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Archiv "Indikationen und Kontraindikationen zur Shuntchirurgie bei Varizenblutung" (05.04.1996)

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D

ie Varizen- blutung ist Ausdruck der portalen Hy- pertension und damit eine der wichtigsten Komplikationen der Leberzirrhose. Die Blutungsquellen sind in absteigender Häu- figkeit Ösophagusva-

rizen, subkardiale Magenvarizen (auch Fundusvarizen genannt) und die Gastropathia hypertensiva als Ausdruck des venösen Staus. Pro- spektive Studien haben gezeigt, daß etwa 30 Prozent der Patienten mit Va- rizen irgendwann im Verlauf ihrer Er- krankung bluten. Trotz intensivmedi- zinischer Fortschritte und der Ein- führung neuer Thera-

pieverfahren bleibt die Mortalität der akuten Blutung mit 22 bis 84 Prozent hoch (35). Das thera- peutische Spektrum bei der akuten Blu- tung umfaßt medi- kamentöse, endos- kopische und (semi-)- invasive Maßnahmen.

Der Einsatz, ei- ner Sengstaken-Bla- kemore- oder Lin- ton-Sonde zur Bal- lontamponade ist nur noch selten erfor- derlich. Neuerdings bringt die Kombinati- on von Akutsklerosie-

rung und Einsatz von druck- und fluß- senkenden Medikamenten (insbeson- dere Vasopressinanaloga und Soma- tostatin) Blutstillungsraten von 80 bis 95 Prozent (42). Ohne weitere Thera- pie wäre jedoch eine hohe Rezidivblu- tungsrate zu erwarten: in der ersten Woche von etwa 30 und im ersten Jahr von etwa 65 Prozent.

Zur Vermeidung späterer Rezi- divblutungen hat sich in den letzten 20 Jahren die Dauersklerosierung eta- bliert, neuerdings alternativ die Gum-

mibandligatur. Häufig wird diese Lo- kalmaßnahme kombiniert mit der Dauerapplikation vasoaktiver Sub- stanzen (vor allem Propanolol). In den letzten fünf Jahren ist als neues Verfahren der transjuguläre, intrahe- patische portosystemische Stent- Shunt (TIPS) hinzugekommen (6, 20, 33, 36). Der TIPS entspricht hämody-

namisch einer portokavalen Seit-zu- Seit-Anastomose.

Die guten Ergebnisse der medi- kamentösen und endoskopischen Therapie und die Möglichkeit des TIPS führen zu der Frage, ob ein ope- ratives Verfahren zur Therapie der Varizenblutung überhaupt noch not- wendig und ethisch vertretbar sei.

Nicht zu übersehen sind bei der Dauer- sklerosierung aller- dings viele Detailpro- bleme wie Dyspha- gie, Ösophagussteno- se, Entwicklung von Fundusvarizen und in etwa 30 Prozent den- noch Rezidivblutun- gen. Bei der Medika- menteneinnahme sind es die Proble- me der Unverträglichkeit und damit der Compliance. Es verwundert des- halb nicht, daß der TIPS als einmalige Maßnahme auf eine zunehmende Akzeptanz stößt. Das überzeugende Prinzip der Dekompression ist aus der Shuntchirurgie übernommen. Er bedingt bei guter Lage eine kom- plette Dekompressi- on des Pfortader- hochdrucks, oft aller- dings um den Preis ei- nes Sistierens der in- trahepatischen Pfort- aderperfusion (Ab- bildung 1). Vorteile des TIPS im Ver- gleich mit chirurgisch angelegten Shunts sind die verminderte Invasivität und ge- ringere Beeinträchti- gung bezüglich einer späteren Lebertrans- plantation (1, 19, 25).

Je nach Shuntfluß und Leberfunktion ist ähnlich wie bei den chirurgischen Shunts mit einer Enzephalopathie unterschiedlicher Ausprägung in et- wa 25 Prozent zu rechnen (36). Der Hauptnachteil des TIPS ist die hohe Rate an Stentstenosen und -ver- schlüssen von etwa 48 (36) über 80 (20) bis 84 Prozent (33) nach einem Jahr, was einerseits eine Reblutungs- rate von etwa 20 Prozent nach einem Jahr bedingt, andererseits engma- schige Kontrollen und wiederhol- te Revisionen mit Ballondilatatio- nen, Thrombolysen und zusätzlichen

Portosystemische Shunt-Chirurgie wegen Ösophagusvarizenblutung

Andreas Hirner Martin Wolff

Klinik und Poliklinik für Chirurgie (Direktor:

Prof. Dr. med. Andreas Hirner) der Rheini- schen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Die Blutungskontrolle bei akuter Varizenblutung durch portale Hypertension läßt sich heute in etwa 90 Prozent durch endoskopische Verfahren erzielen.

