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Schwarzmarkt Lernhilfe. Masterarbeit

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Academic year: 2022

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Schwarzmarkt Lernhilfe

Eine vergleichende Analyse ausgewählter Lernhilfeprojekte in Wien

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in Social Sciences

der Fachhochschule FH Campus Wien

im Rahmen des europäischen Joint Degree-Masterprogrammes

„Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit“

Vorgelegt von:

Magdalena Kompek, BA BA Personenkennzeichen:

c1510600033

Erstbegutachter/in:

FH Campus Wien

DSA Mag. Roland Gombots, BA

ZweitbetreuerIn / ZweitbegutachterIn:

Hochschule München Prof. Dr. Gerd Stecklina

Eingereicht am: 30.08.2018

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ERKLÄRUNG

Ich erkläre, dass die vorliegende Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet beziehungsweise mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe.

Ich versichere, dass ich diese Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.

Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elektronisch) identisch sind.

Datum: 30.8.2018 Unterschrift:

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KURZFASSUNG

Die Arbeit untersucht Lernhilfeinitiativen in Wien, die an der Schnittstelle zwischen Bildungs- und Wohlfahrtssystem das soziale Problem der Bildungsbenachteiligung bearbeiten. Von September bis November 2017 wurden ExpertInneninterviews mit Projektleitungen und politischen EntscheidungsträgerInnen geführt und themenanalytisch ausgewertet.

Das Phänomen außerschulische Lernhilfe wird zunächst soziologisch mittels bildungstheoretischer Zugänge und Groenemeyers „Soziologie sozialer Probleme“

betrachtet und dann auf dem sozialwirtschaftlichen Markt verortet. Der außerschulische Lernhilfemarkt wird angesichts der Ökonomisierung Sozialer Arbeit als Quasimarkt beschrieben, wobei auf die Funktionen von NPOs, deren Umweltbeziehungen, sozialpolitische Spannungsfelder, Finanzierungsformen, Beschäftigungsverhältnisse sowie Freiwilligenarbeit eingegangen wird.

Die Ergebnisse zeichnen die bunte Entstehungsgeschichte der Projekte nach und stellen ihre Rechtsformen dar. Aus Sichtweise der sozialwirtschaftlichen Organisationen wurden die strukturellen Rahmenbedingungen (Rolle der Sozialpolitik, rechtliche Grundlagen, die Finanzierungs- und Förderstruktur sowie die Personalstruktur) beleuchtet und gezeigt, wie diese die Funktion und das Setting prägen. Angesichts strittiger Problemdefinitionen und fehlender politischer Zuständigkeiten beziehungsweise Förderstruktur konnte der außerschulische Lernhilfemarkt als Schwarzmarkt beschrieben werden.

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ABSTRACT

This paper examines non-school learning assistance initiatives in Vienna that work on the social problem of educational disadvantage at the interface between the education and welfare systems. From September to November 2017, expert interviews with project leaders and political decision-makers were conducted and evaluated according thematic analysis.

The phenomenon of non-school learning assistance is first examined sociologically by means of theoretical approaches to education and Groenemeyer's "sociology of social problems" and then located on the socio-economic market. In view of the economisation of social work, the non-school learning assistance market is described as a quasi-market in which the functions of NPOs, their environmental relations, socio-political areas of tension, forms of financing, employment relationships and voluntary work are addressed.

The results trace the colourful history of the projects and present their legal forms. From the perspective of socio-economic organisations, the structural framework conditions (role of social policy, legal foundations, financing structure and personnel structure) were examined and shown, how they shape the function and setting. In view of disputed problem definitions and a lack of political responsibility and support structure, the non-school learning assistance market could be described as a black market.

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AHS Allgemeinbildende höhere Schule

AK Arbeiterkammer

AMIF Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds BHS Berufsbildende höhere Schule

B-JFG Bundes-Jugendförderungsgesetz

BMASK Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz BMBWF Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung BMEIA Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres BMGFJ Bundesministerium für Gesundheit, Frauen und Jugend BMNT Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus CSR Corporate Social Responsibility

EBP Evidenzbasierte Praxis FPO For-Profit-Organisation

gGmbH gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung KMU kleine und mittlere Unternehmen

MA 13 Magistratsabteilung 13 (Bildung und außerschulische Jugendbetreuung) MA 17 Magistratsabteilung 17 (Integration und Diversität)

MA 56 Magistratsabteilung 56 (Wiener Schulen) NAP.I Nationale Aktionsplan für Integration NMS Neue Mittelschule

NPO Non-Profit-Organisation

ÖIF Österreichischer Integrationsfonds – Fonds zur Integration von Flüchtlingen und MigrantInnen

PIER Protection, Education and Integration for Refugees SWÖ-KV Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich USP Unique-Selling-Proposition

vgl. vergleiche

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SCHLÜSSELBEGRIFFE

Außerschulische Lernhilfe Bildungsungleichheit

„Doing Social Problems“

Finanzierungsmodelle in der Sozialwirtschaft

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...1

1.1 Ausgangslage ...2

1.2. Aktueller Forschungsstand ...4

1.3. Forschungsfrage und Zielsetzung der Arbeit ...7

1.4. Aufbau ...8

I THEORETISCHER TEIL ... 10

2. Bildungsbenachteiligung als soziales Problem ...10

2.1. Bildungstheoretische Zugänge ...11

2.1.1 Die Bourdieu`sche Kapitaltheorie ... 12

2.1.2 Der Bourdieu̕ sche Habitusbegriff ... 13

2.1.3 Migrationshintergrund und Schule ... 13

2.2 Soziologie sozialer Probleme ...16

2.2.1 Institutionalisierung von Problemdiskursen ... 18

3. Sozialwirtschaftlicher Markt ...22

3.1 Quasimarkt ...23

3.2 Ein Markt im Umbruch...25

3.3 Der Blick auf die sozialen Organisationen ...27

3.4 Funktionen von NPOs ...28

3.5 Umweltbeziehungen von NPOs ...31

3.6 Die Rolle der Sozialpolitik ...32

3.7 NPO-Finanzierung ...34

3.8 NPO-Personal ...36

II EMPIRISCHER TEIL ... 38

4. Forschungsdesign ...38

4.1 Feldzugang ...39

4.1.1 Auswahl der Lernhilfeprojekte ... 40

4.1.2 Sample ... 41

4.2. Erhebungsmethode: ExpertInneninterviews ...42

4.3 Auswertungsmethode: Themenanalyse ...44

5. Ergebnisse ...46

5.1 Das Feld außerschulischer Lernhilfeprojekte ...46

5.2 Gründung ...47

5.3 Strukturelle Rahmenbedingungen ...49

5.3.1 Sozialpolitik ... 49

5.3.1.1 Strittige Problemdefinition ... 50

5.3.1.2 Fehlende Zuständigkeiten ... 52

(8)

5.3.2 Rechtsgrundlagen ... 54

5.3.3 Finanzierungs- und Förderstruktur... 56

5.3.3.1 Finanzierungsmix ... 56

5.3.3.2 Personelle Zuständigkeit ... 59

5.3.3.3 Unterschiedliche Förderlogiken ... 59

5.3.3.4 Finanzielle Planungsunsicherheit ... 61

5.3.3.5 Spannungsfelder ... 63

5.3.4 Personalstruktur ... 65

5.4 Funktion ... 70

5.5 Zielgruppe ... 72

5.6 Setting ... 74

5.6.1 Aufnahme ... 75

5.6.2 Lerngruppen ... 75

5.6.3 Schwerpunkte ... 76

5.6.4 Zusatzangebote ... 77

5.6.5 Qualitätssicherung und Evaluation ... 78

5.6.6 Vernetzung und Kooperation ... 78

6. Fazit und Ausblick ... 81

Literaturverzeichnis ... 85

Tabellenverzeichnis ... 94

Abbildungsverzeichnis ... 94

Anhang ... 95

(9)

1. Einleitung

Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen außerschulische Lernhilfe und untersucht ausgewählte Lernhilfeinitiativen in Wien, die „an der Schnittstelle von Wohlfahrts- und Bildungssystem mit der Bearbeitung von Bildungsbenachteiligung betraut“ (Bolay, Walther 2014: 384) sind. Bildungsbenachteiligung wird mithilfe Groenemeyers „Soziologie sozialer Probleme“ (2012[2007] als „soziales Problem“ gefasst, das von den untersuchten Lernhilfeprojekten als „soziale ProblembearbeiterInnen“ bearbeitet wird (vgl. ebd.).

Bildungsungleichheit geht in der Wissensgesellschaft (vgl. Erler 2007a: 7) mit zunehmenden Risiken des Ausschlusses einher (vgl. Bolay, Walther 2014: 370), wodurch das Bildungssystem zum „public issue“ (Groenemeyer 2007: 9) wird. Bildungsungleichheit steht nicht nur im Fokus öffentlicher Debatten, sondern auch im Zentrum politischer Bemühungen und wissenschaftlicher Analysen (vgl. Bolay, Walther 2014: 370). Wie die Nachhilfestudie der Arbeiterkammer (AK) Wien zeigt, reichen die schulischen Fördermaßnahmen oft nicht aus, um den angestrebten Lernerfolg der SchülerInnen zu erreichen. Die Schule produziert einen Nachhilfemarkt, in den aber nicht alle Eltern investieren können (vgl. IFES 2014: 46). Das erklärt auch den hohen Bedarf an Gratis- oder kostengünstigen Lernhilfeangeboten, welche Gegenstand der hier vorliegenden Arbeit sind.

