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Zurflüh, M., Huggel, C., Brander, D., & Bodmer, H. C. (2001). Erfassung des Landschaftswandels in alpinen Regionen. Fernerkundung als Hilfsmittel für die Entscheidungsfindung in der Tourismusplanung. GAIA: Ecological Perspectives for Science and Society,

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Academic year: 2022

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Die Diskussion über die Erschließung von Skigebieten oder über geplante Mega- veranstaltungen wie Olympische Spiele verläuft meist sehr emotional und oft weitab aller realen Sachverhalte. In der Schweiz sind zurzeit in zahlreichen Skigebieten Ausbaupläne im Gespräch und Kandidaturen für die Olympischen Winterspiele 2010 in Planung.

Im EU-Forschungsprojekt CARTESIAN wurden auf Basis von Satelliten- und Luftbildern Instrumente und Methoden entwickelt, die eine Planungsgrundlage liefern und diese Diskussionen zu versachlichen helfen sollen. In einem Teilprojekt wurden in Tourismusregionen die Veränderungen der Landschaft und deren Beziehung zum Tourismus beleuchtet.

Was kann die heutige Technologie von Daten aus der Luft und dem All und von Informations- systemen im Spannungsfeld Tourismus – Landschaft beitragen? Abstract & Keywords p. 79

Erfassung des Landschaftswandels in alpinen Regionen

Fernerkundung als Hilfsmittel für die

Entscheidungsfindung in der Tourismusplanung

Marcel Zurflüh, Christian Huggel*, Dominic Brander und Hans-Caspar Bodmer

*Postadresse : C. Huggel Geographisches Institut Universität Zürich-Ichel Winterthurerstrasse 190 CH-8057 Zürich (Schweiz) E-Mail: chuggel@geo.unizh.ch

1. Einleitung: Landschaft als Tourismusressource

Der Tourismus ist in vielen alpinen Regionen wichtigster und unersetzlicher Wirtschaftsfaktor. Im positiven Fall er- zeugt er wirtschaftliches Wachstum, erhöht die Lebensqualität der lokalen Be- völkerung und leistet nicht selten einen Beitrag zum Schutz der natürlichen Ressourcen oder zur Erhaltung kultureller Traditionen. Allerdings liegt allen be- deutenden touristischen Entwicklungen ein Paradoxon zugrunde: Die natürlichen Ressourcen, welche zur Attraktivität eines Ferienortes beitragen, werden durch den Tourismus bedroht oder zerstört [1]. Ge- rade alpine Regionen mit ihren emp- findlichen Ökosystemen laufen Gefahr, an Attraktivität einzubüßen, sobald eine intensive Tourismus-Entwicklung ein- setzt. Mit anderen Worten: Wenn die Grenzen der Belastbarkeit überschritten werden, verliert die Landschaft ihren Erholungs- und Erlebniswert. Oder wie dies Horst Stern einmal treffend formu- lierte: »Erst geht die Kuh, dann der Gast, wen soll man da noch melken?« [2].

Ökonomisch betrachtet ist die Land- schaft1) einer der bedeutendsten Ange- botsfaktoren im Bergtourismus. Verschie- dene Perzeptionsstudien verweisen auf die Beziehung zwischen Landschafts- bild und touristischen Präferenzen [4, 5]. Hunzikers Studie basiert auf ästhetischen Beurteilungen von Landschaftsverände- rungen aufgrund von Photoserien und bestätigt die Hypothese, daß tourismus- bedingte Landschaftsveränderungen von den Touristen mehrheitlich negativ erlebt werden. Die Erhaltung der landschaft- lichen Schönheit stellt daher für die Tourismusregionen nicht nur eine ethi- sche Verpflichtung, sondern mittelfristig auch eine ökonomische Notwendigkeit dar.

Für die Planung und die Verwaltung von Tourismusregionen ist es von großer Bedeutung, die Beziehungen zwischen touristischer Entwicklung und den da- durch verursachten Veränderungen im Landschaftsbild aufzudecken. Diskus- sionen über die Erschließung von Ski- gebieten, größere Infrastrukturvorhaben oder geplante Großveranstaltungen wie Weltmeisterschaften oder Olympische Winterspiele werden oft sehr emotional geführt. Nicht selten stehen Partikulär- interessen mit nur wenig Sachbezug im Vordergrund und die Betrachtungen erfolgen nicht ganzheitlich sondern sek- toriell.

Das menschliche Erinnerungsver- mögen reicht nur wenig in die Vergan-

genheit, so daß die meist schleichen- den Veränderungen im Landschaftsbild kaum wahrgenommen werden. Eine Rückblende in die Vergangenheit dient zudem als wichtige Grundlage für die Formulierung von Prognosen (looking back to see the future).

Die quantitative Erfassung des Land- schaftswandels wurde vor allem von der nordamerikanisch dominierten land- schaftsökologischen Forschung (land- scape ecology) vorangetrieben [6, 7]. An- gewendet wurden wiederholt Struktur- analysen unter Verwendung spezifischer Indizes [8–10], einschließlich Indizes aus Satelliten- und Luftbildern [11, 12]. Ent- sprechende Studien zu statistischen Kor- relationen zwischen Landschaftsstruk- turen und landschaftlicher Schönheit bestätigen dabei, daß eine komplexe und vielfältige Landschaft von den Touristen bevorzugt wird [13, 14].

In dieser Studie wird aufgezeigt, wie in alpinen Regionen mit Hilfe von hochauflösenden Fernerkundungsdaten (Satelliten- und Luftbilder) Landschafts- wandel über längere Zeit erfaßt werden

1) Der Begriff Landschaft wird im Rahmen dieser Studie in einem umfassenden Sinne verwendet.

Landschaft ist also weder ausschließlich die durch den Menschen gestaltete Erdoberfläche (Kulturlandschaft), noch die natürliche Beschaf- fenheit einer Gegend (Naturlandschaft). Unter Landschaft soll die Gesamtbeschaffenheit ver- standen werden. Alexander von Humboldt nannte das den "Totalcharakter einer Erdgegend" [3].

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kann. Die verschiedenen Landschafts- veränderungen werden in einen Bezug zur touristischen Entwicklung gesetzt.

Zu diesem Zweck wurden zwei Test- gebiete in den Schweizer Alpen aus- gewählt (Crans und Goms, Figur 1), welche sich in ihrer Entwicklung stark unterscheiden.

