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Blaser, P. (2003). Wann ist ein Boden schwermetallbelastet? Eine bodenkundliche Sicht auf gesetzliche Richtwerte. GAIA: Ecological Perspectives for Science and Society, 12(1), 38-44. https://doi.org/10.14512/gaia.12.1.9

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Aktie "Blaser, P. (2003). Wann ist ein Boden schwermetallbelastet? Eine bodenkundliche Sicht auf gesetzliche Richtwerte. GAIA: Ecological Perspectives for Science and Society, 12(1), 38-44. https://doi.org/10.14512/gaia.12.1.9"

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Die Langmut des Bodens – und ihre Grenzen

Bis vor nicht allzu langer Zeit war die Belastung der Böden mit Schadstoffen überhaupt kein Thema. Der Boden wurde als eine beinahe unbegrenzte Senke mit hervorragender Filterwirkung für alle er- denklichen Abfallprodukte betrachtet.

Seit dem Beginn der industriellen Revo- lution hat allerdings die vom Menschen verursachte Belastung der Böden mit to- xischen Schwermetallen und anderen Gif- ten stark zugenommen. Diese Belastun- gen gehen langsam, lautlos, meistens un- sichtbar und deshalb unspektakulär vor sich. Unglücklicherweise haben die mei- sten dieser Stoffe im Boden, anders als beispielsweise in Gewässern oder in der Luft, eine vergleichsweise lange Verweil- dauer. Dies führt dazu, daß sie in den meisten Böden langsam, aber stetig an- gereichert werden [1]. So besehen ist der Boden das Gedächtnis all unserer Um- weltsünden. Die Belastung bleibt in sehr vielen Fällen lange unerkannt und kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen

[2]. Um dies zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß die Böden nur durch die Tätigkeit unzähliger Lebewesen entstehen konnten, wobei die Bedeutung

der einzelnen Arten im Stoffkreislauf vielfach unbekannt geblieben ist. Bevor Schädigungen an den uns interessieren- den Pflanzen und Tieren erkennbar wer- den, werden empfindlichere und meist für das bloße Auge unsichtbare Organismen in ihrer Funktionalität gestört oder ganz vernichtet.

Seit einigen Jahren wird allerdings von einer breiteren Öffentlichkeit zur Kennt- nis genommen, daß die Böden als wert- volles und nicht erneuerbares Gut eines Schutzes vor solchen Belastungen bedür- fen.

Der Schutz des Bodens – ein Lob auf den Gesetzgeber

In beispielhafter Weise hat sich der schweizerische Gesetzgeber im Rahmen des Umweltschutzgesetzes (USG) [3]be- reits 1986 mit einer "Verordnung über Schadstoffe im Boden" [4]dieser Proble- matik angenommen. Die VSBo wurde 1998 durch die "Verordnung über Bela- stungen des Bodens" (VBBo) [5]abgelöst, in welcher der Schutz des Bodens noch viel umfassender geregelt ist und die ne- ben den chemischen auch biologische und physikalische Belastungen berücksichtigt.

Zur Beurteilung der chemischen Bo- denbelastung mit Schadstoffen wurden operationell definierte Richt-, Prüf- und Sanierungswertefestgelegt, anhand deren die Belastung nachvollziehbar beurteilt werden kann. Die Richtwertesind Vor- sorgewerte, die auf nicht oder nur wenig

belastete Böden zugeschnitten sind. Sie gelten einheitlich für alle Böden und Bo- dennutzungen. Schutzgut ist der Boden als Ganzes. Werden die Richtwerte über- schritten, so ist langfristig die Boden- fruchtbarkeit "nach dem Stand der Wis- senschaft oder der Erfahrung" nicht mehr gewährleistet (USG Artikel 35 Absatz 2), und es sind Maßnahmen zu treffen, wel- che die Emissionen an ihren Quellen unterbinden.

Die Prüf- undSanierungswertegelten für bereits belastete Böden. Es sind Ge- fährdungswerte, welche dem Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen dienen sollen. Werden die Prüf- werte überschritten, so besteht eine kon- krete Gefährdung, und es sind Nutzungs- beschränkungen anzuordnen. Bei Über- schreitung der Sanierungswertesind die Böden nicht mehr ohne Gefährdung von Menschen, Tieren und Pflanzen nutzbar.

Solche Böden werden mit Nutzungsver- boten belegt. Durch Sanierungen soll ei- ne minimale Bodenfruchtbarkeit wieder- hergestellt werden [6].

Diesem dreistufigen Bodenschutzkon- zept liegt die Idee zugrunde, daß die Bo- denfruchtbarkeit unbedingt langfristig er- halten werden müsse. Um dies zu errei- chen, hat der Gesetzgeber Maßnahmen vorgesehen, welche den Eintrag von Schadstoffen vorsorglichbegrenzen. Ins- besondere die Bodenbelastung mit Schwermetallen, auf die hier ausschließ- lich eingegangen wird, kann in der Regel nicht rückgängig gemacht werden. Die Emissionsbegrenzungen, die bei einer

Wann ist ein Boden

schwermetallbelastet?