Pennerstorfer und Badelt werfen die Frage auf, warum Non-Profit-Organisationen (NPO) existieren und fragen auch nach ihren besonderen Verhaltensweisen (vgl. Pennerstorfer, Badelt 2013: 107ff.). Krucsay und Gombots zufolge sind organisationale Verhaltens- und Sichtweisen von strukturellen Rahmenbedingungen geprägt (vgl. Krucsay, Gombots 2010:

159), die in der Sozialarbeit vor allem von der Politik vorgegeben werden (vgl. Schwarz 2017: 195). Bildungsgerechtigkeit dient nach Bücken „als diskursive Projektionsfläche für gesellschaftliche Zustände und sozialpolitische Interventionen“ (Bücken 2016: 105). Daher stellt sich die Frage, inwieweit außerschulische Lernhilfe (sozial-)politisch institutionalisiert ist, was sich etwa an der Förderstruktur festmachen lässt. Dabei interessiert nicht nur die politische Sichtweise, sondern auch die spezifische Sichtweise der untersuchten Lernhilfeprojekte, die sich nach Groenemeyer in der Organisationsstruktur und den Interventionen zeigt (vgl. Groenemeyer 2007: 19).

Es besteht die These, dass sich die Lernhilfeangebote hinsichtlich ihrer Positionierung am außerschulischen Lernhilfemarkt unterscheiden. Der außerschulische Lernhilfemarkt ist als

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Teil der Sozialwirtschaft im „Dritten Sektor“ (Evers 2005) zwischen Markt und Staat verortet (vgl. Dimmel, Schmid 2013: 78). Aktuell wird eine „Quasimarktorientierung im Sozialwirtschaftssektor“ (Brinkmann 2010: 115) beobachtet, weshalb auch für das Feld außerschulischer Lernhilfe von einer erhöhten Anbieterkonkurrenz am Quasimarkt auszugehen ist (vgl. ebd. 67).

Die Arbeit geht also der Frage nach, wie der sozialwirtschaftliche Markt von außerschulischer Lernhilfe in Wien strukturiert ist und inwiefern sich die ausgewählten Lernhilfeprojekte unterscheiden. Angesichts eines qualitativen Forschungsdesiderats interessiert dabei, wie die untersuchten Projekte Bildungsbenachteiligung bearbeiten. Der Fokus liegt dabei auf den Deutungs- und Handlungsmustern der Projektleitungen, welche mittels ExpertInneninterviews von September bis November 2017 erhoben und themenanalytisch ausgewertet wurden.

1.1 Ausgangslage

Bildungsungleichheit steht nach wie vor im Fokus öffentlicher Debatten, politischer Bemühungen und wissenschaftlicher Analysen. Die Relevanz von Ungleichheit und Benachteiligung im Bildungssystem hat sich durch die flexibler werdende Koppelung von Bildungs- und Beschäftigungssystem und die entstandardisierten Lebensläufe noch verschärft. Dies betrifft insbesondere die Übergänge zwischen Jugend und Erwachsenenstatus, die scheitern können, da Ungleichheit zunehmend mit Risiken des Ausschlusses einhergeht (vgl. Bolay, Walther 2014: 370). In der Wissensgesellschaft wird Wissen zur strategischen Ressource, wodurch das Bildungssystem stärker in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens rückt (vgl. Erler 2007a: 7) und zum „public issue“

(Groenemeyer 2007: 9) wird. Lebenschancen und Statuspositionen werden immer mehr durch Bildung zugewiesen und legitimiert. So besteht ein starker Zusammenhang zwischen Bildungsabschlüssen und Arbeitsmarkterfolg, wobei „Zugang, Verbleib und Erfolg im Bildungssystem unter den gesellschaftlichen Gruppen höchst ungleich verteilt“ (Erler 2007a:7) sind. Das österreichische Bildungssystem erfüllt nach wie vor eine reproduktive Funktion, indem die Eltern ihren Kindern den gesellschaftlichen Status Großteils vererben (vgl. ebd. 7). Bolay und Walther stellen für den deutschen Kontext fest, dass sich seit den 1980ern ein System von außerschulischen Hilfen für benachteiligte Jugendliche ausdifferenziert hat, was durch eine vorwiegend auf Schule fokussierte empirische Bildungsforschung übersehen wurde (vgl. Bolay, Walther 2014: 370). Die hier vorliegende

(11)

Arbeit möchte die Forschungslücke in der Wiener Landschaft ein Stück weit schließen. Ziel dieser Hilfen ist es den Autoren zufolge, negative 2Bildungseffekte sozialer Herkunft präventiv und kompensatorisch auszugleichen. Dabei sind diese Hilfen nicht im Bildungssystem selbst verortet, sondern werden wohlfahrtsstaatlich im Rahmen der Jugendhilfe erbracht (vgl. ebd. 370).

In Wien gibt es unterschiedliche sozialwirtschaftliche Lernhilfeangebote, die für die Eltern kostenlos oder sehr kostengünstig im Vergleich zu kommerziellen Nachhilfeinstituten oder privater, bezahlter Nachhilfe sind. Die größte Lernhilfeinitiative ist die „Förderung 2.0“, die von der Stadt Wien 2015 an den Schulen und Volkshochschulen initiiert wurde (vgl. Stadt Wien 2018).

Es gibt verschiedene „Varianten (außer)schulischer Lernhilfen“ (Toifl 2011: 14), wobei Toifl grundsätzlich zwischen privat und institutionell organisierter Nachhilfe unterscheidet.

Während institutionelle Nachhilfe durch kommerzielle Nachhilfeinstitute erbracht wird, ist mit privater Nachhilfe entweder die Unterstützung durch Eltern, Geschwister und Freunde gemeint (vgl. Toifl 2011: 14), oder bezahlte Nachhilfe durch Personen ohne Gewerbeschein wie Lehrkräfte oder Studierende, was Dohmen et al. als „Grauzone“ (Dohmen et al. 2008:

20) am Nachhilfemarkt bezeichnen. Weitere Formen sind Hausaufgabenhilfe/-unterricht, wo der Fokus mehr auf Unterstützung und Aufsicht liegt denn auf schulfachbezogener Förderung (vgl. Toifl 2011: 15), Förderunterricht, der an der Schule stattfindet und von der Schule finanziert wird (vgl. ebd. 16) sowie Onlinenachhilfe (vgl. ebd. 17).

Genauso gibt es gibt mehrere Definitionen von „Nachhilfe“. Behr versteht darunter etwa die

„Betreuung von Schülern, die außerhalb der regulären Unterrichtszeit, zusätzlich zum Zweck der Leistungssteigerung in spezifischen Schulfächern privat von Eltern organisiert und finanziert wird“ (Behr 1990: 9).

Rudolph nennt folgende Aspekte, die unter „Nachhilfe“ fallen:

- Hilfe bei Hausaufgaben

- Vorbereitung auf Schularbeiten und Tests - Wiederholung von Schulstoff

- Unklarheiten in bestimmten Gegenständen klären (vgl. Rudolph 2002: 10).

Während die Förderung 2.0 mit den Begriffen „Nachhilfe“ und „Lernhilfe“ operiert (vgl.

Stadt Wien 2018) – was auf ein eher verschultes Setting hindeutet, grenzen sich die im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit untersuchten Lernhilfeprojekte vom Nachhilfebegriff

(12)

ab. Spannend ist, dass trotz der groß angelegten Gratis-Nachhilfeoffensive laufend neue Projekte gegründet werden, auch als Konkurrenz zur Förderung 2.0. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es keine Förderstruktur für außerschulische Lernhilfe gibt. Es gibt keinen ausgewiesenen Fördertopf für Initiativen, die das „soziale Problem“ (Groenemeyer 2007 [2012]) Bildungsbenachteiligung bearbeiten. Ein Blick auf die Projektlandschaft zeigt aber, dass der Einsatz für Bildungserfolg dennoch als wichtig und notwendig erachtet wird.

1.2. Aktueller Forschungsstand

Bolay und Walther zufolge ist die bisherige Forschung zu außerschulischen Hilfen fragmentiert und unübersichtlich, was sie einerseits auf die fehlende Anerkennung ihrer Relevanz und damit fehlenden Forschungsmitteln, und andererseits auf die Vielfalt unterschiedlicher Funktionen, Ziele und Wirkungsaspekte außerschulischer Projekte zurückführen. Sie fokussieren vor allem auf den Wirkungsaspekt und sehen die Wirkungen der Jugendsozialarbeit eher als Bewältigung denn als Kompensation von sozialer und Bildungsbenachteiligung, indem sie Jugendlichen Integrations- und Lebensperspektiven eröffnen, auch wenn diese nicht in allen Fällen in zählbaren Bildungs- oder Einmündungserfolgen zum Ausdruck kommt. Zudem liegen bislang kaum Untersuchungen zu den pädagogischen Deutungs- und Handlungsmustern der Fachkräfte oder zu Beziehungsdynamiken und -qualitäten zwischen den Fachkräften und Jugendlichen vor, die aber angesichts der zentralen Bedeutung von Beratung und Begleitung eine große Rolle spielen (vgl. Bolay, Walther 2014: 384f.).

Toifl zeichnet die Entwicklung des Nachhilfemarkts seit der Errichtung öffentlicher Schulen im 19. Jahrhundert nach und verweist auf unterschiedliche Möglichkeiten außerschulischer Lernhilfe, die durch öffentliche und private Institutionen angeboten wird (vgl. Toifl 2011:

5f.).

Perner sieht in der steigenden Anzahl von Nachhilfeinstituten und dem zunehmenden Bewusstsein für Nachhilfe Gründe, warum sich die Bildungsforschung in den letzten Jahren verstärkt mit dieser Thematik befasst (vgl. Perner 2016: 28).

