• Keine Ergebnisse gefunden

Ergebnisse 4 Jahre nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Ergebnisse 4 Jahre nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes"

Copied!
235
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Ergebnisse 4 Jahre nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes:

Welche Variablen sind zur Ergebnisbeurteilung relevant?

Inauguraldissertation

zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.)

im Fach Sportwissenschaft

eingereicht an der

Philosophischen Fakultät IV der Humboldt-Universität zu Berlin

von Ilka Ducke

geboren am 19. Mai 1971 in Räckelwitz

Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin:

Prof. Dr. Christoph Markschies

Dekan der Philosophischen Fakultät IV:

Prof. Dr. Dietrich Benner

Gutachter: 1. Prof. Dr. med. Roland Wolff 2. Prof. Dr. Siegfried Leuchte eingereicht: 30. September 2006

Datum der Promotion: 08. Februar 2006

(2)
(3)

Widmung

Für Tom

Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, so ist es dir, als leuchten tausend Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache.

Und wenn du dich getröstet hast,

wirst du froh sein, mich gekannt zu haben.

Antoine de Saint-Exupery: „Der kleine Prinz“

Wir werden dich nie vergessen.

(4)
(5)

Abstract

Schlüsselwörter: vorderes Kreuzband, Knie-Scores, Sportfähigkeit, klinischer Befund, sportmotorische Tests, isokinetische Drehmomente, sonografische Muskeldicken

Einleitung: Primäres Ziel einer VKB-Plastik ist die Verbesserung der Stabilität des Kniegelenkes, doch daran allein lässt sich das Behandlungsergebnis nicht beurteilen.

Mit den Daten von 23 Patienten nach VKB-Rekonstruktion (4 Jahre p.o.) sollte diskutiert werden, welche Variablen noch geeignet sind, um den Behandlungserfolg zu bewerten.

Ergebnisse und Diskussion: Die Kniefunktion im Alltag wurde in den Knie-Scores als gut oder besser beurteilt, die Bewertung beim Sport war etwas schlechter. Die KOS- Scores ADL und Sport haben sich für die Erfassung der subjektiven Zufriedenheit besonders geeignet. Im klinischen Befund gab es kaum Defizite. Die Gelenkbeweglichkeit und Stabilität des VKB (Lachman) sind die relevanten Beurteilungskriterien. Hinsichtlich der Sportfähigkeit war ein Rückgang in Sportarten mit höherer Kniegelenksgefährdung zu sehen. Nur 36,4 % der Patienten sind auf prätraumatischem Niveau aktiv. Die Sportfähigkeit dürfte jedoch für langfristige Evaluationen nicht von Interesse sein, da altersbedingte Veränderungen im Freizeitverhalten einen zunehmenden Einfluss haben. In einbeinigen sportmotorischen Tests, wie dem Nieder-Hoch-Sprung, zeigten sich auf der operierte Seite verlängerte Bodenkontaktzeiten. Dieser Test ist für die Beurteilung genauso geeignet wie der Einbeinweitsprung. Bei diesem war zwar kein Seitenunterschied, jedoch eine verkürzte Sprungweite gegenüber Kniegesunden zu finden. Bei den isokinetischen Messungen fanden sich persistierende Defizite der Extensoren (operiertes Bein) sowie bilaterale Veränderungen, verglichen mit dem Referenzwert. Ferner lagen auf der operierten Seite verminderte Muskeldicken der Mm. vastus medialis et intermedius (knienah) vor.

Die Werte der isokinetischen Messung wie der sonografischen Muskeldickenmessung stellen daher wichtige Indikatoren zur Bewertung des Muskelstatus dar.

Untersuchungen wie EMG, Ganganalyse, Einbeinstandtest, Beinumfangsmessung, beidbeinige Sprünge und Beintapping ließen keine Defizite erkennen. Diese Verfahren können kaum einen Beitrag zur Einschätzung des Behandlungsergebnisses leisten. Es gab mehrere Hinweise auf bilaterale Veränderungen, daher ist bei vielen Tests der alleinige Seitenvergleich nicht ausreichend. Somit ist zu fordern, dass künftig zur Bewertung des Behandlungsergebnisses nach VKB-Plastik einheitliche Untersuchungsstandards angestrebt sowie Normwerte für diese Testverfahren geschaffen werden.

(6)
(7)

Abstract

Key words: anterior cruciate ligament, knee-scores, sport capability, clinical results, sport motor tests, isokinetic torque, sonographic muscle thickness

Introduction: The primary goal of anterior cruciate ligament reconstruction is to improve knee joint stability; however, this factor alone is not enough in evaluating treatment results. With data from 23 patients (4 years post-op) after reconstruction of the anterior cruciate ligament variables will be discussed as to which are well-suited in judging treatment success.

Results and discussion: Knee joint function for activities of daily life (ADL) was rated by knee-scores as good or better; for sport activities the rating was somewhat worse. KOS scores for ADL and sport are well-suited for the conceived, subjective contentment.

Clinical results show hardly any deficits. Joint range of motion and stability of the anterior cruciate ligament (Lachman test) are relevant rating criteria. With regard to sport capability a reduction was seen in sports where a high risk for the knee joint was present. Only 36.4 % of the patients are at a „pre-trauma“-level. Long-term evaluation of sport capability is not of interest, since age-related changes in leisure activity are of increasing influence. By sport motor tests such as the one-leg drop-jump, an increase in ground contact time was seen. This test is just as well-suited for evaluation as the one-leg long jump. This test showed no side difference except for a shortened jumping distance in comparison to the healthy reference group. Isokinetic results reveal persistent deficits of the knee extensors (operated knee) as well as bilateral changes when compared to reference values. Furthermore, reduced muscle thickness of the Mm. vastus medialis et intermedius near the joint was seen. Isokinetic measurement values and sonographic muscle-thickness measurements represent important indicators when evaluating muscle status. Tests such as EMG, gait analysis, one-leg standing test, thigh-girth measurements, two legged jumps and leg-tapping do not reveal any deficits. These tests can hardly contribute to an evaluation of treatment results. There is much evidence of bilateral changes; therefore side comparisons alone are not adequate. It is therefore to encourage standardized examination tests as well as normal values when evaluating treatment results after anterior cruciate ligament reconstruction.

(8)
(9)

Inhaltverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung...1

1.1 Einleitung ...1

1.2 Theoretische Grundlagen...3

1.2.1 Anatomie des Kniegelenkes und der Kreuzbänder ...3

1.2.2 Knieverletzungen und vordere Kreuzbandruptur ...5

1.2.3 Behandlung der vorderen Kreuzbandruptur...6

1.2.3.1 Konservative Behandlung ...7

1.2.3.2 Operative Behandlung ...8

1.2.4 Rehabilitation nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes ...11

1.2.5 Überblick zu häufigen Untersuchungsverfahren ...12

1.3 Fragestellungen ...20

2 Material und Methoden...22

2.1 Patientengruppe...22

2.1.1 Auswahlkriterien...22

2.1.2 Anthropometrische Angaben...22

2.1.3 Anamnestische Daten ...23

2.1.3.1 Unfallursache ...23

2.1.3.2 Operationsmethoden und Nachbehandlung ...23

2.2 Kontrollgruppe...24

2.2.1 Auswahlkriterien...24

2.2.2 Anthropometrische Angaben...25

2.3 Untersuchungsdesign ...25

2.4 Anamnese, subjektive Kniefunktionseinschätzung und Scores...26

2.5 Kniebefund und Stabilitätsmessung...31

2.6 Messtechnik, Messvorgehen und Messparameter ...32

2.6.1 Gang- und Laufanalyse...32

2.6.1.1 Kinetik...32

2.6.1.2 Kinematik...37

2.6.2 Koordinations- und Schnelligkeitsdiagnostik...40

2.6.2.1 Haltungsstabilisation: Biodex-Plattform ...40

2.6.2.2 Schnelligkeitsdiagnostik: Talent-Diagnose-System (TDS) ...41

2.6.3 Ergänzende Tests der Koordinations- und Schnelligkeitsdiagnostik...47

2.6.4 Isometrische und isokinetische Messung ...49

2.6.5 Elektrische Aktivität (EMG) bei isometrischer und isokinetischer Drehmomentmessung...53

(10)

2.6.6 Sonografische Muskeldickenmessung... 55

2.7 Statistische Datenanalyse ... 56

3 Ergebnisse... 59

3.1 Fragebogen ... 59

3.1.1 Postoperative Beschwerde- und Verletzungsanamnese ... 59

3.1.2 Sportliche Aktivität vor und nach der VKB-Verletzung ... 60

3.2 Scores ... 62

3.2.1 Lysholm-Score... 62

3.2.2 Tegner-Aktivitätsscore... 63

3.2.3 OAK-Score ... 63

3.2.4 KOS-Score ADL ... 64

3.2.5 KOS-Score Sport... 65

3.2.6 Korrelationen zwischen den Scores ... 65

3.2.7 Korrelationen von Scores zu erhobenen Messwerten ... 67

3.3 Klinischer Befund ... 68

3.4 Ganganalyse bei 4,5 km/ h... 72

3.4.1 Subjektive Einschätzung der Gehfähigkeit... 72

3.4.2 Kinetische Daten der Ganganalyse... 73

3.4.3 Kinetische Daten der Ganganalyse im postoperativen Verlauf... 74

3.4.4 Kinematische Daten der Ganganalyse... 79

3.5 Laufanalyse bei 10,0 km/ h ... 80

3.5.1 Subjektive Einschätzung der Lauffähigkeit ... 80

3.5.2 Kinetische Daten der Laufanalyse in der Ebene und bei –5 % Gefälle ... 81

3.5.3 Kinematische Daten der Laufanalyse in der Ebene und bei – 5% Gefälle ... 83

3.6 Koordinations- und Schnelligkeitsdiagnostik... 85

3.6.1 Ein- und beidbeinige Haltungsstabilisation ... 85

3.6.2 Bein-Tapping sitzend und stehend... 86

3.6.3 Nieder-Hoch-Sprung... 88

3.6.4 Dreisprung mit kurzem Bodenkontakt ... 89

3.6.5 Einbeinweitsprung ... 90

3.7 Sonografische Muskeldickenmessung... 91

3.7.1 Beinumfangsmessung... 91

3.7.2 Muskeldicken des lateralen Oberschenkels... 91

3.7.3 Muskeldicken des ventralen Oberschenkels... 92

3.7.4 Muskeldicke des medialen Oberschenkels ... 95

3.8 Isometrische und isokinetische Messungen und elektrische Aktivität (EMG)... 96

3.8.1 Isometrische Drehmomentmessung und elektrische Aktivität ... 96

3.8.2 Isokinetische Messung der Knieextensoren und -flexoren (60°/ s)... 97 3.8.3 Elektrische Aktivität der Knieextensoren bei isokinetischer Messung (60°/ s). 99

