. Februar 2020 gemeldet.103 Die Regierung beschloss eine vorübergehende Ausgangssperre sowie eine allgemeine Abriegelung, inklusive der Schließung von Bildungseinrichtungen, Gotteshäusern und Restaurants.104Mit der Zeit wurde jedoch die wirtschaftliche Erholung bzw. Entwicklung priorisiert105und zunächst die Abriegelung im Juni weitgehend beendet.106 Trotz der Auswirkungen der Pandemie erklärte die Regierung, dass die Bürger und Bürgerinnen

mit der Krankheit leben lernen müssten.107 Weiterhin wurde an der Reaktion Ägyptens kritisiert, dass der Fokus mehr auf der Kontrolle von Informationen und der polizei- lichen Überwachung der Öffentlichkeit lag als auf der Pandemie.108 Als Seuchen- spezialisten der Universität Toronto die offiziellen ägyptischen Zahlen der COVID-19- Fälle in Frage stellten, bezeichnete das Gesundheitsministerium deren höhere Schätzungen als „völlig falsch“ und wies im Zuge dessen eine Journalistin des Guardians aus, die über das Thema berichtet hatte.109 Auch drei Ärzte wurden festgenommen, nachdem sie die Krisenreaktion der Regierung auf Facebook kritisiert hatten und vor allem auf die mangelnden persönlichen Schutzausrüstungen in Krankenhäusern aufmerksam gemacht hatten. Sie wurden verhaftet und der Verbreitung von Falsch- nachrichten, des Beitritts zu einer terroristischen Vereinigung und des Miss- brauchs sozialer Medien beschuldigt.110 Tunesien wurde derweil kurz nach dem Regierungswechsel im Februar 2020 von der COVID-19-Pandemie auf die Probe gestellt.111Dennoch konnte diese sehr lange eingedämmt werden, da die tunesischen Behörden früh notwendige Maßnahmen ergriffen sowie den nationalen Notstand aus- gerufen112 und eine nationale Aufsichts- behörde für COVID-19 geschaffen haben.

Letztere soll die Entwicklungen beobachten und evaluieren und ebenfalls die unmittel- baren und mittelbaren Auswirkungen von COVID-19 antizipieren. Außerdem wurden bereits am 20. Januar 2020 an Flughäfen und an den Grenzübergängen zu den Nachbar- ländern Wärmebildkameras zur Fieberüber- wachung aufgestellt,113 obwohl Tunesien seinen ersten Fall erst am 2. März 2020 meldete.114 Aktuell erlebt das Land eine zweite Welle in der sich COVID-19 ausbreitet,

99Aidrous, Economic Challenges and Support Measures in GCC as a Response to Current Global Situation, 2020.

100Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

101Aidrous, Economic Challenges and Support Measures in GCC as a Response to Current Global Situation, 2020.

102Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

103Folliot, The COVID-19 Pandemic and the Middle East and North Africa Region, 2020.

104The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

105Folliot, The COVID-19 Pandemic and the Middle East and North Africa Region, 2020.

106Mohsen, Government Responses Toward the Coronavirus Crisis: A Comparative Analysis of Egypt, Turkey, and Saudi Arabia, 2020.

107Breisinger et al., Impact of COVID-19 on the Egyptian economy: Economic sectors, jobs, and households, 2020.

108Michaelson, It's a disaster': Egypt's doctors plead for more PPE and testing, 2020.

109Mandour, Repression and Coronavirus Response in Egypt, 2020.

110Safi, Egypt forces Guardian journalist to leave after coronavirus story, 2020.

111Mandour, Repression and Coronavirus Response in Egypt, 2020.

112Folliot, The COVID-19 Pandemic and the Middle East and North Africa Region, 2020.

113The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

114OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

(13)

einhergehend mit dem Anstieg von Neuer- krankungen und Todesopfern. Als Kon- sequenz gab die Regierung weitere Anti- COVID-19-Maßnahmen bekannt, wie ein Verbot von Versammlungen auf öffentlichen und privaten Plätzen, eine nächtliche Ausgangssperre115und eine Aufstockung von Intensivbetten von 400 auf 1.200 bis Ende Oktober 2020.116

