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Archiv "Verlauf klinisch symptomatischer Knorpelschäden des Kniegelenks: Ergebnisse ohne und mit biologischer Rekonstruktion" (19.09.2003)

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er betroffene Patient klagt in der akuten Phase umschriebe- ner Knorpelschäden des Knie- gelenks, zum Beispiel infolge eines Traumas oder einer Osteochondro- sis dissecans, meist über erhebliche Gelenkbeschwerden mit Schmerzen, Schwellung und Funktionsbeeinträch- tigung. Der weitere Spontanverlauf ei- nes Knorpelschadens wird jedoch durch unterschiedliche Einflussgrößen bestimmt. Aus klinischer Erfahrung zählen hierzu insbesondere die Größe, Tiefe und Lokalisation des Defekts, weitere biomechanische Veränderun- gen, zum Beispiel verursacht durch Bandverletzungen oder Achsfehlstel- lungen, sowie das Patientenalter (21).

Für die biologische Rekonstruktion artikulärer Knorpelschäden stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfü- gung (21, 56, 72), für die zum Teil die

ersten Langzeitresultate und die 2- bis 5-Jahres-Ergebnisse einer Reihe mul- tizentrisch, prospektiv randomisierter Studien vorliegen.

Spontanverlauf artikulärer Knorpelverletzungen

Ein Gelenkknorpelschaden muss nicht immer mit Beschwerden verbunden sein (86). Auch größere Knorpelschä- den können klinisch stumm verlaufen und enden nicht zwangsläufig in einer Arthrose (21). In einer prospektiven Studie konnte jedoch gezeigt werden, dass eine Kniebinnenverletzung in jun- gen Jahren das Risiko einer Arthrose um das 2,95-fache, im Erwachsenenal- ter sogar um das 5,17-fache erhöht (42).

Bei Meniskusresektionen aufgrund ei- ner Knieverletzung, die alleine schon

eine starke Erhöhung des Arthroserisi- kos zur Folge haben (96), ist durch eine zusätzliche Knorpelverletzung das Risi- ko nochmals um mehr als das Doppelte erhöht (71).

Nach isolierten traumatischen Knor- peldefekten des Kniegelenks junger Sportler wiesen innerhalb von 14 Jah- ren mehr als 40 Prozent der Untersuch- ten Zeichen einer Arthroseentstehung im Spontanverlauf auf (73).

Verlauf klinisch symptomatischer Knorpelschäden des Kniegelenks

Ergebnisse ohne und mit biologischer Rekonstruktion

Christoph Gaissmaier1, Jürgen Fritz1, Jürgen Mollenhauer2, 3, Ulrich Schneider4, Stefan Marlovits5, Jens Anders2, Bernhard Schewe1, Kuno Weise1

Zusammenfassung

Nach dem Schluss der Wachstumsfugen lässt sich mit zunehmender Größe klinisch sympto- matischer Knorpelschäden des Kniegelenks ein erhöhtes Arthroserisiko im Spontanverlauf be- obachten. Neuere grundlagenwissenschaftli- che Erkenntnisse zeigen, dass hierfür in erster Linie entzündlich degenerative Prozesse ver- antwortlich sind, die im Gelenk als Folge un- physiologischer Druckverteilung und metaboli- scher Veränderungen induziert werden kön- nen. Biologisch rekonstruktive Eingriffe sollten daher möglichst frühzeitig stattfinden, um se- kundär entzündliche Prozesse zu verhindern und um so der schicksalhaften Entstehung einer dem Alter vorauseilenden Arthrose vorzubeu- gen. Ein Ziel der biologischen Rekonstruktion muss dabei die Wiederherstellung möglichst physiologischer Druckverhältnisse im Gelenk sein. Bestehende Achsfehlstellungen müssen gegebenenfalls korrigiert und Kollateralschä- den saniert werden. Die biomechanischen Ei- genschaften und die Oberflächenkongruenz des zerstörten Gelenkknorpels sollten weitgehend

rekonstruiert werden. Erste Langzeitresultate und die 2- bis 5-Jahres-Ergebnisse prospektiv randomisierter Studien deuten darauf hin, dass die autologe Chondrozytentransplantation der Periost- und Perichondriumtransplantation, den knochenmarkstimulierenden Verfahren und der Mosaikplastik vor allem bei größeren Knorpel- schäden signifikant überlegen ist.