Zur Rezidivblutungsprophylaxe stehen vasoaktive Pharmaka, Dauersklero- sierung, intrahepatischer Stent-Shunt (TIPS), chirurgische Shunts und als ein- zige kausale Therapie die Lebertransplantation zur Verfügung. Sorgfältige Evaluation von Hämodynamik, Stadium der Lebererkrankung und Risi- koprofil ist die Basis der Selektion für ein individuelles Therapieverfahren.

Abbildung 1: Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-Shunt (TIPS). Der Katheter ist über die Vena cava superior, rechte Lebervene, Stent (dickere Pfeile) und Pfortader eingeführt; sei- ne Spitze liegt in der Vena lienalis. Vollständiger Shunt mit weitgehendem Verlust der nutritiven, in- trahepatischen Pfortaderperfusion: links frühere, rechts spätere Kontrastierungsphase.

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Stents erfordert. Das Problem der Stentokklusion ist bei Child-A-Pati- enten wesentlich stärker ausgeprägt als bei Child-C-Patienten (33). Die methodenbedingte Letalität bei TIPS beträgt immerhin bis 6,3 Prozent (33). Zur Beurteilung der Sicherheit, Effizienz und der Langzeitergebnisse im Vergleich zu den operativen Shunts fehlen bisher prospektive kontrollierte Studien.

Das Ziel der chirurgischen Thera- pie der Ösophagusvarizenblutung ist die sichere Blutstillung beziehungs- weise die Verhütung von Rezidiv- blutungen (10, 19, 35). Dieses kann entweder durch Senkung des Pfort-

aderhochdruckes (portosystemische Shunt-Operation) oder durch Unter- brechung der Kollateralen aus dem Pfortaderstromgebiet in die Ösopha- gusvarizen erfolgen (Sperroperation).

Die aus Sicht der Autoren nur bei der Thrombose des Pfortadersystems not- wendigen Sperroperationen werden

im folgenden nicht abgehandelt. Der Vorteil der portosystemischen Shunt- Operation ist die einmalige therapeu- tische Maßnahme bei sicherer Druck- senkung in den Varizen und dadurch der Wegfall der Angst des Patienten vor weiteren Blutungen und vor wei- teren interventionellen Maßnahmen wegen Blutung. Eine Verlängerung der Überlebenszeit bei fortschreiten- der Lebererkrankung kann die Shunt- chirurgie ebensowenig wie die ande- ren palliativen Verfahren bieten.

Nach Lebertransplantation sind die Fünf-Jahres-Überlebensraten bei Patienten im Stadium Child B und C mit portaler Hypertension und einer

Anamnese mit blutenden Ösophagus- varizen mit etwa 70 Prozent zwar sehr gut (15), die Lebertransplantation kann jedoch insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Organspender- mangels und oft vorhandener Kontra- indikationen nicht als Verfahren zur Behandlung der Ösophagusvarizen-

blutung bei Child-A- und guten Child-B-Patienten angesehen werden (17). Bei blutenden Child-C-Patien- ten sollte jedoch stets an eine Trans- plantation gedacht werden.

Shuntformen

Komplette portosystemische Shunts

Der klassische komplette Shunt (Grafik 1a) ist die portokavale End- zu-Seit-Anastomose (PCA). Hinsicht- lich der Thromboserate (maximal fünf Prozent) ist sie die sicherste Ana-

stomose. Dies bedeutet eine ebenso geringe Rezidivblutungsrate. Im Ge- gensatz zu allen anderen Shuntfor- men ist der operativ-technische Auf- wand am geringsten, die Operations- zeit in aller Regel nicht länger als eine Stunde. Sie ist für eine Vielzahl von Chirurgen gut standardisierbar und Grafik 1

Wichtige portosystemische Shuntformen; a) Portokavale End-zu-Seit-Anastomose (PCA): Die Pfortader ist am Leberhilus abgesetzt und mit der infrahepatischen Vena cava inferior anastomosiert.

