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Broggi, M. F. (2002). Waldsterben - Was ist daraus geworden? GAIA: Ecological Perspectives for Science and Society, 11(1), 10-11. https://doi.org/10.14512/gaia.11.1.5

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Zehn Jahre GAIA und das Umweltthema 10

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Waldsterben - Was ist daraus geworden?

Mario F. Broggi

Direktor der Eidgenossi chcn Forschungsan tall WSL in Birmensdorr und Privatdozent an der Univer ital fUr Bodenkultur in Wien

E-Mail: mario.broggiwsl.eh www.wl.ch

bstract: The fore t declinc predicted in the early eighties fortunately did nol occur. Re earch initiated in the e day' howed that a quick an wer to these extremely complex problcm was hardly po ible.

The fore 1condition invel1lorie . which arc continuing today, emphasize:

the importance of long-term research. It i recogl1ized today that air pollution generally causes Ie s aClite damage than long-term impact.

11der polnisch-tschechoslowakischen Urenze wurde ich 1970 in einem Sattel- moor im Nationalpark Riesengebirge vom MiliHir angehalten und vernom- men. Riibezahls Heimat war damals noch ein geschlossenes Waldmeer, das mich durch seine Ausdehnung bee in- druckte. In den spaten 1970er und in den 1980er Jahren sind viele dieser Walder in kurzer Zeit abgestorben [1].

Bilder wie die von toten Waldern im Dreilandereck Polen- Tschechoslowakei- DDR (siehe Abbildung) geisterten an- fangs der 1980er Jahre durch die deut- sche Presse; ich entsinne mich noch der dramatischen dreiteiligen Titelgeschich- te im 'Spiegel' des Jahres 1981. Auch in der Schweiz stellte man, aufgeschreckt durch diese Bilder, Symptome eines Nadel- und B1attverlustes fest, und dies wurde als beginnendes Waldsterben in- terpretiert. Die Sorge vor aHem um unsere Bergwa]der war sehr groJ3, spielt hier doch die Schutzfunktion eine herausragende Rolle. Dies fUhrte zu Umfragen, ersten Sanasilva-Erhebungen und lnterpretationen der Kronenverlich- tungen. Der Nationalfonds finanzierte ein groBes Forschungsprogramm (NFP

14+). Poli-tische Manifestationen, inter- nationa]e Konferenzen und Konven- tionen iiberstiirzten sich. Eine mediale Grundwelle "Waldsterben" schwappte auch iiber die Schweiz, inklusive deren Wissenschaft. WissenschaftIer und Wis- senschaftlerinnen lieBen sich teilweise mitreiBen. Die Wirkung war so aus- gepragt, daB noch vorhandene Zweifler verstummten.

Das damals prognostizierte Waldster- ben ist bei uns zum Gliick ausgeblie- ben, doch die jahrlichen europaweiten Walderhebungen, die den Gesundheits- zustand der Baume nach der Dichte der Belaubung beschreiben, sind geblieben.

Danach weist bei uns ein Viertel der Baume deutliche Kronenverlichtung auf.

Es ist dies allerdings eine sogenannte

"End-of-pipe-Aussage", von der man nicht weiB, was fUr das Endergebnis der Beobachtung maBgeblich ist, wie es also zustande kommt. Wird das Erschei- nungsbild beziehungsweise die Vitalitiit der Baume vom Boden, vom Klima und des sen Veranderung, von der H6henlage,

vom Alter der Baume, von deren Expo- sition oder von der Luftverschmutzung beeinfluBt? Auch der Zusammenhang zwischen Erscheinungsbild und Gesund- heit b]eibt prob]ematisch und damit for- schungswiirdig.

Der dem "Waldsterben" folgende Oko-Aufruf zu Verhaltensanderungen bei der Auto-Mobilitiit fruchtete wenig.

Kampagnen wie "Der Wald stirbt, fahr weniger Auto" stempelten die Trager der griinen Bewegung zu Langweilern und Miesmachern. Dabei hatte die Re- duktion der Mobilitat durchaus positive Foigen fiir Mensch und Umwelt. Die Lebensqualitat k6nnte verbessert werden.

