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Archiv "Schlußwort" (05.04.1979)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Zyanidvergiftung

Eiweißlieferant in der Tieraufzucht verwendet werden.

Zusammenfassung

Aufgrund der Untersuchungen meh- rerer wissenschaftlicher Arbeitskrei- se, unterstützt durch eigene Arbei- ten mit Linamarin, kann eine Zyanid- vergiftung mit 100 g Semen Lini (laut Notiz im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT, Heft 46) mit aller Sicherheit ausgeschlossen werden.

Dies, weil in erster Linie über „ech- te" und exakt nachgewiesene Zya- nidvergiftung mit Leinsamen in der wissenschaftlichen Literatur nicht berichtet wird, während die angebli- chen Blausäurevergiftungen sich auf eine Urquelle aus dem Jahre 1897 zurückführen lassen, die da- mals falsch interpretiert und in der Folgezeit noch zusätzlich falsch weitergegeben wurde.

Literatur

(1) Lewin, L: Lehrbuch der Toxikologie, 2. Auf- lage, Urban und Schwarzenberg, Wien und Leipzig, 1897 - (2) Gessner, 0.: Die Gift- und andere Arzneipflanzen von Mitteleuropa, Ver- lag Carl Winter, Heidelberg, 1. Auflage 1953 und 2. Auflage 1974 - (3) v. Werz, R.: Münch- ner Medizinische Wochenschrift, 103 (1961) Heft 37, — (4) Lüdtke, M.: Biochem. Z. 322 (1952) 310 — (5) Härtling, Ch..: Dtsch. Apoth.- Ztg. 109 (1969) Nr. 27 — (6) Wirth, W.; Hecht, G., und Gloxhuber, Ch.: Toxikologie Fibel, 2. Auf- lage, Thieme Verlag 1971 - (7) Hagers Hand- buch der Pharmazeutischen Praxis, 4. Auflage, Springer Verlag 1976

Professor Dr. Heinz Schilcher Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger Weingartenstraße 47

7033 Herrenberg 2

Schlußwort

Der Gedankengang von Herrn Pro- fessor Schilcher erscheint uns ver- ständlich, und wir stimmen teilweise auch damit überein. Die besondere Schwierigkeit bestand für uns aber darin, daß das Problem „Leinsamen und Blausäure" sehr unterschied- lich interpretiert werden kann, je

nachdem, ob man es aus therapeuti- scher oder aus toxikologischer Sicht betrachtet. In dem Beitrag „Zyanid- vergiftung" war das letztere unser Anliegen.

Schilcher hat die „Toxikologie-Fi- bel" von Wirth et al. (1) zitiert. Dort heißt es auf der Seite 176 wörtlich:

„Für einen erwachsenen Menschen stellen also ... unter Umständen auch 100 g Leinsamenmehl die mitt- lere tödliche Gabe dar." Er stellt selbst fest, daß „rein theoretisch"

ein Kind durch 100 g Leinsamen le- bensgefährlich vergiftet werden könnte, und bezieht sich dabei auf einen Gehalt an Blausäure von 15 bis 30 mg pro 100 g Leinsamen.

Andere Autoren (2, 3) geben jedoch den maximalen Blausäuregehalt von Leinsamenprodukten auch mit 50 mg pro 100 g an, und eine solche Dosis könnte theoretisch auch für einen Erwachsenen lebensgefähr- lich sein.

Die berechtigten Zweifel an der To- xizität der Blausäure aus Leinsamen begründen sich in der Dynamik ihrer Aufnahme und Entgiftung im Körper sowie darin, daß entsprechende Ver- giftungsfälle bei Menschen nicht be- kannt geworden sind. Wir hatten uns jedoch vergeblich bemüht, in der Li- teratur stichhaltige Beweise für die Unbedenklichkeit, zum Beispiel an- hand pharmakokinetischer Messun- gen der Blausäureresorption nach der Einnahme von Leinsamenmehl zu finden. In-vitro-Messungen rei- chen bei solchen Fragestellungen als Grundlage für die Therapie- sicherheit unseres Erachtens nicht aus.

Über die Freisetzung der Blausäure im Magen—Darm gibt es außerdem recht unterschiedliche Meinungen:

Während beispielsweise Professor Schilcher in seinem Gutachten schreibt, daß die Linase im Magen- saft inaktiviert wird (aus toxikologi- scher Sicht müßten allerdings auch gestörte Aziditätsverhältnisse be- rücksichtigt werden), nimmt der von ihm zitierte Autor v. Werz (2) an, daß für die enzymatische Freisetzung

der Blausäure im Darmkanal „opti- male" Verhältnisse bestünden.

Wie schwer die nachträgliche Inter- pretation von Vergiftungsfällen nur anhand beschriebener Symptome schließlich ist, das wird aus dem Ab- schnitt vier des Gutachtens von Herrn Professor Schilcher deutlich.

Einige der dort zitierten Beobach- tungen (frequenter Puls, Beschleu- nigung der Atmung, Erweiterung der Pupille) können typischerweise im Frühstadium von Zyanidvergiftun- gen auftreten, andere dagegen nicht.

Zusammenfassend sind wir mit Herrn Professor Schilcher der Mei- nung, daß selbst 100 g Leinsamen- mehl, in einer Dosis genommen, bei einem erwachsenen Menschen wahrscheinlich nicht zu einer Zya- nidvergiftung führen würden.

Den sicheren Beweis für eine solche Unbedenklichkeit konnten wir aber nicht finden. Wir kamen deshalb nicht umhin, die entsprechende An- gabe aus dem Lehrbuch von Wirth et al. (1) zu übernehmen.

Wir sehen das jedoch als eine unum- gängliche Feststellung im Rahmen eines Beitrages über die Zyanidver- giftung an. Wir sind keineswegs ge- gen die Anwendung von Leinsamen- mehl als Laxans.

Literatur

(1) Wirth, W., Hecht, G., Gloxhuber, Ch.: Toxi- kologie-Fibel, 2. Auflage, Georg Thieme Ver- lag, Stuttgart (1971) - (2) Werz, R., Blausäure im Leinsamen, Münchner Med. Wschr. 103 (1961) — (3) Baumeister, R. G. H.; Schievelbein, H.; Zickgraf-Rüdel, G.: Toxicological and Cli n- ical Aspects of Cyanide Metabolism, Arzneim.- Forsch. 25 (1975) 1056-1064.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Volker Schulz Medizinische

Universitätsklinik Köln (Direktor Prof. Dr. R. Gross) Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

956 Heft 14 vom 5. April 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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