Schlüsselwörter: Knorpelschaden, Spontanver- lauf, Mikrofrakturierung, Mosaikplastik, auto- loge Chondrozytentransplantation

Summary

Outcome of Clinically Overt Cartilage Inju- ries without and with Biological Recon- struction

With increasing size, full-thickness articular cartilage defects impose an increasing risk for osteoarthritis, especially in patients with closed growth plates. Latest scientific findings suggest that primarily inflammatory and de- generative mechanisms are responsible which

occur due to abnormal biomechanical loading conditions and to metabolic changes within the affected joint. Therefore, surgical pro- cedures for a biological reconstruction of car- tilage defects should be performed as early as possible in order to avoid secondary onset of early osteoarthritis. One goal of biological reconstruction has to be the restoration of normal loading conditions in the joint. Axial deformities and/or attendant pathologies of the joint (e.g. ACL-rupture, meniscus tears) have to be treated first. Biomechanical pro- perties and surface congruence of the damag- ed cartilage should be reconstructed as far as possible. First long-term results and 2 to 5 years results of prospective randomized studies suggest that for large circumscribed cartilage defects autologous chondrocyte trans- plantation is superior to periostal and peri- chondral transplants, to mosaicplasty and to tissue response procedures.

Key words: articular cartilage defect, sponta- neous course, tissue response, mosaicplasty, autologous chondrocyte transplantation

1Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (Ärztlicher Di- rektor: Prof. Dr. med. Kuno Weise), Tübingen

2Lehrstuhl der Orthopädie (Forschungsdirektor: Dr. rer.

nat. Dr. med. habil. Jürgen Mollenhauer) der Universität Jena, Eisenberg

3Rush Medical College (Chairman: Theodore R. Oegema, Ph.D.), Department of Biochemistry, Chicago

4Orthopädische Universitätsklinik (Ärztlicher Direktor:

Prof. Dr. med. Fritz-Uwe Niethard) der RWTH Aachen

5Klinik für Unfallchirurgie und Ludwig Boltzmann Institut für Biomechanik und Zellbiologie (Ärztlicher Direktor:

Prof. Dr. med. Vilmos Vécsei), Universitätsklinik Wien

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Die Summe der vorliegenden Stu- dien deutet also darauf hin, dass Knie- verletzungen mit Knorpelschäden das Risiko für die Entwicklung einer Arth- rose signifikant erhöhen (27, 55, 58, 63, 67, 97, 103).

Aber auch Knorpelschäden, die nicht traumatisch verursacht sind, und bei de- nen keine begleitenden Verletzungen des Bandapparats vorliegen, führen häufig zu persistierenden Beschwerden (4, 30, 47). In einer erst kürzlich ver- öffentlichten Studie konnte gezeigt werden (87), dass der Spontanverlauf einer Osteochondrosis dissecans (OD) der Femurkondyle bei geschlossener Wachstumsfuge in der überwiegenden Zahl der nachuntersuchten Fälle zu ei- ner frühzeitigen Arthrose führte (Ab- bildung 1).

Dagegen scheint das Arthroserisiko bei isolierten Knorpel-Knochen-Schä- den und noch offenen Wachstumsfugen im Verlauf deutlich geringer zu sein (50, 87, 98, 104). Allerdings konnte auch un- ter diesen Bedingungen gezeigt wer- den, dass bei einer OD im Bereich der Kniegelenke über 30 Prozent der Pati- enten bereits mittelfristig eine Arthrose entwickeln (104), wobei das Arthroseri- siko unabhängig vom Patientenalter und ähnlich wie bei Meniskusschäden (6, 51) mit der Größe des Defekts stati- stisch signifikant zunimmt (2, 104).

Das Ausmaß der Reduktion der Kraft übertragenden Flächen im Ge- lenk stellt daher einen zentralen Risiko- faktor für die Entstehung einer alters- vorauseilenden Arthrose infolge arti- kulärer Knorpelschäden beziehungs- weise komplexer Gelenkbinnenverlet- zungen dar.

