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Hauser etwa verleiht der ohnehin ambivalenten Figur sogar noch weibliche Züge. Aus Gugging stam- men zudem mit die verstörendsten Bilder der Sammlung, die wie bei Fritz Koller die innere Fragmentie- rung des Psychosekranken nicht mehr verbergen.
Gerhard Dammann, dessen Frau seine Leidenschaft für diese Art der
„Outsider“-Kunst teilt, entdeckte seine Neigung während einer Famu- latur in der Prinzhorn-Sammlung in Heidelberg, der größten und berühm- testen Sammlung von „Irrenkunst“
in Deutschland. In Heidelberg hatte auch diese aktuelle Ausstellung im Sommer letzten Jahres unter dem Titel „wahnsinn sammeln“ begon- nen. Neben den genannten Künst- lern finden sich viele einzelne Pre- ziosen, zum Beispiel das überhaupt erste Bild von Unica Zürn. „Beson- ders stolz sind wir darauf“, berichtet Dammann, „dass es uns sogar ge- lungen ist, über das seltsame Wap- penblatt eines zunächst Unbekann- ten den sicher auch geisteskranken Universitätsmaler Abraham Beurer aus Altdorf bei Nürnberg (um 1720) der Anonymität zu entreißen.“ Das ist ihm bei seinem Lieblingsstück, einer Holzfigur aus der psychiatri- schen Klinik Sainte Anne in Paris, noch nicht gelungen. Ebenfalls nicht entschlüsselt ist das Rätsel um ein skurriles Holzbett, das auch aus einer französischen Anstalt stammt und womöglich von einem Künstler geschnitzt wurde, der die Südsee kannte. Wer jenseits all dieser be- sonderen Objekte mehr über den Wahnsinn des Sammelns von Wahn- sinn erfahren will, sollte auf den Ka- talog nicht verzichten. I Martina Lenzen-Schulte Johann Hauser:
Krampusfrau
Fotos:Sammlung Dammann
W
ahnsinn und Kunst galten im- mer schon als Verwandte, meist deutete man die Empfindsam- keit des Künstlers als eine von psy- chischen Einbrüchen bedrohte Gren- ze. Umgekehrt prädestiniert psychi- sche Labilität nicht zwingend zum Künstlertum. „Wirkliche Künstler gibt es unter den Kranken in der Psy- chiatrie ebenso selten wie unter den Gesunden“, sagt Gerhard Dammann,„allerdings besteht die Gefahr, dass man bei ihnen die Begabung eher übersieht.“ Damman leitet die Psy- chiatrische Klinik in Münsterlingen am Bodensee und trägt seit seinen Studententagen Kunstobjekte von psychiatrischen Patienten zusam- men. So ist eine der jüngsten Samm- lungen von Art brut entstanden, die seit dem 21. Januar im Ernst-Barlach- Haus in Hamburg zu sehen ist.
Der an Schizophrenie erkrankte Theodor Wagemann ist ein Beispiel für solch ein lang übersehenes Talent.
Der 1998 verstorbene Künstler pro- duzierte in einem Heim in Weeze am Niederrhein Hunderte von Zeichnun- gen auf billigstem Papier, die stets achtlos entsorgt wurden, bis einem Zivildienstleistenden seine Bega- bung auffiel. „Damit die Werke von psychiatrisch Kranken überhaupt er- halten werden, haben wir oft mit konservatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen“, erläutert Dammann.
Nicht zuletzt deshalb stellt man im Künstlerhaus Gugging, 20 Kilometer nördlich von Wien, oder auch im Zentrum La Tinaia in Florenz inner- halb besonderer psychiatrischer Ab- teilungen diesen Künstlern Bedin- gungen zur Verfügung, die auch das Arbeiten mit wertvollen Ausgangs- materialien einschließen, ohne indes auf eine Kunsttherapie zu zielen.
ART BRUT
Knecht Ruprecht als Frau
Die von Gerhard Dammann gesammelte Kunst von psychisch Kranken ist zurzeit im Ernst-Barlach-Haus in Hamburg zu sehen.
Aus Italien ist vor allem Giorda- no Gelli prominent vertreten. Von den Gugginger Künstlern sind Os- wald Tschirtner, Johann Hauser und August Walla bereits seit Langem über die Grenzen jenes kleinen Zir- kels hinaus bekannt, der sich mit der Kunst von psychiatrisch Kranken befasst. Sichtlich fasziniert ist Dam- mann von den Abwandlungen, die das Motiv des Knecht Ruprecht (Krampus in Österreich), der Angst- Lust erregende Begleiter des Niko- laus, bei seinen Künstlern erfährt.
Giordano Gelli:
Kopf
A886 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007