Eine bodenkundliche Sicht auf gesetzliche Richtwerte

Peter Blaser*

*Postadresse: Dr. Peter Blaser

Leiter der Abteilung Bodenökologie WSL CH-8903 Birmensdorf (Schweiz) E-Mail: peter.blaser@wsl.ch

Die Böden in der Schweiz werden durch das Umweltschutzgesetz geschützt. Ziel der Verordnung über Belastungen des Bodens vom Juli 1998 ist die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Das dreistufige Schutzkonzept beruht dementsprechend wesentlich auf der Definition der Bodenfruchtbarkeit, die in der Verordnung gegeben wird. Der vorliegende Artikel diskutiert die konzeptionellen und praktischen Probleme, die sich aus dieser Definition ergeben. Abstract & Keywords ê p. 80

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Richtwertüberschreitung angeordnet wer- den können, müssen deshalb möglichst frühzeitig eingeleitet werden, um einen weiteren Anstieg der Belastung zu ver- hindern, der dann zu einschneidenden Maßnahmen wie Nutzungsbeschränkun- gen führen müßte [7].

Die Tücke der Definition des Richtwertes

Bei genauerer Betrachtung dieses vor- ausschauenden Verordnungstextes stellt sich die Frage, ob die Richt-, Prüf- und Sanierungswerte "nach dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung" be- gründet sind, wie dies im Artikel 35 USG gefordert wird. Die Definitionen der Prüf- und Sanierungswerte sowie die damit ver- bundenen Maßnahmen sind ohne Schwie- rigkeiten nachvollziehbar. Werden diese Werte überschritten, so stellen die Bela- stungen eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen dar.

Die vorgesehenen Maßnahmen zielen pri- mär auf eine Beseitigung dieser Gefähr- dung beispielsweise durch Nutzungsbe- schränkungen ab, wohingegen die Frage nach der Herkunft der Belastungen von untergeordneter Bedeutung ist.

Problematischer ist dagegen die Defi- nition der Richtwerte und die Rechtferti- gung der Maßnahmen, die bei einer Richtwertüberschreitung ins Auge gefaßt werden. Die Richtwerte stützen sich gänz- lich auf die Bodenfruchtbarkeit ab, die es langfristig zu erhalten gilt, und haben ein- heitlich für alle Böden und Bodennut- zungsarten Gültigkeit. Aus diesen Grün- den kommt der Definition der Boden- fruchtbarkeit eine Schlüsselstellung zu (Exkurs 1).

Betrachtet man den Begriff der Boden- fruchtbarkeit im Sinne der VBBo etwas eingehender, so fällt auf, daß die Defini- tion einer stark ökologischen Sichtweise verpflichtet und sehr weit gefaßt ist. Auf- fällig ist ferner, daß die Bodenfruchtbar-

keit standortbezogendefiniert und jeder Bezug zur Ertragsfähigkeit vermieden wurde. Dabei wurde vorausgesetzt, daß die Böden natürlicherweise fruchtbar seien, denn die Richtwerte sind ja so definiert, daß sie die langfristige Erhaltungder Bo- denfruchtbarkeit gewährleisten sollen. Bei einer Richtwertüberschreitung wird unter- stellt, daß dies nicht mehr gegeben sei.

Nun ist allerdings zu bedenken, daß sich in jedem Boden entsprechend den gegebenen Voraussetzungen die für den Standort typischen Lebensgemeinschaf- ten einstellen, gleichgültig wie artenreich sie sind und wie hoch ihre Aktivität ist.

So werden beispielsweise salzhaltige Bö- den von einzigartig reizvollen Spezialis- tengesellschaften besiedelt. Obschon die- se Böden im Sinne der VBBo fruchtbar sind und weder für Menschen noch für Tiere oder Pflanzen eine Gefahr darstel- len, käme es wohl niemandem in den Sinn, sie landwirtschaftlich nutzen zu wollen. Im Sinne der VBBo wäre die Bo- denfruchtbarkeit erst dann beeinträchtigt, wenn die Punkte cund dder Definition nicht mehr gegeben wären, wenn es sich also um belastete Böden handelte, welche eine konkrete Gesundheitsgefährdung darstellen. Solche Böden würden dann allerdings nicht durch die Richtwerte, sondern durch die Prüf- oder Sanierungs- werte mit den entsprechenden Maßnah- men belegt.

Nach der Verordnung liegt eine Richt- wertüberschreitung dann vor, wenn der lösliche oder totale Gehalt eines Schad- stoffes in einer repräsentativen Misch- probe aus den obersten 20 cm eines Bo- dens den in der VBBo definierten Wert überschritten hat. Die Methoden zur Be- stimmung der Schadstoffgehalte sind in der VBBo festgelegt.

Die Maßnahmen, welche bei einer Richtwertüberschreitung vorgesehen sind, setzen bei deren Quellen an. Es wird ver- sucht, über Emissionsbegrenzungen einen weiteren Anstieg der Bodenbelastung zu vermeiden und die Belastung wenn mög-

lich so weit zu reduzieren, daß die Bo- denfruchtbarkeit langfristig nicht mehr gefährdet ist. Daraus läßt sich ableiten, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, Richtwertüberschreitungen seien allein als Folge stofflicher Einträgezu betrach- ten, denn anders könnten die Maßnahmen nicht greifen.

Das Kreuz mit den lithogenen Grundgehalten

Bei der Definition der Richtwerte blieb allerdings unberücksichtigt, daß alle in der VBBo aufgeführten anorganischen Schadstoffe natürlicherweise in jedem Boden vorkommen. Diese natürlichen Grundgehalte hängen von der minerali- schen Zusammensetzung der bodenbil- denden Gesteine ab und sind a priori un- bekannt. Sie variieren sogar innerhalb der gleichen Gesteinsart in weiten Grenzen, so daß selbst unter Berücksichtigung geo- logischer Informationen keine auch nur annähernd gesicherten Aussagen gemacht werden können [8, 9].