Verfahren mit biologisch rekonstruktiver Zielsetzung

Symptomfreie Knorpelschäden soll- ten zunächst der weiteren klinischen Beobachtung vorbehalten bleiben, da der offene Gelenkeingriff einen präar- throtischen Faktor darstellen kann (69) und hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen auch im Spontan- verlauf häufig eine Ausheilung des Defekts eintritt (17, 50, 98). Ande- rerseits wird zum Beispiel im Falle einer Osteochondrosis dissecans bei

anhaltenden Beschwerden, instabilem Knorpel-Knochen-Fragment und be- sonders bei Erwachsenen die zügige biologische Rekonstruktion von den meisten Autoren mittlerweile empfoh- len, da die Ergebnisse ohne biolo- gisch rekonstruktive Intervention vor allem im Langzeitverlauf und bei grö- ßeren Defekten bedeutend schlechter sind (2, 4, 17, 30, 47). Begleitende Meniskus- und Bandverletzungen so- wie Achsfehlstellungen sollten vorher oder zeitgleich saniert werden, da un- physiologische Druckverhältnisse die Entstehung entzündlich degenerativer Prozesse im Gelenk fördern (8, 19, 20, 38, 40, 60, 66, 93, 102).

Lavage, Debridement und knochenmarkstimulierende Verfahren

Lavage und Debridement besitzen eine rein symptomatische Wirkungsweise und ermöglichen bei vollschichtigen Knorpelschäden keine langfristige Be- schwerdefreiheit oder gar eine biologi- sche Rekonstruktion (72).

Vor dem Hintergrund der ernüch- ternden Ergebnisse einer prospektiv randomisierten und placebokontrollier- ten Studie ist ihr therapeutischer Wert, insbesondere bei größeren Knorpel- schäden, als fraglich einzustufen (78).

Die knochenmarkstimulierenden Techniken (zum Beispiel Pridieboh- rung oder Mikrofrakturierung) können arthroskopisch durchgeführt werden.

Ihr Wirkungsprinzip besteht in der Eröffnung der subchondralen Kno- chenlamelle und der Einwanderung mehrheitlich unspezifischer Zellen (91) nach primärer Einblutung (56, 72), wo- durch ein fibröses Narbengewebe mit einer überwiegend Kollagen-Typ-1-hal- tigen Matrix von verminderter Belast- barkeit und beträchtlicher sekundärer Mineralisationstendenz entsteht (13, 56, 59, 72, 76, 92, 99, 106).

In Abhängigkeit der einwirkenden Belastung und besonders bei größeren Knorpelschäden wird der Faserknorpel aufgrund seiner deutlich schlechteren biomechanischen Eigenschaften wieder abgetragen (72, 77, 99), was wiederum zu einer fortschreitenden Knorpeldege- neration führt (22).

Neben der Defektlokalisation und -größe spielt bei dieser Methode auch das Patientenalter eine entscheiden- de Rolle (5, 46, 101). Im Falle einer Osteochondrosis dissecans bei noch of- fenen Wachstumsfugen sind die Ergeb- nisse nach Anbohrung in der Regel gut wohingegen sie nach eingetretener Skelettreife erheblich schlechter wer- den (1, 5, 62).

In zwei kürzlich vorgestellten pro- spektiv randomisierten Studien wurden erstmals die Ergebnisse knochenmark- stimulierender Verfahren mit denen der autologen Chondrozytentransplantati- on (ACT) verglichen. Die behandelten Knorpeldefekte der Femurkondylen besaßen eine Flächenausdehnung von

2 cm2(35, 64).

Histologisch konnte gezeigt werden, dass nach Mikrofrakturierung vor al- lem Faserknorpel und nach ACT meist hyalinartiger Knorpel entsteht. Die Proben der Patienten waren für die auswertenden Pathologen geblindet.

Die Ergebnisunterschiede waren stati- stisch signifikant (64).

Im ersten Nachuntersuchungsjahr waren die klinischen Befunde für die Gruppe der Patienten mit Mikrofrak- turierung besser. Ab dem zweiten Nachuntersuchungsjahr konnte dann ein umgekehrter Trend festgestellt wer- den.

Die anfänglich schlechteren klini- schen Ergebnisse der ACT sind vermut- lich auf die bei der ACT notwendige Ar- throtomie zurückzuführen, die bei einer Mikrofrakturierung nicht notwendig ist (64).

Im weiteren Heilverlauf profitieren die Patienten dann von der wesentlich besseren Knorpelqualität nach ACT (64), weshalb sich insbesondere bei län- gerer Nachbeobachtung auch die klini- schen Ergebnisse statistisch signifikant zugunsten der ACT entwickeln (35).