(11)

3.8.4 Isokinetische Messung der Knieextensoren und –flexoren (180°/ s)...100

3.8.5 Elektrische Aktivität der Knieextensoren bei isokinetischer Messung (180°/ s)....102

3.9 Zusammenhänge zwischen den Variablen ...106

3.9.1 Beziehungen zwischen Muskelmorphologie, elektrischer Aktivität und isokinetischen Drehmomenten...106

3.9.1.1 Spearmans Rangkorrelation für isokinetisches Drehmoment...106

3.9.1.2 Multiple Regression für isokinetisches Drehmoment...108

3.9.2 Einfluss des isokinetischen Drehmomentes der Knieextensoren ...109

3.9.3 Einfluss der Sportaktivität...111

3.9.4 Einfluss der vorderen Instabilität...112

4 Diskussion...114

4.1 Fragebogen...114

4.2 Scores ...120

4.2.1 Lysholm-Score ...120

4.2.2 Tegner-Aktivitätsscore ...122

4.2.3 OAK-Score ...125

4.2.4 KOS-Score ADL ...127

4.2.5 KOS-Score Sport ...128

4.2.6 Zusammenfassung: Scores und Korrelationen...129

4.3 Klinischer Befund ...131

4.4 Gang- und Laufanalyse...142

4.4.1 Ganganalyse ...142

4.4.2 Laufanalyse...146

4.4.3 Zusammenfassung der Diskussion zur Gang- und Laufanalyse ...150

4.5 Koordinations- und Schnelligkeitsdiagnostik...152

4.5.1 Ein- und beidbeinige Haltungsstabilisation ...152

4.5.2 Elementare Schnelligkeit und Einbeinweitsprung...155

4.6 Sonografische Muskeldickenmessung...167

4.7 Muskelkraft und elektrische Aktivität...170

4.7.1 Isometrische Messung ...170

4.7.2 Isokinetische Messung und elektrische Aktivität...173

4.7.3 Zusammenfassende Diskussion zur Messung der Drehmomente und elektrischen Aktivität unter Berücksichtigung der Korrelationen...178

4.8 Zusammenhänge zwischen den Variablen ...180

4.8.1 Zusammenhänge zwischen Variablen der Muskelmorphologie, elektrischen Aktivität und Muskelkraft ...180

4.8.2 Zusammenhang von maximalem isokinetischen Drehmoment (60°/ s) und weiteren Testvariablen ...182

4.9 Methodenkritik...184

(12)

4.10 Vorschlag für einen Evaluationsbogen... 185

4.11 Schlussfolgerungen und Ausblick ... 189

5 Zusammenfassung... 191

Literatur... 196

Anhang... 210

Anhang A ... 210

Anhang B ... 211

Fragebogen und Scores ... 211

B.1 Fragebogen... 211

B.2 KOS-Score ADL (nach Irrgang 1998)... 215

B.3 KOS-Score Sport (nach Irrgang 1998) ... 216

B.4 Evaluationsbogen für Patienten nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes... 216

Danksagung

Eidesstattliche Erklärung

(13)

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

ADL Activities of Daily Living (Alltagsaktivitäten)

B operierte Seite

CT Computertomografie EMG Elektromyografie Ext Extension Flex Flexion

iEMG integriertes EMG

KG Körpergewicht

M. Musculus (Muskel)

mA mittlere Amplitude

Med Median Mon. Monate

MRT Magnetresonanztomografie MW Mittelwert

N gesunde Seite

n Anzahl

n.s. nicht signifikant

NU Nachuntersuchung OP Operation

OSL Oberschenkellänge

p Irrtumswahrscheinlichkeit (Signifikanz)

p.o. postoperativ

PSP Patellarsehnenplastik

Qo oberes Quartil

Qu unteres Quartil

R Referenzwert

r Korrelationskoeffizient STP Semitendinosussehnenplastik

Tab. Tabelle

TDS Talent-Diagnose-System TE Trainingseinheit(en) U1 – U5 Untersuchung 1 – 5

U-Test Mann-Whitney-U-Test

VKB Vorderes Kreuzband

W-Test Wilcoxon-Test Wo. Wochen

(14)
(15)

1 Einleitung

1.1 Einleitung

Unter den Knieverletzungen hat die Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) eine große sport- wie sozialmedizinische Bedeutung, da vor allem unter Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen eine hohe Verletzungsinzidenz vorliegt und die Behandlung häufig langwierig ist. In den Vereinigten Staaten werden jährlich etwa 75 000 Kreuzbandrupturen registriert, was einer Inzidenz von einer Verletzung auf 3 500 Einwohner entspricht [208]. In Industriestaaten gehen Schätzungen von bis zu einer Kreuzbandverletzung auf 1 000 Einwohner aus [166]. Dazu scheint sich in den letzten Jahren eine Zunahme von VKB-Verletzungen abzuzeichnen [32]. Als Ursachen werden das aktivere Sport- und Freizeitverhalten sowie der Trend zu immer neuen und häufig riskanteren Sportarten diskutiert. Des Weiteren sind Entwicklungen im Bereich der Sportgeräte zu verzeichnen, die für die Belastung des Bewegungsapparates nicht unproblematisch erscheinen, z.B. starre und hohe Schäfte von Skischuhen, Bindungsplatten für Carving-Ski, Stollenhöhe bei Fußballschuhen. Auf der anderen Seite haben sich aber auch die diagnostischen Möglichkeiten verbessert, so dass heute Kreuzbandverletzungen kaum noch „unentdeckt“ bleiben.

In der Orthopädie und Unfallchirurgie steht dieses Verletzungsbild nach wie vor im Mittelpunkt des Interesses. Trotz der zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen auf diesem Gebiet und eines fortgeschrittenen Erkenntnisstandes sind noch viele Fragen ungeklärt und die Meinungen zur Behandlung wie zur Nachuntersuchung divergent.

Der aktuelle Stand der Diagnostik und Behandlung der VKB-Ruptur1 widerspiegelt sich in den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) [44]. Dabei „... ist nicht ganz unumstritten, wie der Erfolg nach VKB-Ersatz zu messen ist“ (Rupp et al. [166], S. 754). Betrachtet man die Veröffentlichungen hinsichtlich des „gemessenen“ Behandlungserfolges, fällt auf, dass sich das Resultat in den letzten Jahren kaum geändert hat. So wurden bei Kreuzbandrekonstruktionen bis 1960 über 70 % zufriedenstellende Ergebnisse erzielt.

Veröffentlichungen zwischen 1980 und 1998 berichten in 70 - 80 % der Fälle von Resultaten mit normaler und nahezu normaler Kniefunktion [77]. Die veränderten OP- Methoden und Nachbehandlungsstrategien hätten demnach zu keiner wesentlichen Verbesserung des Behandlungsergebnisses geführt. Eine mögliche Erklärung dafür

1 Stand der letzten Aktualisierung: 1. April 2002

(16)

könnte sein, dass bisher keine einheitlichen wissenschaftlichen Vorschriften existieren, welche Bewertungskriterien genutzt werden sollten, um das Behandlungsergebnis zu evaluieren. Zwar werden in den bereits erwähnten Leitlinien der AWMF [44] für die

„Vordere Kreuzbandruptur“ ausgewählte Scores für das klinisch-wissenschaftliche Vorgehen empfohlen. In vielen Untersuchungen kommen jedoch, bedingt durch die heutigen technischen Möglichkeiten, auch Methoden aus den Randgebieten der Orthopädie, wie z.B. Kraft-, Schnelligkeits- und Koordinationsdiagnostik, neurologische Messverfahren und Bewegungsanalysen zum Einsatz. Das verschiedenartige Herangehen in der Untersuchungsdurchführung sowie Unterschiede in der Zusammensetzung der Patientengruppen und in den Nachuntersuchungszeiten erschweren die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zahlreicher Studien.

Häufigster Indikator für die Beurteilung des Behandlungsergebnisses ist die wiederhergestellte Belastungs- und Sportfähigkeit. Diese ist gekennzeichnet durch eine freie (seitengleiche) Gelenkbeweglichkeit und einen stabilen Kapsel-Band-Apparat2, Schwellungs- und Schmerzfreiheit in Ruhe und unter Belastung sowie die subjektive Zufriedenheit des Patienten verbunden mit wiederhergestellter Lebensqualität.

Erfahrungsgemäß erfolgt dabei die Beurteilung des Behandlungsergebnisses anhand ausgewählter subjektiver (Scores, Fragebögen) und objektiv erfasster Variablen. Zur Überprüfung des Funktionszustandes des Kniegelenkes stehen zahlreiche Diagnoseverfahren zur Verfügung. Dazu zählen bildgebende Verfahren (Röntgen, MRT3, CT4, Sonografie), manuelle und instrumentelle Verfahren zur Erfassung der Stabilität des Kapsel-Band-Apparates. Darüber hinaus werden verschiedene Methoden genutzt, um die Muskelfunktion zu überprüfen. Durchgeführt werden u.a. isometrische und isokinetische Messverfahren, z.T. kombiniert mit Erfassung der elektrischen Aktivität. Die koordinative Leistungsfähigkeit wird anhand verschiedener sportmotorischer Tests, vom Einbeinstand über Sprungformen bis zu Übungsvarianten der elementaren Schnelligkeit, überprüft. Ausgewählten Studien beschäftigen sich des Weiteren mit der Beeinträchtigung der sensomotorischen Funktion nach einer solchen Verletzung. Durch Erfassung des Bewegungs- und Positionssinnes, z.B. mittels des Winkelreproduktionstests, können die propriozeptiven Defizite ermittelt werden.