Pierre Tschannen hat in seinen Erläu- terungen zum Bodenschutz auf diesen Punkt hingewiesen: ".... solche geogenen (vom bodenbildenden Gestein stammen- den) Belastungen sind keine Bodenbela- stungen im Rechtssinn, denn sie lassen sich nicht als »Veränderungen« der »na- türlichen« Bodenbeschaffenheit auffas- sen. Die geogenen Grundgehalte sind aber bei der Beurteilung der Bodenbe- lastung nach Art. 35 mit zu berücksichti- gen".[6a]

Konkret bedeutet dies, daß die im Bo- den gemessenen Totalgehalte, die zu un- bekannten Anteilen aus natürlichen und anthropogenen Quellen stammen, undif- ferenziert für die Belastungsbeurteilung verwendet werden. Anders als die Prüf- und Sanierungswerte gelten aber die Richtwerte und die damit verbundenen Maßnahmen für alleBöden und alleBo- dennutzungen gleichermaßen. Eigentüm- licherweise wurde hier, im Gegensatz zur Definition der Bodenfruchtbarkeit, auf standörtliche Gegebenheiten keine Rück- sicht genommen, und diese unterschied- liche Betrachtungsweise führt beinahe zwingend zu Schwierigkeiten. Würden nämlich bei einer Überschreitung der Richtwerte unbesehen Emissionsbegren- zungsmaßnahmen eingeleitet, obwohl die Richtwertüberschreitung natürlichen Ur- sprungs ist, dürfte die beabsichtigte Wir- kung auf sich warten lassen. Ob sich fer- ner solche Maßnahmen im Interesse eines raschen, berechenbaren und rechtsglei- chen[6b]Vollzugs rechtfertigen lassen, oh- ne daß sie wissenschaftlich oder aus Er- fahrung begründet werden können, bleibt mindestens fraglich.

Definition der Bodenfruchtbarkeit Boden gilt als fruchtbar, wenn:

a. er eine für seinen Standort typische artenreiche, biologisch aktive Lebensgemeinschaft und typische Bodenstruktur sowie eine ungestörte Abbaufähigkeit aufweist;

b. natürliche und vom Menschen beeinflußte Pflanzen und Pflanzengesellschaften ungestört wachsen und sich entwickeln können und ihre charakteristischen Eigenschaften nicht beeinträchtigt werden;

c. die pflanzlichen Erzeugnisse eine gute Qualität aufweisen und die Gesundheit von Menschen und Tieren nicht gefährden;

d. Menschen und Tiere, die ihn direkt aufnehmen, nicht gefährdet werden.

Artikel 2 Absatz 1 der schweizerischen Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo)

Exkurs 1

(3)

Leider gibt es keine chemische Metho- de, mit der die geogenen (oder, genauer gesagt, die lithogenen) Schwermetallge- halte differenziert von den anthropogenen Einträgen ermittelt werden könnten.

Wenn nun nach Artikel 8 Absatz 1 der VBBo die Kantone bei einer Richtwert- überschreitung die Belastungsquellen zu ermitteln haben, so werden sie jedenfalls mit den in der VBBo vorgeschlagenen Methoden der Probenahme und Analyse zu keinem befriedigenden Resultat kom- men, denn sinnvollerweise müßte man zwischen zivilisationsbedingten Einträ- gen und den natürlichen Grundgehalten unterscheiden können.

Eine weitere Schwäche der Richtwert- definition liegt darin, daß es sich bei ei- nigen der in der VBBo so bezeichneten

"Schadstoffe" um essentielle Spurenele- mente handelt, die für den Stoffwechsel der meisten Lebewesen, wenn auch nur in geringen Mengen, notwendig sind.

Wird nun die Definition der Richtwerte allein auf die Bodenfruchtbarkeit abge- stützt, so müßten für solche Elemente konsequenterweise auch Untergrenzen bezeichnet werden, denn ein Mangel es- sentieller Spurenelemente führt genauso zu einer Beeinträchtigung der Frucht- barkeit, wie es ein Überschuß tut [10, 11]. Dies bedeutet, daß auf Mangelstandor- ten, selbst bei einer Vernachlässigung der Ertragsfähigkeit in der Fruchtbar- keitsdefinition, durch den Eintrag der entsprechenden Spurenelemente (wel- cher Herkunft auch immer!) der Arten- reichtum und die biologische Aktivität der Lebensgemeinschaft zunähmen und auch die Qualität pflanzlicher Erzeug- nisse verbessert würde (Punkte aund c der Bodenfruchtbarkeitsdefinition). Un- ausgesprochen wird jedoch davon aus- gegangen, daß es sich bei Schwermetall- einträgen ausschließlich um anthropo- gene Einwirkungen mit negativemChar- akter handelt, die dann als Belastung be- zeichnet und entsprechend negativ be- wertet werden. Zudem wurzeln die mei- sten Kulturpflanzen tiefer als 20 cm, und außerdem kommt es im Boden-Pflanzen- System zu Umverteilungen von Schwer- metallen, so daß die größten Gehalte auch in tieferen Bodenschichten ange- troffen werden können. Aus allen diesen Gründen sind die in der VBBo festge- schriebenen Methoden der Bodenunter- suchung sowie die Definition der Richt- werte zu hinterfragen.