Die autologe Chondrozyten- transplantation

Im Vorfeld einer ACT wird arthrosko- pisch aus einem nichttragenden Ge- lenkbereich circa 200 mg vollschichti- ger Knorpel entnommen, um die darin enthaltenen Chondrozyten in der Zell- kultur unter sterilen Bedingungen zu

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vermehren. Nach Anzucht einer aus- reichenden Zellzahl werden die Chon- drozyten in die operativ vorbereitete Defektkammer unter einen zuvor auf- genähten Periostlappen injiziert (15, 41).

Das seit längerem angenommene Wirkungsprinzip der ACT wurde kürz- lich in zwei grundlegenden Arbeiten nachgewiesen. Phänotypisch stabile Chondrozyten können nach ihrer Re- transplantation in vivo überleben und leisten den wesentlichen Beitrag zur qualitativ hochwertigen Defektauffül- lung (28, 29).

In einer Studie zur ACT mit 101 Pa- tienten und einer Nachbeobachtungs- zeit von 2 bis 9 Jahren konnten arthro- skopisch gewonnene Biopsien von 37 Patienten histologisch nachuntersucht werden. In 80 Prozent der Biopsien wurde hyalinartiger Knorpel nachge- wiesen (90). Die Bezeichnung hyalinar- tig wurde deshalb gewählt, weil der Knorpel nach ACT nicht die zonale Strukturbildung des unverletzten Ge- lenkknorpels besitzt, seine biochemi- sche Zusammensetzung und biomecha- nische Belastbarkeit aber weitgehend erreicht und auch längerfristig bei- behält (43, 88, 89, 90, 94, 95).

Das entstandene Knorpelgewebe kann bis zu 90 Prozent und mehr der Festigkeit des gesunden hyalinen Knor- pels aufweisen (89) und ist diesbezüg- lich wie auch in seinen biochemischen

Eigenschaften nicht mit Faserknorpel zu vergleichen (43, 89, 90, 94, 95).

Da das Transplantat jedoch einem län- geren Umbauvorgang unterliegt, wird die endgültige Gewebequalität nicht vor Ablauf von 24 Monaten erreicht (10, 24, 45, 95).

Peterson et al. (90) konnten zeigen, dass eine hohe Korrelation zwischen der Regeneration eines hyalinartigen Knorpels zu guten klinischen Ergebnis- sen besteht, wobei initial gute klinische Resultate der ACT auch langfristig mit guten Ergebnissen korrelieren (89).

Nach Verlaufszeiten von mehr als 13 Jahren wurde diesbezüglich noch keine Trendwende festgestellt (88). Für den kurz- und mittelfristigen Verlauf wur- den mittlerweile auch von anderen Au- toren ähnlich viel versprechende Er- gebnisse berichtet (35, 36, 49, 64, 68, 74, 75, 94, 95, 105), wobei sich diese nicht nur auf das Kniegelenk beschränken (44, 65).

Die ACT weist in Anbetracht der Größe des Eingriffs eine geringe Kom- plikationsrate auf (36, 68, 90, 105). Als häufigste Komplikation ist die Trans- plantathypertrophie beschrieben, die sich in der Regel arthroskopisch gut korrigieren lässt (36, 90). Für ein kom- plettes Transplantatversagen (53) oder unbefriedigende histologische Ergeb- nisse (54) können mehrere Faktoren ursächlich sein. Nach dem derzeiti- gen Kenntnisstand kann vor allem die

falsche Indikationsstellung oder Opera- tionstechnik (33, 79, 81, 100, 105) und wahrscheinlich auch eine unzureichen- de Qualität der angezüchteten Chon- drozyten hierzu führen (3, 28, 34, 108).

Transplantatverknöcherungen werden auch nach längeren Verlaufszeiten in der Regel nicht beobachtet (88, 89, 90).

Die aus diesen Erfahrungen entstan- denen Empfehlungen und Leitlinien zur Indikation, Durchführung und zell- biologischen Qualitätssicherung der ACT wurden von der Arbeitsgemein- schaft „ACT und Tissue Engineering“

der Deutschen Gesellschaft für Unfall- chirurgie (DGU) und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Or- thopädische Chirurgie (DGOOC) im letzten Jahr veröffentlicht (9). Für die Behandlung degenerativer Knorpel- schäden mit einer ACT existieren der- zeit noch keine validen Daten. Die Er- gebnisse zukünftiger Studien, insbeson- dere mit weiterentwickelten Verfahren der ACT bleiben abzuwarten.