Allerdings ist das tunesische Gesundheits- system nach wie vor eine Heraus- forderung.117 In den ersten Monaten nach dem Ausbruch konnten strenge Maßnahmen zwar die Zahl der COVID-19-Infektionen eindämmen, die Aufhebung dieser ver- ursachte dann jedoch einen rapiden Fall- anstieg, was zu einer Überlastung der öffent- lichen Krankenhäuser und deren Personal führte.118Bis zum 7. Dezember 2020 gab es in Tunesien 104.002 Fälle mit 3.561 Todes- fällen.119 In Ägypten haben die mangelnde Umsetzung von Präventivmaßnahmen und die Problematik der räumlichen Distanzierung in großen, bevölkerungsreichen Städten wie Kairo Kritik ausgelöst. Nichtregierungs- organisationen und internationale und soziale Medien meldeten im Oktober, dass die Belastungsgrenze der Krankenhäuser durch die hohe Zahl der COVID-19-Patienten erreicht sei. Einerseits seien die Kapazitäten ausgeschöpft und anderseits fehle es den medizinischen Fachkräften an der not- wendigen medizinischen Ausrüstung und an Intensivbetten.120 Hinzu kommt, dass Ägypten, wie die Golfstaaten, einen der höchsten Pro-Kopf-Anteile an Menschen hat, die an Diabetes und Fettleibigkeit er krankt sind.121 Ägypten meldete bis zum 7. Dezember 2020 118.432 COVID-19- Erkrankte, von denen 6.771 gestorben sind.122

Laut WHO sind 13% der Infizierten medi- zinisches Fachpersonal.123

Die Schulen in Ägypten und Tunesien sind teilweise geöffnet (Stand 30.11.2020).124Die Länder entschieden sich im März 2020 für die zeitweilige Schließung von Schulen, Hochschulen und Universitäten.125 Mittler- weile dürfen in Ägypten Schulen frei fest- legen, in welchen Zeitabständen sie zwischen Präsenzunterricht und Online-Unterricht wechseln; nur High School-Schüler sollen ausschließlich online unterrichtet werden.126 Aus diesem Grund wurde hier ebenfalls die Online-Lehre gefördert: Die Regierung liefert kostenlose SIM-Karten für Studierende und Lehrkräfte für den Zugriff auf Lernplatt- formen.127 Das ägyptische Ministerium für Bildung und technische Ausbildung hat zudem im März ein neues Lernportal ein- gerichtet, über das alle Schüler Zugang zu ihren Lektionen haben.128 Für das Winter- semester 2020/2021 wurde die Einführung von hybriden Lehrsystemen an öffentlichen, privaten und staatlichen Hochschulen an- gekündigt, die klassische Vorlesungen in Präsenz mit Online-Kursen kombinieren.129 In Tunesien haben Telekommunikations- betreiber Schülern einen freien Zugang zu Online-Bildungsportalen ermöglicht.130 Auch interaktiver Online-Unterricht durch die Lehrer und fernsehbasiertes Lernen wurden den Schülerinnen und Schülern zur Ver- fügung gestellt.131Dadurch, dass die Internet- nutzung in Ägypten und Tunesien deutlich geringer als in den Golfstaaten ist (57% bzw.

67%),132ist jedoch anzunehmen, dass viele Jugendliche während der Schließung wenig bis keinen Zugang zur Bildung erhalten haben. Diese Vermutung wird auch durch

115The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

116The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

117Hana, Tunisia-PM Mechichi: Increase in the number of intensive care and resuscitation beds, 2020.

The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

118Folliot, The COVID-19 Pandemic and the Middle East and North Africa Region, 2020.

119OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

120World Health Organization: https://covid19.who.int/region/emro/country/tn. Zuletzt geprüft am 07.12.2020.

121OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

122Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

123World Health Organization: https://covid19.who.int/region/emro/country/eg. Zuletzt geprüft am 07.12.2020.

124Folliot, The COVID-19 Pandemic and the Middle East and North Africa Region, 2020.

125UNESCO: https://en.unesco.org/covid19/educationresponse. Zuletzt geprüft am 30.11.2020.

126Burgess und Sievertsen, Schools, skills, and learning: The impact of COVID-19 on education, 2020.

127AHK Ägypten, Coronavirus in Ägypten, 2020.

128Abraham, Pandemic school closures inspire a Middle East e-learning revolution, 2020.

129OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

130Abdel-Hafez, Hybrid learning for Egypt's upcoming academic year, 2020.

131Abraham, Pandemic school closures inspire a Middle East e-learning revolution, 2020.

132Al Hamami und Chehab, Alternative Solutions to School Closure in Arab Countries to Ensuring that Learning Never Stops, 2020.