Bei der Abfassung der VBBo wurde bereits erkannt, daß der Bodenschutz innerhalb des Umweltschutzes eine ver- gleichsweise schwache Stellung hat und in sich noch nicht völlig gefestigt ist: Es wird festgestellt, daß der Bodenschutz Die Abschätzung lithogener Grundgehalte an Schwermetallen und

die Berechnung von An- und Abreicherungen in einem Bodenprofil Damit die lithogenen Grundgehalte eines Bodens an Schwermetallen mindestens nähe- rungsweise abgeschätzt werden können, bedarf es einer Bodenbeprobung, die wenn mög- lich bis zum Ausgangsgestein reichen sollte. Über geeignete Leitelemente mit ganz be- stimmten Eigenschaften ist es dann möglich, die Verteilung und eventuell auch die Herkunft der meisten metallischen Spurenelemente anzunähern. Ein solches Leitelement sollte über einen weiten pH- und Redoxbereich unlöslich sein und deshalb nicht verlagert werden. Es sollte ferner am Stoffkreislauf nicht wesentlich teilnehmen, und anthropogene Belastungen mit dem Element sollten vernachlässigt werden können. Zirkonium (Zr) hat diese ge- wünschten Eigenschaften. Es kommt im Boden überwiegend in der schwer verwitterbaren mineralischen Form Zirkon (ZrSiO4) vor. Bei der Gesteinsverwitterung bleibt Zirkon übrig und wird als mineralischer Verwitterungsrückstand in der Feinerde angereichert. Der totale Zr-Gehalt in der Feinerde ist deshalb weitgehend identisch mit dem Gehalt am Mineral Zir- kon. Weil Zirkonium praktisch nur in dieser unlöslichen mineralischen Form im Boden vor- kommt, nimmt es an den chemischen Verlagerungsprozessen und dem Nährstoffkreislauf nicht teil. Da ferner Zr-Immissionen weitgehend unbekannt sind, eignet sich dieses Element zur Abschätzung der An- und Abreicherung anderer Schwermetalle im Boden [15]. Unter der Annahme, daß ein Boden im ganzen Profil aus dem gleichen Ausgangsgestein entstanden ist, läßt sich der zu erwartende lithogene Anteil eines Elementes Min der Feinerde der Bo- dentiefe xnäherungsweise ermitteln, wenn das Verhältnisdes Gehalts an Element Mzum Zr-Gehalt in allen Bodentiefen bestimmt und mit jenem im Ausgangsgestein oder der unter- sten Verwitterungszone verglichen wird. Allgemein gilt:

Mx Mo Zrx Zro

folglich

(Mx •Zro) (Zrx •Mo)

wobei xeine bestimmte Bodentiefe bezeichnet; 0für die unterste Verwitterungszone (C-Ho- rizont) steht und AFden Anreicherungsfaktor bezeichnet.

Hätte im Boden keine An- oder Abreicherung stattgefunden, müßte das Verhältnis Mx/Zrxin der Feinerde des ganzen Bodenprofils ungefähr gleich groß sein, und der Wert von AFwä- re überall gleich eins. IstAF> 1, so liegt eine Anreicherung vor. Ist AF< 1, so deutet dies auf eine Abreicherung hin.

Ein theoretischer lithogener Gehalt (AF= 1) des Elementes Min der Bodentiefe x, Mt,x, läßt sich dann wie folgt bestimmen:

(M0•Zrx) Zr0

Damit kann man die An- oder Abreicherung relativ zum Ausgangsgestein (C-Horizont) quantifizieren [16]. Dieses Prinzip ist in Figur 1 veranschaulicht.

Exkurs 2

Figur 1. Prinzip der Abschätzung von An- und Abreicherung der Schwermetalle im Boden.

Gehalt im C-Horizont

Anreicherung Abreicherung

0 20 40 60 80 100 120 140

0 20 40 60 80

Elementgehalt [mg/kg]

Tiefe [cm]

gemessen

theoretischer Gehalt theoretischer Gehalt

gemessener Gehalt

gemessener Gehalt

• AF

=

AF =

Mt,x =

(4)

noch im Aufbau ist und daß wissen- schaftliche Erkenntnisse teilweise noch wenig gesichert sind [6]. Dies ist eine Herausforderung für die Bodenwissen- schaft, sich der Probleme des Boden- schutzes vermehrt anzunehmen, um den Vollzugsorganen zur Erledigung ihrer schwierigen Aufgabe bessere Grundla- gen und Methoden zur Verfügung stellen zu können.

Das Verhalten von

Schwermetallen im Boden

Die verschiedenen Gesteine haben sehr unterschiedliche Schwermetallge- halte [8, 9]. Solange diese Elemente im Kristallgitter der Mineralien eingebaut sind, bleiben sie für die belebte Welt weitgehend nicht verfügbar. Aus diesem Grund sagen die totalen Elementgehal- te wenig über die biologische Verfüg- barkeit aus [12]. Werden Schwermetalle aber bei der Gesteinsverwitterung frei- gesetzt, so unterliegen sie den chemi- schen, physikalischen und biologischen Prozessen im Boden-Pflanzen-System.

Ihre chemische Form und ihre Bin- dungsformen passen sich den wechseln- den Bedingungen im Boden an, und ih- re biologische Verfügbarkeit nimmt po- tentiell zu [13, 14]. Durch Umlagerungs- prozesse kommt es in verschiedenen Bodentiefen zu An- und Abreicherun- gen. Diese lassen sich nur vor dem Hintergrund solider bodenökologischer Kenntnisse verstehen und interpretieren.