Transplantation von Periost und Perichondrium

Die Transplantation von Periost oder Perichondrium zeigt anfänglich eine gute Wiederherstellung der Gelenk- knorpelfläche. Im weiteren Verlauf ent- stehen jedoch häufig enchondrale Ossi- fikationen im Transplantat (13, 52, 70, 82, 83).

Dieses Phänomen ist, ähnlich wie bei stromalen Knochenmarkzellen (39, 61), in der natürlicherweise osteoblastär ge- prägten Differenzierungsneigung von Vorläuferzellen dieser Herkunft be- gründet (23, 25) und trägt zu der erheb- lichen Versagensquote beider Metho- den bei (56).

Von 14 Patienten, die aufgrund einer Osteochondrosis dissecans der Femur- kondyle mit einer Periosttransplantati- on versorgt wurden, waren im ersten Nachuntersuchungsjahr neun Patienten frei von Schmerzen. Bei einer Nach- untersuchungszeit von 6 bis 9 Jahren waren nur noch zwei Patienten be- schwerdefrei. Histologisch konnte nur in einem gesicherten Fall die Rekon- struktion eines hyalinartigen Knorpels nachgewiesen werden. Sechs Patienten entwickelten bereits im Nachuntersu- Abbildung 1: Osteochondraler Defekt der medialen Femurkondyle (OD)

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chungsintervall eine Arthrose (7). Ähn- lich enttäuschende Ergebnisse wurden im letzten Jahr aus einem Kollektiv von 180 Patienten berichtet (83). Aufgrund der hohen Revisions- und Versagensra- te kann die reine Periosttransplantation nicht mehr empfohlen werden (7, 70).

In einer klinischen Studie zur Pe- richondriumtransplantation wurden 58 Prozent gute bis sehr gute Resultate (18) erzielt; in einer anderen waren nach 52 Monaten nur noch 38 Prozent gute gegenüber 55 Prozent schlechten Ergebnissen festzustellen (12). Zwei Jahre später wurden dann von der glei- chen Arbeitsgruppe weitere Studiener- gebnisse veröffentlicht. Die histologi- schen Untersuchungen von 22 Biopsien zeigten überwiegend die Bildung von Faserknorpel. Bei nur acht Patienten konnte eine makroskopisch intakte Oberfläche gefunden werden (14). In der retrospektiven Analyse von zwei unabhängigen, vormals pro-

spektiv angelegten Studien wurden bei einer Nachunter- suchungszeit von 10 bis 11 Jahren die klinischen Ergeb- nisse der subchondralen Boh- rung mit denen der Perichon- driumtransplantation vergli- chen (13). Von ursprünglich 88 transplantierten Patien- ten der Perichondriumgruppe wurden letztlich nur 14 Pa- tienten, von 150 Patienten mit subchondraler Bohrung nur 11 Patienten in die Auswer- tung für die neuste Veröffent- lichung mit aufgenommen.

Die Ergebnisse der diesmal nicht mehr in die Studie auf- genommenen Patienten wa- ren bereits zu einem früheren Nachuntersuchungszeitpunkt so schlecht, dass auf die weite- re Berücksichtigung dieses Kollektivs verzichtet wurde.

Neuerlich aufgenommen wur- den daher nur Patienten unter 40 Jahre, ohne vorausgegange- nen Rekonstruktionsversuch, mit nicht mehr als einer Knor- pelläsion und ohne wesentli- che weitere Knorpelschäden.

Aber selbst unter diesen äußerst rigiden Auswahlkrite- rien trat bei 3 von 14 Patienten

der Perichondriumgruppe ein vollstän- diges Transplantatversagen ein. Die drei Transplantatversager wurden in der weiteren Studienauswertung nicht berücksichtigt.

Ferner konnten keine signifikanten Unterschiede im radiologischen Ergeb- nis nach subchondraler Bohrung oder der Perichondriumtransplantation fest- gestellt werden.

Unabhängig vom Verfahren wurden in der überwiegenden Zahl der Fälle (subchondrale Bohrung 8/10, Perichon- driumtransplantation 9/11) radiologi- sche Veränderungen als Zeichen einer subchondralen Sklerosierung oder ei- ner Transplantatverknöcherung gefun- den (13).