Wenn technisch notwendig, muß auch die V. coronaria ventriculi abgesetzt werden;

b) Portokavale Seit-zu-Seit- Anastomose: Entscheidener Nachteil ist der retrograd- portale Ausfluß aus der Leber (beim Budd-Chiari-Syndrom erwünscht); c) Mesokava- ler Interpositionsshunt (H-Shunt): Die V. mesenterica superior wird mittels (kurzer) Interposition eines ringver- stärkten 8-Millimeter-Teflon- segmentes mit der Vena cava inferior anastomosiert;

d) Distaler splenorenaler Warren-Shunt: Die Milzvene ist direkt vor ihrem Konfluens mit der V. mesenterica superi- or abgesetzt und mit der Ve- na renalis sinistra anastomo- siert. Wichtig ist die zusätzli- che Unterbrechung der Vena coronaria ventriculi, kombi- niert mit einer Skelettierung des distalen Magens (Zwei- Kompartment-Bildung).

a) b)

c) d)

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daher auch als Notoperation geeignet (10, 14, 23, 27).

Die PCA entzieht der Leber das gesamte Pfortaderblut. Jedoch hat

sich bei Zirrhose der portale Perfusi- onsanteil auf durchschnittlich nur noch 30 Prozent vermindert (beim Lebergesunden 66 Prozent) bei arte- rieller Kompensation und meist deut- lich erhöhtem Herzzeitvolumen. Bei acht bis 30 Prozent der Zirrhosepati- enten besteht sogar ein stagnierender beziehungsweise retro-

grader Pfortaderfluß (3, 8, 9). Bei guter Le- berfunktion (Child A und B) wird die Ab- trennung der Pfortader und deren Anastomo- sierung mit der Vena cava fast immer gut to- leriert und bedingt nur eine geringe Erhöhung der in etwa einem Drit- tel der blutenden Pati- enten schon präopera- tiv bestehenden porto- systemischen Enzepha- lopathie (postoperativ bis 40 Prozent).

Die portokavale Seit-zu-Seit-Anastomo- se (Grafik 1b) ist vor allem bei vorbestehen- dem Aszites indiziert.

Bei jenen Patienten, die zuvor noch eine prograd-portale Perfusion hatten, kommt es allerdings zu einer Strom- umkehr im zentralen Pfortaderanteil.

Beim Budd-Chiari- Syndrom bleibt der retrogradportale Aus- fluß aus der Le- ber erhalten. Aus den siebziger Jahren liegen drei Studien (18, 24, 32) zum Ver- gleich der End-zu- Seit- und Seit-zu-Seit- Anastomose vor. Zu- sammenfassend er- gibt sich für den Seit-zu-Seit-Shunt ei- ne schlechtere Fünf- Jahres-Überlebensra- te und eine höhere Enzephalopathierate.

Ursache ist wahr- scheinlich eine Ver- minderung der si- nusoidalen Perfusion durch sich öffnende arterioportale Ana- stomosen mit konse- kutivem hepatofugalen Blutfluß im zentralen Pfortaderanteil.

Der splenorenale laterolaterale Shunt (Cooley) wird vor allem bei Kindern mit Pfortaderthrombose an- gelegt. Der zentrale splenorena- le Shunt (Linton) hat heute keine Bedeutung mehr wegen höchster

Thromboserate (etwa 50 Prozent) und der Grundsätzlichkeit des Milz- verlustes.

Inkomplette

portosystemische Shunts Inkomplette Shunts wurden ent- wickelt, um durch partielle Umleitung des Pfortaderblutes einerseits eine portale Restperfusion aufrechtzuer- halten, andererseits den Pfortader- druck doch soweit zu senken, daß Va- rizenblutungen ausbleiben. Der me- sokavale Interpositionsshunt nach Drapanas, auch H-Shunt genannt (Grafik 1c), wird heute mit einer ring- verstärkten PTFE-Prothese von acht bis zehn Millimeter Durchmesser an- gelegt. Die Thromboserate liegt unter zehn Prozent (28). Dieser Shunt ist auch die Methode der Wahl beim prähepatischen Block (Pfortader- und Milzvenenthrombose) mit und ohne Leberzirrhose. Eine Modifikation stellt der von Sarfeh propagierte englumige portokavale H-Shunt dar, für den in einer randomisierten Studie eine signifikant geringere Enzepha- lopathierate gefunden wurde (37).