Bodeneigenschaften, Witterung und Ve- getation bestimmen im wesentlichen die Löslichkeit und Verteilung der generell schlecht löslichen Schwermetalle im Boden, genauso wie deren Anreicherung in der Biosphäre. Darüber hinaus wer- den Umlagerungen sowie An- und Ab- reicherungen durch die Wühltätigkeiten der verschiedenen Bodenbewohner ver- ursacht.

Die Interpretation der

Schwermetallverteilung im Boden Zur Interpretation der Schwermetall- verteilung in einem Boden muß das Bo- den-Pflanzen-System als ganzes betrach- tet werden. Der Boden sollte für die Er- mittlung der lithogenen Grundgehalte bis zum Ausgangsgestein aufgeschlossen und untersucht werden. In Exkurs 2 ist eine Methode dargestellt, anhand deren die li- thogenen Grundgehalte an Schwermetal- len sowie die An- und Abreicherungen in einem Bodenprofil abgeschätzt werden.

Die Schwermetallverteilung resultiert aus ihrer Mobilität im Boden-Pflanzen-Mi- lieu. Diese Mobilität wird von der Lös- lichkeit im chemischen Bodenmilieu so- wie von der Zusammensetzung der Bo- denfestsubstanz bestimmt. Solche Schwermetalle, die für das Gedeihen der Pflanzen wichtig sind (essentielle Spu- renelemente), nehmen außerdem am Nährstoffkreislauf teil und können auf diese Weise besonders im Oberboden mit dem Streufall angereichert werden [17]. Extreme Anreicherungen im Oberboden weisen allerdings auf einen Fremdeintrag hin [18]. Aus allen diesen Gründen ist zu erwarten, daß selbst im gleichen Boden- Pflanzen-System eine elementspezifische Schwermetallverteilung zu finden ist.

Als Beispiel sind in Figur 2 die Vertei- lungen von Nickel (Ni), Zink (Zn) und Blei (Pb) in einem ausgewählten Boden dargestellt. Es handelt sich um eine Braunerde eines Buchenwaldes aus dem schweizerischen Mittelland.

Das Beispiel zeigt das unterschiedliche Verhalten der drei Elemente im gleichen Boden-Pflanzen-Milieu. Verglichen mit dem Gehalt im Ausgangsgestein (unterer Balken in Figur 2) ist der Boden im gan- zen Profil an Nickel verarmt. Ganz an- ders bei Zink und Blei, deren gemessene Gehalte in allen Bodentiefen den berech- neten lithogenen Anteil übersteigen.

Nickel scheint in diesem ausgewählten Boden-Pflanzen-System mobiler zu sein

als die beiden anderen Elemente und wurde im Laufe der Zeit aus dem Boden ausgewaschen. Im Gegensatz dazu wur- den Zink und Blei gegenüber dem Aus- gangsgestein im Boden angereichert, was allerdings für die beiden Elemente ver- schiedene Ursachen haben dürfte: Es ist bekannt, daß Zink als essentielles Spu- renelement am Nährstoffkreislauf in grö- ßerem Ausmaß teilnimmt und so im Bo- den-Pflanzen-System zurückgehalten wird [10]. Die Zink-Anreicherung muß deshalb nicht zwingend durch einen ex- ternen Eintrag verursacht worden sein.

Blei dagegen ist ein Element mit, soweit bekannt, ausschließlich toxischen Wir- kungen [19, 20]. Die sehr hohen nicht ge- steinsbürtigen Bleigehalte sind deshalb eher auf zivilisationsbedingten, atmo- sphärischen Eintrag zurückzuführen.

Probleme der Interpretation von Richtwertüberschreitungen

Im nächsten Beispiel wird die Proble- matik hoher lithogener Schwermetallge- halte bei der Beurteilung der Bodenbe- lastung gezeigt.

In Figur 3 ist die Bleiverteilung in drei verschiedenen Böden dargestellt, wobei die lithogenen Anteile wiederum von den Totalgehalten graphisch abgehoben sind.

Nach VBBo beträgt der Richtwert für Pb 50 mg/kg Feinerde. In den Profilen Aund Bist dieser Wert überschritten, und die Böden müßten als belastet bezeichnet werden, wohingegen in Profil C der Richtwert nicht überschritten ist. Tat- sächlich handelt es sich aber bei Profil A um einen sehr wenig belasteten Boden aus dem Jura; seine hohen Bleigehalte sind überwiegend lithogener Natur. In Profil B, einem Boden auf Gneis aus dem Tessin, kann dagegen die Richtwertüber- schreitung nur durch Fremdeintrag erklärt werden. Aber auch Profil Cauf Molasse im Mittelland muß auf Grund der hohen nicht gesteinsbürtigen Pb-Gehalte als stark belastet bezeichnet werden, obschon Figur 2. Das unterschiedliche Verhalten von Schwermetallen im gleichen Boden-Pflanzen-Milieu. Bedeutung der Signaturen wie in Figur 1.

Zn

Tiefe [cm]

0 20 40 60 80 100 120 140

[mg/kg]

0 20 40 60 80

Pb

Tiefe [cm]

0 20 40 60 80 100 120 140

[mg/kg]

0 10 20 30 40 50

Ni

Tiefe [cm]

0 20 40 60 80 100 120 140

[mg/kg]

0 20 40 60 80

(5)

der Richtwert nicht einmal in den ober- sten 5 cm überschritten ist.