Die Untersuchung, die im Rahmen des zweijährigen EU-Projektes CARTESIAN durchgeführt wurde [15], versucht, durch die Bereitstellung von transparenten, nachvollziehbaren Grundlageninforma- tionen eine Entscheidungshilfe für partizipative Prozesse und somit einen Beitrag zur Versachlichung der eher emotional geführten Diskussionen zum Thema zu liefern.

2. Bedeutung

für Tourismusplanung und Landschaftsschutz

Mit dem beschriebenen Projekt wer- den bewährte Methoden miteinander verknüpft und operationell umgesetzt.

Im Zentrum der Betrachtung steht dabei die Landschaft als individuell empfun- dene touristische Ressource. Für die politische Entscheidungsfindung ist eine Objektivierung des durch subjektive Inhalte geprägten Landschaftsbegriffs erforderlich. Durch Quantifizierung und Visualisierung der Veränderungen soll das Thema Landschaftswandel versach- licht werden. Die Resultate in Form von Tabellen, Karten, Bildreihen oder animierten Bildsequenzen liegen als wertneutrale Grundlage für die Ent- scheidungsfindung vor. Für die Teil- nahme der verschiedenen Interessen- vertreter im Entscheidungsprozeß bildet dies eine ideale Voraussetzung.

Mit der Fokussierung auf den Land- schaftswandel deckt diese Studie nur einen Aspekt in der Vielzahl von Einfluß- größen ab, welche es bei der Planung von alpinen Tourismusregionen zu be- achten gilt. Als Bestandteil eines um- fassenden Management Information Systems (MIS) hat diese Arbeit bereits konkrete Verwendung im CARTESIAN- Projekt gefunden.

Die Erfassung des Landschaftswandels ist insbesondere auch für den Land- schaftsschutz bedeutsam, denn die Reste von Natur- oder traditionellen Kultur- landschaften sind unersetzbar. Einmal zerstört, können die naturnahen Ele- mente und Flächen in ihrer ökologischen Funktion nicht mehr rekonstruiert wer- den. Nicht der gegenwärtige Inhalt der Landschaft allein, sondern dessen Ver-

GLOSSAR

CARTESIAN (Cost effective Application of Remote sensing to environmenTal aspects of ski rEgions; a Ski region monItoring and man Agement informatioN system)

CARTESIAN ist ein zweijähriges EU-Forschungsprojekt (1998–2000), das von einem Kon- sortium, bestehend aus Mitarbeitern der ETH Zürich, der Univerität Zürich und weiterer europäischer Hochschulen sowie aus Unternehmungen des Umweltplanungsbereichs, durchgeführt wurde. Um den Bezug zur Praxis sicherzustellen, waren zudem auch Insti- tutionen aus dem Tourismus- und Seilbahnbereich beteiligt. Anhand von drei Testgebieten in Frankreich, Österreich und in der Schweiz wurden Methoden und Techniken für eine kostengünstige Planung und Überwachung von Skigebieten und Wintersportgroßveran- staltungen (zum Beispiel Olympische Spiele) auf Basis von Fernerkundungsdaten entwickelt.

Ein Management Information System (MIS) integriert die verschiedenen Instrumente und läßt die Strukturierung von Problemstellungen und Szenarios zu. Weitere Information auf http://www.cartesian.nl. Der Schweizer Beitrag wurde durch das Bundesamt für Bildung und Wissenschaft BBW finanziell unterstützt.

Fernerkundung

In den Geowissenschaften bedeutet Fernerkundung die Messung und Analyse von aus der Luft und dem All gewonnener Information von der Erdoberfläche. Dementsprechend werden in der Fernerkundung sowohl Luft- als auch Satellitenbilder verwendet.

IKONOS

Im November 1999 wurde der Satellit IKONOS erfolgreich in die Erdumlaufbahn gebracht.

Im Rahmen von CARTESIAN wurden mehrere Szenen dieses Sensors erworben und erste Tests durchgeführt. Die Bodenauflösung beträgt 1 m × 1 m (schwarz-weiß) und 4 m × 4 m (multispektral). Mit Hilfe der schwenkbaren Optik des Sensors können alle zwei Tage Bilder von demselben Gebiet aufgenommen werden.

IRS

Verschiedene Typen des Indian Remote Sensing Satellite wurden ab 1988 gestartet. In dieser Studie wurden multispektrale Daten des Typs IRS-1C LISS (Linear Imaging Self-Scanning Sensor) verwendet.

Digitale Klassifikation

Satellitenbilder liegen als digitale Daten in einem Raster vor (konventionelle Luftbilder müssen zuerst in digitale Produkte umgewandelt werden). Jeder Bildpunkt in dem Raster repräsentiert eine bestimmte, je nach Auflösungsvermögen definierte Fläche auf der Erd- oberfläche mit ihren spezifischen Eigenschaften. Mit Hilfe von Bildverarbeitungstechniken erlaubt dies eine computergestützte Klassifizierung von Objekten über große Gebiete aufgrund ihrer charakteristischen Reflexionseigenschaften.

GIS

Geographische Informationssysteme haben in den letzten Jahren auch in der landschafts- ökologischen Forschung eine zunehmend weite Verbreitung gefunden. Sie erlauben die Speicherung, Verwaltung und Analyse raumbezogener Information. Das System kann man sich etwas vereinfacht vorstellen als eine Anzahl von Ebenen, in denen je Informa- tionen zu einem bestimmten Sachverhalt, zum Beispiel pedologische (bodenkundliche) oder klimatische Daten, gespeichert sind. Techniken wie das Verschneiden dieser Ebenen (Übereinanderlegen der Ebenen und Extraktion oder Darstellung bestimmter Elemente dieser Ebenen) oder statistisch-räumliche Analysen ermöglichen die Entwicklung von Modellen.

Figur 1.

Lage der beiden Testgebiete Crans und Goms.

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breitung und Veränderung müssen die Grundlage der Landschaftsbewertungen bilden. So wenig eine Landschaft stabil ist, so wenig sind es auch die schutz- würdigen Gegebenheiten in ihr [16].