Zusammenfassend bleibt für die Transplantation von Periost oder Pe- richondrium festzustellen, dass die kli- nischen Ergebnisse trotz bestehender Alterseinflüsse (84) derart uneinheit-

lich sind (26, 56), dass beide Verfahren im Sinne der evidenzbasierten Medizin als unzuverlässig bezeichnet werden müssen.

Osteochondrale Transferverfahren

Die Anwendung allogener Knorpel- Knochen-Transplantate sollte wegen ihrer potenziellen Immunogenität und dem höheren Infektionsrisiko auf Fälle beschränkt bleiben, bei denen alternati- ve Verfahren aufgrund der Defekt- größe und insbesondere der knöcher- nen Defekttiefe nicht mehr möglich sind (46).

Wegen ihrer erheblichen Komorbi- dität gilt das gleiche bezüglich der Indi- kation für den posterioren Femurkon- dylentransfer und die hieraus weiter- entwickelte Methode der Mega-OATS (16).

Bei der mittlerweile im Bereich des Kniegelenks häufig angewandten Mo- saikplastik beziehungsweise OATS- Technik werden mit einem speziellen Instrumentarium aus weniger belaste- ten Arealen der Femurkondylen Knor- pel-Knochenzylinder von 4 bis 12 mm Durchmesser bei einer Länge von etwa 15 bis 25 mm entnommen und in das vorbereitete Empfängerlager im De- fektbereich eingebracht (11, 48).

Neben der erheblichen Schädigung der für die Gelenkfunktion wichtigen subchondralen Knochenlamelle kommt es infolge ihrer Eröffnung zur Bildung von Faserknorpel zwischen den einge- brachten Knorpel-Knochen-Zylindern (16, 72, 105), wobei das Ausmaß dieses Nebeneffekts mit der Zahl der übertra- genen Zylinder zunimmt (72).

Über die tribologischen Eigenschaf- ten dieses Mischknorpels ist wenig be- kannt, die klinischen Ergebnisse bei kleinen und mittleren Defektgrößen sind mittelfristig jedoch als gut zu be- zeichnen (16, 48, 57, 105).

Bei größeren Defekten spielt in zu- nehmendem Maße die Komorbidität der Entnahmestelle mit Schmerzen im femoropatellaren Gleitlager und die begrenzte Verfügbarkeit von Spender- zylindern eine Rolle (56, 57, 105).

Ferner werden bei großflächigen Knorpelschäden hohe Komplikations- Abbildung 2a: Arthroskopischer Befund etwa ein Jahr

nach Mosaikplastik am medialen Femurcondylus. Die ein- zelnen osteochondralen Zylinder sind noch identifizier- bar, kopfsteinpflasterartiges Relief.

Abbildung 2b: Arthroskopischer Befund knapp ein Jahr nach ACT. Der regenerierte Knorpel unter dem Tasthaken zeigt eine stabile und weitgehend homogene Ober- fläche.

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b

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und Reoperationsraten nach Anwen- dung der Mosaikplastik beobachtet (57).

Die Grenzen dieser Methode wer- den je nach Defektlokalisation und (in- dividueller) Gelenkgröße spätestens bei etwa 3 bis 4 cm2 Defektgröße er- reicht, da neben den bereits erwähnten Problemen beim Einbringen mehrerer Zylinder die Gefahr einer sekundär pa- thologisch wirksamen Stufenbildung zwischen den Oberflächen der einzel- nen Spenderzylinder naturgemäß er- heblich zunimmt (16, 57).

Das Press-fit-Einbolzen der Spen- derzylinder in das Empfängerareal und die verursachte Inkongruenz durch Stu- fenbildung resultiert in abnormalen Be- lastungsdrücken (31, 37, 56, 80, 107).

Dies kann durch das Absterben und die konsekutiv veränderten Stoffwechsel- leistungen der im und um das Trans- plantat befindlichen Chondrozyten (32, 38, 40, 56, 66) zur Destruktion der Grundsubstanz (56, 93, 102) und einer zunächst lokalisierten Knorpeldegene- ration führen (16, 56).

Eine erst kürzlich veröffentlichte, prospektiv randomisierte Studie mit 100 Patienten zeigte für die ACT bei ei- ner durchschnittlichen Defektgröße von 4,66 cm2signifikant bessere Resul- tate als für die Mosaikplastik, wobei im Falle einer Mosaikplastik nach durch- schnittlich 19 Monaten Follow-up be- reits häufig die ersten Zeichen degene- rativer Veränderungen zu beobachten waren, bei der ACT jedoch nicht (10).