Diese Arbeit gibt einen Überblick über mittelfristige Ergebnisse nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, indem etablierte wie auch weniger bekannte

2 Eine mit Arthrometern bestimmte Seitendifferenz von geringer als 3 mm wird als normal angesehen ([117], S. 102).

3 Magnetresonanztomografie

4 Computertomografie

(17)

Untersuchungsverfahren genutzt werden. Es werden die Daten einer Gruppe von 23 Patienten mit VKB-Plastik 4 Jahre postoperativ dargestellt. Die erhobenen Daten und eventuellen korrelativen Zusammenhänge sollen in die Ergebnisse aus der Literatur eingeordnet werden. Vor diesem Hintergrund werden die Variablen der Untersuchungsverfahren bezüglich deren praktischen Relevanz für die Evaluation von Behandlungsergebnissen beurteilt. Zum Schluss soll daraus eine Empfehlung für einen Untersuchungsbogen erarbeitet werden.

1.2 Theoretische Grundlagen

1.2.1 Anatomie des Kniegelenkes und der Kreuzbänder

Anatomie des Kniegelenkes

Das Kniegelenk (Articulatio genus) ist das mittlere Gelenk der unteren Extremität und gleichzeitig das größte Gelenk des menschlichen Körpers überhaupt. Es muss sowohl Stabilität gewährleisten als auch Bewegung ermöglichen. Auf Grund dieser funktionellen Gegensätzlichkeit gibt es am Knie verschiedene anatomische Besonderheiten.

Das Kniegelenk ist ein zusammengesetztes Gelenk. Distales Ende des Femur, proximales Ende der Tibia und Patella artikulieren miteinander. Die zueinander inkongruenten Gelenkflächen der Kondylen des Femur und des Tibiaplateaus werden durch den medialen und lateralen Meniskus ausgeglichen. Die Menisken vergrößern dabei den Flächenkontakt zu den Femurkondylen und bewirken somit eine Druckverteilung besonders bei stoßartigen Belastungen. Sie weisen des Weiteren eine dämpfende Wirkung auf. Außerdem haben die Menisken eine funktionelle Bedeutung für die Stabilisierung des Kniegelenkes, „indem sie sich, vor allem in den Endstellungen, wie Keile zwischen Femurkondylen und Tibiaplateau schieben (Hemmschuhwirkung)“ (Rauber/ Kopsch [156], S. 550).

Die Stabilität des Kniegelenkes wird durch aktive und passive Mechanismen gewährt.

Die aktive Sicherung wird von der kräftig entwickelten gelenkumgebenden Muskulatur mit ihren Sehnenanteilen (M. quadriceps, Mm. ischiocrurales) übernommen. Ein komplizierter Kapsel-Band-Apparat führt und begrenzt neben Knochen, Knorpel und Menisken die Bewegungen im Kniegelenk. Die Kapsel, die das gesamte Kniegelenk umspannt, und die mit ihr in Verbindung stehenden Bänder und Sehnen stabilisieren in gemeinsamer Funktion das Kniegelenk. Der seitliche Bandapparat wird von den beiden Kollateralbändern (Ligg. collaterale tibiale et fibulare) gebildet. Sie geben dem Knie in der Frontalebene die nötige Stabilität. Die Kreuzbänder (Ligg. cruciatum anterior et

(18)

posterior) stellen den zentralen Bandapparat dar. Sie liegen unmittelbar im Gelenkraum des Kniegelenkes. Sie dienen der Stabilisierung in anterior-posteriorer Richtung, d.h. sie verhindern eine vordere bzw. hintere Luxation der Tibia in Bezug zum Femur.

Anatomie des vorderen Kreuzbandes

Die Kreuzbänder liegen innerhalb der Fossa intercondylaris. Die beiden zentral gelegenen Bänder haben einen gekreuzten Verlauf in der Frontal- und Sagittalebene.

Das vordere Band inseriert tibialseitig in der Area intercondylaris anterior und verläuft durch das Dach der Fossa intercondylaris zur femoralen Insertion an der lateralen Femurkondyle. Das vordere Kreuzband besteht aus einer komplexen räumlichen Anordnung einzelner Kreuzbandfasern. Ähnlich einem Scherengitter entspringen einzelne Fasern an der Ursprungsfläche nebeneinander und zweigen sich im Verlauf auf, um an unterschiedlichen Stellen an den Ansatzflächen einzustrahlen. Umgekehrt schließen sich andere Fasern zusammen, die aus unterschiedlichen Arealen der Ursprungsfläche stammen. Eine aus biomechanischer Sicht häufig beschriebene Bündelung des Kreuzbandes (anteriomediales, intermediäres, posterolaterales Bündel) kann anatomisch nicht unterschieden werden [33].

Der Durchmesser des VKB ist im Verlauf unterschiedlich. Man findet eine Auffächerung im Bereich der Ansatz- und Ursprungsflächen, dagegen eine wesentlich dünnere Kreuzbandmitte. Eine exakte Längenbestimmung des Bandes ist dadurch schwierig.

Die Untersuchungen von Burkhardt und Gradinger [33] ergaben für die kürzeste sowie längste Ausdehnung einen Mittelwert von 26 mm (± 4 mm) bzw. 35 mm (± 5 mm).

Die Kreuzbänder haben als passive Stabilisatoren nicht nur eine mechanische Wirkung. Auf Grund ihres Rezeptorenbesatzes sind sie auch von neurophysiologischer Bedeutung und dienen dem Funktionieren des neuromuskulären Rückkopplungs- mechanismus.

Biomechanik des vorderen Kreuzbandes

Das VKB kontrolliert das physiologische ventrale Gelenkspiel. Synergistische Strukturen für diese Funktion sind das Semimembranosuseck und das Lig.

femorotibiale laterale anterius. „Das vordere Kreuzband übernimmt ca. ⅓ des Potentials zur vorderen Stabilisierung, die anderen 2 Strukturelemente ungefähr ⅔ (bei isoliertem Kreuzbandriss bleiben also ⅔ des vorderen Stabilisierungsverhaltens erhalten)“ (Hunziker et al. [97], S. 43). Andere sprechen davon, dass dem vorderen

(19)

Kreuzband bis zu 86 % der Rückhaltekraft gegenüber einer Ventralluxation der Tibia zukommen [177].

In Extensionsstellung des Kniegelenkes hat das vordere Kreuzband einen steilen Verlauf nach dorsal-kranial, bei Beugung kommt es zu einem zunehmend horizontalen Verlauf. Untersuchungen haben ergeben, dass je nach Winkelstellung des Kniegelenkes die verschiedenen Faserportionen des Ligamentes, auf Grund der Scherengitter-Struktur, eine unterschiedliche starke Spannung haben [5]. In Extension verlaufen die Fasern des Kreuzbandes nahezu parallel und unter voller und gleichmäßiger Anspannung. Die anterioren Faseranteile behalten die größte Spannung, wenn das Knie flektiert wird. Die mittleren Faseranteile stabilisieren vorwiegend bei Innenrotation, bei der sich beide Kreuzbänder ineinanderwickeln. Bei der Außenrotation entflechten sie sich, so dass diese Bewegung nicht durch Anspannung der Kreuzbänder gebremst wird [97].

1.2.2 Knieverletzungen und vordere Kreuzbandruptur

Knieverletzungen gehören zu den häufigsten Verletzungen im Sport, wie Moore und Frank ([137], S. 123) mit zahlreichen Untersuchungen und Verletzungsstatistiken belegen. Das Verletzungsrisiko für das Knie ist in den verschiedenen Sportarten unterschiedlich. Die o.g. Autoren stellen heraus, dass Fußball und Ski fahren zu den für das Kniegelenk gefährlichsten Sportarten zählen. Unter Berücksichtigung epidemiologischer Studien scheinen hormonelle (Östrogenkonzentration) und anatomische Faktoren (erhöhter Q-Winkel, verringerte Weite der Fossa intercondylaris) weitere Prädispositionen darzustellen. Kreuzbandrupturen wurden bei Frauen 2,4 - 9,5- mal häufiger als bei Männern beobachtet [208].

Moore und Frank [137] betonen darüber hinaus, dass prinzipiell zwar alle Strukturen im Bereich des Kniegelenkes von Sportverletzungen betroffen sein können, besonders häufig aber Bandverletzungen vorkommen, deren Folgen insbesondere für Athleten oft nachhaltig sind.

Bandverletzungen werden durch interne und/ oder externe massive Krafteinwirkungen verursacht, wobei die Belastbarkeit (Rissfestigkeit) überschritten wird. Bei einer Krafteinwirkung mit Entfernung der Insertionsenden des Ligamentes kommt es zunächst zu einer Zunahme der Spannung auf diese Struktur. Eine derartige Spannungszunahme erfährt das vordere Kreuzband beispielsweise, wenn das Knie zunehmend gebeugt wird. Wegen des Roll-Gleit-Mechanismus kommt es zu einer relativen tibialen anterioren Translation, wodurch sich der Abstand zwischen der tibialen und femoralen Insertion des vorderen Kreuzbandes vergrößert. Überschreitet

(20)

diese Spannungszunahme ein bestimmtes Maß, ist eine partielle oder totale Ruptur des Bandes die Folge.

Die Verletzungsmechanismen sind dabei vielfältig. Einer der häufigsten Unfallmechanismen ist eine Kombination aus Flexion, Abduktion und Außenrotation, wie man es beispielsweise beim Ski fahren in Verbindung mit einem Rückwärtssturz und Verkanten des Skis findet. Die Folge hiervon ist häufig eine Kombinationsverletzung im Sinne eines „Unhappy triad“. Neben dem vorderen Kreuzband sind dann auch das mediale Seitenband und kapsuläre Strukturen sowie der mediale Meniskus verletzt.

Isolierte Kreuzbandrupturen werden beschrieben, wenn eine Kraft von hinten auf den Unterschenkel wirkt, so dass die Tibia gegen den Femur nach vorn verschoben wird.

Eine solche Situation findet man z.B. im Sport, wenn ein Spieler einem anderen von hinten in die Beine tritt. Ein ähnlicher Mechanismus wird wirksam, wenn eine massive Überstreckung im Kniegelenk provoziert wird, wie dies beispielsweise bei Landung auf den Skienden nach einem Sprung der Fall ist. Isolierte Rupturen sind auch bei Innenrotation der Tibia beschrieben, was z.B. durch Überkreuzen der Ski vorkommen kann.