Dohmen et al. stufen die Forschungslage zu privater Nachhilfe insgesamt als lückenhaft und unübersichtlich ein, hinsichtlich der pädagogischen und sozioökonomischen Effekte, des Angebots, der Nachfrage sowie des Umsatzvolumens am Nachhilfemarkt. Ihnen zufolge gibt

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es kaum zuverlässige Erkenntnisse über die Zahl, Größe und das Leistungsspektrum der einzelnen Anbieter privater Nachhilfe, was sie auf die mangelnde Strukturierung des Nachhilfesektors zurückführen (vgl. Dohmen et al. 2008: 12).

Pekovits hält fest, dass schulische und außerschulische Betreuungseinrichtungen das Ziel haben, Bedarfslücken, die sich aus einem Zusammenspiel verschiedener Ursachen ergeben, zu füllen und die Zielsetzungen, pädagogischen Aufträge sowie Schwerpunkte dabei voneinander abweichen (vgl. Pekovits 2012: 12).

Der hohe Bedarf an (gratis) Lernhilfeprojekten wird von der Nachhilfe-Studie von IFES im Auftrag AK Wien 2014 bestätigt. Im Erhebungszeitraum (März bis April 2014) haben 38%

der Wiener Haushalte mit Schulkindern eine externe Nachmittagsbetreuung in Anspruch genommen, womit Wien diesbezüglich nach wie vor deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Die Mehrheit der Eltern ist zumindest teilweise fachlich überfordert und tut sich schwer, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen und das Wissen vor Tests oder Schularbeiten zu überprüfen. 48 % der Wiener Eltern fühlen sich durch das Helfen und Beaufsichtigen beim Lernen und Aufgabenmachen zeitlich sehr belastet. Darüber hinaus hat die Belastung im Vergleich zu 2013 deutlich zugenommen. Drei von zehn Eltern fühlen sich durch die mit dem schulischen Stress verbundenen Konflikte und Ärgernisse innerhalb der Familie stark belastet und weitere 36 % sind davon zeitweise negativ tangiert. Spannend für das Feld der Gratis-Lernhilfeprojekte ist das Ergebnis, wonach 27 % jener 32 % der Eltern, die im laufenden Schuljahr oder in den letzten Sommerferien eine externe Nachhilfe zumindest für eines ihrer Kinder benötigt haben, eine bezahlte Nachhilfe in Anspruch genommen haben.

Die StudienautorInnen kommen auf einen Gesamtbedarf an Nachhilfe von 39%, wobei noch jene 7% der Eltern hinzuzurechnen sind, die angaben, keine Nachhilfe engagieren zu können, obwohl sie nötig wäre. Der Hauptgrund hierfür sind die zu hohen Kosten, vor allem für die einkommensschwächeren Haushalte. In dieser Gruppe wird der Bedarf an Nachhilfe zu überdurchschnittlichen Anteilen in Form einer unbezahlten Nachhilfe innerhalb des Bekannten- und Verwandtenkreises gedeckt. Von jenen Haushalten, die über nicht mehr als 1.600 € im Monat verfügen, behelfen sich 15% mit einer unbezahlten Nachhilfe, während diese Quote bei den höheren Einkommensgruppen mit 5-7% deutlich geringer ist.

Besserverdienende nutzen ohnehin fast ausschließlich eine bezahlte Nachhilfe durch kommerzielle Einrichtungen. Die Gesamtausgaben für Nachhilfe machen in Wien rund 40

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Mio Euro aus. Es bestehen österreichweit Differenzen zw. den Schulformen. So geben Eltern von NMS-BesucherInnen durchschnittlich weniger für Nachhilfe aus, als dies bei der AHS- Unterstufe der Fall ist (680€ vs. 830€), was unter anderem an den geringeren finanziellen Ressourcen dieser Eltern liegt (vgl. IFES 2014: 6f., 26). Die StudienautorInnen kommen zu dem Schluss,

„dass die Belastungen durch Nachhilfekosten insbesondere für sozial und finanziell schwächer gestellte Haushalte (v.a. auch AlleinerzieherInnen, Eltern mit nicht- deutscher Muttersprache) eine schwere Bürde sind, sofern für sie eine Nachhilfe überhaupt leistbar ist. Dies unterminiert die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit.“ (IFES 2014: 8)

Die Studie streicht klar hervor, dass es der Schule vielfach nicht gelingt, den angestrebten Lernerfolg der SchülerInnen durch ein entsprechendes Angebot an schulischen Fördermaßnahmen zu erreichen, was sich im hohen Nachhilfebedarf ausdrückt. Da es viele SchülerInnen ohne diesen Ergänzungs- und Vertiefungsunterricht nicht schaffen würden, die von der Schule vorgegebenen Lernziele zu erreichen, kann die Nachhilfeproblematik als sichtbare systemimmanente Schwäche des österreichischen Bildungssystems betrachtet werden. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Schule nach wie vor einen Nachhilfemarkt produziert, in den nur jene Eltern investieren können, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, was wiederum zu sozialer Ungerechtigkeit beiträgt (vgl. IFES 2014: 46).

Die außerschulischen, sozialwirtschaftlichen Lernhilfen können demnach als Antwort auf die Schwächen des österreichischen Bildungssystems sowie als Ergänzung zum kommerziellen Nachhilfemarkt interpretiert werden. Pennerstorfer und Badelt zufolge entstehen NPOs aufgrund von unzulänglichen Angeboten des Staates und des Marktes und reagieren auf verschiedene Bedarfe nach kollektiven Gütern, wie sich etwa bei Privatschulen als Alternative zum staatlich organisierten Schulwesen zeigt. Die AutorInnen werfen nicht nur die Frage auf, warum NPOs existieren, sondern fragen auch nach ihren besonderen Verhaltensweisen, wobei sie sich auf NPOs mit Dienstleistungsfunktion an zentraler Stelle fokussieren(vgl. Pennerstorfer, Badelt 2013: 107ff.).

Im Zusammenhang mit organisationalen Verhaltens- und Sichtweisen gehen Krucsay und Gombots davon aus,

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„dass die institutionellen Rahmenbedingungen, die aus einem ,marktwirtschaftlichenʼ oder einem ,wohlfahrtsstaatlichenʼ Verständnis des Sozialen und damit der Sozialarbeit erwachsen, nicht nur formal die Arbeitsbedingungen der Sozialarbeit beeinflussen, sondern ebenso in das Selbstverständnis und das Bewusstsein der sozialen Problembearbeiterinnen hineinwirken“ (Krucsay, Gombots 2010: 159)

Nach Groenemeyer spiegeln die Institutionen der Problembearbeitung in ihrer Alltagsarbeit spezifische Problemdiskurse wieder, unabhängig von der erfolgreichen Institutionalisierung eines sozialen Problems und entsprechender politischer Programme. Die spezifische Sichtweise eines sozialen Problems zeigt sich in der Organisationsstruktur und den Interventionen (vgl. Groenemeyer 2007: 19).

1.3. Forschungsfrage und Zielsetzung der Arbeit

Neben dieser Problemstellung liegt der Masterarbeit ein persönliches Interesse durch die berufliche Tätigkeit bei einem Lernhilfeprojekt zugrunde, welches aber nicht in die empirische Untersuchung einbezogen wurde.

Die Masterarbeit gibt zunächst einen Überblick über die Projektlandschaft. In einem nächsten Schritt werden unterschiedliche Angebotsschienen hinsichtlich

- Entstehungsgeschichte,

- Finanzierungs- und Förderstruktur, - Personalstruktur,

- Funktion, - Zielgruppe und - Setting verglichen.

Dabei besteht die Annahme, dass das Selbstverständnis der Organisationen von den strukturellen Rahmenbedingungen geprägt ist, was sich beispielsweise im Lernsetting wiederspiegelt. Das Erkenntnisinteresse besteht auch darin herauszufinden, welche Funktion die Organisationen auf dem sozialwirtschaftlichen Markt erfüllen. Von besonderem Interesse ist dabei das Zusammenspiel von öffentlichen Kostenträgern wie der MA 13 und den sozialen Dienstleistungsorganisationen, die das Feld der außerschulischen Lernhilfe bespielen. Der Blick auf die Lernhilfeprojekte richtet sich auf verschiedene

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Beobachtungsebenen, von persönlichen Planungs- und Legitimationsstrategien bis hin zur Beziehung zwischen den Organisationen und ihren Umwelten. Im Sinne des qualitativen Forschungszugangs interessiert, wie die untersuchten Projekte an der Schnittstelle von Sozialbereich und Bildungssystem Bildungsbenachteiligung bearbeiten.

Die Fragestellung lautet:

Wie ist der sozialwirtschaftliche Markt von außerschulischer Lernhilfe in Wien strukturiert und inwiefern unterscheiden sich die ausgewählten Lernhilfeprojekte?

Der Mehrwert dieser Arbeit besteht in der Erschließung der Forschungslücke, die im Bereich der außerschulischen Lernhilfe besteht. Auf staatlicher und marktwirtschaftlicher Ebene wurde das soziale Problem Bildungsbenachteiligung bereits beleuchtet. So gibt es viele Studien im Bereich der Bildungsforschung, die sich mit der Schule und kommerziellen Nachhilfeinstituten auseinandersetzen. Hingegen liegt der innovative Fokus der hier vorliegenden empirischen Untersuchung auf der sozialwirtschaftlichen Ebene. Der „Doing Social Problems“-Ansatz von Holstein und Miller (1993), den Groenemeyer in seiner

„Soziologie sozialer Probleme“ (2012[2007]) aufgreift, erlaubt einen kritischen Blick auf das Feld und zeigt, wie sich die Projekte am sozialwirtschaftlichen „Quasimarkt“ (Kolhoff 2017:119) positionieren und wie sie mit dem strukturellen Rahmen umgehen.

