A-1412
S P E K T R U M AKUT
Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 21, 26. Mai 2000
Suchterkrankungen
Angehörige leiden ebenso
W
ährend über Drogenabhängige ausgiebig in der Öffentlichkeit diskutiert wird, bleibt es um die Probleme der Angehörigen von Suchtkranken still. Dabei bilden sie eine noch weitaus größere Gruppe als die Süchtigen selbst: Jeder zehnte Deutsche ist indirekt von Suchtkrankheiten betrof- fen. Vor allem Alkoholkranke – derzeit geschätzt auf zwei bis drei Millionen in Deutschland – belasten ihre Familien häufig mit unberechenbaren Gefühlsaus- brüchen. Der Leidensdruck der Angehörigen ist – oft- mals über Jahre hinweg – groß. Das veranlasste die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V.(DHS), Hamm/Westfalen, das Jahr 2000 zum „Jahr der Angehörigen Suchtkranker“ zu erklären.
A
uf der vierten Sucht-Selbsthilfekonferenz in Bonn wies der Psychiater und Therapeut Dr.Helmut Kolitzus auf die vielen Tragödien in Familien hin. Vor allem Frauen seien davon betrof- fen: Als Ehefrau, Lebenspartnerin oder Mutter erlei- den sie Scham und Schuldgefühle, Ängste und Ein- samkeit, oftmals auch Verarmung. Oft wird die Sucht des anderen zum wichtigsten Lebensinhalt, eine „Co- Abhängigkeit“ entsteht. Für diese Form der Abhän- gigkeit sind derzeit kaum Hilfen vorhanden. „Zudem werden Ärzte nur unzureichend auf das Thema vor- bereitet, spezielle Öffentlichkeitsarbeit oder gar For- schung nicht betrieben“, kritisiert Kolitzus. Abgetan mit der Diagnose „Depression“, wird die Situation der Betroffenen oft nicht weiter hinterfragt. Dabei helfen nach Kolitzus’ Ansicht in der Anamnese schon drei Fragen weiter: „Wird Ihr Leben durch die Sucht eines anderen beeinträchtigt?“, „Beschäftigen Sie sich dauernd mit dem Suchtproblem des Part- ners?“ und „Handeln Sie manchmal gegen Ihre Überzeugungen?“