Selektive

portosystemische Shunts Der bekannteste und am häufig- sten durchgeführte selektive Shunt ist die distale splenorenale Anastomose (Grafik 1d) nach Warren. Pathophy- siologisches Ziel des Warren-Shunts ist die Dekompres- sion und Dekon- nektion der Pfort- aderzuflüsse des linken Oberbauchs bei Aufrechterhal- tung der Pfortader- perfusion und des Pfortaderhochdruk- kes. Die Throm- boserate liegt zwi- schen 10 und 30 Prozent, die Enze- phalopathierate ist mit etwa 23 Pro- zent relativ niedrig.

Wenn gleichzeitig die V. coronaria ventriculi unter- Abbildung 2: Indirekte Splenoportographie (vor splenorenalem Warren-

Shunt; siehe Abbildung 3) . Dargestellt die venöse Phase: Vena lienalis, Vena portae und die gut sichtbare Vena coronaria ventriculi mit Varizen.

Abbildung 3: Indirekte Splenoportographie nach splenorenalem Warren-Shunt. Dargestellt ist die venöse Phase (Pfeile markieren die Flußrichtung). Links: Leberwärts gerichteter Kontrastmittelfluß (prograde Pfortaderperfusion) aus der Vena mesenterica superior über die Pfortader in die Leber hinein. Rechts: Di- rekter Kontrastmittelfluß aus der Vena lienalis über die linke Nierenvene in die Vena cava inferior hinein.

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bunden und der distale Magen skelet- tiert wird (Abbildung 2), kann bei den meisten Patienten zunächst ein ante- grader Pfortaderfluß aufrechterhal- ten werden (Abbildung 3). Leider kommt es nach einem Jahr je nach

Autor in bis zu 70 Prozent der Fälle doch zu einer Flußumkehr in der Pfortader. Insofern ist der hämodyna- mische Vorteil des Warren-Shunts zeitlich meistens limitiert (12, 21).

Als die beiden wichtigsten Shunts haben sich bei uns als kom- pletter Shunt die portovakale End-zu- Seit-Anastomose und als inkomplet- ter beziehungsweise selektiver Shunt der Warren-Shunt herauskristalli- siert. In sechs randomisierten Studien zum Vergleich kompletter versus in- kompletter Shunts (6, 7, 11, 22, 26, 30) ließ sich zusammengefaßt kein signifi- kanter Unterschied bezüglich Fünf- Jahres-Überlebensrate oder Auftre- ten einer Enzephalopathie finden.

Die Rezidivblutungsrate war jedoch bei den kompletten Shunts in vier der Studien signifikant niedriger.

Zeitpunkt der Shuntchirurgie

Wie bei der Sklerosierung können auch bei der Shuntchirurgie drei Zeit- punkte ihres Einsatzes unterschieden werden: als Primärprophylaxe zur Ver- meidung einer Erstblutung, als Primär- therapie in der Blutung (notfallmäßige und frühe Operation) und als Sekun- därprophylaxe zur Vermeidung einer Rezidivblutung (elektive Operation).

Primärprophylaxe

Ende der sechziger Jahre wur- den in den USA vier randomisierte Studien durchgeführt (4, 16, 31), bei denen die konservative Therapie ge-

gen eine portokavale Anastomose verglichen wurde. Insbesondere die nach Shunt wesentlich schlechteren Fünf-Jahres-Überlebensraten (durch-

schnittlich 43 gegen 57 Prozent), aber auch die höheren Enzephalopathie- raten (durchschnittlich 45 gegen 29 Prozent) sind die Begründung für die weltweite Ablehnung der prophylak- tischen Shuntchirurgie. Diese signifi- kanten Nachteile werden nicht aufge- hoben durch die nach Shunt geringere Blutungsrate (durchschnittlich 8 ge- gen 28 Prozent).

Primärtherapie

Heute ist in der Blutung die Skle- rosierung aufgrund der Einfachheit, Verfügbarkeit und beinahe fehlender Risiken zu favorisieren. Nur selten ist

ein Notshunt indiziert: bei konserva- tiv nicht zu stillender Blutung, bei schon vorsklerosiertem Ösophagus, bei nicht sklerosierbarer Fundusvari- zenblutung oder bei der früheren Re- zidivblutung (10, 23, 27, 35). Aller- dings zeigt die Cello-Studie (2) bei Child-C-Patienten, daß eine Sofort- operation ohne initiale Sklerosierung keine schlechtere, aber auch keine bessere Überlebensrate erbringt als die ausschließliche Sklerosierung.