Der motorisierte Verkehr stoBt groBe Mengen von Schadstoffen aus, tragt zur Klimaanderung bei, und taglich kom- men dabei weltweit so viele Menschen urn, wie wenn flinf GroBraumflugzeuge

mit je 300 Personen abstiirzen wiirden.

Triife letzteres ein, so fl6ge wohl nie- mand mehr. Wir sind offensichtlich Meister im Verdrangen.

Und was ist nun vom "Waldsterben"

aus wissenschaftlicher Sicht geblieben?

Die damalige Extrapolation vom Riesen- und Erzgebirge mit sehr hohen Schwefeldioxid- und Saurebelastungen auf die Alpen war raumlich wie sachlich sehr heikel, und die Baume waren resi- stenter als angenommen. Die Erwartung an die Forschung urn schnelle Antworten war angesichts der Komplexitat der Sy- steme zu hoch, kurzfristige Antworten waren nicht m6glich. Die Wald6ko- systemforschung ist langfristig anzule- gen. Man muB demgemaB im nachhin- ein von einer zu vereinfachten Wald- sterbensdebatte reden. Auch mancher Wissenschaftler lieB sich in der herr-

Waldschiiden in den Sudeten, Polen 1990 ..

(Quelle: H.C. Bodmer, WSL, Blrmensdorf)

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Zehn Jahre GAIA und das Umweltthema II

GAl If J(~OO~J no I

schenden UngewiBheit zu gewagten Aus- sagen hinreiBen.

In der Schweiz diirften die Luftschad- stoffe kaum akute Schaden an Baumen bewirken. Die beobachteten Kronenver- Iichtungen k6nnen natiirliche Ursachen haben und lassen sich nicht kausal mit Schaden oder Krankheit verbinden.

DemgemaB ist das "Schadstufen"-Kon- zept fragwiirdig. In der Schweiz wurde die willkiirlich wertende "Schadstufen"- Terminologie mit dem Sanasilva-Bericht 1997 aufgegeben. Bereits ab 1992 hat die Eidgen6ssische Forschungsanstalt fur Wald, Schnee und Landschaft (WSL) auf die unklaren Abgrenzungen zwischen 'gesund' und 'geschadigt' aufmerksam gemacht.

e Ausgel6st durch die "Waldsterbens"- Forschung hat das Wissen urn das Okosystem Wald stark zugenommen,

insbesondere was Stoffi1iisse, Baum- physiologie und Wurzeln betrifft. Die Forschung ging yom Sichtbaren, namlich von der Baumkrone, in das Unsicht- bare, in die verborgenen Prozesse im Boden. Die kritischen Belastungsgren- zen rur Sauren, Stickstoff und Ozon werden in der Schweiz weitraumig iiberschritten. Dies ruhrt aber nicht zu akuten Schadigungen, sondem zu nach- teiligen Langzeitveranderungen. Dies ist einer der wichtigsten Wissensfortschritte der Waldschadensforschung. Wir k6n- nen also heute abschatzen, we1che Wir- kung Schadstoffeintrage langfristig im Okosystem Wald haben, we1che Walder empfindlich und we1che eher resistent sind. Das Verstandnis rund urn das Oko- system Wald hat also stark zugenom- men; es ist dies eine Umwegrentabilitat der Waldschadensforschung.

Es wurden umweltpolitisch richtige MaBnahmen getroffen, aber mit wissen- schaftlich nicht haltbaren Begriindungen, das heiBt verkiirzt und plakativ gesagt:

Die Therapie war richtig, trotz falscher Diagnose. Es gibt also Erfolge der Luft- reinhaltepolitik auszuweisen; so haben wir beispielsweise heute noch etwa ein Viertel der Schwefeldioxidbelastung von derjenigen vor zwanzig Jahren.

Das Szenario "Waldsterben" traf also nicht ein, doch noch immer belasten wir die Mitwelt starker, als es ihr und uns langfristig zutraglich ist. Wir mussen daher lemen, mit Langzeitrisiken UIDZU- gehen.

[I] W. Zierhofer: Umweltforschung und OjJent- lichkeit: Das Waldsterben und die kommuni- kativen Leistungen von Wissenschaft und Massenmedien, Westdeutscher Verlag, Opladen (I998).