Diese Ergebnisse weisen auf die hohe Bedeutung der erreichten Kongruenz (85) der bei der Artikulation beteiligten Gelenkflächen für die Verlaufsprogno- se eines biologischen Rekonstruktions-

verfahrens hin. Bei der Mosaikplastik beziehungsweise OATS-Technik kann trotz technischer Methodenverbesse- rungen und trotz makroskopisch opti- maler Niveauanpassung der Knorpel- Knochen-Zylinder im Empfängerareal wegen der vorgegebenen und diskonti- nuierlichen Transplantatstrukturen nie- mals eine optimale Oberflächenkon- gruenz beziehungsweise biologische Rekonstruktion erreicht werden (31, 44, 56).

Nach Anwendung der ACT hingegen ist dies möglich, da die von den trans- plantierten Knorpelzellen neu gebilde- te Knorpelgrundsubstanz anfänglich noch weich und formbar ist und sie sich somit auch während der Matrixreifung durch biomechanische Einflüsse der Gelenkoberfläche anpassen kann (10, 24, 44, 89, 90) (Abbildung 2a und 2b).

Unter Berücksichtigung der Summe der hier beschriebenen Erkenntnisse sollte die Mosaikplastik beziehungswei- se OATS-Technik daher nicht mehr bei Knorpeldefekten größer 4 cm2 ange- wandt werden.

Fazit

Hauptsächlich bei geschlossenen Wachs- tumsfugen lässt sich mit zunehmen-der Größe klinisch symptomatischer Knor- pelschäden des Kniegelenks und eventu- ell begleitenden Verletzungen protekti- ver Gelenkbinnenstrukturen ein signifi- kant erhöhtes Arthroserisiko im Spon- tanverlauf beobachten. Um die Ent- stehung einer altersvorauseilenden Ar- throse zu verhindern oder zumindest deutlich zu verzögern, sollten derartige Knorpelschäden biologisch rekonstru-

iert und Kollateralschäden (Meniskus-, Bandschäden) oder Achsfehlstellungen vorher oder zeitgleich saniert werden.

Für die biologische Rekonstruktion von Knorpelschäden stehen derzeit unter- schiedliche Verfahren zur Verfügung, für die in Anbetracht der nunmehr vorliegenden Studienergebnisse die fol- genden Indikationsempfehlungen aus- gesprochen werden können (Tabelle).

Bei jungen Patienten mit offenen Wachstumsfugen ist die Anwendung von minimalinvasiv anwendbaren Tis- sue-Response-Verfahren (wie zum Bei- spiel die Mikrofrakturierung) bei sa- nierungsbedürftigen Knorpelläsionen als primäres Behandlungsverfahren aufgrund des noch hohen intrinsischen Regenerationspotenzials zu bevorzu- gen. Vollschichtige Knorpelschäden bei bereits geschlossenen Wachstumsfugen können in der Regel bis etwa 2 cm2mit einer Mikrofrakturierung und bis maxi- mal 3 bis 4 cm2Defektfläche mit autolo- gen Knorpel-Knochen-Zylindern (Mo- saikplastik, OATS) erfolgreich saniert werden.

Bei größeren Defektflächen sollte die ACT als Verfahren der Wahl einge- setzt werden, da in diesen Fällen andere biologische Rekonstruktionsverfahren, wie zum Beispiel die Mosaikplastik, schon aus Gründen der technischen Durchführbarkeit und der hohen se- kundären Komplikationsraten überfor- dert sind.

Manuskript eingereicht: 5. 2. 2003, revidierte Fassung angenommen: 16. 6. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2448–2453 [Heft 38]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3803 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Christoph Gaissmaier

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Schnarrenbergstraße 95

72074 Tübingen

E-Mail: weise@bgu-tuebingen.de

´Tabelle ´

Indikationsempfehlungen für die biologische Rekonstruktion von Knorpelschäden

Tissue Response Mosaikplastik, Autologe

(Mikrofrakturierung, Osteochondral- Chondrozyten-

Pridie-Bohrung) Transplantation (OCT) transplantation (ACT)

Kinder und +++ +

Jugendliche

Defekte bis 2 cm2 +++ +

Defekte zwischen + +++ +

2 – 4 cm2

Defekte ab 3 – 4 + +++

bis 12 cm2

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