Die Krankenhausletalität des beim Notshunt negativ selektionierten Pa- tientenkollektivs liegt bei durch- schnittlich 30 bis 50 Prozent. Erste Angaben für den in der anhaltenden Blutung durchgeführten TIPS zeigen eine ähnlich hohe Krankenhausleta- lität.

Sekundärprophylaxe

In fünf randomisierten Studien aus der zweiten Hälfte der achtziger Jahre (Tabelle 1) wurde ein Shunt ge- gen Langzeitsklerosierung verglichen (13, 29, 34, 38, 41). Meist wurde ein Warren-Shunt durchgeführt, bei Pla-

nas (29) eine portokavale End-zu- Seit-Anastomose. Die Langzeitergeb- nisse sprechen nur bei Henderson (13) gegen das Shunt-Vorgehen, bei den anderen vier Autoren sind die Überlebensraten gleich, die Rezidiv- blutungsraten bei den operierten Pa- tienten wesentlich günstiger, dafür je- doch das Problem der portosystemi- schen Enzephalopathie etwas stärker.

Für die Untergruppe der Nicht-Alko- holiker ist die Überlebensrate nach Shunt in zwei Studien signifikant höher (39). Die entscheidende Crux dieser fünf Studien ist, daß in der kon- sekutiven Reihe von über 1 200 Pati- enten knapp 900 Patienten als nicht Tabelle 1

Randomisierter Vergleich zwischen Warren-Shunt (DSRS) und Dauersklerosierung (SKL)

5-Jahres- portosystemische Rezidiv-Blutung Überlebensrate Enzephalopathie

(DSRS/SKL) (DSRS/SKL) (DSRS/SKL) Rikkers 1987, n = 66 (34) 63/60 21/14 17/60*

Terés 1987, n = 94 (41) 79/71 19/ 6 14/34*

Henderson 1990, n = 72 43/68* 16/12 3/39*

(13)

Spina 1990, n = 66 (38) 88/75 7/ 7 3/46*

Planas 1991, n = 69 (29) portokavale End-zu-Seit-Anastomose gegen SKL (nur 2jährige Beobachtung)

83/79 29/11* 3/40*

(alle Angaben in %; * = signifikant)

Tabelle 2

Child-Pugh-Score

1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte

Albumin (g/dl) . 3,5 2,8–3,5 ,2,8

Bilirubin (mg/dl) ,2,0 2,0–3,0 .3,0

Quick (%) .70 40–70 ,40

Aszites (im Ultraschall) keiner leicht stark

Enzephalopathie (nach Trey 1966) keine I und II III und IV Child A: 5 und 6 Punkte Child B: 7 bis 9 Punkte Child C: 10 bis 15 Punkte

(5)

studiengeeignet unberücksichtigt blie- ben. Ob dies der Realität eines Kran- kenkollektives entspricht, ist zu be- zweifeln. Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse aufgrund der Einma- ligkeit des therapeutischen Vorge- hens eher für als gegen ei-

nen operativen Shunt, zu- mindest in den Child-Stadi- en-A und (gutes) -B.

Indikation und Kontraindikation

Das Hauptproblem der Shuntchirurgie ist, Se- lektionskriterien der richti- gen Patienten für den ge- eigneten Shunt zum opti- malen Zeitpunkt zu finden.

Eine einheitliche Defi- nition, wann eine nichtope- rative Therapie bei Blu- tung als erfolglos angese-

hen werden soll, gibt es nicht. Zwei Definitionen sind die fehlende Blu- tungskontrolle über 48 Stunden (23) oder Rezidivblutung nach zwei Sklerotherapie-Sitzungen (40). Prin- zipiell müssen Patienten, die ein ho- hes Rezidivblutungsrisiko haben oder deren Blutung kon-

servativ nicht zu kontrollie- ren ist, rechtzeitig einem dekomprimierenden Ver- fahren zugeführt werden, bevor aufgrund der Kreis- laufinstabilität oder früh- rezidivierender Blutungen eine Dekompensation der Leberfunktion eintritt. Der wichtigste prognostische Parameter für die Kliniks- letalität unabhängig von dem gewählten Shunttyp bleibt das Child-Stadium (Tabelle 2, Grafik 2).