3. Daten und Methoden zur Erfassung des Landschaftswandels

Landschaftswandel kann auf ver- schiedene Weise erfaßt werden. Tradi- tionelle Methoden sind der Vergleich topographischer Karten oder terrestri- scher Photographien. Der Abstraktions- grad und die Auswahl der untersuchten Landschaftselemente variieren je nach Fragestellung und Größe des Unter- suchungsgebietes. In dieser Studie wurde der Landschaftswandel primär mit Hilfe von Fernerkundungsinformation erfaßt, wobei zusätzliche Daten wie etwa Statistiken und Inventare fallweise als Ergänzung hinzugezogen wurden. Für die Wahl der Methode waren unter anderem folgende Kriterien ausschlaggebend:

Erfassung des Landschaftswandels mit Bezug auf die Tourismus-Entwicklung;

Vergleich des Landschaftswandels in zwei Testgebieten;

kostengünstige, zeitsparende Erfassung der Veränderungen;

einfache Analyse und Visualisierung der Resultate.

Die Erfassung des Landschaftswandels sollte über eine längere Zeitspanne er- folgen, wobei der Zustand vor dem Einsetzen der modernen Tourismus- Entwicklung mit zu berücksichtigen war .2) Ein Vergleich beider Testgebiete setzte die Anwendung einer einheit- lichen Methode voraus. Eine kosten- günstige, zeitsparende Erfassung legte den Einsatz von Luft- und Satelliten- bildern nahe und ersetzte dadurch in- tensive Feldarbeit. Für die Analyse und die Visualisierung der Resultate bot sich die Verwendung eines Geographi- schen Informationssystems (GIS) an.

Der Landschaftswandel wurde über eine Periode von mehr als 100 Jahren erfaßt, was die Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen erforderte (verglei- che Figur 2).

Für die Zeitspanne von 1880 bis 1933 dienten topographische Karten (Sieg- friedkarten, 1:50 000) als Datengrund- lage. Unter Berücksichtigung der Tou- rismus-Entwicklung wurden danach für beide Testgebiete jeweils für 3 Zeitein-

heiten Luftbilder (schwarz-weiß) ausge- wertet. Die ältesten erhältlichen Bilder stammen aus den Jahren 1941 für das Testgebiet Goms und 1946 für Crans.

Die späten sechziger Jahre markieren eine Wachstumsphase der touristischen Nachfrage und werden durch eine zweite Bildserie abgedeckt. Die aktuellsten Luft- bilder stammen aus den Jahren 1994 und 1998.

Um das Potential von hochauflösenden Satellitenbildern in bezug auf Land- schaftsveränderungen auszuloten, wur- den eine IRS-Szene des Jahres 1997 und aktuelle Bilder des IKONOS Satel- liten ausgewertet. In Figur 3 ist ein Aus- schnitt eines IKONOS-Bildes aus dem Skigebiet von Veysonnaz wiedergegeben.

Die Detailgenauigkeit dieses Bildes läßt das Potential dieses Sensors als Alter- native zu konventionellen Luftbildern erahnen.

In bezug auf Informationsgehalt und Abstraktionsgrad sind topographische Karten, speziell solche älteren Datums, nicht mit Luft- oder Satellitenbildern zu vergleichen. Methodisch bedeutet dies,

Siegfriedkarten

Luftbilder Satel- liten- bilder Schwelle

Auflösung

Jahr 1880

1m 10m 100m

1907 1933 1941 1985 2000

daß beide Datenquellen getrennt behan- delt werden mußten, um konsistente Aussagen zu gewährleisten.

Zur Abdeckung beider Testgebiete mußten die Luftbilder derselben Zeit- einheit zu orthorektifizierten Mosaiken zusammengefügt werden (vergleiche Figur 4). Dazu wurden die Bilder in einem ersten Schritt mit Hilfe von Refe- renzpunkten, die in Karte und Luftbild indentifizierbar sind, geometrisch korri- giert. Um möglichst nahtlose Mosaiken zu erhalten, mußten neben den geome- trischen Verzerrungen auch Helligkeits- unterschiede in den verschiedenen Luft- bildern behoben werden.

Der nächste Schritt bestand im Digita- lisieren und automatischen Klassifizieren der Mosaiken, der Satellitenbilder und der Siegfriedkarten, um sie in GIS-kon- forme Informationsebenen umzuwandeln.

Die Luft- und Satellitenbilder wurden dazu nach unterschiedlichen Landschafts- elementen klassifiziert (Wald, Wiese, Fels, kahler Boden, Siedlungsfläche).

Diese Klassen repräsentieren wichtige Bestimmungsgrößen für die Erfassung

Figur 2.

Verwendete Informations- quellen mit der entsprechenden Zeitperiode und der räumlichen Auflösung.

Figur 3. Ausschnitt einer IKONOS-Szene (08.04.2000) aus dem Skigebiet von Veysonnaz, Wallis.

2) In dieser Studie wird aufgrund der Quellenlage das Jahr 1940 als Schwelle verwendet.

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gleich von terrestrischen Photographi- en. Alten Photographien (beispielsweise Ansichtskarten) wurden aktuelle Bilder gegenübergestellt, die von demselben Standort aus photographiert wurden.

Diese Methode nimmt innerhalb des ge- wählten Ansatzes nur eine komplemen- täre, nicht quantitative Rolle ein, bildet aber ein wirkungsvolles Mittel für die visuelle Erfassung des Landschaftswan- dels und kann im Entscheidungsprozeß eingesetzt werden.

4. Testgebiete

Für die vorliegende Studie wurden zwei Testgebiete ausgewählt, welche gegensätzliche touristische Entwicklun- gen repräsentieren. Beide Gebiete liegen im Kanton Wallis (Schweiz) und wären im Falle einer erfolgreichen Kandidatur von Sion 2006 als Wettkampfstätten Olympischer Disziplinen genutzt worden.

Das Testgebiet Crans umfaßt eine Fläche von 20.8 Quadratkilometernund schließt das touristische Zentrum Crans- Montana sowie fünf weitere Dörfer (Icogne, Lens, Chermignon, Montana- Village, Randogne) mit ein. Crans liegt am nördlichen Hang des Rhone-Haupt- tals und erstreckt sich von 900 bis 1800 m NN. Die Spuren der touristischen Entwicklung sind unübersehbar: Golf- platz, künstliche Seen, Transportanlagen, Skipisten, Feriensiedlungen, Großbauten und vieles mehr. Die Haupteinnahmen werden während der Wintersaison erzielt, wobei der Skiindustrie eine dominante Rolle zukommt. In Crans haben auch schon internationale Großveranstaltun- gen stattgefunden, so zum Beispiel die Alpinen Skiweltmeisterschaften im Jahre 1987.