Zehn Jahre Erfolgspolitik zum Schutz der Ozonschicht - nicht aber der globalen

Atmosphare

Thoma Peter

Professor rur Atmospharenchemic und Lciter der Gruppe Atmospharenchemie am lnstitut rur Almospharc und Klima, ETH Zurich

E-Mail: thomas.peteaJcthz.ch www.iae.dhz.eh/en/gro u ps/peter I

bstracl: In Copcnhagen 1992. lhe international community finally decided to curb chlorine emi ions of indu trial gases in order to protect thc ozone layer. Thi amendment to the 1987 "Montreal Protocol" could mark a paradigm hift in international environmental policy. However.

our current climate policy ignores that future climate change may lead to a massi e delay in ozonc recovery.

or zehn Jahren, 1992, entschied sich die internationale Staatengemeinschaft in Kopenhagen unisono, dem anthro- pogen bedingten Anstieg der Chlorkon- zentration in der global en Atmosphare endlich Einhalt zu gebieten. Chlor war bis dahin auf etwa das Fiinffache des natiirlichen Wertes angestiegen. Kopen- hagen bedeutete eine wesentliche Ver- scharfung des erst runf Jahre zuvor vereinbarten "Montrealer Protokolls"

zum Schutz der Ozonschicht und k6nnte einen Paradigmenwechsel in der inter- nationalen Umweltpolitik markieren.

Doch wahrend die beschlossenen Ver- einbarungen rechtlich Bestand haben und rigoros verfolgt werden, ist die Politik schnellebig. In Zeiten flauer Konjunktur riicken 6kologische Belange rasch in den Hintergrund, wie die ge- genwartige Krise bei den intematio- nalen Klimaverhandlungen zeigt. Unser

"business as usual" in der Klimafrage ignoriert, daB die Ozonschicht iiber den dichtbesiedelten n6rdlichen Teilen Europas, Asiens und Amerikas trotz des

sinkenden atmospharischen Chlorge- haltes in den kommenden Jahrzehnten dUTChanthropogene Klimaveriinderungen weiter abnehmen k6nnte. Mit Lebens- dauem von typischerweise hundert Jahren bei vielen ozonzerstorenden und klimaverandemden Gasen sind die zugrundeliegenden globalen Probleme extrem langlebig, und jedes Jahr des Aufschubs einer Selbstbegrenzung bei den Treibhausgas-Emissionen heute schlagt sich unvermeidbar in vielen Jahren Losungsverzug zur Zeit unserer Enkelkinder nieder.

1. Naturwissenschaftliche Forschung 1992-2002

In weitgehender Unkenntnis der ab- laufenden physikalischen und chemi- schen Prozesse in der antarktischen Stratosphare kam die Entdeckung des Ozonlochs 1985 als ein v611igunerwar- tetes Ereignis nicht nur rur die breite Offentlichkeit, sondern auch rur die Fachwelt [I]. Nach intensiven wissen- schaftlichen Auseinandersetzungen iiber

die Ursachen des Ozonlochs setzte sich Ende der achtziger Jahre die anthro- pogen-chemische Erklarung dUTCh.Aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) stammen des Chlor konnte in Messun- gen iiber der Antarktis als Hauptverur- sacher der Ozonzerst6rung nachgewie- sen werden [21. Wahrend das Ozonloch im antarktischen Friihjahr aufgrund spezieller meteorologischer Bedingun- gen ein extrem klares Signal darstellt, ist die Situation in den dichtbesiedelten mittleren und hohen nordIichen Breiten weit weniger klar. Dort hatte ein Ozon- loch yom AusmaB des antarktischen Phanomens katastrophale Folgen.

Dementsprechend konzentrierte sich die stratospharische Ozonforschung auf die Arktis und die n6rdlichen mittleren Breiten. Wesentliche Ergebnisse in der Zeit von 1992 bis 2002 betreffen das Verstandnis folgender Entwicklungen:

(1) Der Schwund der Ozonschicht in den n6rdlichen mittleren Breiten, also im Bereich 30 ON bis 60 ON, hat an Signifikanz gewonnen;

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