Weitere Verletzungsmechanismen werden vor allem in den Spielsportarten geschildert, wozu plötzliche Abstopp- oder Drehbewegungen bei leicht flektiertem Knie- und Hüftgelenk gehören. Der mittlere Flexionswinkel zum Zeitpunkt der Kreuzbandruptur wird in einer Veröffentlichung von Zantop und Petersen [208] mit 22 Grad angegeben.

„In dieser Position (...) bewirkt eine Kontraktion des M. quadriceps femoris hohe Spannungen im vorderen Kreuzband und die ischiocruralen Muskeln haben einen ungünstigen Hebelarm, um das vordere Kreuzband zu schützen. Exzentrische Quadricepsspannungen können bei leichter Beugung Kräfte bis zu 5000 N im vorderen Kreuzband erzeugen“ (Zantop und Petersen [208], S. 19), was die Reißfestigkeit des nativen Kreuzbandes (1700 - 2100 N [32, 164]) deutlich überschreitet.

1.2.3 Behandlung der vorderen Kreuzbandruptur

Die Ruptur des VKB, meist in Kombination mit Verletzungen anderer Strukturen, ist eine der schwerwiegendsten traumatischen Schädigungen des Kniegelenkes.

Biomechanische Studien weisen darauf hin, dass eine VKB-Ruptur eine erhöhte anteriore Translation der Tibia bedingt [23]. Bei konservativer Behandlung5 einer VKB- Ruptur sind deshalb eine hohe Inzidenz von Meniskusläsionen [172] und arthrotischen

5 „Konservativ“ bedeutet eine Behandlung ohne operative Rekonstruktion des VKB.

(21)

Gelenkveränderungen [46, 112, 134, 143] die Folge. Deshalb wird die Rekonstruktion des VKB vor allem bei jüngeren, sportlich aktiven Patienten, bei Patienten mit lockerem Bindegewebe und bei Knieinstabilitäten im täglichen Leben angestrebt [32]. Es besteht die Annahme, damit das Risiko von Begleitverletzungen bzw. Sekundärschäden an Menisken, Bändern und Kapsel sowie am Gelenkknorpel zu reduzieren [77, 108].

Beard et al. [21] fanden allerdings in ihren Ganganalysen auch 6 Monate nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes eine höhere, nach vorn gerichtete Tibiatranslation als dies vor der Operation bei gerissenem Kreuzband der Fall war.

Dies führten die Autoren auf die muskuläre Insuffizienz der Hamstrings und die damit verbundene mangelnde Fähigkeit zur aktiven Stabilisierung des Kniegelenkes zurück.

Eine operative Stabilisierung kann offenbar die Tibiatranslation nicht wirksam verhindern. Demnach scheint selbst bei Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes die Biomechanik des Kniegelenkes nicht 100 %ig wiederhergestellt werden zu können.

1.2.3.1 Konservative Behandlung

Bei der konservativen (nicht operativen) Therapie wird die Ruptur belassen.

Maßnahmen der Krankengymnastik und Trainingstherapie dienen vor allem der Kräftigung der gelenkumgebenden Muskulatur sowie der Verbesserung der Koordination. Im Einzelfall werden zusätzliche orthopädietechnische Versorgungen (Orthese, Bandage) vorgenommen, um den Kniegelenk eine verbesserte äußere Stabilität zu geben.

Bei konservativer Behandlung kann allerdings die Stabilität des Kniegelenkes für sportliche Belastungen, häufig auch für alltägliche Belastungen, nicht immer ausreichend hergestellt werden. Infolge der veränderten Biomechanik des Kniegelenkes kommt es zu unphysiologischen Belastungen, die oft zu einer posttraumatischen Früharthrose führen. Kannus und Järvinen [112] legten in ihrer Studie solche Nachuntersuchungsergebnisse (8,0 ± 2,3 Jahre posttraumatisch) von Patienten mit konservativer Behandlung nach VKB-Ruptur vor. Im Langzeitergebnis zeigte sich bei kompletten Rupturen überwiegend ein sehr schlechtes Ergebnis. Die Patienten wiesen, sofern nicht zwischenzeitlich doch eine plastische Rekonstruktion vorgenommen wurde (35 % der Fälle), eine chronische, symptomatische Instabilität (95 % der Fälle) bei deutlichen muskulären Defiziten im isokinetischen Krafttest auf.

70 % aller Patienten mit Komplettrupturen zeigten eine radiologisch nachweisbare posttraumatische Arthrose. In der Gruppe der Partialrupturen fiel das Langzeitergebnis wesentlich positiver aus. In 20 % der Fälle erfolgte nach einem erneuten Trauma zwar auch eine Versorgung mit einer Kreuzbandplastik, jedoch konnte für die anderen untersuchten Patienten eine wesentlich bessere funktionelle Stabilität bei nur

(22)

geringgradigen muskulären Defiziten der betroffenen Seite gesehen werden. Der Anteil posttraumatischer degenerativer Erscheinungen im Röntgenbild lag hier nur bei 15 %.

Auch Menke et al. [134] beschrieben nach ihren Untersuchungen mit 90 konservativ behandelten Kreuzbandpatienten (5 - 12 Jahre posttraumatisch) eine überwiegend ungünstige Langzeitprognose, insbesondere beim Vorliegen von Begleitverletzungen (Meniskusschäden). Sie fanden einen hohen Anteil röntgenologisch nachweisbarer Arthrosezeichen (78 % der Patienten) und deutliche Einbußen im subjektiven Aktivitätsniveau. Die meisten Patienten hatten ihre sportliche Aktivität erheblich reduziert oder gänzlich aufgegeben. Von vergleichbaren Ergebnissen berichteten auch Stäubli und Jakob [177] in ihrem Übersichtsartikel. Sie stellten heraus, dass eine unbehandelte Ruptur des VKB zu einer zunehmenden Verschlechterung der Kniegelenksfunktion führt. Der Grad der Instabilität bestimmt die Häufigkeit und das Ausmaß von Meniskusrissen und den Grad der Knorpelschädigung. Dupont und Scellier [46] belegten in ihren Untersuchungen an 375 konservativ behandelten Patienten mit arthroskopisch gesicherter VKB-Ruptur, dass Art und Ausmaß der Begleitläsionen der Menisken mit der Zeit zunahmen. 78 % der medialen Menisken und 62 % der lateralen Menisken waren betroffen, wobei bei einem von 2 Patienten (n = 178) sogar beide Menisken entsprechende Verletzungen aufwiesen. „Die Knorpelläsionen nahmen mit der Zeit zu und waren nach 10 Jahren konstant nachweisbar. Nach Ablauf von 10 Jahren ließ sich in 1 von 3 Fällen eine globale Arthrose nachweisen“ (Dupont und Scellier [46], S. 254).

In Anbetracht solcher Untersuchungsergebnisse scheint bei aktiven, jüngeren Patienten eine Indikation zur operativen Versorgung gegeben zu sein. Dagegen wird beim Vorliegen einer ausreichenden subjektiven Stabilität, d.h. auch bei sportlicher Belastung kein Auftreten von Unsicherheits-/ Instabilitätsgefühlen, im Einzelfall noch immer das konservative Vorgehen gewählt, obwohl für diesen Therapieansatz selbst bei guter funktionell-muskulärer Stabilisierungsfähigkeit eingeräumt werden muss, dass die Arthrokinematik des Gelenkes verändert ist und veränderte Belastungen für die erhaltenen Strukturen (Menisken, Knorpel) die Folge sind.

1.2.3.2 Operative Behandlung

Auf Grund der ungünstigeren Prognose bei konservativer Behandlung der VKB-Ruptur wurde in den letzten Jahren vor allem bei gewünschter Fortsetzung der sportlichen Aktivität die operative Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes gefordert [6, 22].

Weitere Indikationen für eine operative Behandlung sind komplexe Kniebandverletzungen oder begleitende Meniskusverletzungen, erhebliche objektive (deutlich positives Pivot-Shift-Zeichen oder Lachman-Test) und/ oder subjektive

(23)

Instabilitäten (rezidivierendes Giving-way). Die operative Behandlung erfolgt zumeist mit einer plastischen Rekonstruktionsmaßnahme. Die Rekonstruktionstechniken mit dem Lig. patellae (PSP) [166, 182, 202] und die Versorgung mittels der Semitendinosussehne (STP), teilweise kombiniert mit der Gracilissehne, sind die derzeit verbreitetsten Methoden [92, 110, 181, 183].

Die Kreuzbandrekonstruktion unter Verwendung des mittleren Drittels der Patellarsehne zeichnet sich durch eine hohe primäre Verankerungsstabilität und gute Langzeitstabilität aus. Nachteile ergeben sich aus der Traumatisierung bei der Transplantatentnahme und der damit verbundenen Patellafrakturgefahr, der Inhibition der Quadricepsmuskulatur und dem häufig beklagten ventralen Knieschmerz sowie den Problemen beim Hinknien [182].

Zunehmend häufiger wird die Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes unter Verwendung der drei- oder vierfach gelegten Semitendinosussehne durchgeführt. Die intraoperative Materialentnahme ist im Vergleich zur Entnahme der Patellarsehne schonender. Die sogenannten donor-site-Probleme werden von Patienten mit einer solchen Versorgung weniger häufig beschrieben. Erste Untersuchungsergebnisse zeigen deshalb gegenüber dem Patellarsehnentransplantat Vorteile hinsichtlich der Wiedererlangung der vollständigen Kniegelenksbeweglichkeit und der Reduzierung des postoperativ häufig zu beobachtenden vorderen Knieschmerzes [39, 153]. Als Nachteil dieser Methode wird die verminderte Stabilität des Kniegelenkes (primär und sekundär) wegen der geringeren Verankerungsstabilität, der Transplantatelongation im Langzeitverlauf und der verzögerten Einheilung der Sehne im Knochentunnel diskutiert. Das mögliche Eintreten einer Tunnelerweiterung am Sehnentransplantat- Knochen-Übergang wird als weiterer Nachteil dargestellt, weil dies zu sekundären Instabilitäten führen kann [32, 197].