Das zweite Testgebiet ist das Obergoms mit den Dörfern Gluringen, Reckingen, Münster, Geschinen und Ulrichen. Es liegt im oberen Rhonetal, zwischen 1300 und 1900 m NN und umfaßt eine Fläche von 14.5 km2. In diesem Hochtal hat die touristische Entwicklung weit- aus geringere Veränderungen hervor- gebracht. So wurde in den letzten 100 Jahren verhältnismäßig wenig touristische Infrastruktur erstellt und die traditionelle Siedlungsstruktur blieb größtenteils er- halten. Das Landnutzungsmuster ent- spricht noch vielerorts der traditionellen Bewirtschaftung: kleinste Parzellen am Talboden und an den Hängen [18].

In den vergangenen 20 Jahren hat die Wintersaison an Bedeutung gewonnen.

Heute ist die touristische Nachfrage während der Sommer- und Wintersaison beinahe ausgeglichen. Während des

Zusatz- information Satellitenbilder

Luftbilder Siegfriedkarten

Aufbereitung

Analyse

Visualisierung

Tabellen und Graphiken

(Interaktive) Karten

Animierte Bildsequenzen

Terrestrische Photographien

GIS

Scannen Geometrische

Korrektur

Geometrische Korrektur

Mosaikierung Mosaikierung

Digitalisierung Klassifikation/

Digitalisierung Klassifikation

Daten- basis

Figur 4. Methodologischer Ablauf der Erfassung des Landschaftswandels.

sche Verzerrungen (vor allem Papier- verzug) der Originalkarten erschwerten diesen Prozeß. Die relevanten Klassen (Wald, Wiese/Weide, Siedlung, Straßen) wurden am Bildschirm digitalisiert.

Sämtliche klassifizierten und digitali- sierten Landschaftselemente wurden als separate Informationsebenen in ein GIS integriert. Ergänzend konnten räumlich relevante Inventardaten (Natur- oder Landschaftsschutzgebiete) oder demo- graphische und touristische Kennzahlen (zum Beispiel Anzahl Übernachtungen) miteinbezogen werden.

Für die Analyse und den zeitlichen Vergleich der verschiedenen Land- schaftselemente wurden GIS-spezifische Operationen angewendet, welche die Quantifizierung und Visualisierung des Landschaftswandels ermöglichten. In dieser Studie kam außerdem noch eine weitere Methode zum Einsatz: der Ver- des Landschaftswandels und konnten

technisch aus den Fernerkundungsdaten extrahiert werden. Größere Schatten- zonen in den Luftbild-Mosaiken wurden dabei speziell behandelt. Einzelhäuser und Straßen konnten nicht mit genügen- der Genauigkeit automatisch extrahiert werden und mußten deshalb manuell am Bildschirm digitalisiert werden. Um den unterschiedlichen Charakteristiken von Luft- und Satellitenbildern gerecht zu werden, wurden verschiedene Algo- rithmen für die digitale Klassifikation angewendet. Bei den Luftbildern wurde die verschiedene Textur im Schwarzweiß- bild ausgenützt, beim IRS-LISS Bild die verschiedene Reflexion in den spek- tralen Kanälen [17].

Die topographischen Karten (Siegfried- karten) wurden zuerst einzeln einge- scannt und anschließend zu Mosaiken zusammengefügt. Erhebliche geometri-

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Winters konzentrieren sich die touristi- schen Aktivitäten vorwiegend auf den Langlauf. Infrastruktur für Ski Alpin ist nur wenig vorhanden.

5. Landschaftswandel in den Testgebieten

Aus einer Vielzahl von Resultaten in Form von Tabellen, Graphiken, Karten und Bildern kann hier nur eine Auswahl präsentiert werden. Ein Schwergewicht wird dabei auf den Landschaftswandel der letzten 60 Jahre im Testgebiet Crans gelegt. Die vorgestellten Veränderungen beschränken sich auf die Merkmale Wald, Straßen und Gebäude. Diese drei Landschaftselemente stehen in direk- tem Bezug zur Tourismus-Entwicklung, werden also durch anthropogenes Ein- wirken geformt und lassen sich mit der angewandten Methode relativ einfach erfassen. Die Veränderungen in der Waldbedeckung werden im Detail unter- sucht.

Veränderungen in der Waldbedeckung Während der letzten 100 Jahre ist für Crans eine kontinuierliche Zunahme der Waldbedeckung festzustellen, wäh- rend im Obergoms, speziell für die letz- ten 60 Jahre, kaum Veränderungen aus- zumachen sind (Tabelle 1).3)

Um die Veränderungen seit 1941 be- ziehungsweise 1946 detaillierter zu un- tersuchen, wurden größere zusammen- hängende Waldflächen ausgeschieden.

Dazu diente die in einigen Kantonen der Schweiz geltende Walddefinition, welche eine minimale Fläche von 800 m2 vorschreibt [19]. Tabelle 1 zeigt für das Obergoms leicht abnehmende Werte bei gleich bleibender Gesamtfläche. Auch in Crans deutet die Entwicklung in die gleiche Richtung, indem die großen Waldflächen im Vergleich zur Gesamt- fläche weniger stark zunahmen. Dies bedeutet, daß vermehrt kleine Wald- stücke und Baumgruppen zu finden sind, was wahrscheinlich vor allem mit der Zunahme der bestockten Flächen im Siedlungsgebiet zusammenhängt. Eine

3) Diese Aussagen beziehen sich auf die Wald- Gesamtfläche, welche je nach Datengrundlage unterschiedlich bestimmt wurde. Bei der Luft- bildklassifikation wurde jedes Pixel (1 m × 1 m) als Wald oder Nicht-Wald definiert. Bei den Siegfriedkarten wurden zusammenhängende Waldflächen ausgeschieden und verglichen.

Aufgrund des unterschiedlichen Informations- gehaltes von Luftbildern und Siegfriedkarten gibt die Tabelle in diesem Sinne die wichtigsten Trends wieder. Für quantitative Aussagen muß die Periode vor 1940 separat behandelt werden.

Tabelle 1. Quantitative Veränderungen in der Wald- bedeckung.