Hohe lithogene Schwermetallgehalte sind besonders in solchen Böden häufig, die auf extrem schwermetallhaltigen ultra- basischen Gesteinen wie Serpentinit ent- standen sind [21]. Allerdings sind auch auf den in der Schweiz viel weiter verbreite- ten Kalkgesteinen und Dolomiten hohe Schwermetallgehalte im Boden keine Sel- tenheit [22, 23]. Bei der Verwitterung dieser Gesteine werden die Calcium- und Ma- gnesiumcarbonate aufgelöst und in Form leichtlöslicher Salze ausgewaschen, wo- bei sich die unlöslichen Gesteinsbestand- teile, wie beispielsweise Schwermetalle, als Rückstände im Boden anreichern. Da zur Bildung von Kalkböden sehr große Gesteinsmengen verwittern müssen, kann diese Rückstandsanreicherung beträcht- lich sein. Solange der Boden-pH im Neu- tralbereich liegt, sind die Schwermetalle nur sehr wenig löslich und bleiben weit- gehend am Ort ihrer Freisetzung.

Dieses Beispiel zeigt, welche Probleme entstehen, wenn der lithogene Anteil der Schwermetallgehalte in die Beurteilung der Bodenbelastung miteinbezogen wird.

Würden nämlich aus einer Richtwert- überschreitung Maßnahmen abgeleitet, welche auf Emissionsbegrenzungen ab- zielen, so könnten sie im Fall Anichts fruchten, weil eine natürliche Quelle Ur- sache der zu hohen Pb-Gehalte ist. Im Fall Bhingegen wären sie durchaus ge- rechtfertigt. Der hochbelastete Boden C schließlich würde weder als solcher er- kannt noch durch entsprechende Maß- nahmen geschützt.

Wie hier verdeutlicht wurde, gibt es Böden, in welchen die Schwermetallge- halte auch ohne das Dazutun des Men- schen über den Richtwerten liegen. So- lange die natürlichen Grundgehalte die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen nicht indirekt oder direkt schä-

digen (Punkt cund dder Bodenfrucht- barkeitsdefinition), gelten diese Böden als fruchtbar. Im Laufe der Jahrtausende, in denen sie entstanden sind, wurden sie ge- nau von denjenigen Lebensgemeinschaf- ten besiedelt, die an solche Standortsbe- dingungen angepaßt sind und die dort ih- re arteigene "Aktivität" entwickeln kön- nen. Weil die Richtwerte aber unter- schiedslos für alle Böden Anwendung finden, gelten solche Böden im Sinne der VBBo als belastet. Die vorgesehenen Maßnahmen, welche auf Emissionsbe- grenzungen abzielen, dürften in diesen Fällen ins Leere greifen und sich wissen- schaftlich nicht begründen lassen. Ande- rerseits werden, wie oben gezeigt, auch gewisse hochbelastete Böden mit der heu- tigen Methode nicht erkannt und erfahren keinen Schutz vor weiteren Belastungen.

Bedenkenswert ist ferner, daß defini- tionsgemäß die Bodenfruchtbarkeit auf Standorten mit Richtwertüberschreitun- gen langfristig nicht mehr gewährleistet sein sollte. Dies steht nun aber eindeutig im Widerspruch zur Definition der Bo- denfruchtbarkeit, die sich ganz klar auf einen gegebenen, natürlichen Standort be- zieht, der seine ihm eigene und zu erhal- tende Fruchtbarkeit aufweisen muß.

Schwer verständlich bleibt, weshalb die Bodenfruchtbarkeit standortsbezogen de- finiert wurde, wohingegen die ebenso standortspezifischen Bodeneigenschaften unberücksichtigt blieben. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, daß die Richtwer- te und die damit verbundenen Maßnah- men für alle Böden und Bodennutzungen Gültigkeit haben sollen. In den Erläute- rungen zum Bodenschutz wurde auf die- sen Umstand hingewiesen: "Bodenart und Bodentyp bestimmen die Eigenschaften eines Bodens und sind daher für den Bo- denschutz von hervorragender Bedeu- tung" [6c]. Daß überdies die Bodenfrucht- barkeit und insbesondere die eintragsbe-

dingten Veränderungen derselben, die bei einer Richtwertüberschreitung zu erwar- ten wären, mit den in der Bodenfrucht- barkeits-Definition angegebenen Indika- toren festgestellt werden können, darf be- zweifelt werden.

Aus diesen Gründen vermögen die De- finition der Richtwerte im Sinne der VBBo sowie die davon abgeleiteten Maß- nahmen aus bodenökologischer Sicht nicht zu befriedigen. Solange die lithoge- nen Grundgehalte an Schadstoffen nicht von den anthropogenen Belastungen unterschieden werden, resultiert ein völ- lig verzerrtes Bild der effektiven zivilisa- tionsbedingten Schadstoffbelastung, die es einzudämmen gilt.