1.4. Aufbau

Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und empirischen Teil.

Der Theorieteil führt in Kapitel 2 auf das Phänomen außerschulische Lernhilfe hin. Kapitel 2.1. stellt bildungstheoretische Zugänge vor, wobei die Bourdieu`sche Sichtweise auf Bildungsbenachteiligung sowie der Zusammenhang von Schule und Migrationshintergrund dargestellt werden. Kapitel 2.2 beschreibt Bildungsbenachteiligung anhand Groenemeyers

„Soziologie sozialer Probleme“ (2012 [2007]) als soziales Problem, das von den Lernhilfeprojekten bearbeitet wird.

Kapitel 3 beschreibt den außerschulischen Lernhilfemarkt als einen Teil der Sozialwirtschaft, wobei der Begriff definiert wird. Kapitel 3.1 argumentiert, warum es sich dabei um einen Quasimarkt handelt. Kapitel 3.2 problematisiert aktuelle Entwicklungen im

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Zuge der Ökonomisierung Sozialer Arbeit, welche auch die Lernhilfeangebote betrifft.

Kapitel 3.3 richtet den Blick auf die sozialen Organisationen, wobei der NPO-Begriff definiert wird. Kapitel 3.4 geht auf die Funktionen von NPOs ein. Kapitel 3.5 setzt sich mit den Umweltbeziehungen auseinander, wobei die sozialpolitischen Spannungsfelder in Kapitel 3.6 genau beleuchtet werden. Kapitel 3.7 befasst sich mich den Finanzierungsformen und -herausforderungen sozialwirtschaftlicher Unternehmen, Kapitel 3.8 mit den Beschäftigungsverhältnissen und der Freiwilligenarbeit in der Sozialarbeit.

Der Empirie-Teil stellt in Kapitel 4 das qualitative Forschungsdesign vor und geht in Kapitel 4.1 auf den Feldzugang ein. Kapitel 4.2 befasst sich mit der Erhebungsmethode (ExpertInneninterviews) und Kapitel 4.3 mit der Auswertungsmethode (Themenanalyse).

Kapitel 5 stellt die Ergebnisse der themenanalytischen Auswertung vor, die verknüpft mit Theorie diskutiert werden, wobei auch die Forschungsfrage beantwortet wird. Eingangs wird das Feld außerschulischer Lernhilfe in Kapitel 5.1 skizziert. Kapitel 5.2 zeichnet die Entstehungsgeschichte der untersuchten Lernhilfeprojekte nach und stellt deren Rechtsformen dar. Kapitel 5.3 arbeitet die strukturellen Rahmenbedingungen außerschulischer Lernhilfe auf, indem die Rolle der Sozialpolitik, rechtliche Grundlagen, die Finanzierungs- und Förderstruktur sowie die Personalstruktur analysiert werden. Kapitel 5.4 geht der Frage nach, welche Funktion die Lernhilfeinitiativen erfüllen. Kapitel 5.5 beschreibt die Zielgruppe der Projekte. Kapitel 5.6 fasst das Setting vergleichend zusammen.

Kapitel 6 gibt zunächst ein Fazit, wobei die Forschungsfrage nochmals zusammenfassend beantwortet wird, und schließt dann mit einem Ausblick.

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I THEORETISCHER TEIL

Im Theorieteil wird das Phänomen außerschulische Lernhilfe zunächst soziologisch betrachtet und dann im „Dreisektoren-Modell“ (Meyer, Simsa 2013: 9) verortet.

Bildungsbenachteiligung wird als soziales Problem beschrieben, das von den Lernhilfeprojekten als professionelle ProblembearbeiterInnen (vgl. Groenemeyer 2012: 35) bearbeitet wird. Die Zielgruppe der Initiativen ist in Bourdieu`scher Perspektive benachteiligt, was ihre Ausstattung mit ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital betrifft. Außerdem wird der Begriff Migrationshintergrund definiert und im schulischen Kontext beleuchtet, da die Zielgruppe primär SchülerInnen mit Migrationshintergrund sind.

Der Begriff der Sozialwirtschaft wird definiert und angesichts aktueller Entwicklungen argumentiert, warum der außerschulische Lernhilfemarkt ein Quasimarkt (vgl. Brinkmann 2010, Kolhoff 2017) ist. Auch der NPO-Begriff wird definiert und die Funktionen von NPOs, ihre Umweltbeziehungen (mit Fokus auf die Sozialpolitik), Finanzierungs- sowie Personalstruktur erörtert.

2. Bildungsbenachteiligung als soziales Problem

Die im Bildungssystem erworbenen Kompetenzen und Bildungszertifikate sind nicht nur wichtige Indikatoren des strukturellen Integrationserfolgs, sondern sie fördern auch die Integration in anderen gesellschaftlichen Bereichen. So sind mit einer höheren Bildung auch Vorteile auf dem Arbeitsmarkt verbunden. Eine Schlechterstellung im Bildungssystem hat weitreichende Folgen (vgl. Diehl et al. 2016: 4). Im Zuge von Individualisierungs- und Neoliberalisierungstendenzen werden strukturelle Risiken der individuellen Verantwortung attestiert und die Definitionsmacht statushöherer Gruppen ausgeblendet (vgl. Erler 2007a:

9). Das österreichische Bildungssystem birgt einige Hürden für SchülerInnen, die aus sozial schwächeren Haushalten kommen. So wird die erste Bildungswegentscheidung im internationalen Vergleich nach nur vier Volkschuljahren sehr früh getroffen. Auch die vorherrschende Form der Halbtagsschule kann etwa für berufstätige Mütter problematisch sein. Zudem ist das österreichische Bildungssystem durch eine sehr hohe Berufsorientierung geprägt, was einen späteren Berufswechsel schwieriger macht (vgl. ebd. 10). Erler hat sich mit der Frage beschäftigt, wie es Kindern aus bildungsfernen Milieus im Lebensraum Schule ergeht (vgl. ebd. 12) und kommt zu dem Schluss, dass es unserer demokratischen

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Gesellschaft nicht einmal im Bildungsbereich gelingt, Chancengleichheit herzustellen (vgl.

ebd. 11). Längst notwendige Reformen im Bildungssystem werden seit Jahrzehnten blockiert, während Verschlechterungen wie Zugangsbeschränkungen auf den Hochschulen politisch durchgesetzt werden (vgl. ebd. 12). Nach Groenemeyer sind soziale Probleme

„offenbar nicht unbedingt dazu da, gelöst zu werden“ (Groenemeyer 2012: 35), da die eigentliche Funktion politischer Maßnahmen oft nicht ersichtlich ist. Soziale Probleme sind Gegenstand strategischer Politik und politischer Zuständigkeiten (vgl. ebd. 35). Die Sozialpolitik setzt einen strukturellen Rahmen, in dem die Lernhilfeprojekte das soziale Problem der Bildungsbenachteiligung bearbeiten und auch definieren. Angesichts undurchsichtiger politischer Ziele und Zuständigkeiten (vgl. ebd. 35) müssen auch die Förderstrukturen im Feld der außerschulischen Lernhilfe sowie Maßnahmen wie die

„Förderung 2.0“ kritisch betrachtet werden.

2.1. Bildungstheoretische Zugänge

Nach Groenemeyer lassen sich soziale Probleme im Sinne von

„Funktionsbeeinträchtigungen“ (Groenemeyer 2007: 49) anhand objektiver Kriterien soziologisch feststellen, auch wenn sie unterschiedlich definiert und interpretiert werden (vgl. ebd. 49). So unterschieden sich die Problemdefinitionen der Lernhilfeprojekte vom politischen Standpunkt. Im Folgenden wird das soziale Problem der Bildungsbenachteiligung mithilfe bildungssoziologischer Theorien gefasst.

In der Soziologie der Bildungsungleichheit dominieren heute zwei Theoriestränge. Erstens, Rational Choice mit verschiedenen Varianten eines klassen- und akteursspezifischen Kosten-Nutzen-Kalkül in der Bildungsinvestition. Zweitens, eher konflikttheoretische Ansätze um Pierre Bourdieu. Nach Erler schließen sich die beiden Denkschulen nicht aus, sondern sind einfach unterschiedliche Zugänge. Rational Choice setzt an den Entscheidungspunkten des Bildungsweges an. Konflikttheorie beschäftigt sich stärker mit den Selektionsmechanismen innerhalb des Bildungssystems (vgl. Erler 2007b: 35). Für die Ursachen misslingender Übergangsprozesse finden sich ebenfalls unterschiedliche Erklärungsansätze, von Diskriminierungsansätzen über die These von kulturellen Defiziten und kapitaltheoretischen Argumenten bis hin zu strukturindividuellen Modellen (vgl.

Schlimbach et al. 2015: 99). Im Rahmen dieser Arbeit wird der Bourdieu`sche Erklärungsansatz für Bildungsungleichheit gewählt, da er die Bedeutung fehlender

(20)

Ressourcen für den Bildungserfolg der hier untersuchten Zielgruppe gut erklärt. Außerdem ist Bourdieu mit seiner These der verschleierten Funktion des Bildungssystems als Reproduktionsinstrument (vgl. Bourdieu 2012: 241) anschlussfähig an Groenemeyers These, wonach die Funktion politischer Interventionen verschleiert sein können (vgl.