Total der Waldflächen Index Waldbedeckung >800 m2 IP/A

[%] [%] [m/m2]

Goms 1880 30.1 Goms 1907 30.9 Goms 1933 34.9

Goms 1941 32.3 29.1 0.19

Goms 1994 32.2 27.8 0.28

Crans 1880 26.6 Crans 1907 33.2 Crans 1932 37.1

Crans 1946 41.0 36.4 0.30

Crans 1998 44.5 39.1 0.47

weitere GIS-basierte Analyse bekräftigt diese Aussage:

Für Waldstücke größer als 50 m2 wur- den die Längen der Waldränder in Be- zug zu den Waldflächen gesetzt. Der Index IP/A (Länge des Waldrandes/Wald- fläche) zählt zu den sogenannten Form- indizes und lehnt sich an ähnliche Maße an, die häufig zur quantitativen Charak- terisierung von Landschaftselementen verwendet werden [6, 9]. Die berechneten Mittelwerte zeigen in beiden Testgebie- ten eine relative Zunahme der Wald-

Figur 5. Veränderung der Waldbedeckung nach Höhenstufen zwischen 1946 und 1998 (oben)

und Anzahl Gebäude nach Höhenstufen 1946, 1969 und 1998 (unten) im Testgebiet Crans.

randlängen. Dies bedeutet eine zunehmende Zerstük- kelung der bestockten Flä- chen.

In einem nächsten Schritt wurden die Veränderungen nach Höhenstufen differen- ziert. Die Perimeter beider Testgebiete wurden dazu in unterschiedlich große Flächen von gleicher Höhe (1 Stufe = 100 Höhenmeter) unterteilt.

Während sich die Aus- wirkungen des Tourismus im Obergoms im wesent- lichen auf die Talsohle be- schränken, ergibt sich für das Testgebiet Crans aufgrund seiner Lage am Südhang ein differenzierteres Bild: Ein Großteil der Veränderungen konzentriert sich hier auf die Terrasse zwischen 1300 und 1500 m NN. Ver- gleicht man die Veränderungen der Waldbedeckung und die Veränderung der Anzahl Gebäude nach Höhenstufen, macht man eine interessante Feststel- lung: Obwohl die terrassenartige Fläche die Höhenstufe mit den ausgeprägtesten Konstruktionsaktivitäten ist, hat die Wald- bedeckung leicht zugenommen (Figur 5).

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

1998 1946

1800m

1700m

1600m

1500m

1400m

1300m

1200m

1100m

1000m

900m

Höhenstufen [m NN]

Waldbedeckung

0 200 400 600 800 1000

1998 1969 1946

1800m

1700m

1600m

1500m

1400m

1300m

1200m

1100m

1000m

900m

Höhenstufen [m NN]

Anzahl der Gebäude

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Crans steht eine moderate Zunahme der Gebäudezahl im Obergoms gegenüber (Tabelle 2). Die Gebäude wurden zudem nach ihrer Größe differenziert. Die Anzahl großer Gebäude (Länge über 40 m) ist im Obergoms im Gegensatz zu Crans sehr gering und hat sich in den letzten 60 Jah- ren nur wenig verändert.

Die Resultate für das Obergoms bestätigen das Bild des wenig berührten Tales mit seinen charakteri- stischen Haufendörfern. Bis zum 2. Welt- krieg hatte sich die Siedlungsstruktur kaum gewandelt, danach gab es nur geringfügige Veränderungen (Figur 7).

Veränderungen im Straßennetz

Auf dem Luftbild sind die verschie- denen Straßentypen visuell nur un- scharf voneinander zu unterscheiden, so daß für die Periode nach 1941 sämtliche auf dem Luftbild erkennbaren Straßen und Wege als einheitliche Klasse ausge- schieden wurden. Der hier verwendete Begriff Straßennetz umfaßt demnach alle "Straßen" (Hauptstraßen bis größere Fahr- und Fußwege). Die Resultate er- lauben einerseits Aussagen bezüglich der räumlichen Anordnung des Straßen- netzes und andererseits Aussagen zu Veränderungen in der Gesamtstraßen- länge.

In beiden Testgebieten hat sich das Total der Straßenlänge in den letzten 60 Jahren kaum verändert. Dieses Resultat mag erstaunen, läßt sich aber teilweise aufgrund der methodischen Einschrän- kungen erklären. Was sich in dieser Zeitperiode jedoch wesentlich verändert hat, sind Funktion und räumliche Ver- teilung der Straßen: Grundsätzlich hat eine Verschiebung von landwirtschaft- lich genutzten Straßen und Wegen hin zu Autostraßen und Zufahrtsstraßen stattgefunden, was mit einem erhöhten Flächenbedarf einherging. Die räumliche Anordnung der Straßen und Wege zeigt, speziell für Crans, eine Verdichtung des Straßennetzes in Gebieten mit starkem Gebäudezuwachs (vor allem Zufahrts- straßen) und einen Rückgang der Stra- ßen und Wege in größeren zusammen- hängenden Waldflächen. Die größten

Figur 6. Crans 1946 (oben) und Crans 1998 (unten): Wald- bedeckung und Siedlungsdichte nach Höhenstufen.

Tabelle 2. Entwicklung der Anzahl Gebäude pro Hektar und der Straßenlänge.

Anzahl Anzahl Total der Gebäude großer Straßenlänge

pro ha Gebäude [km]

Goms 1941 0.79 0 76.2

Goms 1967 0.97 2 76.0

Goms 1994 0.98 5 76.5

Crans 1946 0.93 6 159.6

Crans 1969 1.36 22 168.5

Crans 1998 1.78 45 156.8

Veränderungen der Siedlungsstruktur

Figur 6 visualisiert die Bauaktivitäten und die Veränderungen in der Wald- bedeckung für das Testgebiet Crans.

Die dargestellten Aequidensiten 4) ver- mitteln einen Eindruck der Siedlungs- struktur. Zwei Tendenzen sind deutlich erkennbar: Die Dörfer in den unteren Hanglagen haben ihre traditionelle Dorfstruktur nur mäßig verändert und besitzen nach wie vor den charakte- ristischen verdichteten Kern. Das touri- stische Zentrum Crans-Montana jedoch breitet sich unter großem Flächenver- brauch über das Plateau aus (Zersied- lung) und bildet dadurch einen Kontrast zum traditionellen Haufendorf.