(14)

eine tunesische Umfrage bestätigt: 61% der befragten Familien gaben im Mai 2020 an, dass ihre Kinder in der vorangegangenen Woche an keiner schulischen Aktivität teil- genommen hatten, aufgrund von fehlenden Fernlernmöglichkeiten (33%), mangelndem Interesse der Familie an Bildung (22,5%), fehlender Kommunikation mit den Lehrern (18%) und fehlender Ausstattung zu Hause (11%).133 Seitens der Universitäten wurde von zunehmenden Störfällen im Internet, Bedrohungen und damit verbun- denen Übergriffen berichtet. Da alle Lehr- veranstaltungen und jede Form der Interak- tion im Lehrbereich online stattfanden und somit überwacht werden konnten, gerieten die Universitäten unter noch größeren Druck als vor der Corona-Krise. So attackierten staatliche Akteure Akademiker und Studie- rende, welche die offiziellen Darstellungen der Regierung zu der Krise hinterfragten oder Kritik übten. In Ägypten wurden beispiels- weise am 18. März 2020 zwei Professoren, ein Menschenrechtsaktivist und ein promi- nenter Schriftsteller nach einem Protest ver- haftet, mit dem sie die Freilassung von Häftlingen forderten, die ihrer Meinung nach einem erhöhten Risiko ausgesetzt waren, sich mit COVID-19 zu infizieren.134

Nach jüngsten Schätzungen des IWF wird Ägypten im Jahr 2020 als einzige Volks- wirtschaft der MENA-Region ein positives Wirtschaftswachstum von circa 1,95%

aufweisen,135 während es in allen anderen Staaten in der Region durchschnittlich um 4,1% sinken wird.136Für die Unterstützung der ägyptischen Wirtschaft hat die Regierung Konjunkturmaßnahmen in Höhe von USD 6,13 Milliarden beschlossen. Im Mai 2020 erhielt das Land eine Soforthilfe des IWFs über USD 5,2 Milliarden.137Währenddessen wurde Tunesien von COVID-19 erfasst, als es ohnehin schon mit makroökonomischen Problemen belastet war. Am 21. März 2020 wurde ein Notfallplan mit USD 0,71 Milliarden angekündigt, welcher unter anderem Mehrwertsteuerbefreiungen und Liquiditäts- erleichterungen für den privaten Sektor vor- sieht. Letztere sollen helfen, Kündigungen

zu verhindern und die sozial Schwachen, insbesondere im informellen Sektor, zu schützen. Zudem beinhaltet das Paket Bargeldtransfers für einkommensschwache Haushalte, Menschen mit einer Behinderung und obdachlose Menschen (TND 450 Millionen für drei Monate) sowie eine Unter- stützung für aufgrund der Krise vorüber- gehend Arbeitslose (TND 300 Millionen).138 Zusätzliche Hilfe wird die EU für Ägypten und Tunesien bereitstellen, um gesundheits- relevante und sozioökonomische Bedürfnisse zu berücksichtigen. Ägypten bekommt bis zu EUR 289 Millionen um beispielsweise in Kliniken den Kauf von persönlicher Schutz- ausrüstung und Hygieneartikeln für das medizinische Personal sicherzustellen.

Tunesien erhält mehr als EUR 325 Millionen für das Gesundheitswesen, insbesondere für staatliche Krankenhäuser. Mit dem Mini- sterium für Frauen, Familie und Kinder wurden Aufklärungskampagnen und eine Not- rufnummer für Opfer von häuslicher Gewalt eingerichtet. Auch Unternehmerinnen werden gefördert, entweder bei der Adaption ihres Geschäftsplans als Reaktion auf die Pandemie oder im Bereich der Textilindustrie, in der Schutzmasken für Krankenhäuser in ihren Regionen hergestellt werden.139 Die Konjunkturprogramme der Regierungen bieten dem Tourismusbereich eine be- sondere Hilfestellung, da er ein wichtiger Bestandteil der Volkswirtschaften Tunesiens und Ägyptens ist.140 Das International Food Policy Research Institute (IFPRI) schätzt, dass die Umsatzeinbußen im Tourismus in Ägypten rund zwei Drittel der gesamten BIP-Verluste im Jahr 2020 entsprechen werden.141 Deswegen wurde die Hälfte des 100-Milliarden-EGP-Konjunkturprogramms (USD 6,38 Milliarden) für den Tourismus- sektor vorgesehen, dessen Anteil am ägyptischen BIP fast 12% beträgt (Stand 2019). Die Zentralbank stellt zudem die Vergabe von zinsgünstigen Krediten in Höhe von USD 191 Millionen für die Tourismus- industrie bereit.142Der Zusammenbruch des internationalen Schiffsverkehrs bewirkte

133Weltbank: https://t1p.de/nz2m. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

134Drabble und Verheijen, Back to school in Tunisia amidst COVID-19, 2020.