Immer wieder werden aber auch neue OP-Verfahren beschrieben, z.B. mit Verwendung anderer Transplantate [186]. Der alleinige Einsatz von synthetischen Materialien erfolgt auf Grund der negativen Erfahrungen wie chronischer Synovialitis, Abrieb, Materialermüdung und Rerupturen hingegen kaum noch [197]. Arthroskopisch gesicherte frische Rupturen des vorderen Kreuzbandes werden wegen der bekannt gewordenen hohen Rerupturrate nicht mehr mittels einer primären Naht versorgt. Bei Rupturen mit knöcherenen Ausriss erfolgt hingegen eine unmittelbare Refixation.

Als Operationszeitpunkt wird aus heutiger Sicht zur Vermeidung von Arthrofibrosen bei Akutversorgungen ein Abstand von 6 bis 8 Wochen postraumatisch empfohlen, ein reizfreier Zustand und normale Beweglichkeit des Kniegelenkes vorausgesetzt [175].

(24)

Allerdings kann der operative Eingriff zum gegenwärtigen Zeitpunkt trotz moderner Instrumentarien (z.B. Robodoc) und verbesserter Kenntnisse zur Bohrkanallage noch nicht so präzise erfolgen, dass eine anatomisch genaue Rekonstruktion bezüglich der Lokalisation der Insertion und Spannung des Transplantates realisierbar ist [40]. Die Restitution der physiologischen Gelenkkinematik ist deshalb wahrscheinlich ebenfalls nicht zu erreichen, so dass vermutet wird, dass der Bandersatz auch keine sichere Arthroseprävention gewährleistet [165]. Noyes et al. [144] stellten z.B. fest, dass nicht bekannt ist, ob eine frühzeitige Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, die primär das Auftreten von Giving-way-Episoden verhindern soll, auch effektiv die Degenerationsrate der Gelenkflächen reduziert. Eberhardt et al. [47] konnten hingegen nachweisen, dass der Ersatz des VKB auch bei bestehender chronischer Instabilität und nachgewiesener höhergradiger Knorpelläsion gute Ergebnisse mit Verbesserung der Gelenkfunktion bringt. Mit einer Progredienz radiologischer Arthrosezeichen muss dagegen vor allem bei persistierender Instabilität und drittgradigen Knorpelschäden gerechnet werden. Auch andere Untersuchungen [9, 108, 109, 163, 176] weisen auf einen hohen Prozentsatz röntgenologisch nachweisbarer Degenerationen im postoperativen Zeitverlauf nach VKB-Rekonstruktion hin. Als potenzielle Risikofaktoren einer erhöhten Inzidenz von Osteoarthritis gelten u.a. begleitende Meniskusverletzungen bzw. Meniskektomien zum Zeitpunkt der Verletzung und eine verzögerte Rekonstruktion des VKB [77, 108, 109, 121]. Die Verminderung degenerativer Veränderungen des Knorpels durch eine VKB-Plastik konnte bislang noch nicht eindeutig nachgewiesen werden, so dass der sekundärpräventive Wert dieser operativen Maßnahme teilweise noch als fraglich gilt. Zumindest scheint aber die Verletzungsinzidenz der Menisken nach einer VKB-Plastik reduziert [6, 98].

Des Weiteren ist zu beobachten, dass nach der VKB-Rekonstruktion 30 % der Patienten über Restbeschwerden klagen [192], wie z.B. Bewegungseinschränkungen, Schmerzen, subjektive Instabilitäten und reduzierte Sportfähigkeit.

Auch wenn im Ergebnis der VKB-Rekonstruktion der Aktivitätsgrad der Patienten gegenüber dem posttraumatischen Niveau zumeist deutlich gesteigert werden kann, stellt die Operation für Leistungssportler keine Sicherheit dar, ihre Karriere tatsächlich fortsetzen zu können [208]. Eckhardt et al. [48] geben im Zusammenhang mit ihren Untersuchungen zur sportlichen Belastbarkeit des Kniegelenkes nach VKB-Plastik zu bedenken, dass eine vollständige Wiederherstellung möglicherweise weder biologisch noch funktionell erreicht werden kann. Sie führen an, dass sich die sichere Einschätzung der Sportfähigkeit den derzeitigen Untersuchungsmöglichkeiten entzieht und betonen in diesem Zusammenhang die Bedeutung der neurosensorischen Funktion, die noch als relativ unverstanden gilt.

(25)

1.2.4 Rehabilitation nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes Die postoperative Rehabilitation nach einer Rekonstruktion des VKB stellt einen wesentlichen Faktor für den Gesamterfolg der operativen Maßnahme dar. Noch vor 15 - 20 Jahren beinhaltete das therapeutische Vorgehen nach der Operation eine Immobilisation des Kniegelenkes über 6 Wochen. Die klinischen Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass eine solche Immobilisation oder auch eine limitierte passive Gelenkbewegung ohne Muskelkontraktion zu unerwünschten Nebenfolgen, wie z.B.

Atrophien, führt. Deshalb wird in der postoperativen Therapie heute auf längere Immobilisationen verzichtet und möglichst frühfunktionell nachbehandelt [199, 200]. Die Therapieprogramme zielen hauptsächlich auf das Herabsetzen des postoperativen Schmerzes und der Schwellung sowie auf die Wiederherstellung der Kniegelenkbeweglichkeit. Die aktiven Maßnahmen der Trainingstherapie dienen in erster Linie dem Wiederaufbau der Muskelkraft und der Schulung der Koordination für alltägliche, berufs- und sportartspezifische Bewegungsabläufe. Ergänzendes Ziel der Rehabilitation ist die Wiederherstellung, Erhaltung bzw. Verbesserung der allgemeinen Kondition, um die präoperativen Aktivitäten (Alltag, Beruf, Sport) risikolos und dauerhaft aufnehmen zu können [32, 69, 80, 164].

Bei allgemeiner Anerkennung dieses Vorgehens variieren lediglich Zeitpunkt und Umfang der Freigabe von Belastung und Gelenkbeweglichkeit zwischen den einzelnen Nachbehandlungsschemen der Kliniken. Sie reichen von vorübergehender postoperativer Immobilisation in Streckschienen bis zu Vorgehensweisen mit sofortiger Vollbelastung und ohne Limitierung des Bewegungsausmaßes.

Die Durchführung einer aktiven Rehabilitation basiert auch auf der Theorie der Wundheilung, nach der für ein Remodelling des Transplantates eine adäquate Zugbelastung notwendig ist, damit die mechanischen Transplantateigenschaften verbessert werden. Es gilt als gesichert, dass die Zugbelastung des Kreuzbandtransplantates von der Gelenkstellung und der Stärke der Muskelkontraktion abhängig ist [164]. Da jedoch der Zusammenhang zwischen der Stärke „einer kontrollierten Zugbelastung des Transplantates und dem bestmöglichen postoperativen Remodelling des in Heilung befindlichen Kreuzbandersatzes nicht bekannt ist“

(Engelhardt et al. [54], S. 798), sind die Rehabilitationsprogramme von den individuellen Erfahrungen der Operateure und Therapeuten abhängig. Es wird gefordert, aktive Übungsformen so auszuwählen, dass Anpassungen ausgelöst werden, es aber zu keiner Elongation des Transplantates kommt [54].

Insgesamt gibt es auf dem Gebiet der Rehabilitation nur wenig wissenschaftlich fundierte Kenntnisse. Die Auswirkungen von Muskelaufbauprogrammen und die

(26)

positiven oder gegebenenfalls negativen Auswirkungen von einzelnen Therapieformen (Koordinationstraining, Krafttraining im offenen und geschlossenen System, isokinetisches Mehrsatztraining) sind bisher nur vereinzelt untersucht [86, 87, 106, 127, 135].

1.2.5 Überblick zu häufigen Untersuchungsverfahren

Vor dem Hintergrund der Anforderungen an die heutige Medizin, im Sinne der Qualität beim diagnostischen und therapeutischen Vorgehen, ist es notwendig, Behandlungserfolge nachweisbar zu machen. Dabei steht auch die klinische Praxis vor der Frage, woran, nach erfolgter Rekonstruktion des VKB, das Therapieergebnis zu messen ist. Die Vielzahl der Veröffentlichungen zum Thema „Vorderes Kreuzband“

zeigt, dass zahlreiche Variablen verschiedener Mess- und Untersuchungsverfahren herangezogen werden, um den Behandlungserfolg zu beurteilen.

Vergleich von Operations- und Behandlungserfolg durch eine komplexe Untersuchungsmethodik

In Anlehnung an die komplexe Zielstellung der Rekonstruktion des VKB

„Wiederherstellung der Belastungs- und Sportfähigkeit des Kniegelenkes bei stabilem Kapsel-Band-Apparat und freier (seitengleicher) Gelenkbeweglichkeit mit Schwellungs- und Schmerzfreiheit in Ruhe und unter Belastung“, hat sich in den meisten Studien offensichtlich ein vielschichtiges Vorgehen bewährt. Die Erfolgsbeurteilung wird dort anhand verschiedener Variablen objektiver und subjektiver Messverfahren vorgenommen [59, 79, 81, 82, 103, 115, 153, 160, 204].

Dazu zählt u.a. der klinische Befund. Die Ergebnisse der Palpation und manuell durchgeführten Untersuchung mit Funktionsprüfung des Kniegelenkes sind jedoch abhängig von der Fähigkeit und Erfahrung des Untersuchers. Diese subjektive Begutachtung wird häufig durch apparative Stabilitätsmessungen mittels KT-1000 ergänzt. Solche Methoden bieten eine höhere Genauigkeit bei der Bewertung der vorderen Instabilität, wobei der Seitenvergleich als maßgeblich erachtet wird.

Diagnostisch werden auch bildgebende Verfahren wie das Röntgen einbezogen, um insbesondere den Grad degenerativer Veränderungen zu beurteilen. Scores, die die subjektive Zufriedenheit des Patienten mit der Kniefunktion erfassen, komplettieren zumeist ebenso das Studiendesign wie isokinetische Messungen zur Bewertung der Muskelkraft der knieumgebenden Muskulatur.