Der Kontrast zwischen den beiden Testgebieten läßt sich am besten anhand des Indikators Anzahl Gebäude pro Hektar festhalten. Den ausgeprägten Konstruktionsaktivitäten im Testgebiet

4) Der dabei verwendete Index der Siedlungs- dichte berechnet sich auf Basis der Einzelgebäude in Bezug auf eine Kreisfläche mit Radius 100 m in einem 1m2 Raster. Aequidensiten sind Linien, die Gebiete oder Flächen gleicher Dichte umgrenzen, in diesem Fall Flächen gleicher Siedlungsdichte.

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Veränderungen konzentrieren sich auf die ehemals landwirtschaftlich genutz- ten Gebiete. In den oberen Höhenlagen (1600–1900 m NN) sind einzelne Stra- ßen, welche im Rahmen der Hauptbau- phase der Skipisten und Transportan- lagen (1960–1980) erstellt und genutzt wurden, heute nicht mehr als Straßen erkennbar.

Visualisierung mit Luftbildern und Photographien

Die direkte Visualisierung des Land- schaftswandels anhand von Luftbildern und Photographien kann ein wichtiges Mittel sein zur Bewußtmachung von nicht mehr bewußt wahrgenommenen Veränderungen in der Landschaft. Der

Vergleich der beiden Photographien von Oberwald im Goms von 1913 und 1999 (Figur 8) zeigt als wesentliche Verände- rungen die Begradigung der Rhone, den Verlust der Einzelbäume in der Ebene, die neue Bahnhofanlage oder das Aus- wachsen des Waldes auf der linken Tal- seite. Wegen landschaftlicher Verände- rungen in der Zwischenzeit läßt sich der ehemalige Aufnahmestandort heute je- doch nicht mehr exakt rekonstruieren.

Die Serie von Luftbildern in drei Zeitschritten (Figur 9) zeigt ein weiteres anschauliches Beispiel dafür, wie der Landschaftswandel im allgemeinen und die Veränderungen der Waldbedeckung im besonderen visualisiert werden kön- nen. Für einen Ausschnitt des Testge- bietes Crans werden dabei anhand von Luftbildern die Veränderungen in drei Zeitschritten festgehalten. Die Luftbild- ausschnitte zeigen einen Teil von Crans- Montana und reichen von 1460 bis 1570 m NN. Die untere Bildhälfte liegt auf der in Abschnitt 5 beschriebenen Terrasse.

Auch wenn sich die Waldbedeckung im oberen Bildteil insgesamt nur leicht verändert hat, präsentiert sich der Wald in seiner Form und räumlichen Anord- nung sehr unterschiedlich: Einschnitte für den Bau neuer Straßen, Begradigun- gen von ökologisch wertvollen Wald- rändern oder das Anlegen eines künst- lichen Sees (Lac de Chermignon, Figur 9, oberer Rand des letzten Bildes) haben zu sichtbaren Veränderungen geführt.

Im unteren Bildteil ist aufgrund des Zuwachses an Einzelbäumen und Baum- gruppen (besonders im Siedlungsgebiet) eine Zunahme der bestockten Fläche

Figur 7. Veränderungen im Testgebiet Goms zwischen 1880 und 1933.

Figur 8. Blick auf Oberwald und das Obergoms nach Fotografien von 1913 (oben) und 1999 (unten).

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festzustellen. Das ehemals stark frag- mentierte Muster landwirtschaftlicher Nutzflächen (1946) wurde allmählich aufgegeben und später durch einen Golfplatz ersetzt. In Ansätzen läßt sich hier erkennen, was für große Teile des übrigen Testgebiets Gültigkeit hat: Die Zunahme der Waldbedeckung im Sied- lungsgebiet. Vielerorts bedecken heute Bäume in Gärten ehemals landwirtschaft-

lich genutzte Flächen (Figur 9, letztes Bild).

6. Diskussion und Folgerungen

Seit dem Inkrafttreten der Forstge- setzgebung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat das Total der Wald- fläche in der Schweiz langsam, aber stetig zugenommen. Diese Entwicklung

Figur 9. Ausschnitte aus den orthorektifizierten Mosaiken von 1946, 1969 und 1998 (von oben nach unten rechts) mit einem Teil von Crans-Montana.

1946

1969 1998

ist den Experten bekannt und bestätigt sich im Falle der beiden Testgebiete [20].

Weniger bekannt ist die Tatsache, daß in bestimmten alpinen Regionen trotz intensiver Bautätigkeit und Tourismus- Entwicklung die Waldfläche ebenfalls zunimmt, so wie dies am Beispiel des Testgebietes Crans aufgezeigt wurde.

Eine Beschränkung auf die Quanti- fizierung der Gesamtveränderung der Waldbedeckung ist allerdings unzurei- chend. Die Veränderungen müssen im räumlichen Kontext untersucht und die Landschaft muß unter Berücksichtigung der Präferenzen der Touristen neu be- wertet werden.

Einerseits verbuschen durch den landwirtschaftlichen Strukturwandel die extensiv genutzten Flächen, vorab an den Hängen und in höheren Lagen, und werden zunehmend zu Wald. Anderer- seits ist vor allem im Gebiet Crans in den Siedlungsgebieten eine Zunahme der bestockten Flächen festzustellen (Figur 9), was mit der Anpflanzung von Baumgruppen innerhalb der Siedlungs- flächen zusammenhängt. Juristisch ge- sehen ist dies kein Wald, bei den in dieser

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Studie angewandten digitalen Luftbild- Klassifikationen wurden diese Flächen jedoch als Wald ausgeschieden und tragen somit zur beobachteten totalen Waldzunahme bei.

Insgesamt lassen die Resultate (ver- gleiche Tabelle 1) auf eine verstärkte Fragmentierung des Waldes in der unter- suchten Periode schließen. Diese Ent- wicklung läßt sich vorwiegend auf menschliche Aktivitäten zurückführen, insbesondere auf den Tourismus mit allen Begleiterscheinungen. Denn es sind gerade die im Zuge der tourismus- bedingten Ausdehnung von Crans- Montana entstandenen neuen Siedlungs- flächen, wo eine starke Zerstückelung der bestockten Fläche festzustellen ist.