Kriterien für die Wahl des adäquaten Shunttyps sind die präoperative Le- berfunktion, die Leberhä- modynamik (dabei beson- ders die anteilmäßige Pfort- aderperfusion), der Zeit- punkt und die Dringlich- keit im Verhältnis zum Ausmaß der Blutung und die persönliche Erfahrung des Operateurs.

Im Mittelpunkt der klinischen Diagnostik steht deshalb die präope- rative Erkennung der Pfortaderper- fusion mittels farbkodierter Duplex- sonographie, Lebersequenzszintigra- phie und indirekter Splenoportogra-

phie sowie die Bestimmung des Child-Stadiums. Im Child-Stadium C sollte bei entsprechender Dringlich- keit möglichst ein inkompletter oder selektiver Shunt angelegt werden.

Ein kaum zu lösendes Dilemma bleibt, daß gerade die Patienten mit

schlechter Leberfunktion sowohl die höchste Rate an nichtoperativen Therapieversagern als auch das höch- ste operative Risiko haben. Die Indi- kationskategorien sind im Textkasten zusammengefaßt.

Eigenes Vorgehen

Ein Flußschema für das Thera- piekonzept bei Ösophagusvarizen- blutung an der Chirurgischen Univer- sitätsklinik Bonn ist in Grafik 3 ange- geben. Die früher strikt angewandte Trennung zwischen Not-, Früh- und Intervalloperation wird heu- te nicht mehr zwingend vorge- nommen. Wenn nach entspre- chender Evaluation die Ent- scheidung zur Operation gefal- len ist, sollte diese auch mög- lichst bald durchgeführt werden.

Tabelle 3 zeigt die wesentlichen klinischen Daten unserer Patien- ten mit portokavaler End-zu- Seit-Anastomose und mit War- ren-Shunt. Wichtig für eine er- folgreiche Therapie ist eine engmaschige Langzeit-Betreu- ung des Patienten nach der Ope- ration in einer speziellen Nach- sorgesprechstunde:

1 regelmäßige klinische und laborchemische Untersu- chungen zur Prüfung der Leber- funktion und frühzeitigen Erfas- sung einer Enzephalopathie;

1 Enzephalopathieprophy- laxe mit Eiweißrestriktion (50 bis 60 g/ Tag) und Lactulose;

1 bei nur leichten bakteri- ellen Infekten (auch bei aufwen- 100

80 60 40 20 0

Überlebensrate %

0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 Child A (n = 53)

Child B/C (n= 43)

Monate 89 %

46 %

74 %

31 %

Grafik 2 Portosystemische Shunt-

operationen an der Chir- urgischen Universitätskli- nik Bonn 1989 bis 1994 (n = 96). Überlebensra- ten in Abhängigkeit vom präoperativen CHILD- PUGH-Stadium. Die Le- berfunktion bestimmt die unterschiedliche Letalität in den ersten drei Mona- ten nach Operation: elf Prozent bei CHILD A und 54 Prozent bei CHILD B und C. Im Verlauf besteht bis zu drei Jahren post- operativ kein weiterer Unterschied.

Varizenblutung

Rezidivblutung

Shunt OLTx

Child A/B

Blutungsrisiko hoch

Blutungsrisiko gering

Kein OLTx Kandidat

OLTx Kandidat

Sklerosierung TIPS Child B/C Intensivtherapie

Akutsklerosierung/Gummibandligatur vasoaktive Pharmaka

Evaluation Leberfunktion, Leberperfusion Ätiologie, Begleiterkrankungen

Dauersklersosierung Gummibandligatur und/oder vasoaktive Pharmaka Grafik 3

Therapiekonzept bei Varizenblutung der Chirurgischen Universitätsklinik Bonn.

(6)

diger Zahnbehandlung) großzügige Verordnung von Antibiotika;

1 duplexsonographische und ge- gebenenfalls magnetresonanzangio- graphische Überprüfung der Shunt- durchgängigkeit und die endosko- pische Kontrolle der Ösophagus- varizen;

1 Zurückhaltung in der Verord- nung von Diuretika: Leichte periphe- re Ödeme sollten genauso wie ein leichter Aszites toleriert werden;

1 Bahnung einer psychosozia- len Betreuung bei Alkoholproble- men: Bei Orloffs 94 Child-C-Patien- ten, die notfallmäßig eine PCA erhiel- ten, verbesserten sich postoperativ vor allem durch Alkoholabstinenz 73 Prozent in ein Stadium B und 21 Pro- zent in ein Stadium A (27);

1 Screening bezüglich eines he- patozellulären Karzinoms (Sonogra- phie und Bestimmung des alpha-Fe- toproteins im Serum).