U.a. Klinger und Rosemeyer [115] wählten in ihren Nachuntersuchungen ein solches Vorgehen. Sie konnten allerdings keinen signifikanten Zusammenhang zwischen

(27)

subjektiven Stabilitätsangaben und objektivierbarer Festigkeit des Kapsel-Band- Apparates des Kniegelenkes finden. Die Autoren betonten zwar die Bedeutung der quantifizierbaren Methoden für die Kniefunktionsbeurteilung, bemerkten aber auch, dass auf eine Erfassung der subjektiven Wahrnehmung des Patienten zur Bewertung von Behandlungsergebnissen nicht verzichtet werden kann. Obwohl von anderen Autoren die alleinige Aussagekraft von Scores immer wieder kritisch hinterfragt wird, ist es als ergänzendes Instrumentarium anerkannt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Sandholzer et al. [167]. Sie konnten ebenfalls keinen klaren Zusammenhang zwischen den erhobenen subjektiven Variablen (Lysholm-Score) und den objektiven Untersuchungsdaten (Lachman-Test, Pivot-shift-Zeichen) finden.

Barrett [17] stellte fest, dass die Aussagekraft klinischer Tests und subjektiver Scores beschränkt ist. Der in seiner Untersuchung genutzte, modifizierte Knie-Score nach Tegner und Lysholm, korrelierte zwar mit den klinischen Stabilitätsmessungen. Es konnte aber kein Zusammenhang zur subjektiven Patientenzufriedenheit und der funktionellen Belastungsfähigkeit des Kniegelenkes gefunden werden. Auch der klinische Test selbst korrelierte weder mit der subjektiven Einschätzung der Kniefunktion durch den Patienten, noch mit der ermittelten propriozeptiven Fähigkeit.

Die Propriozeption stand darüber hinaus in keiner Beziehung zur objektiven Ligamentstabilität. Ein hoher Knie-Score und eine gute objektive Stabilität bedeuteten nicht notwendigerweise die beste Kniefunktion. Deshalb bezeichnet der Autor die Knie- Scores und die klinischen Tests zur Ligamentstabilität als schlechte Indikatoren für die tatsächliche Funktionsfähigkeit des Knies.

Auch Wülker et al. [207] legten ihrer Untersuchung den Lysholm-Score und den Tegner-Score zu Grunde. Sie sehen zwar in der subjektiven Einschätzung der Patienten durch das Score ein wichtiges ergänzendes Mittel zur Erfolgsbeurteilung von Knieoperationen, betonen aber, dass diese Beurteilung nicht nur auf einem Score basieren sollte. Während im Lysholm-Score die subjektive Zufriedenheit oft recht hoch eingeschätzt wird, zeigten sich im Aktivitätsniveau der Patienten meist noch Einschränkungen gegenüber dem prätraumatischen Zustand. Die Autoren fanden heraus, dass sich subjektive Bewertung und Aktivitätsscore in der postoperativen Phase gleichsinnig verhalten und empfehlen deshalb den gekoppelten Einsatz beider Scores zur subjektiven Funktionsbeurteilung des Knies.

Isokinetisches Testverfahren und Elektromyografie

In den letzten Jahren konnte im Zusammenhang mit einer verbesserten postoperativen Behandlung die besondere Bedeutung der funktionellen Leistungsfähigkeit des Kniegelenkes aufgezeigt werden. Dabei wurden oft die Kraftfähigkeiten der

(28)

kniegelenkumgebenden Muskulatur in den Vordergrund der Betrachtungen gestellt. Die Isokinetik hat in diesem Zusammenhang in den 90er Jahren eine wachsende Popularität erfahren und wird, nicht nur im Rahmen von Studien, sondern auch im Trainings- und Rehabilitationsprozess, als Verfahren zur Bestimmung der dynamischen Kraftentwicklung eines Muskels genutzt. Isokinetische Testergebnisse dienen sowohl der Diagnostik und der Kontrolle des Therapieverlaufs als auch der Steuerung des Trainings. Cabri [35] verweist jedoch auf Probleme der Testinterpretation und Einschränkungen der Aussagekraft des isokinetischen Testinstrumentariums. Er betont, dass Normdaten auf Grund der interindividuellen Variabilität des Agonisten- Antagonisten-Verhältnisses, aber auch wegen der individuell verschiedenen, belastungs- (sportarten-) abhängigen Kraftverhältnisse im Seitenvergleich, zweifelhaft sind. Des Weiteren sieht er in der isolierten Bewegungsform6 der Testsituation, die hohe Kompressions-, Scher- und patellofemorale Kräfte auf z.T. insuffiziente Strukturen hervorruft, einen entscheidenden Nachteil für die Anwendung in der orthopädischen Praxis. Darüber hinaus wird für Patienten mit Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes wegen der induzierten translatorischen Kraftwirkungen auf die Tibia und der damit verbundenen potenziellen Stressbelastung auf das Kreuzbandtransplantat der Zeitpunkt des Einsatzes isokinetischer Test- und Trainingsformen kontrovers diskutiert. Im Allgemeinen wird das isokinetische Training erst für die spätere Rehabilitationsphase (> 3 - 4 Monate postoperativ) empfohlen oder manchmal gänzlich abgelehnt [141, 164].

Von Klinger und Rosemeyer [116] wurden die isokinetischen Krafttests in Nachuntersuchungen nach Kapselbandoperation am Kniegelenk (1 - 4 Jahre postoperativ) eingesetzt. Dabei stellte sich heraus, dass nach Kreuzbandläsionen die Muskelkraftfähigkeiten der betroffenen Extremität eine veränderte Agonisten- Antagonisten-Balance aufweisen. Bei Patienten mit objektiver und subjektiver Instabilität konnten sehr deutliche Defizite in der Kraftentwicklung, besonders der Kniegelenksextensoren gefunden werden. Interessanterweise zeigten sich in der Patientengruppe, die sich subjektiv stabil fühlten, aber objektiv als instabil galten, besonders hohe Kraftwerte der Kniegelenksextensoren und -flexoren sowie ein zu Gunsten der Flexoren verschobenes Agonisten-Antagonisten-Verhältnis. Dies erklären die Autoren mit einer Schutz- und Anpassungsreaktion an veränderte biomechanische Gegebenheiten nach vorderer Kreuzbandläsion.

6 Die Mehrzahl der heutigen isokinetischen Test- und Trainingssysteme lassen nur eindimensionale Bewegungsmuster zu.

(29)

Andere Studien, etwa um Fink [64], verwendeten synchron zur Erfassung der isokinetischen Drehmomente die Elektromyografie (EMG). Mit diesem Verfahren kann über die Messung elektrischer Muskelpotenziale die Aktivität eines Muskels oder einer Muskelgruppe bestimmt werden. Fink et al. [64] berichteten ebenfalls von der häufigen Diskrepanz zwischen statischer Instabilitätsmessung und funktioneller Stabilisierungsfähigkeit sowie der subjektiven Bewertung durch die Patienten. Während sie nur geringe Unterschiede in Muskelumfang und -querschnitt zwischen verletztem und unverletztem Bein fanden, konnten signifikante Unterschiede in den isokinetischen Kraftwerten und den synchron erfassten EMG-Werten analysiert werden. Neben einem Kraftdefizit der Quadricepsmuskulatur des kreuzbandverletzten Beines zeigte sich auch eine niedrigere elektromyografische Aktivität (iEMG) der Extensoren. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Ursachen des Kraftdefizits in einer veränderten Aktivierung der motorischen Einheiten zu suchen sind, was wiederum im Zusammenhang mit den posttraumatisch bedingten, neuromuskulären Störungen in der Afferenz zu sehen ist.

Ganganalytische Untersuchungen

Bei der Suche nach möglichst objektiven und funktionellen Testverfahren zur Erfassung der Kniefunktion gewann auch die Ganganalyse an Bedeutung. Das Untersuchungsmedium „Gangbild“ wird dabei als komplexer, automatisierter und vor allem alltagsrelevanter Bewegungsablauf gesehen. Durch technisch verbesserte und zunehmend einfacher handhabbare biomechanische Messmethoden entwickelte sich dieser Bereich besonders in den letzten 15 Jahren. Unter Verwendung von Bewegungsanalysesystemen - gebräuchlich sind einfache VHS-Aufzeichungen, Elektrogoniometer und 2- oder 3-dimensionale optoelektronische7 oder ultraschall- gestützte Messsysteme - kann eine objektive Beurteilung von Bewegungsabläufen erfolgen. Derartige Messsysteme können definierte Körperpunkte erfassen und in ihrer Bewegung verfolgen, womit beispielsweise Gelenkwinkelverläufe darstellbar werden.

Zusätzlich können bei Einsatz weiterer Messsysteme, z.B. Messplatten, die Bodenreaktionskräfte oder die Druckverteilung ermittelt werden. Diese ermöglichen, das Abroll- und Belastungsverhalten näher zu beurteilen. Auch die synchrone Erfassung der elektrischen Aktivität der Bein- und Rumpfmuskulatur beim Gehen wird bei bestimmten Fragestellungen genutzt.

Untersuchungen von Gangbildauffälligkeiten bei kreuzbandoperierten Patienten führte beispielsweise Stegelmann [178] durch. Er nahm ganganalytische Untersuchungen auf

7 Bei optoelektronischen Messsystemen werden zur Erfassung der Bewegung von Körpersegmenten aktive, lichtaussendende oder passive, lichtreflektierende Marker verwendet.

(30)

einer Gehstrecke mittels Videoaufzeichnungen vor. Die Ergebnisdarstellung beschränkte sich auf den Kniewinkelverlauf. In der ersten Untersuchung fielen dabei sowohl Veränderungen auf der gesunden als auch auf der betroffenen Seite auf. Für die verletzte Seite zeigte sich ein Aufsetzen mit vergrößertem Kniewinkel. Die nachfolgend stattfindende Landebeugung führte zu maximalen Flexionswinkeln, die gegenüber den Normalwerten vergrößert waren. Die in der darauf folgenden Stützphase erwartete aktive Extension zum Lösen des Fußes fand nicht statt.