Ein Blick über die Grenze

Ähnlich wie in der Schweiz wird in den meisten europäischen Ländern die Bela- stung mit Schadstoffen anhand von Total- gehalten beurteilt, was allerdings im Hin- blick auf eine wirkungsorientierte Be- trachtung als wenig zweckmäßig erachtet wird [24]. Daß gangbare und aus boden- kundlicher Sicht weniger problematische Lösungen möglich sind, sei am Beispiel des deutschen Bundes-Bodenschutzgeset- zes (BBodSchG) (1999) kurz erläutert [25]. Dieses Gesetz dient der nachhaltigen Er- haltung der natürlichen Funktionendes Bodens, seiner Nutzungsfunktionensowie seiner Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Es ist stark schutzgut- orientiert, wobei als schützenswerte Güter nicht eine schwer faßbare Bodenfrucht- barkeit, sondern in erster Linie der Mensch, die Pflanzen und das Grundwas- ser im Zentrum stehen. Auch hier gibt es eine Vorsorgepflicht, die allerdings nicht dazu dient, Bodenbelastungen als Folge stofflicher Einträgezu vermeiden, son- dern ganz allgemein schädliche Boden- veränderungen zu verhindern. Ebenso gibt Figur 3. Probleme der Beurteilung von Richtwertüberschreitungen am Beispiel von Blei (siehe Text). A, B und C markieren drei verschie- dene Böden mit unterschiedlichen lithogenen Grundgehalten und anthropogenen Einträgen. Die senkrechte Linie bei 50 mg/kg markiert den Richtwert nach der schweizerischen Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo). Bedeutung der Signaturen wie in Figur 1.

A

[mg/kg]

0 25 50 75 100 125 150

Tiefe [cm]

0

10

20

30

40

C

Tiefe [cm]

0 20 40 60 80 100 120 140

0 25 50 75 100 125 150 [mg/kg]

B

Tiefe [cm]

0 25 50 75 100 125 150 [mg/kg]

0 20 40 60 80 100 120 140 160

(6)

es Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmewerte, die, wenn überschritten, bestimmte Maß- nahmen auslösen. Bemerkenswert ist allerdings, daß im Bundes-Bodenschutz- gesetz der landwirtschaftlichen Boden- nutzung ein eigener Teil gewidmet ist, in welchem festgehalten wird, daß mit einer guten fachlichen Praxis die Vorsorge- pflicht erfüllt wird. Grundsätze dieser Pra- xis sind die nachhaltige Sicherung der (allerdings nicht definierten) Boden- fruchtbarkeitund der Leistungsfähigkeit des Bodens, wobei ausdrücklich auch Ver- besserungsmaßnahmen Erwähnung fin- den. Anders als in der VBBo wird hier die Leistung der Landwirte anerkannt, welche die Voraussetzungen für eine landwirt- schaftliche Produktion überhaupt ge- schaffen haben. Ein weiterer ganz we- sentlicher Punkt: Auch der Nutzungsge- danke hat in diesem Gesetz einen Platz ge- funden. Betreffend das Schutzgut Boden werden darüber hinaus schädliche Boden- veränderungen berücksichtigt, welche durch Immissionen und andere schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen wer- den. Diese sind im Bundes-Immissions- schutzgesetz (BImSchG) geregelt. Ein be- deutsamer Unterschied zur VBBo besteht indessen darin, daß in der Verwaltungs- vorschrift zum Bundes-Bodenschutzge- setz [26], welche die Ermittlung und Ein- stufung von Gehalten anorganischer Schadstoffe im Boden regelt, den Boden- eigenschaften Rechnung getragen wird.

Auch natürliche Hintergrundkonzentra- tionen (die allerdings nicht mit den litho- genen Grundgehalten identisch sind) fin- den Beachtung. Es wird festgehalten, daß diese unter bestimmten Bedingungen über den Prüfwerten liegen können, da sie schutzgutunabhängig ermittelt werden.

Die Einstufung der Schadstoffgehalte ge- schieht mit Bezug zu den Schutzgütern Mensch, Pflanze, Bodenorganismen und Wasser, wobei die Wirkungspfadeund der Transfer in die Biosphärein die Beurtei- lung einbezogen werden.

Auf gesamteuropäischer Ebene wurde erkannt, daß dem Bodenschutz in den nächsten Jahren derselbe Stellenwert zu- kommen muß wie dem Schutz von Luft und Gewässern. In einem von der EU ge- förderten Projekt "Integrierter Boden- und Wasserschutz in Europa" sollen neue Forschungsstrategien und eine interdiszi- plinäre Forschungsplattform für den inte- grierten Boden- und Wasserschutz in Eu- ropa aufgebaut werden [27]. Daß der Bo- denschutz als prioritäres Anliegen erkannt wird geht auch daraus hervor, daß 1996 die europäische Umweltagentur in Ispra (Italien) ein Bodenzentrum sowie ein eu- ropäisches Büro für Boden eröffnet hat.

Hier sollen das Fachwissen verschiedener

nationaler Organisationen zusammenge- führt, die Forschung koordiniert, Krite- rien zur Beurteilung von Bodenbelastun- gen erarbeitet und die Richtlinien für die Erhebung von Bodendaten harmonisiert werden.

Auch die Länder der UN-ECE-Region verfolgen eine gemeinsame Strategie, die darauf hinzielt, Kriterien für Emissions- beschränkungen über einen wirkungs- orientierten Ansatz zu definieren [28]. Für ausgewählte Rezeptoren eines Ökosy- stems sind Grenzwerte festzulegen, die die maximale Schadstoffkonzentration bezeichnen, bei welcher ein Rezeptor in seinen Funktionen noch nicht beeinträch- tigt wird. Mit diesem Vorgehen steht nicht die Herkunft, sondern die biologische Wirkung eines Schadstoffes im Vorder- grund, wobei nicht nur die direkten toxi- schen Wirkungen, sondern auch die An- reicherungen dieser Stoffe in der Nah- rungskette Beachtung finden. Auch die- ser Ansatz wird erheblichen interdiszipli- nären Forschungsaufwand erfordern.

