A3076 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 45⏐⏐9. November 2007
P O L I T I K
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as der Michelin für die Gas- tronomie ist, soll der Qua- litätsbericht der Bundesgeschäfts- stelle Qualitätssicherung (BQS) für das deutsche Gesundheitswesen sein: eine Übersicht darüber, in wel- chen Krankenhäusern gute Arbeit geleistet wird. Entsprechend wurde auch die Präsentation des neuen Reports der Bundesgeschäftsstel- le Qualitätssicherung mit Span- nung erwartet. „Qualität sichtbar machen“ heißt der Bericht, dessen Resultate Ende Oktober auf einer Ergebniskonferenz vorgestellt und diskutiert wurden. Insgesamt stellt die BQS den Krankenhäusern ein gutes Zeugnis aus; die Qualität habe weiter zugenommen. Es gebe abernach wie vor Bereiche, in denen die Arbeit der Kliniken verbesse- rungswürdig sei. Bei 22 von 180 überprüften Indikatoren der ver- schiedenen Krankenhausbehandlun- gen gibt es demzufolge „besonde- ren Handlungsbedarf“. Ein Großteil der Kliniken weiche hier von er- reichbar guter Qualität ab. Anders als bisher, sollen die Ergebnisse des Berichts diesmal nicht mehr pau- schal, sondern klinikbezogen ver- öffentlicht werden. Ab Ende No- vember können sich einweisende Ärzte und Patienten per Internet über die Qualität der einzelnen Krankenhäuser informieren.
Für den Report hat die BQS im Auftrag des Gemeinsamen Bundes- ausschusses (G-BA) die Daten von 2,6 Millionen Behandlungen nach
bestimmten Kriterien ausgewertet.
Knapp 98 Prozent der deutschen Krankenhäuser haben sich an der Qualitätsstudie beteiligt. „Die Er- gebnisse insgesamt belegen eine sehr hohe Qualität“, erklärte Prof.
Dr. med. Michael-Jürgen Polonius.
Er ist der Vorsitzende des G-BA in seiner für Krankenhausbehandlung zuständigen Besetzung. Der Studie zufolge hat sich zum Beispiel die Behandlung von Brustkrebs erheb- lich verbessert. Die Zahl der Ein- griffe, bei denen die Brust erhalten wurde, habe sich auf erwünschte 80 Prozent erhöht. Auch habe sich die Zusammenarbeit zwischen Pa- thologen und Chirurgen verbessert.
So stellt der Report fest, dass der
„Sicherheitsabstand zwischen bös- artigem Tumor und Resektions- rand“ besser von den Pathologen dokumentiert wurde. „Dies ist ein relevanter Indikator für die Progno- se der Patientin sowie für die Zu- sammenarbeit von Pathologe und Chirurg“, erklärte Dr. med. Martina Dembrowski bei der Vorstellung des Qualitätsberichts.
Qualitätsverbesserungen konn- ten die BQS-Experten beispiels- weise auch bei Behandlungen von Schenkelhalsfrakturen und in der Bypass-Chirurgie feststellen. Im Gegenzug aber wird bemängelt, dass nur bei 52 Prozent der Patien- ten vollständig geprüft worden sei, ob ihr Zustand bei der Entlassung aus dem Krankenhaus stabil war.
Das solle aber bei allen Patienten
der Fall sein. Probleme gebe es auch bei der Geburtshilfe. So werde die durchschnittliche Zeitspanne vom Entschluss zu einem Notfallkaiser- schnitt bis zur Geburt des Kindes weiter als „kritisch“ bewertet. Auch die Versorgung zu früh geborener Säuglinge sei „qualitativ nicht aus- reichend“.
Ähnlich wie die Ergebnisse fal- len auch die Reaktionen auf den Be- richt unterschiedlich aus. Zufrieden zeigt man sich bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).
„Der BQS-Qualitätsreport belegt, dass die Kliniken die Herausforde- rungen eines Qualitätswettbewerbs angenommen und ihre Maßnahmen zur Qualitätssicherung in den letz- ten Jahren konsequent ausgebaut haben“, erklärte DKG-Präsident Dr.
Rudolf Kösters.
Kritischer ist da der gesund- heitspolitische Sprecher der Links- fraktion im Bundestag. „Profitori- entierung und Privatisierung des Krankenhaussektors führen zu ei- ner immer stärkeren Verdichtung der Arbeitsprozesse“, sagt Frank Spieth. Patienten würden immer früher entlassen „Aber Probleme beim Gehen mit der neuen Hüft- prothese, eine Infektion nach einer Knie-OP oder ein Druckgeschwür treten zeitverzögert auf.“ Seiner Meinung nach werden Komplika- tionen nur in den ambulanten Be- reich verlagert. „Hier versagt der Qualitätsbericht.“
Noch nicht zufrieden ist auch die Patientenvertreterin im G-BA, Ka- rin Stötzner. Es seien zwar zum Teil deutliche Verbesserungen erkenn- bar, sagt sie. „Im Ganzen betrachtet geht der Prozess der Qualitätsver- besserung aber viel zu langsam voran.“ So dauere es teilweise vie- le Jahre, bis neue Indikatoren auf den Weg gebracht seien. Zudem kritisierte Stötzner den sogenann- ten Strukturierten Dialog. Dabei sprechen die BQS-Fachgruppen auf Länderebene Kliniken mit „auffäl- ligen“ Ergebnissen an, um Verbesse- rungsvorschläge zu erarbeiten. „In manchen Ländern“, sagte Stötzner,
„entsteht der Eindruck, es bewegt sich nicht genug und es werden keine Konsequenzen gezogen.“ I Timo Blöß
QUALITÄTSSICHERUNG