Die Tendenz zur Verinselung des Waldes wird im übrigen auch von den Re- sultaten der Klassifikationen der IRS- Daten bestätigt, denn sie zeigen eine deutlich geringere Gesamtwaldfläche als die Klassifikationen der Luftbilder. Klei- nere bestockte Flächen können nämlich aufgrund der geringeren räumlichen Auf- lösung von IRS (23.5 m × 23.5 m) nicht erfaßt werden.

Aus ökologischer Sicht impliziert die zunehmende Fragmentierung von Land- schaftselementen verschiedene negative Auswirkungen wie etwa die Bedrohung von Populationen durch Verinselung ihrer Lebensräume [7].

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der besonders im Gebiet Crans deutlich wird: Siedlungserweiterungen gehen mei- stens auf Kosten der Landwirtschafts- fläche. Damit läßt sich auch das hier festgestellte, scheinbare Paradox, daß selbst ein starker Zuwachs touristischer Infrastruktur mit einer Zunahme der mit Bäumen bestockten Fläche einhergehen kann, besser erklären. Darüber hinaus spielt der bessere Schutz des Waldes durch die schweizerische Forstgesetz- gebung (Rodungsverbot, insbesondere auch bei Erweiterung der Siedlungs- fläche) eine Rolle.

Der landwirtschaftliche Strukturwan- del ist ein anderer wichtiger Prozeß im Zusammenhang mit Tourismus und Landschaftswandel. In den intensiv ge- nutzten Tallagen ist der Wandel etwa am Verschwinden der Solitärbäume zu erkennen (Figur 8). An den Hängen kann man auf der anderen Seite oft eine Verbuschung der extensiv genutzten Flächen feststellen. Die Zunahme der Waldfläche und der Verbuschung in diesen Gebieten kann allerdings nicht mit einem höheren ökologischen Wert gleichgesetzt werden [21]; im Gegenteil, das Brachfallen zum Beispiel von Magerwiesen ist vielmehr von einer

Verarmung der Vegetation begleitet [22]. Für den Tourismus ist eine vermehrte Brachlegung von zuvor bewirtschafte- tem Land kaum förderlich, denn die Landschaftspflege durch die Landwirt- schaft trägt gerade im Obergoms zur Erhaltung eines intakten Landschafts- bildes bei. Zu diesem Landschaftsbild gehören im Obergoms im Sinne einer touristischen Ressource auch wesent- lich die charakteristischen Dorfbilder.

Diese Dörfer haben im großen und ganzen ihre traditionelle Struktur erhal- ten können. Am Beispiel der kleinen, für den Tourismus attraktiven Wirt- schaftsgebäude im Dorf, die den land- wirtschaftlichen Strukturveränderungen schlecht angepaßt werden können und darum ungenutzt stehen, wird allerdings auch hier das problematische Nebenein- ander von Tourismus und Landwirt- schaft deutlich.

Dieses Nebeneinander von landwirt- schaftlichem Strukturwandel und touris- tischer Entwicklung erlaubt letztlich aber keine eindeutige, kausale Ursa- chenzuordnung. Beide Prozesse laufen in gegenseitiger Abhängigkeit parallel und lassen sich im Hinblick auf den Landschaftswandel kaum aufgliedern.

Im Projekt CARTESIAN wurde ver- sucht, den Konflikt Tourismus und Landschaft(sschutz) mit Hilfe der fern- erkundungs-basierten Daten auf der Ebene der Planung anzugehen. Dabei erfordert die Planung als partizipativer Prozeß den Einbezug der verschiedenen Akteure.

Im österreichischen Montafon wur- den die im CARTESIAN-Projekt ent- wickelten Methoden eingesetzt, um die Planung in Skigebieten zu unterstützen.

Die einbezogenen Akteure waren in die- sem Fall Seilbahnbetreiber, Tourismus- und Hotellerievertreter, Behörden und Ämter, private Planungsbüros sowie Vertreter aus Landschafts- oder Natur- schutz. Die Vorteile des entwickelten MIS wurden erkannt. Das Instrument wurde auf der Ebene der generellen Planung eingesetzt und erleichterte den Planungsprozeß wesentlich. Auch wenn das MIS ein neutrales oder wertfreies Planungsinstrument darstellt, kann ein Mißbrauch für Partikularinteressen nicht ganz ausgeschlossen werden. Deshalb ist es ratsam, für die Moderation heikler Planungsschritte eine allseitig aner- kannte Person beizuziehen.

In der Schweiz besteht Interesse am Einsatz von CARTESIAN für die Pla- nung der möglichen olympischen Win- terspiele 2010 in Graubünden oder im Berner Oberland. In bezug auf eine systematische und integrale Planung

lassen sich nach den Erfahrungen des Kandidaturkommittes Sion 2006 die Vorteile von Fernerkundungsdaten und Informationssystemen gegenüber kon- ventionellen Methoden nicht von der Hand weisen.

7. Schlußbemerkung und Ausblick

Diese Studie liefert methodische Grundlagen für die Erfassung des Landschaftswandels und zeigt eine kon- krete Umsetzung in zwei Testgebieten.

Die Resultate werden quantifiziert und visualisiert und können dadurch als wert- neutrale Grundlage in den Prozeß der Entscheidungsfindung mit einfließen.

Für die zukünftige Entwicklung der Tourismusregionen ist dies von großer Bedeutung.

Wie die Resultate aus beiden Test- gebieten zeigen, führt eine intensive touristische Entwicklung in alpinen Regionen zur Neugestaltung und Um- formung der Landschaft. Im Testgebiet Crans hat sich das Landschaftsbild unter dem Einfluß eines intensiven touristi- schen Wachstums innert Kürze stark verändert. Demgegenüber sind im Test- gebiet Obergoms seit dem Einsetzen der Tourismus-Entwicklung, speziell in der Siedlungsstruktur, nur geringfügige Veränderungen festzustellen.

Die Erfassung des Landschaftswan- dels über längere Zeit erfordert die In- tegration verschiedener Datenquellen.

Für die Periode, in der noch keine Satellitenbilder verfügbar sind, bilden Luftbilder und topographische Karten die wesentlichen Informationsquellen.