Groenemeyer 2012: 35)

2.1.1 Die Bourdieu`sche Kapitaltheorie

Bourdieu entwickelt ein neues Kapitalkonzept, indem er das ökonomische Kapital um eine kulturelle, soziale und symbolische Dimension erweitert. Das ökonomische Kapital ist unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar und wird in Form von Eigentum angesammelt.

Die kulturelle Kapitalsorte bezieht sich auf den Besitz von legitimer Bildung, Wissen und Geschmack. Das kulturelle Kapital tritt primär als gelerntes inkorporiertes Wissen auf und wird in institutionalisierter Form über schulische Abschlüsse, Titel und Zertifikate zur Schau gestellt. In objektiviertem Zustand begegnet es uns etwa in Form von kulturellen Gütern und Büchern. Genauso wie das kulturelle Kapital ist auch das soziale Kapital unter bestimmten Voraussetzungen in ökonomisches Kapital konvertierbar. Das soziale Kapital beschreibt die sozialen Verpflichtungen oder Beziehungen, die hilfreichen sozialen Netzwerke, auf die jemand schon allein dadurch zurückgreifen kann, indem er oder sie in eine bestimmte Familie hineingeboren wurde. Das symbolische Kapital kann als Prestige oder Renommee bezeichnet werden (vgl. Erler 2007c: 41f.; vgl. Bourdieu 2012: 231). Die Kinder und Jugendlichen der untersuchten Lernhilfeprojekte sind benachteiligt, was die Ausstattung mit ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital betrifft. Die Befragten definieren die Zielgruppe dementsprechend als sozial- beziehungsweise bildungsbenachteiligt (siehe Ergebnisse).

Soziale Ungleichheit (re)produziert sich im sozialen Feld der Bildung vor allem über das kulturelle Kapital. Dahinter steht jedoch immer die Verfügung über ökonomisches Kapital, was die Grundvoraussetzung dafür ist, ob sich eine Familie einen bestimmten Bildungsweg leisten kann oder nicht. In diesem Zusammenhang verweist Erler auf die Kosten privater Nachhilfe (vgl. Erler 2007c: 42f.). Die Lernhilfeinitiativen unterstützen SchülerInnen, deren Eltern sich eben keine private Nachhilfe leisten können (siehe Ergebnisse). Bourdieu vollzieht sich die Übertragung von kulturellem Kapital heimlich, unbewusst und unkontrolliert (vgl. Bourdieu 2012: 241). Die symbolische Herrschaft der

(21)

Bildungseinrichtungen zeigt sich in der Ehrfurcht vor den Bildungsinstitutionen, die beispielsweise an Elternsprechtagen beobachtet werden kann (vgl. Erler 2007: 43).

Hinsichtlich der Elternsprechtage berichten die befragten Projektleitungen, dass sie die Eltern oft begleiten, da diese aufgrund von negativen Erfahrungen mit Schule im Hemmungen haben. Außerdem ist es nicht in allen Ländern üblich, dass die Eltern so stark in die Bildung ihrer Kinder eingebunden werden. Auch hier leisten die Projekte Aufklärungsarbeit (siehe Ergebnisse).

Bourdieu versteht das Bildungssystem als Reproduktionsinstrument, das sich durch die spezifische Fähigkeit zur Verschleierung der eigenen Funktion auszeichnet (vgl. Bourdieu 2012: 142). Je besser es dem Bildungssystem gelingt zu blenden, desto stärker unterwerfen sich die SchülerInnen der symbolischen Herrschaft der Bildungsstätten (vgl. Erler 2007c:

43). Die geheime Zirkulation von Kapital in Gestalt der verschiedenen Formen des Kulturkapitals bestimmt die Reproduktion der gesellschaftlichen Struktur umso stärker, je mehr die offizielle Übertragung von ökonomischem Kapital gebremst oder verhindert wird (vgl. Bourdieu 2012: 142).

2.1.2 Der Bourdieu̕ sche Habitusbegriff

Für die Erklärung der ungleichen Wirkung der Inszenierung von Wissen und Bildung zieht Bourdieu das Konzept des Habitus heran, worunter er die jeweils spezifische Art und Weise, zu denken, zu handeln, zu beurteilen und den Alltag wahrzunehmen versteht. Der Habitus bestimmt wiederum den Lebensstil mit (vgl. Erler 2007c: 43f.). Die Lernhilfeinitiativen gehen sehr stark auf die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen ein und setzen niederschwellige Angebote, die keinen bildungsaffinen Habitus voraussetzen. So sieht sich eine Organisation im Bereich Wissenschaftsvermittlung in der Funktion der Zugbrücke zum Elfenbeinturm der Wissenschaft, indem sie Kinder und Jugendliche an die Universität heranführt (vgl. I03 S.5 Z.1-5).

2.1.3 Migrationshintergrund und Schule

Da die Zielgruppe der Lernhilfeprojekte primär Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind, soll der Begriff an dieser Stelle definiert und im Zusammenhang mit Schule betrachtet werden.

(22)

Es gibt viele Möglichkeiten, Migrationshintergrund zu fassen, beispielsweise nach dem Geburtsland von Vater oder Mutter und der am meisten daheim oder im Freundeskreis gesprochenen Sprache (vgl.Lachmayr et al. 2011: 6). Diese Arbeit richtet sich nach Reiners Definition, die Migrationshintergrund als soziale Lage beschreibt. Multiple Benachteiligungen legen nahe, dass die ethnische Herkunft in Österreich zu einer Verfestigung von benachteiligten sozialen Positionen führt, wodurch der Migrationshintergrund zu einer sozialen Lage wird, die durch soziale und milieuspezifische Ungleichheitsverteilung von kulturellen und ökonomischen Kapitalen gekennzeichnet ist.

Damit zusammenhängend sind Jugendliche mit Migrationshintergrund bei der Wahl des Schultyps beziehungsweise der Berufsausbildung durch Unkenntnisse der Eltern über das hiesige Ausbildungssystem und die Arbeitsmarktchancen auf sich allein gestellt (vgl.

Reiners 2010: 76-81). Die Projekte reagieren auf dieses Problem mit ihrem Schwerpunkt Bildungs- und Berufsorientierung (siehe Ergebnisse).

Unterwurzacher untersucht begünstigende beziehungsweise hemmende Faktoren beim Zugang zu Bildung auf den drei Ebenen -

1) individueller beziehungsweise biographischer Hintergrund,

2) familiärer Hintergrund – Sozialschicht versus Kultur (ethnisches Milieu), 3) institutionelle Ebene – schulischer Kontext -

und zeigt, dass Migrantenjugendliche aufgrund fehlender familiärer Ressourcen nicht oder nur sehr mangelhaft auf elterliche Unterstützung zurückgreifen können und viele Aufgaben – wie etwa die Vertretung eigener Interessen gegenüber schulischer Instanzen oder auch die Konkretisierung von Bildungszielen – selbst übernehmen müssen. Auf der familiären Ebene werden zwei Ansätze diskutiert: Einerseits gelten sozialstrukturelle Merkmale des Elternhauses – insbesondere die Bildung und berufliche Stellung des Haushaltsvorstands – als ausschlaggebend für den Bildungsweg des Kindes. Den Eltern fehlt oft das Wissen über Möglichkeiten der Einflussnahme, über die Bedeutung der Noten für Übergangschancen oder über die Leistungsanforderungen unterschiedlicher Bildungswege. Während hier also die Sozialschicht als determinierend gilt, werden schulische Probleme auch auf kulturelle Differenzen zurückgeführt. Allerdings lässt sich aufgrund widersprüchlicher Forschungsergebnisse nicht abschließend beurteilen, ob beziehungsweise inwieweit Indikatoren wie die Sprachkenntnisse der Eltern, die im Elternhaus gesprochene Sprache oder die Rückkehr-/Bleibeabsicht den Bildungsweg der Jugendlichen beeinflussen (vgl.

Unterwurzacher 2007: 73-76).

(23)

Auf institutioneller Ebene betont Reiners die Bedeutung der Lehrkräfte. Auch die strukturelle Benachteiligung der Wohnsituation spielt eine Rolle. Die Jugendlichen sind stark in lokale Netzwerke und Beziehungen eingebunden, die nur wenig soziales Kapital beziehungsweise soziale Mobilität versprechen (vgl. Reiners 2010: 76-81).

Mahl sieht in den elterlichen Bildungsaspirationen einen zentralen Motor für die Bildungsentscheidungen von Jugendlichen. Diese werden insbesondere dort schlagend, wo institutionell vorgesehene Weichenstellungen individuelle Entscheidungen über den weiteren Bildungsverlauf erfordern, z.B. bei der Statuspassage Schule - Ausbildung, wo die Entscheidung für einen weiterführenden Schulbesuch oder die direkte Aufnahme einer beruflichen Ausbildung getroffen werden muss (vgl. Mahl 2015: 50f.). Trotz der hohen Bildungsaspirationen gehen die Bildungsambitionen nicht mit dementsprechenden Bildungserfolgen einher. Vor diesem Hintergrund werden verschiedene aspirationsbezogene Umsetzungsbedingungen in der Familie diskutiert. Primäre Herkunftseffekte wie eine schwächere Bildungsperformanz von Kindern mit Migrationshintergrund, verbunden mit einem eingeschränkten Unterstützungspotenzial der Eltern, mangelnden Sprachkenntnissen und Informiertheit über das hiesige Bildungssystem, sind hier als nachteilig zu nennen. Nach Barz et al. (2015) fehlt es v.a. in sozial schwachen Milieus an nötigen Kapitalien der Migranteneltern für die Umsetzung von Bildungszielen, wie z.B. finanzielle Ressourcen, ausreichender Informationsstand oder ein spezifischer Bildungshintergrund (vgl. Mahl 2015: 57).