Eckhardt et al. [48] gingen bei ihren Gang- und Laufanalysen der Frage nach, ob durch die operative Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes dessen neurosensorische Funktion wiederhergestellt wird und somit eine normale sportliche Belastbarkeit möglich ist. Die Untersuchungsergebnisse beruhten auf der erfassten elektromyografischen Aktivität der kniegelenkstabilisierenden Muskulatur in unterschiedlichen Belastungsformen (Gehen und Laufen in der Ebene, bergan, bergab). Es wurden 20 gesunde Sportler und 20 Patienten nach vorderem Kreuzbandersatz untersucht. Bei den Patienten ergaben sich beim Gehen für die elektrische Aktivität der Hamstrings keine Seitendifferenzen zwischen betroffenem und gesundem Bein. Jedoch wurden für das Integral des EMG (iEMG = Fläche unter der Kurve) auf der betroffenen Seite beim Bergauflaufen ein leicht und beim Bergablaufen ein hoch signifikant verringertes Aktivitätsniveau festgestellt. Die verminderte neurosensorische Fähigkeit des operierten Kniegelenkes wurde als Ursache für eine verringerte Innervation der Kreuzbandagonisten gesehen. Die Autoren schließen auf Grund dieses Defizits auf eine erhöhte funktionelle Beanspruchung der Gelenkoberflächen, die mittelfristig zu Schädigungen führen könnte.

Eine komplexere biomechanische Untersuchungsmethodik nutzten Krabbe und Baumann [120], indem sie in ihrer Einzelfallstudie bei einem Kreuzbandpatienten Gangbildveränderungen mit Hilfe von kinetischen und kinematischen Messdaten registrierten. Der Längsschnitt umfasste Untersuchungen 3 Monate postoperativ und nachfolgend 11 weitere im Abstand von einer Woche sowie abschließend eine Untersuchung 3 Jahre postoperativ. Es wurden folgende Ergebnisse gefunden: Bei der ersten Untersuchung ließen sich noch eine erheblich verringerte Bewegungsamplitude im Sprunggelenks- und Kniewinkel sowie verminderte vertikale und horizontale Bodenreaktionskräfte feststellen. Die äußeren Bewegungs- und Belastungsparameter erreichten jedoch im Untersuchungsverlauf eine Angleichung. Auch bei den

(31)

berechneten Gelenkmomenten8 zeigten sich zunächst erhebliche Defizite, insbesondere in der ersten Phase des Stützes (geringere Dorsalextensorenaktivität).

Für das Sprunggelenk näherten sich diese im Untersuchungsverlauf den Werten der gesunden Seite an. Für das Gelenkmoment im Knie ergaben sich in der Tendenz jedoch nur geringfügige Verbesserungen. Die deutlich geringer beugende Wirkung des Kniegelenkmomentes, die durch die Knieextensoren zu kompensieren ist, war auch 3 Jahre postoperativ noch nachweisbar und lässt damit auf verbliebene lokale Defizite schließen.

In einer komplexen biomechanischen Ganganalyse durch die Forschungsgruppe um Timoney [189] sollte geklärt werden, ob die bereits nachgewiesene typische Verminderung der Quadricepsaktivität während der Standphase - bezeichnet als

„quadricepsschonender Gang“ - nach operativer Kreuzbandrekonstruktion auch längerfristig zu finden ist. Die Autoren führten eine kinematische und kinetische Datenerfassung mit 10 gesunden Kontrollpersonen und 10 Patienten durch, die vor 8 - 12 Monaten mit einer Kreuzbandplastik (mittleres Drittel des Patellaligaments) versorgt worden waren. Die Patienten wiesen gute subjektive und objektive Ergebnisse hinsichtlich der Kniefunktion zum Untersuchungszeitpunkt auf. Trotzdem konnten auch bis zu 12 Monate postoperativ noch Abweichungen im Gangbild im Vergleich zu den Kontrollpersonen beobachtet werden. Bei der Patientengruppe zeigten sich ein signifikant reduziertes Flexionsmoment in der mittleren Standphase und eine verminderte Aufsatzgeschwindigkeit (Landerate). Jedoch konnte gleichzeitig bei den Patienten über die gesamte Zeit des Stützes ein externes Flexionsmoment nachgewiesen werden, was die Präsenz der Quadricepsaktivität andeutet.

Zusammenfassend wurde in der Studie belegt, dass nach Kreuzbandoperationen eine Tendenz zur Gangnormalisierung vorhanden ist und dass der quadricepsschonende Mechanismus nicht längerfristig vorliegt.

Die Untersuchungsgruppe um Bulgheroni et al. [31] wählte ebenfalls ein komplexes messtechnisches Herangehen. Sie führten in ihrer Studie eine ganganalytische Untersuchung mittels kinematischer (3D-Video) und kinetischer Datenerfassung (Kraftmessplattformen) sowie Aufzeichnung der elektrischen Aktivität (EMG) im Gangzyklus durch. Sie fanden heraus, dass in der Patientengruppe mit operativer Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (17 ± 5 Monate) viele relevante Variablen

8 Das sogenannte Gelenkmoment entsteht durch die Drehmomente der Bodenreaktionskraft, der Gleichgewichts- und Trägheitskräfte der distal zum betrachteten Gelenk gelegenen Körpersegmente und kann im Sinne der inversen Dynamik aus den kinematischen und kinetischen Messdaten bestimmt werden [78].

(32)

des Gangbildes zur Annäherung an die Normalwerte tendieren bzw. die normalen Muster bereits wiedererlangt waren. Die größten signifikanten Veränderungen, im Vergleich zur frühen postoperativen Phase, betreffen die Hüft- und Kniemomente in der Sagittalebene. Die kinetischen Daten wiesen ebenso wie die elektrische Aktivität (EMG) zum Untersuchungszeitpunkt keine Auffälligkeiten auf. Für die zweite untersuchte Gruppe kreuzbandverletzter Patienten (mit konservativer Behandlung) konnte jedoch in der Kinematik ein vergrößertes Knieextensionsmoment beim Fersenaufsatz und ein reduziertes Flexionsmoment in der Landephase und während der Pre-Swing-Phase festgestellt werden. Auch in den kinetischen Daten zeigten sich bei diesen Patienten eine Reduzierung der Spitzenwerte in der vertikalen Komponente und eine veränderte horizontale Komponente in der Landephase. Die EMG-Daten wiesen auf veränderte Aktivitätsmuster der Quadricepsmuskulatur, aber auch der Hamstrings hin.

Anhand kinematischer, kinetischer und energetischer Daten des Gangbildes gingen Devita et al. [43] der interessanten Fragestellung nach, welche initialen Veränderungsreaktionen nach Verletzung und Operation des VKB eintreten. Daran sollte abgeschätzt werden, wie sich die bekannten finalen Veränderungen (erhöhtes Hüftextensorenmoment - erhöhte Hamstringsaktivität [EMG] und vermindertes Knieextensionsmoment - verminderte Quadricepsaktivität [EMG]) entwickeln. Es sollte herausgefunden werden, ob es sich um einen automatischen Lernprozess oder einen längeren Veränderungsprozess handelt. Es wurden 9 Personen 2 Wochen nach dem Trauma sowie 3 und 5 Wochen nach der Operation untersucht, ergänzt durch ein Kontrollkollektiv von 10 gesunden Probanden. Es zeigte sich in allen 3 Untersuchungsgängen in der Standphase ein Knieextensionsmoment auf der betroffenen Seite. Dieses Ergebnis stand nicht in Übereinstimmung mit der bei Bulgheroni et al. [31] beobachteten Reduzierung des Extensionsmomentes im Kniegelenk bei rehabilitierten Kreuzbandpatienten bzw. Patienten mit Kreuzbandinsuffizienz. In der weiteren Analyse der Studie wurden signifikante Änderungen der mittleren Position der Hüfte und des Kniegelenkes festgestellt. Die erzeugte Kraft und Arbeit des Kniegelenkes blieb jedoch auch nach 5 postoperativen Wochen mit Rehabilitationsmaßnahmen noch um einen fünffachen Wert reduziert. Das Niveau von vor der Verletzung konnte bis dahin nicht wieder erreicht werden. Da noch 2 Wochen posttraumatisch ein Extensionsmoment im Kniegelenk nachgewiesen werden konnte, schlussfolgerten die Autoren, dass der Adaptationsprozess von kreuzbandinsuffizienten Kniegelenken langfristig ist und eine große Zahl von Gangzyklen benötigt werden, bis die bekannten Veränderungen eintreten. Sie

(33)

vermuteten, dass die Adaptationen durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden können.

Sportmotorische Tests (Einbeinstand, Sprünge)

In der Vielzahl der Studien, die die Behandlungsergebnisse nach vorderer Kreuzbandplastik evaluieren, sind sportmotorische Testverfahren noch relativ selten.

Die Beurteilung der muskulären Funktion wird, wie bereits erwähnt, überwiegend über isometrische oder isokinetische Messungen vorgenommen. Die koordinative Seite der Muskelfunktion lässt sich aber besser über ganzkörperliche Testverfahren analysieren und bewerten. Dazu zählt beispielsweise der Einbeinstandtest, bei dem unter statischen (feste Unterlage) oder dynamischen (instabile Unterlage) Bedingungen die Gleichgewichtsfähigkeit und Haltungsstabilität überprüft wird. Steuer [180] nutzte in seiner Studie den Einbeinstand auf einer Kraftmessplatte, um über die Horizontalbewegung des Körperschwerpunktes die Koordinationsfähigkeit nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes zu überprüfen. Er konnte nur geringe (nicht signifikante) Seitenunterschiede bei den Patienten beobachten. Auch Denti et al. [42]

kontrollierten mittels des K.A.T 2000 die beidbeinige und einbeinige Haltungsstabilität bei 50 Patienten 6 Jahre nach VKB-Plastik. Ähnlich wie Steuer konnten sie keine Unterschiede zwischen operiertem und gesundem Bein nachweisen. Allerdings waren die Ergebnisse der Patienten sowohl im beid- als auch einbeinigen Test schlechter als die der Kontrollgruppe. Die Autoren folgerten daraus, dass nach VKB-Plastik offensichtlich Defizite in der motorischen Kontrolle einschließlich Anzeichen einer bilateralen Adaptation verbleiben.

