M E D I Z I N
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A2446 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3819. September 2003
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norpelschäden in den großen Ge- lenken, insbesondere der unteren Extremitäten, stellen ein bedeuten- des medizinisches Problem dar. Neben steigenden Ansprüchen an die Funkti- onsfähigkeit der Gelenke, auch im hohen Alter, steigen die Verletzungsgefahren, zum Beispiel durch Traumen und immer rasantere Freizeitbeschäftigungen, deut- lich an. Gleichzeitig hinken die diagno- stischen und therapeutischen Optionen dieser Entwicklung eher hinterher. Gal- ten noch vor wenigen Jahren derartige Verletzungen zwingend als präarthroti- sche Deformität, so stehen heute eine Reihe von Therapieoptionen zur Verfü- gung. Im Deutschen Ärzteblatt ist hierzu ein Übersichtsartikel erschienen (2). Das Fazit dieser Arbeitsgruppe lautete, dass die Verwendung von osteochondralen Transplantaten die einzige Methode sei, einen Gelenkflächendefekt mit hyalinem Gelenkknorpel wiederherzustellen und das der gebildete „hyalinartige Knorpel nach einer autologen Chondrozyten- transplantation nicht die gleiche mecha- nische Belastbarkeit wie normaler Ge- lenkknorpel erreicht.“Mit dem folgenden Artikel der inter- nationalen Arbeitsgruppe Gaissmaier et al. aus Tübingen, Jena, Chicago, Aachen und Wien liegt jetzt eine weitere Arbeit zu diesem Themenkomplex vor. Diese Forschungsergebnisse zeigen die guten mechanischen Eigenschaften und guten klinischen Erfahrungen nach autologer Chondrozytentransplantation. Fazit die- ser Arbeitsgruppe ist,das autologe Chon- drozytentransplantationen, insbesonde- re bei größeren Knorpelschäden anderen Verfahren zur Wiederherstellung des Gelenkknorpels überlegen sind.
Insgesamt kann sicherlich die wissen- schaftliche Diskussion der verschiede- nen Verfahren zur Wiederherstellung
von Gelenkknorpelschäden noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. In der Hand eines erfahrenen Anwenders sind positive Ergebnisse bei geeigneter Indikationsstellung mit beiden Verfah- ren zu erzielen. Dies gilt vor allem für Schäden an den Oberschenkelrollen der Kniegelenke. Bei retropatellaren Knor- pelschäden, für die sich nicht alle Verfah- ren in gleichem Umfang eignen, sind noch einige Probleme ungelöst. Bisher ist mit keiner Technik die Versorgung von Knorpeldefekten auf dem Tibiakopf in großer Fallzahl und mit einem langen Nachuntersuchungszeitraum gelungen.
Keine langfristigen Aussagen möglich
Langfristige Untersuchungen, die ver- lässliche Aussagen zur dauerhaften Be- lastbarkeit sowohl der Knorpel-Kno- chen-Transplantationen als auch der autologen Chondrozytentransplantation (ACT) nach einem Beobachtungszeit- raum von mehreren Jahrzehnten belegen können, liegen derzeit noch nicht vor.
Auch verlässliche Aussagen, in welchem Umfange derartige Therapiemaßnah- men in der Lage sind, die sonst als sekun- däre Folge auftretende Arthrose der Ge- lenke zu verzögern oder aufzuhalten, lie- gen derzeit noch nicht abschließend vor.
Viele bisher publizierte Ergebnisse mit einem Untersuchungszeitraum von mehr als 10 Jahren lassen dieses jedoch erwar- ten und stimmen hoffnungsvoll. Als Grundlage für Therapieentscheidungen bei Knorpelschäden sollten daher zurzeit die Empfehlungen der Deutschen Ge-
sellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und der Deutschen Gesellschaft für or- thopädische Chirurgie (DGOOC) ange- wendet werden (1).
Die nicht endgültig abgeschlossene wissenschaftliche Diskussion, die sich in den beiden Artikeln des Deutschen Ärz- teblattes zur Therapie von Knorpelschä- den des Kniegelenks widerspiegelt, darf, insbesondere auch unter steigendem Ko- stendruck, keinesfalls dazu führen, die notwendigen Therapiemaßnahmen zur Behandlung eines umschriebenen Ge- lenkknorpelschadens im Bereich des Kniegelenkes zu unterlassen; sowohl die ACT als auch die osteochondralen Trans- plantationen konnten bei geeigneter In- dikation, trotz aller bisher noch nicht be- antworteten Fragen, ihre deutliche Über- legenheit gegenüber Verfahren zeigen, die allenfalls in der Lage sind, einen me- chanisch minderwertigen Faserknorpel zu erzielen. Derartige Faserknorpelbil- dungen stellen somit nach derzeitigem Kenntnisstand und nach den Empfehlun- gen der DGU und DGOOC keine adä- quate Therapie dieser Defekte dar.
Manuskript eingereicht: 28. 5. 2003 , revidierte Fassung an- genommen: 16. 6. 2003
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2003; 100:A 2446 [Heft 38]
Literatur
1. Behrens P, Bruns J, Erggelet C et al.: AG-ACT and Tissue Engineering – unter Schirmherrschaft der DGU und DGOOC. DGU – Mittelungen und Nachrichten 2002; 45:
34–41. Z Orthop 2002; 140: 132–137.
2.Werner A, Fuß M, Krauspe R: Operative gelenkerhaltende Verfahren bei Gelenkknorpelschäden. Dtsch Arztebl 2003; 100 A 546–554 [Heft 9].
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Matthias Wiese
Orthopädische Universitätsklinik Bochum Gudrunstraße 56
44791 Bochum
Behandlung von
lokalen Knorpelschäden
Methode der Wahl noch nicht abschließend geklärt
Matthias Wiese
Editorial
Orthopädische Universitätsklinik im St. Josef Hospital (Direktor: Prof. Dr. med. Jürgen Krämer), Ruhr Universität Bochum