Die relative Bildungsbenachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu SchülerInnen ohne Migrationshintergrund spiegelt sich unter anderem im Übergangsverhalten wieder. So sind SchülerInnen mit Migrationshintergrund häufiger von Bildungsabstiegen betroffen als SchülerInnen ohne Migrationshintergrund (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 152, zit.n. Scherr/Niermann 2012: 866). Zudem wirkt sich ein Migrationshintergrund negativ auf die Übergangschancen in das duale Ausbildungssystem aus (vgl. Scherr/Niermann 2012: 866). Ein wesentlicher Gradmesser dafür, wie gut es dem österreichischen Bildungssystem gelingt, das Potenzial von SchülerInnen mit Migrationshintergrund zur Entfaltung zu bringen, ist das Sprachverständnis. Bei PIRLS und PISA wird ein wichtiger Teilaspekt des Sprachverständnisses – die Lesekompetenz – gemessen. Die Lesekompetenz von

(24)

SchülerInnen mit Migrationshintergrund hat sich im Vergleich zu jenen ohne Migrationshintergrund seit dem Jahr 2000 relativ verbessert (vgl. Salchegger et al. 2015:

67). Jugendliche mit Migrationshintergrund leben im Durchschnitt unter schlechteren sozialen Bedingungen als SchülerInnen der Mehrheitsbevölkerung und ein wesentlicher Teil der Leistungsunterschiede zw. den beiden Gruppen kann durch ihre soziale Herkunft erklärt werden (vgl. Salchegger et al. 2015: 77f.). Studien zeigen, dass sowohl die Übergänge im schulischen Bildungssystem als auch daran anschließend die Bildungs- und Ausbildungswege stark von Einflüssen der sozialen Herkunft geprägt sind. Tatsächlich befinden sich Jugendliche aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status häufiger in Hauptschulen als diejenigen mit einem starken sozioökonomischen Background (vgl.

Schlimbach et al. 2014: 90).

In Hinblick auf die Forschungsfrage bleibt festzuhalten, dass die Lernhilfeprojekte die eben geschilderten Ungleichheitsdimensionen des sozialen Problems der Bildungsbenachteiligung an der Schnittstelle von Bildungssystem und freier Wohlfahrt bearbeiten.

2.2 Soziologie sozialer Probleme

Das Phänomen außerschulische Lernhilfe kann anhand Groenemeyers „Soziologie sozialer Probleme“ (2012 [2007]) aus einer konstruktivistischen Perspektive analysiert werden (vgl.

Groenemeyer 2007: 5). In diesem Sinne kann Bildungsbenachteiligung als soziales Problem verstanden werden, das sozial konstruiert und eingebettet ist „in historisch gewachsene kulturelle, politische und spezifische soziale Kontexte der gesellschaftlichen Entwicklung, die ihnen erst öffentliche und politische Anerkennung und Legitimation verleihen oder eben nicht“ (ebd. 6). Soziale Arbeit und Sozialpolitik assoziieren soziale Probleme mit Hilfsbedürftigkeit (von Randgruppen), wobei die sozialen Probleme als bearbeitbar gelten (vgl. ebd. 21). Im Rahmen der Fragestellung interessiert, wie die Lernhilfeprojekte das soziale Problem der Bildungsbenachteiligung definieren und bearbeiten. Zudem gibt die

„Soziologie sozialer Probleme“ den theoretischen Rahmen für die Beantwortung der Frage vor, welche Strukturen im Feld außerschulischer Lernhilfe durch die Sozialpolitik geschaffen werden, und welche Strukturen die Projekte darauf aufbauen.

In welchen Bereichen soziale Probleme problematisiert werden, zeigt folgende Grafik:

(25)

Tab. 1 „Institutionelle Felder der Problematisierung sozialer Probleme“ (Quelle: Groenemeyer 2012: 82)

Übersetzt auf das Forschungsthema betreiben die Lernhilfeprojekte sowie die betroffenen SchülerInnen und Eltern „Claims-Making“ (ebd. 82) und bekommen dafür mediales Interesse (siehe Ergebnisse). Auf der Ebene öffentlicher Diskurse (vgl. ebd. 82) ist etwa auch die AK Nachhilfestudie (IFES 2014) angesiedelt, welche eingangs vorgestellt wurde. Auf Ebene des „Policy-Making“ (ebd. 82) ist außerschulische Lernhilfe Gegenstand unterschiedlicher Deutungsmuster von politischer und NPO-Seite. „Doing Social Problems“ (ebd. 82) äußert sich einerseits in der alltäglichen Projektarbeit, und andererseits in politischen Maßnahmen wie die „Förderung 2.0“.

Strukturelle Rahmung für organisationales Handeln

Die institutionelle und organisationale Struktur bestimmt, wie soziale Probleme problematisiert und bearbeitet werden (vgl. Groenemeyer 2007: 11). In der Alltagsarbeit der Organisationen und Institutionen werden soziale Probleme konkret bearbeitet und so Problemdefinitionen ausgehandelt und zu Fällen gemacht (vgl. ebd. 16).Die Kategorien von sozialen Problemen werden durch professionelle AkteurInnen auf konkrete Personen und Situationen angewandt. Abstrakte Kategorien werden so zu Fällen, welche im Rahmen organisationaler Handlungslogiken und Vorgaben bearbeitet werden (vgl. Groenemeyer 2012: 35). Dementsprechend kann Bildungsbenachteiligung von den Lernhilfeprojekten unterschiedlich definiert und in einem spezifischen Lernsetting bearbeitet werden.

Strukturellen Rahmenbedingungen (Sozialpolitik, rechtliche Vorgaben, Finanzierungs- und Förderstruktur, Personalstruktur) beeinflussen die Positionierung der Projekte hinsichtlich Chancengleichheit sowie am sozialwirtschaftlichen Quasimarkt.

(26)

Die Interpretationsschemata, Orientierungen und Motivationen (vgl. Groenemeyer 2007: 16) der Projekte bilden sich nach Groenemeyer in Interaktionsprozessen aus, was Holstein und Miller (1993) „doing social problems“ nennen. Die Problemdiskurse werden im Zuge dessen ständig reproduziert, zum Beispiel durch die Anwendung bestimmter Maßnahmen in einer Organisation (vgl. ebd. 16). Vor diesem Hintergrund sind etwa die Schwerpunktsetzungen oder Aufnahmekriterien der Projekte zu interpretieren, die im Ergebnisteil vorgestellt werden.

Spannend ist, dass die Initiativen – nach Groenemeyer „Institutionen der Problembearbeitung“ (ebd. 16) - in ihrer Alltagsarbeit spezifische Problemdiskurse spiegeln, unabhängig von der erfolgreichen Institutionalisierung eines sozialen Problems und entsprechender politischer Programme sowie Interventionen (vgl. ebd. 16). Schließlich agieren die Projekte ohne politischen Auftrag. Die spezifische Sichtweise eines sozialen Problems durch eine Institution zeigt sich dem Autor zufolge in den Interventionen und der Organisationstruktur. Diese Deutungsmuster werden als offizielle Perspektive in Politik und Öffentlichkeit transportiert (vgl. ebd. 16). In diesem Sinne sind auch die Positionierungen der Projekte hinsichtlich Chancengleichheit oder professionellem Selbstverständnis, die in den Interviews wiedergegeben werden, zu betrachten. Die Gespräche mit den Projektleitungen und politischen EntscheidungsträgerInnen bestätigen Groenemeyers These, wonach Interpretationen von Situationen dabei durchaus strittig sind (vgl. ebd. 19) und gesellschaftliche Phänomene nicht immer den Status eines anerkannten sozialen Problems haben (vgl. ebd. 18). Inwiefern das Phänomen außerschulische Lernhilfe als soziales Problem anerkannt ist, wird im Folgenden erörtert.

2.2.1 Institutionalisierung von Problemdiskursen

Problemdiskurse sind erfolgreich, wenn sie institutionalisiert sind, also in Organisationen oder Institutionen auftreten, und „im alltäglichen Handeln der Problembearbeitung“ (ebd.

6) reproduziert werden. Die „Frage nach den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Bedingungen der Institutionalisierung von Problemdiskursen“ (ebd. 6) ist damit ein zentrales Thema der „Soziologie sozialer Probleme“ (vgl. ebd. 6). Allerdings ist die erfolgreiche Organisierung und Institutionalisierung sozialer Probleme nicht stabil, sondern durch mögliche Gegenorganisationen und -diskurse gefährdet. Deutungsmuster routinisieren sich, müssen aber immer neu reproduziert werden, weshalb sie sich stetig wandeln (vgl. ebd.

15). Der Prozess von „claims-making activities“ ist also ein offener (vgl. ebd. 16). Hier besteht ein Hoffnungsschimmer für die politische Überzeugungsarbeit der Lernhilfeszene,

(27)

denn nach Groenemeyer zeigt sich die Institutionalisierung von Problemdiskursen in der Begründung und Wirkung staatlicher Institutionen und Organisationen (vgl. ebd. 14).

Allerdings gibt es außer der „Förderung 2.0“ noch keine Lernhilfeprojekte, die (direkt) staatlich gefördert werden.