Wie weiter?

Mit den Richtwerten wollte der Ge- setzgeber dem Bodenschutz ein Instru- ment zur Verfügung stellen, mit welchem die Bodenbelastung als Folge stofflicher Einträge vorsorglich beurteilt werden kann. Der Vorsorgecharakter wird da- durch begründet, daß Maßnahmen mög- lichst frühzeitig angeordnet werden soll- ten, um einen weiteren Anstieg der Be- lastung durch Emissionsbegrenzung zu unterbinden.

Trotz aller Kritik ist vom Grundsatz, die Böden mit Hilfe von Richtwerten vorsorglichvor Belastungen mit Schad- stoffen zu schützen, nicht abzuweichen.

Allerdings wäre es ehrlicher, die Richt- werte nicht über die Bodenfruchtbarkeit zu definieren, sondern sie in gleichem Sinne wie die Prüfwerte herzuleiten, aus- gehend von der konkreten Gefährdung eines Rezeptors. Leider sind gegenwär- tig in der VBBo erst Prüfwerte für Pb, Cd und Cu aufgelistet. Diese Liste muß unbedingt erweitert werden. Auch die Prüfwerte sind europaweit Gegenstand intensiver Diskussionen und Untersu- chungen. Aufgrund der unterschied- lichen artspezifischen Toleranzen von Menschen, Tieren und Pflanzen gegen- über den verschiedenen Schadstoffen wird sich die Festlegung solcher Prüf- werte nicht einfach gestalten. Dennoch wird es eher möglich sein, solche Werte zu definieren, ganz einfach weil sie ex- perimentell besser überprüfbarsind als beispielsweise die Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit. Dadurch könnten

die notwendigen Vorsorgeindikatoren transparenter hergeleitet werden, was der politischen Akzeptanz nur dienlich wä- re [29].

Mit einer solchen Definition würde sich eine wissenschaftliche Begründung der Richtwerte erübrigen, weil diese von um- weltpolitischen Überlegungen getragen werden müßten. Die Maßnahmen wären dann so zu rechtfertigen, daß durch Emis-

Um die Schwermetallbelastung von Böden interpretieren zu können, muß bekannt sein, welcher Anteil lithogen und welcher an- thropogen ist. In nicht anthropogen beein- flußten Waldböden – hier eine saure Braun- erde im Tessin – werden lithogene Gehalte ermittelt.

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sionsbegrenzungen diese Gefährdungs- werte möglichst nicht erreicht werden dür- fen. Allerdings müßten auch hier die Ur- sachen von Richtwertüberschreitungen be- kannt sein, damit Maßnahmen zweckdien- lich angeordnet werden könnten. Böden mit Richtwertüberschreitungen infolge ho- her lithogener Grundgehalte wären als sen- sitivzu bezeichnen, weil hier die Gefähr- dung von Menschen, Tieren und Pflanzen durch zusätzliche Einträge viel schneller eintreten könnte. Solche Standorte wären intensiver zu überwachen.

In der Abteilung Bodenökologie an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf wird gegenwärtig ein vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) mitfinanziertes Projekt bearbeitet, welches zum Ziel hat, an repräsentativen Böden die natür- lichen Hintergrundkonzenrationen aus- gewählter Schwermetalle zu ermitteln.

An etwa 200 Waldböden der Schweiz, die nach statistischen und standort- kundlichen Gesichtspunkten ausgewählt wurden, wird mit den oben beschriebe- nen Methoden versucht, die lithogene Grundbelastung mit Schwermetallen abzuschätzen. Waldböden sind für eine solche Untersuchung besonders geeig- net, weil sie weder gedüngt noch bear- beitet werden.

Ferner soll abgeklärt werden, in wel- chen Gegenden intensivere und räumlich stärker verdichtete Untersuchungen not- wendig sind und ob sich dann mit ge- eigneten geostatistischen Methoden aus den stichprobeartig erfaßten Daten Aus- sagen für eine bestimmte Fläche machen lassen.

Wie auch immer die Richtwerte in Zukunft definiert sein werden, die Be- urteilung von Richtwertüberschreitun- gen sollte in jedem Fall differenzierter angegangen werden und den standört- lichen Gegebenheiten Rechnung tragen.

Mindestens sollten die lithogenen Grundgehalte von den anthropogenen Einträgen unterschieden werden. Aller- dings ist die Ermittlung der natürlichen Grundgehalte zeitraubend und teuer.

Hier müßte mit gezielter Forschung ver- sucht werden, die Gehalte für verschie- dene Gesteinsarten und Gegenden sy- stematisch zu bestimmen. Solche Grundlagen, welche die lithogen be- dingten Unterschiede besser berück- sichtigen, werden auch vom Nationalen Bodenbeobachtungsnetz (NABO) als wünschenswert erachtet [30]. Damit wä- re es möglich, die tatsächliche zivilisa- tionsbedingte Schadstoffbelastung der Böden genauer zu ermitteln und ent- sprechende Maßnahmen anzuordnen.

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(Eingegangen am 22. Juli 2002;

überarbeitete Fassung am 07. Februar 2003; AJ)

Peter Blaser: Geboren 1942 in Zürich. Agronomiestudium und Promotion in Bodenkunde an der ETH Zürich. Von 1981 bis 1985 verschiedene Weiterbil- dungsaufenthalte an der University of California, Riverside (UCR) in Kalifor- nien. Seit 1988 Leiter der Abteilung Bodenökologie an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf.

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