135Scholars at Risk, Free to Think: Report of the Scholars at Risk Academic Freedom Monitoring Project, 2020.

136Hermansen, The COVID-19 Crisis in Egypt, 2020.

137OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

138The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

139Ebd.

140Europäische Kommission, EU response to the coronavirus pan-demic in the Southern Neighbourhood, 2020.

141Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

142OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

(15)

ebenfalls einen drastischen Rückgang der Staatseinnahmen, da die Suezkanal- gebühren USD 5 Milliarden pro Jahr zu diesen beisteuern.

Einen schweren Einbruch hat auch die tunesische Wirtschaft verzeichnet, die er- heblich durch den Tourismus und den Handel mit Europa geprägt ist.143Des Weiteren liegt der Anteil der KMU an der Beschäftigung im formellen Sektor bei fast 40% (in Ägypten bei etwa 33%).144 Eine Studie mit 467 tunesischen KMU ergab, dass seit der Pandemie 81% der befragten Unternehmen einen Umsatzrückgang hinnehmen mussten, darunter 58% mit Einbußen von mehr als 50%.145Zur Bekämpfung einer Rezession hat die tunesische Regierung mehrere wirtschaft- liche und steuerliche Maßnahmen initiiert, wie die Schaffung von Unterstützungsfonds für KMU, Managementkredite für Betriebe in der Tourismus- und Hotelindustrie und auf- geschobene Steuerabgaben für die am meisten betroffenen Unternehmen.146

Die kurz- und mittelfristigen Folgen der Pandemie werden voraussichtlich besonders Menschen und Unternehmen im informellen Sektor treffen. Auf diesen entfallen in Tunesien 63% der Gesamtbeschäftigung und zwischen 30-40% des BIP, während in Ägypten 90% aller KMU informelle Unter- nehmen sind.147 In Ägypten wurden infor- mellen Arbeitnehmern durch erweiterte Sozialhilfeprogramme drei Monate lang gezielte Bargeldtransfers gewährt.148 Diese monatlichen Bargeldzahlungen in Höhe von USD 30 richteten sich an 2,5 Millionen informelle Arbeiter, was 12,5% der insgesamt 20 Millionen Arbeiter in diesem Sektor entspricht. Selbst wenn alle Zielpersonen erreicht würden, würde dies nur etwa 3,75%

der angekündigten Konjunkturmaßnahmen (USD 6,13 Milliarden) ausmachen. Dass dieses Geld von allen betroffenen informellen

Arbeitnehmern in Anspruch genommen wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Infor- mationen darüber und das Antragsformular für die Zahlung sind nur online verfügbar, obwohl viele Ägypter weder einen Internet- zugang haben noch alle lesen können. Dazu kommt, dass nur diejenigen, die in der nationalen Datenbank als reguläre Arbeiter registriert sind, das Geld einfordern können.

Menschen, die als arbeitslos gelten, wie beispielsweise Menschen in Slums, können jedoch keine Unterstützung durch das Sicherheitsnetz erhalten.149

III.3 Die EU und die MENA-Region

Infolge der COVID-19-Pandemie formierte die EU im April das „Team Europa,“150 das Partnerländern der MENA-Region mit EUR 2,26 Milliarden bei der Krisenbewältigung unterstützen soll. Der Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Gesundheits-, Wasser- und Abwassersysteme und der Milderung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krise.151Hilfe erhalten vor allem Libyen (EUR 61 Millionen), Syrien (EUR 33 Millionen), Jordanien (EUR 375 Millionen), der Libanon (EUR 376 Millionen)152 sowie der Jemen (EUR 55 Millionen).153Doch die europäische Krisenreaktion erntet auch Kritik – speziell wegen der Tatsache, dass es sich bei den Finanzmitteln um bloße Umwidmungen bestehender und nicht um neue Mittel handelt.154 Zusätzliche Mittel stehen nach Angaben der EU-Kommissarin für inter- nationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, aufgrund des auslaufenden aktuellen Finanz- rahmens (2014-2020) nicht mehr zur Ver- fügung.155In der Kritik steht die Europäische Union auch wegen der Beteiligung an

„COVAX“, einem globalen Pakt, der einen gleichberechtigten Zugang zu COVID-19- Impfstoffen unabhängig vom Einkommens- niveau der Staaten garantieren soll, aber bis- lang nur genug Vakzine für 250 Millionen

143The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

144Folliot, The COVID-19 Pandemic and the Middle East and North Africa Region, 2020.