Der Staat ist aber als zentraler Akteur von Deutungsmustern und Diskursen gleichzeitig Adressat von „claims-making activities“ (ebd.14) und eine zentrale Instanz der Problembearbeitung (vgl. ebd. 14), dem es obliegt, Förderstrukturen für außerschulische Lernhilfe zu schaffen. Sozialpolitische Forderungen wohlfahrtsstaatlicher Institutionen sind daher hochrelevant (vgl. ebd. 15).

Zentral für das Forschungsthema ist, dass soziale Probleme Groenemeyer zufolge nicht immer gelöst werden wollen. Hinter politischen Maßnahmen können sich andere Funktionen oder Ziele verbergen, als in der Bearbeitungsprogrammatik angegeben. Soziale Probleme können demnach „zu einem Objekt strategischer Politik werden, um Zuständigkeiten zu markieren und Kompetenzen zu sichern“ (Groenemeyer 2012: 35). Die Symbolik und Rhetorik des politischen Diskurses sind daher bedeutend für die Analyse sozialer Probleme (vgl. ebd. 35). Zudem kann die Problematisierung sozialer Probleme innerhalb des politischen Systems auch Funktionen erfüllen, „die nichts mit der direkten Problemlösung zu tun haben und eher zu ,symbolischenʼ Formen der Politik führen, die signalisieren, dass etwas getan wird“ (ebd. 91). Vor diesem Hintergrund sind die fehlende Förderstruktur für außerschulische Lernhilfe sowie die „Förderung 2.0“ als große politische Nachhilfeoffensive kritisch zu sehen.

Die spezifischen Definitionen sozialer Probleme sind administrativ oder rechtlich abgesichert, was Ansprüche und Ressourcen absichert, aber auch Eingriffe und Kontrollen legitimiert. So dokumentiert das Aufgreifen von Problemkategorien in Hilfsmaßnahmen und Angeboten Zuständigkeiten und stellt den professionellen ProblembearbeiterInnen und Betroffenen einen „abgesicherten Sinn- und Interpretationsrahmen für [...] vorher eher diffus als problematisch wahrgenommene Zustände“ (ebd. 35) zur Verfügung. Dieser Rahmen fehlt den untersuchten Projekten. Wie die Ergebnisse zeigen werden, gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine Förderung außerschulische Lernhilfe und keine politische Stelle fühlt sich zuständig.

(28)

Die selektiven Strukturen und Mechanismen des politischen Systems bestimmen, ob bestimmte Interessen und Werte als soziales Problem etabliert werden. Die Etablierung politischer Problembearbeitung bedingt die Ressourcenverteilung und entscheidet, wie kostenintensiv die Lösungen sind oder ob neue (Re-)Organisationen nötig sind.

Groenemeyer betont, dass die bürokratische Organisationsform selbst schon nach Problemartikulationen und Interessen selektiert, wobei Macht nicht nur „über direkte Entscheidungsbeeinflussung, sondern tiefgreifender über Nichtbearbeitung, fehlende Zuständigkeiten oder die Unmöglichkeit der Formulierung von Issues in bürokratisch zu verarbeitende Formen“ (ebd. 34) ausgeübt werden kann. Diese „non-desicions“

(Bachrach/Baratz 1976 [1970], zit.n. Groenemeyer 2012: 34) sind für die Analyse der strukturellen Rahmenbedingungen außerschulischer Lernhilfe bedeutsam (vgl. ebd. 34).

Problemkategorien erlangen über politische Entscheidungen in Form von Gesetzen, Programmen und der Verteilung von Ressourcen einen anerkannten, offiziellen Status. Mit diesem müssen sich dann alternative Problemkonstruktionen auseinandersetzen. Politische Entscheidungen können etwa auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene getroffen werden, wodurch manche Kategorisierungen Deutungsmacht und einen hegemonialen Legitimationsanspruch erlangen (vgl. ebd. 89). So werden im Ergebnisteil die Förderstrukturen auf den Ebenen der Europäischen Union, des Bundes, der Stadt Wien sowie der Bezirke analysiert. Nach Groenemeyer wird das Fundament für eine stabile Institutionalisierung von Problemkategorien über politische Entscheidungen gelegt, was mehrere Funktionen erfüllt -

- Festlegung des rechtlichen Rahmens für Organisationen, - Ausstattung der Organisationen mit Ressourcen und Personal, - Festlegung der allgemeinen Problembearbeitungsprogrammatik

und damit verbundener Zuständigkeiten (vgl. ebd. 89).

Angesichts der Förderlandschaft von außerschulischer Lernhilfe fällt auf, dass nach Groenemeyer selbst bei Institutionalisierung, die nicht direkt über politische Entscheidungen, sondern durch private Initiativen entsteht, das politische System zumindest den rechtlichen Rahmen vorgibt (vgl. ebd. 89).

Organisiertes Handeln ist in bestimmte Organisations- und Machtstrukturen eingebunden, wobei für das Forschungsthema insbesondere „politische Gelegenheitsstrukturen“ (ebd. 13) relevant sind. Diese Gelegenheiten können etwa durch öffentliche Diskurse entstehen,

(29)

welche die Einrichtungen mit Legitimation und Reputation für ihre Angebote versorgen, wobei die MitarbeiterInnen durch ihre öffentlich sichtbare Arbeit direkt in diese Diskurse involviert sind (vgl. ebd. 89). In diesem Sinne wirken von den Medien rezipierte Studien wie die AK Nachhilfestudie (IFES 2014) legitimierend für Lernhilfeprogramme. Wie die Ergebnisse zeigen werden, entsteht dadurch ein gewisser Handlungsdruck für die Politik, der sich scheinbar im Startschuss der „Förderung 2.0“ entladen hat.

Soziale Probleme werden in spezialisierten Feldern – „political domains“ (ebd. 90) – bearbeitet. Das impliziert nicht nur eine „organisatorische Arbeitsteilung von Zuständigkeiten in den Organisationen des politischen Systems (Ressorts Abteilungen u. ä.)“

(ebd. 90), sondern deutet auch auf „mehr oder weniger institutionalisierte Netzwerke von an einem Problem interessierten und als kompetent angesehenen Akteuren innerhalb und außerhalb des politischen Systems“ (ebd. 90) hin. Neben den politischen Instanzen gehören Wohlfahrts- und Interessensverbände zu diesen Netzwerken (vgl. ebd. 91). Die untersuchten Projekte haben keine gemeinsame Interessensvertretung, sind kein beständiger Teil politischer Netzwerke auf lokaler Ebene und tauschen sich auch nicht routinemäßig mit den politischen Institutionen aus (vgl. ebd. 90f.), was weniger auf mangelnde Ressourcen (vgl.

ebd. 90) als auf fehlende politische AnsprechpartnerInnen zurückzuführen ist. Diese fehlen Groenemeyer zufolge, „wenn es für ein soziales Problem keine Zuständigkeit in Form etablierter Domains gibt“ (ebd. 91) gibt (vgl. ebd. 91). In Anbetracht der sozialpolitischen EntscheidungsträgerInnen im Bereich außerschulischer Lernhilfe stellt sich nicht nur die Frage, ob sich die Stadt Wien überhaupt zuständig fühlt, sondern auch welches Magistrat.

Nach Groenemeyer können soziale Probleme daher als „Struktur- und Funktionsproblem sozialer Systeme“ (ebd. 46) aufgefasst werden. In einer funktionalistischen Sichtweise besteht die Gesellschaft aus Teilsystemen, die miteinander agieren und spezielle Funktionen im gesellschaftlichen System erfüllen (vgl. ebd. 47). Soziale Probleme sind eine „soziale Desorganisation sozialer Systeme im Sinne einer fehlenden Abstimmung verschiedener Teilsysteme oder -einheiten des sozialen Systems“ (ebd. 48). Diese Nicht-Abstimmung von Rollen und Positionen kann in oder zwischen Systemen auftreten (vgl. ebd. 49).

Die fehlende Abstimmung politischer Instanzen hinsichtlich außerschulischer Lernhilfe ist dabei aber keineswegs endgültig, denn Groenemeyer zufolge sind Problemdiskurse in gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen eingebunden (vgl. Groenemeyer 2007: 9) und verweisen auf die „Pfadabhängigkeit der Thematisierung sozialer Probleme“ (ebd. 11).

Im Rahmen gesellschaftlicher Entwicklungen entstehen neben problematisierbaren

(30)

Sachverhalten auch Konfliktlinien. Als Beispiel für eine sich verändernde Sozialstruktur nennt Groenemeyer den Wandel zur Wissensgesellschaft. Gesellschaftliche Entwicklungen sind von neuen Risiken, Ambivalenzen, Unsicherheiten und Konfliktlinien begleitet und es tauchen neue kulturelle Problemwahrnehmungsmuster auf. Zudem treten neue Gruppen hervor, welche die sozialen Probleme thematisieren (vgl. ebd. 12). So ist die Gründung der Lernhilfeinitiativen in den letzten Jahren auf die verschärfte Relevanz von Bildung (vgl.

Bolay, Walther 2014: 370) als strategische Ressource in der Wissensgesellschaft (vgl. Erler 2007a: 7) zurückzuführen.

Trotz unterschiedlicher politischer Kontexte und dementsprechender Pfadabhängigkeiten bei der Institutionalisierung von sozialen Problemen stellt Groenemeyer tendenziell einheitliche Entwicklungen fest. So führen organisationale Eigeninteressen dazu, dass sich die Problemdiskurse neben der Steuerung sozialer Verhältnisse nun auch auf die organisationsinterne Mobilisation beziehen (vgl. Groenemeyer 2007: 15): „Soziale Probleme werden [...] als Risiko oder als Ressource für Organisationen wahrgenommen“

(ebd. 15). Angesichts fehlender Förderstrukturen tragen die Lernhilfeprojekte zwar das (finanzielle) Risiko, sehen das Angebot aber wohl auch als Ressource, zum Beispiel was künftige politische Aufträge und damit Geschäftsfelder betrifft.