Wenn man die Zielstellung „Erlangung der Sportfähigkeit nach VKB-Plastik“

berücksichtigt, scheinen auch höher belastende Testmethoden, z.B. Sprungvarianten, eine Möglichkeit zu sein, spezifische neuromuskuläre Qualitäten zu bestimmen. Je nach Testmethodik werden Sprunghöhen oder -weiten, Bodenkontakt- und Sprungzeiten ermittelt. Der Einbeinsprung auf Weite zählt dabei zu den in Nachuntersuchungsstudien häufiger verwendeten sportmotorischen Testverfahren [2, 3, 73, 155, 162], wobei auf den Zusammenhang von Quadricepskraft und Einbeinsprungweite hingewiesen wird [56, 104]. Dieser Test wird von mehreren Autoren als gutes klinisches Untersuchungsverfahren angesehen [56, 73, 104].

In ausgewählten Studien wurden auch andere Sprungtests angewendet, um die Kniefunktionsfähigkeit zu überprüfen. Itoh et al. [101] belegten mittels einbeiniger Sprungtests wie Achtersprunglauf, Nieder-Hoch-Sprung, Seitsprung und Einbeinsprung auf Weite in einer Gruppe von 50 VKB-insuffizienten Patienten (= konservativ behandelt) eine auffällige asymmetrische Funktionsfähigkeit der Beine, wobei, je nach

(34)

Test, zu 42 bis 68 % „abnormale“9 Befunde vorlagen. 22 Patienten wiesen in allen 4 Tests derartige Befunde auf und nur 18 % der Patienten erreichten in allen Tests im Seitenvergleich symmetrische Ergebnisse. Lephart et al. [124] überprüften in ihrer Studie die Zusammenhänge von klassischen Testverfahren (klinischer Befund, isokinetische Messungen) mit den Ergebnissen funktioneller Tests. Sie wendeten dabei sportmotorische Tests unter Zeitdruck wie den Shuttle-run, Carioca-Test (Cross-over- steps) und den Cocontraction-Test (Halbkreislauf mit Side-steps) an. Sie erkannten, dass es keine Korrelation zwischen Laxität des Kniegelenkes und funktionellen Tests gibt und ebenso wenig Kraftdefizite mit einer reduzierten funktionellen Kapazität zusammenhängen müssen. Die Autoren erachteten daher die alleinige isokinetische Messung als unzureichend, zumal diese Messung im offenen System ohne Gewichtsbelastung der Extremität stattfindet, und halten deshalb ergänzende funktionelle Tests in der Evaluation von Behandlungsergebnissen nach Knieverletzung als notwendig. Das gleiche Resümee zogen Risberg et al. [157], die in ihrer Studie als funktionelle Tests den Dreisprung und den Treppensprung-Test verwendeten, sowie Wilk et al. [201], die neben dem Einbeinsprung auf Weite zwei weitere einbeinige Sprungtests (Timed Hop10, Cross-over Hop for Distance11) einsetzten. Decker et al.

[41] wiesen bei bewegungsanalytischen Untersuchungen von Nieder-Hoch-Sprüngen (Drop-jumps) mit Patienten nach VKB-Plastik veränderte Landestrategien (Veränderungen in den Gelenkwinkeln in Hüfte und Sprunggelenk) nach.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es je nach Studiendesign und überprüftem Bewegungsmuster leicht differente Angaben über die Eignung sportmotorischer Tests gibt. Die meisten Autoren sind sich jedoch einig, dass Beeinträchtigungen auf der operierten Seite mit sportmotorischen Tests im Vergleich zu vielen anderen Testverfahren gut nachweisbar sind, so dass deren Einsatz durchaus als sinnvoll erachtet werden kann.

1.3 Fragestellungen

In der vorliegenden Arbeit werden die mittelfristigen Ergebnisse nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes dargestellt, wobei folgende Bereiche zu untersuchen sind:

• Klinischer Kniebefund

• Scores (OAK-, Lysholm-, Tegner-, KOS-Score ADL und Sport)

9 Das Überschreiten der 2-fachen Standardabweichung wurde als „abnormal“ definiert.

10 Timed Hop = Einbeinsprünge auf Zeit über eine Distanz von 6 m

11 Cross-over Hop for Distance = drei aufeinander folgende, einbeinige Diagonalsprünge auf Weite über eine 15 cm breite Markierungslinie

(35)

• Komplexe Bewegungsanalyse Gehen und Laufen (Kinetik und Kinematik)

• Statische und dynamische Koordination

• Elementare Schnelligkeitsleistungen (zyklische und azyklische Schnelligkeit)

• Isokinetische Drehmomentmessung, gekoppelt mit Elektromyografie (EMG)

• Sonografische Muskeldickenmessung Folgende Fragestellungen werden bearbeitet:

1. Welche Veränderungen weisen Patienten mittelfristig nach Kreuzbandoperationen auf?

Es soll zunächst ein Überblick über Veränderungen nach Versorgung mit einer vorderen Kreuzbandplastik gegeben werden. Dabei wird die Kniefunktion anhand alltags- und sportrelevanter Testverfahren betrachtet, um genauer zu beurteilen, ob und in welchem Bereich nachhaltige Defizite bestehen. Es soll geklärt werden, inwiefern sich die Funktion des verletzten Beines von dem gesunden Bein und dem einer „kniegesunden“ Kontrollgruppe unterscheidet.

2. Bestehen zwischen den Variablen, insbesondere zwischen messbaren Funktionseinschränkungen und vom Patienten wahrgenommenen subjektiven Symptomen/ Einschränkungen sowie dem Aktivitätsniveau, Zusammenhänge?

Es soll nach Messwerten gesucht werden, die in enger Korrelation zu den wahrgenommenen Symptomen und Einschränkungen des Patienten stehen. Auch eventuelle korrelative Zusammenhänge zwischen den Variablen der Messverfahren sind von Interesse.

3. Welche Variablen haben als Bewertungskriterium für die Evaluation von Behandlungsergebnissen praktische Relevanz?

Die eigenen Ergebnisse sollen im Vergleich zu anderen Veröffentlichungen eingeordnet werden. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel der Arbeit, die erhobenen Daten und Korrelationen bezüglich der praktischen Relevanz einzelner Variablen für die Evaluation von Behandlungsergebnissen zu beurteilen. Es sollen daraus, sofern möglich, Forderungen für die Planung künftiger Studien abgeleitet werden. Dazu wird eine Empfehlung für einen Untersuchungsbogen erarbeitet.

(36)

2 Material und Methoden

2.1 Patientengruppe 2.1.1 Auswahlkriterien

In der Zeit von Juni 2001 bis August 2002 wurden 26 Patienten mit vorderer Kreuzbandplastik untersucht, die bereits an einer vorangegangenen Studie in der frühen postoperativen Phase teilnahmen (Beobachtungszeitraum 6 Monate). Davon konnten nur 23 Patienten in der weiteren Ergebnisbetrachtung berücksichtigt werden, da bei 3 Patienten neuerliche Verletzungen des Sprunggelenkes bzw. des Kniegelenkes der kontralateralen Seite (2 x) vorlagen, was als Ausschlusskriterium galt.

Da die umfangreichen Untersuchungen an zwei Messtagen mit mindestens zwei Wochen Abstand durchgeführt wurden, konnten leider nicht alle Patienten motiviert werden, beide Termine wahrzunehmen. Durch die räumliche Distanz zwischen den beiden Untersuchungsstandorten (Standort A: West-Berlin, Standort B: Nordost-Berlin) war die Wohnortnähe nicht mehr gegeben, so dass der zeitliche Aufwand erhöht war.

Am Standort A konnte nur ein Patient nicht untersucht werden, am Standort B erschienen 3 Patienten nicht.

Der Untersuchungszeitpunkt lag für die gesamte Gruppe etwa 4 Jahre nach der VKB- Rekonstruktion.

2.1.2 Anthropometrische Angaben

In der Ergebnisauswertung wurden 23 Kreuzbandpatienten berücksichtigt, und zwar 10 weibliche und 13 männliche. Das durchschnittliche Alter betrug 38,2 Jahre (QU - QO: 33,0 - 42,1), die mittlere Körpergröße 1,78 m (QU - QO: 1,66 - 1,84) und das mittlere Körpergewicht 78,5 kg (QU - QO: 63,3 - 88,6).

Tab. 1: Allgemeine Angaben der Patientengruppe (Median, unteres und oberes Quartil) Patientengruppe Gesamt (n = 23) Weiblich (n = 10) Männlich (n = 13) Alter (in Jahren) 38,2 (QU-QO: 33,0-42,1) 37,3 (QU-QO: 26,8-42,1) 38,2 (QU-QO: 34,3-39,8) Körpergröße (in m) 1,78 (QU-QO: 1,66-1,84) 1,66 (QU-QO: 1,63-1,68) 1,83 (QU-QO: 1,80-1,88) Körpergewicht (in kg) 78,5 (QU-QO: 63,3-88,6) 62,4 (QU-QO: 60,2-75,7) 83,6 (QU-QO: 78,7-94,6)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Aus medizinischer Sicht wird das Flüs- tern als unphysiologisch bewertet. Die Stimmlippen stehen unter einer erhöh- ten Spannung, zum einen, um den Spalt geschlossen zu halten und

Ist diese Stabilität nicht mehr vorhanden wird durch vermehrt auftretende Scherkräfte der Knorpelbelag des Schienbeins und auch des Oberschenkels wie eine Art

Um die Wachstumsfugen dieser Patienten zum Zeitpunkt der Operation beurteilen zu können, wurden hierbei die präoperativen Röntgenbilder (a.p.- und lateraler

Hinsichtlich der wissenschaftlichen Fragestellung wurde mit den hier vorliegenden Ergebnissen nachgewiesen, dass beim vorderen Kreuzbandersatz durch die femorale

Ferner fällt auf, dass sich der signifikante Unterschied zum nativen VKB nach 52 Wochen in beiden Gruppen nicht mehr abzeichnet. 55 Tabelle 1: postoperative Standzeiten,

fixation exhibits pull-out force and stiffness similar to titanium screws.. Wildemann B, Kadow-Romacker A, Pruss A, et al. Quantification of growth fators in allogenic bone

Zur Beantwortung der Hypothese, ob mechanische Stimuli mittels einer oszillierenden Intervention einen Einfluss im Rahmen der frühfunktionellen Aktivierung

Erstens: Hat eine elastische Bandage einen Effekt auf die dynamische und statische posturale Kontrolle nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, sowie zweitens: Wird