Unter diesen Prämissen können gute Langzeitergebnisse erreicht wer- den: 57 Prozent unserer Patienten sind wieder arbeitsfähig, 80 Prozent machen Urlaubsreisen und 88 Pro- zent sind mit dem Zustand zufrieden.

15 Prozent unserer postoperativen Patienten haben eine meist passagere Enzephalopathie, und 29 Prozent ent- wickeln eine Leberinsuffizienz als Ausdruck der Grunderkrankung

„Zirrhose“ und nicht als Folge der portosystemischen Anastomose.

Schlußbemerkungen

Es besteht die grundsätzliche Berechtigung zu einem operativ de- komprimierenden Verfahren auf- grund der vorliegenden Daten zur Shuntchirurgie und aufgrund der per- sönlichen Erfahrung. Bei hoher por- taler Restperfusion ist ein inkomplet- ter oder selektiver Shunt zu favorisie- ren, wenngleich hierfür beweisende Daten fehlen. Solange der TIPS nicht den Beweis erbracht hat, daß er hin- sichtlich der verschiedenen Zielkrite- rien wie Methodenmorbidität und - letalität, Interventionshäufigkeit, Enzephalopathierate und Patienten- compliance besser ist, ist bei vielen Patienten der operative Shunt ge- rechtfertigt. Dies gilt insbesondere für Patienten mit guter Leberfunkti- on und hohem Rezidivblutungsrisi- ko, die eine sichere und dauerhaf- te Varizendekompression benötigen.

Für eine differenzierte Therapieent- scheidung spielt neben einem stan- dardisierten Behandlungskonzept die Erfahrung mit einer ausreichend großen Zahl dieser meist multimorbi- den Patienten und Verfügbarkeit der unterschiedlichen Therapieverfahren eine wichtige Rolle. Nach primärer Stabilisierung sollten daher die Pati- enten in entsprechend ausgerüsteten Kliniken konzentriert werden.

PS: Nach Fertigstellung dieses Artikels erschien 1995 in Hepatology (22: 1591–1597; M. L. Shiffman et. al.) die Zusammenfassung einer amerika- nischen Konsensus-Konferenz zur

Differentialindikation des TIPS ver- sus Shuntoperation. Hierin empfiehlt die American Association for the Study of Liver Diseases, daß bei Child-A-Patienten der Shuntoperati- on gegenüber dem TIPS der Vorzug gegeben werden sollte.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-893–898 [Heft 14]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Andreas Hirner Klinik und Poliklinik für Chirurgie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn

Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn

Tabelle 3

Ergebnisse der Shuntchirurgie 1989 bis 1994 der Chirurgischen Universitäts-Klinik Bonn

PCA Warren-Shunt (n = 58) (n = 23)

Durchschnittsalter 53 Jahre 50 Jahre

Vorausgegangene Sklerosierungen 2,2 Mal 2,6 Mal EK-Gabe wegen jetziger Blutung 4,6 EK 1,2 EK

Child-Verteilung: Child A 46% 60%

Child B 37% 35%

Child C 17% 5%

Früh- und Notshunts 42% 0%

Kliniksletalität 28% 13%

Indikation im Rahmen der Erst- blutung trotz Sklerotherapie und vasoaktiven Pharmaka – anhaltende Blutung

– früh rezidivierende Blutung – Fundusvarizen

– Gastropathia hypertensiva Indikation als Sekundärprophy- laxe einer Rezidivblutung – prähepatischer Block

(Pfortaderthrombose, Schistosomiasis) – posthepatischer Block

(Budd-Chiari-Syndrom) – nach massiver erster Blutung

(.4 Erythrozytenkonzen- trate)

– auf Wunsch des Patienten nach objektiver Darstellung der Therapieoptionen

Kontraindikationen – Panthrombose des Pfort-

adersystems (dann eventuell Sperroperation)

– Sepsis, Multiorganversagen – hepatorenales Syndrom – schwere kardiopulmonale

Begleiterkrankung

– Tumorleiden, insbesondere HCC

Indikationen und Kontrain- dikationen zur Shuntchirur- gie bei Varizenblutung

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