Es bleibt festzuhalten, dass soziale Probleme sozial konstruiert sind und mit diesen Konstruktionen politische Programme legitimiert werden. Die (Nicht-)Institutionalisierung von Problemdiskursen ist daher sehr folgenreich (vgl. Groenemeyer 2007: 8f.) für die Lernhilfeprojekte.

3. Sozialwirtschaftlicher Markt

Die außerschulischen Hilfen sind „an der Schnittstelle von Wohlfahrts- und Bildungssystem mit der Bearbeitung von Bildungsbenachteiligung betraut“ (Bolay, Walther 2014: 384).

Der außerschulische Lernhilfemarkt ist Teil der Sozialwirtschaft, die nach Evers (2005) im

„Dritten Sektor“ zwischen Markt und Staat angesiedelt ist. Unter Sozialwirtschaft verstehen Dimmel und Schmid

„die Sozialen Dienste, […] Financiers, […] Rechtsgrundlagen, öffentliche und private Trägerorganisationen, Leistungsformen und Leistungsarten,

(31)

Anspruchsvoraussetzungen bzw. Zugänge zum Recht sowie Formen der sozialarbeiterischen, pflegerischen und sozialpädagogischen Beratung, Betreuung und Pflege sowie die soziotechnischen und vor allem sozialplanerischen Grundlagen der Konzeption, Planung und Erbringung von Dienstleistungen“ (Dimmel, Schmid 2013: 78).

Die Sozialwirtschaft erbringt „personenbezogene Dienstleistungen mit der Aufgabenstellung der Bewältigung sozialer Probleme“ (ebd.78) – wie Bildungsbenachteiligung.

Während Schellberg mit Sozialwirtschaft die zentralen Akteure am Sozialmarkt – Kostenträger, Leistungsempfänger und Dienstleister – und deren Zusammenwirken“

(Schellberg 2008: 37) meint, sprechen Dimmel und Schmid von einer großen Bandbreite

„individueller und kollektiver Formen der privaten, gemeinschaftlichen oder öffentlichen, gemeinnützigen oder gewerblich gewinnorientierten Versorgung mit Leistungen der sozialen Daseinsvorsorge.“ (Dimmel, Schmid 2013: 78)

Schellberg unterscheidet die Sozialwirtschaft von der Sozialökonomie, der „Ebene der Kostenträger und ihre Beziehungen zu Einrichtungen und Leistungsempfängern“

(Schellberg 2008: 37). Unter Sozialpolitik versteht er „die grundsätzlichen Festlegungen über die Organisation des Sozialstaats, staatliche Ausgaben, deren Finanzierung, und deren Angebot“ (ebd. 37). Die sozialen Bedarfslagen konkurrieren auf gesamtgesellschaftlicher Ebene um die knappen Ressourcen einer Volkswirtschaft. Die öffentlichen Haushalte müssen entscheiden, ob eher sozialpolitische Aufgaben oder andere öffentliche Aufgaben finanziert werden (vgl. ebd. 36). Schellberg erweitert das Dreiecksverhältnis noch um die Philanthropie (vgl. ebd. 49). In diesem Sinn kann der Einsatz für Bildungsgerechtigkeit als Ausdruck von Menschenliebe interpretiert werden.

3.1 Quasimarkt

Am Markt herrscht eine Knappheit an sozialen Dienstleistungen, das heißt die Bedürfnisse übersteigen die vorhandenen Mittel. Bedürfnisse werden in eine konkrete Problemlösung zur Beseitigung umgesetzt, den Bedarf. Tritt der Bedarf in einem wirtschaftlichen System auf, entsteht Nachfrage (vgl. Schellberg 2008: 23f.). Umgemünzt auf das Phänomen außerschulische Lernhilfe kann das Bedürfnis in Bildungschance übersetzt werden, es besteht ein Bedarf an kostengünstiger oder -freier Lernhilfe und die Nachfrage zeigt sich

(32)

beispielsweise in den langen Wartelisten der Lernhilfeprojekte. Die Wartelisten sind auch ein Beleg für den sozialwirtschaftlichen Markt im Gegensatz zu einem neoliberalistischen Marktverständnis, wo sich der Markt und seine AkteurInnen ausschließlich an den Kriterien der Rentabilität und Kaufkraft orientieren (vgl.Spetsmann-Kunkel 2016: 7) und der Zugang stärker über die Preise geregelt wird (vgl. Pennerstorfer, Badelt 2013: 118). Der Bereich der sozialen Dienstleistungen ist ein Quasimarkt, der nicht durch Angebot und Nachfrage, sondern etwa durch rechtliche Regelungen strukturiert ist. Der Quasimarkt wird durch das Dreiecksverhältnis der Leistungserbringung zwischen AdressatInnen, Leistungserbringern und Kostenträgern konstituiert (vgl.Kolhoff 2017:119). Brinkmann zufolge umschreibt der Begriff des Quasimarktes „die Funktion des Staates im Hinblick auf seine Koordinations- und Verteilungsfunktion im Rahmen seiner Haushalte und Bedarfsentscheidungen“

(Brinkmann 2010: 67). Soziale Dienste werden nicht von den AdressatInnen nachgefragt, sondern stellvertretend über den öffentlichen Kostenträger, der auch Leistungsträger sein kann. Der Staat kauft am „Sozialwirtschaftsmarkt“ (ebd. 67) eine soziale Dienstleistung ein, und tritt „selbst als Ausfallsbürge für die soziale Leistungserstellung“ (ebd. 67) auf. Auf diesen Auftritt wartet das Feld außerschulische Lernhilfe bisher. Der Staat tritt weder (direkt) als Kostenträger, noch als Leistungsträger für außerschulische Lernhilfe auf. Die Lernhilfeprojekte reagieren also auf ein Staatsversagen, auf das weiter unter noch näher eingegangen wird.

Abb. 1 außerschulischer Lernhilfemarkt zwischen Staat und Markt; eigene Darstellung (Quelle:

Meyer, Simsa 2013: 9, vgl. Pennerstorfer 2015)

(33)

3.2 Ein Markt im Umbruch

Die politisch bewusst eingeführten privatrechtlichen Leistungsverträge führen zu einer Anbieterkonkurrenz am Quasimarkt. Neben Sozialhilfeträgern werden verstärkt gewerbliche Träger mit der Bedarfsdeckung der Zielgruppen vom Staat betraut, wobei Brinkmann die Bedeutung privatwirtschaftlicher Unternehmen in der (deutschen) Kinder- und Jugendhilfe noch als gering beurteilt (vgl. Brinkmann 2010: 67).

Insgesamt wird aktuell von vielen Seiten eine verstärkte privatwirtschaftliche Grundorientierung im Sozialbereich beobachtet (vgl. Uerlings 2016: 20). Diese

„Veränderungen durch Privatisierung und Kommerzialisierung“ (Uerlings 2016: 19) bewirken eine „gewachsene Konkurrenzsituation sowie eine sinkende Kooperationsbereitschaft zwischen Organisationen“ (Diebäcker et al. 2009: 11). Allerdings herrscht keine Konkurrenz um KlientInnen, sondern „ein staatlich inszenierter Wettbewerb“

(Brinkmann 2010: 67) auf der Anbieterseite, also den NPOs und For-Profit-Organisation (FPOs). Indem sozialen Dienstleistungen nicht mehr allein durch den Staat erbracht werden, sondern nach und nach durch marktwirtschaftliche Entscheidungen angesichts knapper Kassen ersetzt wird, kommt es zu einer marktliberalen Ausrichtung des Quasimarkts (vgl.

ebd. 67). Brinkmann zufolge nimmt die „Quasimarktorientierung im Sozialwirtschaftssektor“ (ebd. 115) zu, wodurch sich Staat und Markt weiter gegenseitig durchdringen (vgl. ebd. 115). Unter neoliberalistischen Vorzeichen ist Schulmisserfolg im Sinne eines biographischen Scheiterns selbstverschuldet. Das Leben wird – von strukturellen Faktoren entkoppelt – zum individuellen Projekt (vgl. Spetsmann-Kunkel 2016: 8). In der neoliberalen Logik sind kommerzielle Nachhilfeinstitute als alleinige Unterstützungsform für SchülerInnen mit schulischen Problemen durchaus legitim. Neckel beobachtet eine

„Refeudalisierung des Wohlfahrtsstaates, der öffentliche Sozialpolitik als Stiftung und Spende reprivatisiert und sozialstaatliche Anrechte in Abhängigkeit von privater Mildtätigkeit verwandelt“ (Neckel 2013: 49ff., zit.n.Neckel 2016: 162f.).

Auf die steigende Konkurrenz und den Wettbewerb reagieren soziale Organisationen in Wien mit unterschiedlichen Strategien, etwa mit legitimierenden PR- und Marketing- Strategien oder Lobbying, das die (zukünftigen) organisationalen Interessen sichert (vgl.

Diebäcker et al. 2009: 11). Eine weitere Strategie sehen Krucsay und Gombots in der

„Spezialisierung und Professionalisierung“ (Krucsay, Gombots 2010: 167) der Organisationen hinsichtlich der Zielgruppen, was den NPOs Legitimität verleiht (vgl. ebd.

167). Neben spezifischen Zielgruppen können Grillitsch und Oswald zufolge auch

Referenzen

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