145Abajyan et al., Enhancing the Role of SMEs in the Arab World - Some Key Considerations, 2019.

146Ministry of Industry and SMEs in Tunisia, Résultat de l’enquête – Impact du Covid-19, 2020, zitiert nach OECD, COVID-19 crisis response in MENA countries, 2020.

147Folliot, The COVID-19 Pandemic and the Middle East and North Africa Region, 2020.

148Hermansen, The COVID-19 Crisis in Egypt, 2020.

149The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

150Rizk, Vulnerabilities Exposed: COVID-19 and Informal Livelihoods in Egypt, 2020.

151Rat der Europäischen Union, ‘Team Europe’ global response to COVID-19: Council welcomes the mobilisation of almost €36 billion and approves conclusions, 2020.

152Ertl, Die Pandemie als Trendwende?, 2020.

153Europäische Kommission, EU response to the coronavirus pan-demic in the Southern Neighbourhood, 2020.

154Europäische Kommission, EU Institutions external response to COVID-19, 2020.

155Ertl, Die Pandemie als Trendwende?, 2020.

(16)

Menschen erworben hat. Laut einer Studie wird das Abkommen von mehreren Unter- zeichnerstaaten, darunter auch die EU, torpediert, weil die Großeinkäufe von Impf- stoffen für ihre eigenen Staaten dafür sorgen, dass weltweit insgesamt weniger Impfstoff- dosen für den Verkauf bereitstehen. Dadurch, dass der Studie zufolge kein einziges ein- kommensschwaches Land Impfstoffe direkt gekauft hat, werden diese vermutlich von dem COVAX-Pakt und der Impfstoff- verteilung abhängig sein. Damit ist die ursprüngliche Forderung hinfällig, nach der die COVID-19-Impfstoffe ein öffentliches Gut darstellen sollen, welches leicht zugänglich, erschwinglich und gerecht an alle Länder verteilt wird.159 Es ist anzu- nehmen, dass Länder wie Ägypten und Tunesien, wie auch die meisten anderen MENA-Staaten, dadurch weniger Impfdosen bekommen werden.

IV. Mögliche sozio-ökonomische Aus- wirkungen für die Jugend

In den kommenden Monaten und Jahren wird die pandemiebedingte wirtschaftliche Rezession voraussichtlich langfristige sozio- ökonomische Folgen für die Menschen und die Volkswirtschaften der MENA-Region haben.160 Allerdings gibt es auch hier unter- schiedliche Grade möglicher Auswirkungen, die die Jugend betreffen könnten.

IV.1 Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate

Obwohl das saudische Gesundheitssystem die Corona-Krise bisher erfolgreich be- wältigen konnte, dürfte es schwierig werden, den hohen Standard der Gesundheitsver- sorgung bei einer anhaltenden Pandemie aufrechtzuerhalten.161 Denn neben den

156Woertz, COVID-19 in the Middle East and North Africa: Reactions, Vulnerabilities, Prospects, 2020.

157The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

158The International Monetary Fund: https://t1p.de/bcew. Zuletzt geprüft am 04.01.2021.

159Duke Global Health Institute, Will Low-Income Countries Be Left Behind When COVID-19 Vaccines Arrive?, 2020.

160World Health Organization, WHO policy brief: the economic and social impact of COVID-19 in the Eastern Mediterranean Region, 2020.

161Mohsen, Government Responses Toward the Coronavirus Crisis: A Comparative Analysis of Egypt, Turkey, and Saudi Arabia, 2020.

Land

Maßnahmen für informelle Arbeitnehmer

Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit

Maßnahmen, die die Jugend direkt

unterstützen

Maßnahmen für sozial benachteiligte

Menschen

Maßnahmen für KMU

Saudi- Arabien

Zugang zum Gesundheitssystem

ermöglicht156

X X X

VAE X X X

Adfca weitet ihr neues Programm zur Lebensmittel- sicherheit auf 3.400 kleine Lokale

im Emirat aus

Tunesien X

TND 300 Millionen für Arbeitslose157

X

Geldtransfers (TND 450 Millionen

für drei Monate)158

Ägypten

X X

USD 2,9 Millionen für irregulär Beschäftigte

Tabelle 3

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