Diese Daten erfordern umfangreiche Vorverarbeitungen (Mosaikierung, radio- metrische Korrekturen und so weiter), ermöglichen aber eine detaillierte Er- fassung der tourismusbedingten Ver- änderungen. Die vorliegende Fragestel- lung verlangt eine Vorgehensweise auf detailliertem Niveau. Multispektrale Sensoren mit einer räumlichen Auf- lösung von 20–30 m (zum Beispiel IRS-MS oder Landsat-TM) erfüllen diese Anforderung nur bedingt. Wie erste Tests mit Szenen des IKONOS-Satelliten gezeigt haben, können aber in Zukunft auch hochauflösende Satellitenbilder der neuesten Generation effizient ge- nutzt werden, um Landschaftswandel in touristischen Gebieten zu erfassen.

Der rege Informationsaustausch an- läßlich verschiedener Präsentationen von CARTESIAN in Frankreich, Österreich und der Schweiz deutet auf ein großes Interesse von Seiten des Naturschutzes,

(10)

Marcel Zurflüh: Geboren 1972 in Zürich. Er studierte Geographie und Agronomie an der Universität Zürich und spezialisierte sich im Bereich Landwirtschaft und Tourismus mit einem Aufenthalt an der Universität von Zaragoza, Spanien. Von 1999 bis 2000 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationstechnik in der Abteilung Bildwissenschaften der ETH Zürich beschäftigt.

Daneben war er als Mittelschullehrer und an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) tätig. Seine Interessenschwerpunkte liegen in der Raumplanung und in der Entwicklungszusammenarbeit.

E-Mail: zurflueh@vision.ee.ethz.ch

Christian Huggel: Geboren 1972 in Männedorf, Kanton Zürich. Er studierte Geographie und Geschichte an der Universität Zürich und schloß im Bereich Fernerkundung und physische Geographie ab.

Nach Aufenthalten an der Universidad Nacional Autónoma de México war er von 1999 bis 2000 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationstechnik in der Abteilung Bildwissenschaften der ETH Zürich und als Assistent am Geographischen Institut der Universität Zürich tätig. Gegenwärtig doktoriert er in einem Projekt des Schweizerischen National-Fonds an der Abteilung physische Geographie der Universität Zürich. Die Forschungsschwerpunkte liegen dabei im Bereich Geo-Informationssysteme und Naturgefahren.

E-Mail: chuggel@geo.unizh.ch

Dominic Brander: Geboren 1972 in Uster, Kanton Zürich. Er studierte Geographie und Kartographie an der Universität Zürich. Nach dem Abschluß des Studiums arbeitete er von 1998 bis 2000 als wissen- schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationstechnik in der Abteilung Bildwissenschaften der ETH Zürich. Während dieser zwei Jahre beschäftigte er sich im Rahmen des Projektes CARTESIAN intensiv mit Fernerkundung und deren Einsatz im Bereich Umwelt- planung und Schneedecke. Nach der Gründung einer eigenen Firma ist er gegenwärtig im Bereich Web-Publishing tätig.

E-Mail: dbrander@snowflake.ch

Hans-Caspar Bodmer: Geboren 1956 in Zürich.

Er studierte Forstwissenschaften an der ETH Zürich und Fernerkun- dung an der Universität Zürich. Von 1978 bis 1979 war er Mitarbeiter im Department of Forestry in Südafrika und von 1982 bis 1984 am Bundesamt für Forstwesen und Landschaftsschutz. Er promovierte 1993 an der Professur für Forsteinrichtung und Waldwachstum ETH Zürich, wo er von 1985 bis 1992 als Assistent und Oberassistent tätig war. Von 1993 bis 1998 war er Oberassistent an der Professur für Natur- und Landschaftsschutz ETH.1998 wechselte er in den Direktionsstab der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und ist seit 2001 Mitglied der Ge- schäftsleitung der WSL. Zudem besitzt er Lehraufträge am Departe- ment Forstwissenschaften ETH (seit 1995) und am Departement angewandte Biowissenschaften ETH Zürich (seit 1998).

E-Mail: hans-caspar.bodmer@wsl.ch

von Planern, Politikern oder Tourismus- fachleuten hin.

Dabei wurde jedoch ein Problem deutlich, das sich immer wieder bei Forschungsvorhaben zeigt: Der Auftrag des Forschenden ist mit den Resultaten und möglichen Umsetzungsideen abge- schlossen. Bis zur praxisreifen Anwen- dung klafft jedoch eine Lücke, deren Bearbeitung im Forschungsbudget keinen Platz findet. Gleichermaßen kann sie auch nicht durch den Praktiker gefüllt werden, weil dieser primär an der Anwednung interessiert ist. Die EU ver- langt in ihren Projekten einen techni- schen Umsetzungsplan und ein Marke- tingkonzept. Damit ist aber noch keine Trägerschaft für die Überführung des

"Prototyps zur Produktion" gefunden.

Diese Schwachstelle wurde auch bei CARTESIAN geortet. Das Konsortium

versucht, ein Folgeprojekt zu lancieren, das zum Teil die Implementierung für die Praxis enthält.

Literaturverzeichnis

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[2] J. Krippendorf: Alpsegen Alptraum – Für eine Tourismus-Entwicklung im Einklang mit Mensch und Natur, MAB-Programmleitung, Geographisches Institut der Universität Bern gemeinsam mit Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus und der Universität Bern (Ed.), Kümmerly + Frey, Bern (1986).

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Erfassung und Bewertung der Land- nutzungsstruktur, IÖR-Schriften, Band 29, Dresden (1999), p. 1–8.

[7] T. Blaschke: "Quantifizierung der Struktur einer Landschaft mit GIS: Potential und Problem", in U. Walz (Ed.): Erfassung und Bewertung der Landnutzungsstruktur, IÖR-Schriften, Band 29, Dresden (1999), p. 9–25.

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[20] Vergleiche P. Walther, S. Julen: Unkon- trollierte Wald-flächenvermehrung im Schweizer Alpenraum, Berichte Nr. 282, EAFV, Birmensdorf (1986)

[21] H.-U. Scherrer, E. Surber: Behandlung von Brachland in der Schweiz, Berichte Nr. 189, EAFV, Birmensdorf (1978)

[22] N. Bischof: Pflanzensoziologische Unter- suchungen von Sukzessionen aus gemähten Magerrasen in der subalpinen Stufe der Zentralalpen, Flück-Wirth, Teufen AR (1984).

(Eingegangen am 13. Oktober 2000; W.G.)

Referenzen

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