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Archiv "Parvovirus-B19-Infektionen: Sind es nur harmlose Ringelröteln?" (25.10.1996)

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D

as humane Parvovirus B19 gehört zu der Gruppe der Parvoviridae (Grafik 1). Ne- ben den Parvoviren gehören zu dieser Gruppe die Densoviren und die Adeno-assoziierten Viren (AAV).

Beim Menschen sind bisher Parvovi- rus B19 und AAV nachgewiesen wor- den, wobei letzteres wahrscheinlich apathogen ist. Parvovirus B19 ist das kleinste bekannte humanpathogene DNA-Virus. Es besteht aus einsträn- giger DNA (5 176 Nukleotide) sowie zwei Strukturproteinen (VP1 und VP2), die das Capsidprotein bilden.

Zusätzlich kodiert die Virus-DNA für zwei regulatorische Proteine, die bei der Virusreplikation wichtige Aufga- ben erfüllen. Wie alle Parvoviren ist auch Parvovirus B19 unbehüllt (3).

Pathogenese

Infektionsmechanismus

Parvovirus B19 hat einen ausge- prägten Tropismus für erythropoeti- sche Vorläuferzellen, die es lytisch infi- ziert. Hierzu zählen BFU-E (burst for- ming unit erythroid), CFU-E (colony forming unit erythroid), Pronormobla- sten und Normoblasten (9). Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß of- fenbar das Blutgruppen- P-Antigen als Rezeptor für Parvoviren fungiert (4).

Menschen, denen das P-Antigen fehlt (Phänotypen P1kund p), scheinen resi- stent gegen Parvovirusinfektionen zu sein. Jedoch können auch megakaryo- zytäre oder myeloische Zellen von Par- vovirus B19 befallen werden, was sich dann in einer Thrombozytopenie und/oder Neutropenie manifestiert.

Pathophysiologie

Infektionen mit humanem Parvo- virus B19 werden in der Regel durch Tröpfcheninfektion erworben. Sie können aber auch durch Blut oder Blutprodukte übertragen werden. Par- voviren werden nämlich weder durch Detergenzverfahren (14, 19) noch

durch Hitzesterilisation (15, 23, 29) ausreichend inaktiviert. Inwiefern neuere Virusinaktivierungsverfahren, wie die Anwendung von Nanofiltern, einen sicheren Schutz darstellen, kann derzeit trotz optimistischer In-vitro- Daten (5) noch nicht endgültig beur- teilt werden. Schließlich kann die In- fektion auch transplazentar von der Mutter auf den Föten erfolgen. Parvo- viren führen binnen einer Woche zu ei- ner ausgeprägten Virämie mit Infekti- on der erythropoetischen Vorläufer- zellen. Diese werden praktisch gänz- lich lysiert, so daß in der zweiten Wo- che post infectionem im peripheren Blut keine Retikulozyten mehr nach- weisbar sind. Diese Retikulozytopenie hält meist etwa zehn Tage an und führt

zu einer mehr oder weniger ausgepräg- ten Anämie (1). Die verschiedenen kli- nischen Bilder der Erkrankung sind zum einen auf die Aplasie der Erythro- poese und zum anderen auf den immunologischen Status des Patienten zurückzuführen. Beim immunkompe- tenten Patienten bilden sich etwa zehn Tage nach Infektionsbeginn spezifi- sche, neutralisierende, gegen VP1 und VP2 gerichtete IgM-Antikörper. Eine Woche später bilden sich IgG-Anti- körper. Dadurch kann das Virus in al- ler Regel eliminiert werden, und 25 bis 30 Tage nach Virusinokulation errei- chen die Hämoglobinspiegel wieder ihre Ausgangswerte (Grafik 2). Man nimmt derzeit an, daß sowohl das etwa zwei Wochen nach Infektionsbeginn auftretende typische Erythem als auch die häufig zu beobachtenden Arthral- gien immunologisch ausgelöst werden.

Klinische Bilder

Das klinische Bild einer Infekti- on mit humanem Parvovirus B19 vari- iert je nach hämatopoetischer und im- munologischer Ausgangslage des infi- zierten Patienten (Grafik 3).

Normalpersonen

Asymptomatische Erkrankung Beim gesunden Erwachsenen verläuft die Parvovirusinfektion häu- fig asymptomatisch. Durch Studien an IgM-positiven Schwangeren konnte gezeigt werden, daß weniger als die Hälfte der infizierten Frauen sympto- matisch wurden und ein Erythem oder Arthralgien entwickelten (6). In eini- gen Fällen wurden grippeähnliche Symptome beobachtet. Da die norma- le Überlebenszeit der Erythrozyten 120 Tage beträgt und die Infektion be- reits nach drei Wochen durch die Bil- dung von Antikörpern eliminiert wird, verläuft die sich entwickelnde Anämie meist mild und wird von den Patienten nicht wahrgenommen.

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M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 43, 25. Oktober 1996 (61)

Parvovirus-B19-Infektionen

Michael Schleuning

Parvovirus-B19-Infektionen sind häu- fige Erkrankungen. 40 bis 60 Prozent der Bevölkerung weisen positive Immunglobulintiter auf. Die bekann- teste durch Parvovirus B19 ausgelöste Erkrankung ist das meist harmlos ver- laufende Erythema infectiosum, auch Ringelröteln genannt. Aufgrund eines ausgeprägten Tropismus für erythro- poetische Vorläuferzellen kann dieses Virus bei Patienten mit verkürzter Erythrozytenüberlebenszeit und beim Föten lebensbedrohliche Erkrankun- gen auslösen. In jüngster Zeit mehren sich darüber hinaus Hinweise, daß die- ses Virus bei immunsupprimierten Pa- tienten persistieren kann und auch für nicht-hämatologische Krankheitsbil- der, wie Hepatitis oder Myokarditis, verantwortlich ist.

Sind es nur harmlose Ringelröteln?

Medizinische Klinik III (Direktor: Prof. Dr.

med. Dr. h. c. W. Wilmanns), Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München

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Erythema infectiosum

Das Erythema infectiosum ist ei- ne auch als Ringelröteln bekannte Kinderkrankheit und befällt typischer- weise Kinder im Vorschulalter. Nach relativ milden und häufig nicht beach- teten Prodromalsymptomen kommt es nach ein bis zwei Wochen zur

Ausbildung eines typischen, meist juckenden Exanthems, das zunächst an den Wan- gen beginnt und die Na- sen-Mund-Region ausspart (slapped cheek appearance).

Das makulopapulöse Exan- them breitet sich über den ganzen Körper aus und be- fällt insbesondere die Streck- seiten der Extremitäten so- wie die Glutealregion und zeigt eine Tendenz zur zen- tralen Abblassung, so daß ei- ne retikuläre Zeichnung ent- steht (Abbildung). Gelegent- lich können auch die Hand- innenflächen und die Fuß-

sohlen befallen sein. Das Exanthem blaßt nach einer Woche ab, kann aber nach physikalischer Hautreizung sehr rasch erneut auftreten. Meist besteht keine generalisierte Lymphadenitis.

Allgemeinsymptome wie Husten, Kopfweh, Fieber, Appetitlosigkeit, Er- brechen, Diarrhö und Arthralgien können auftreten, sind dann aber nicht sehr ausgeprägt.

Rheumatoide Verlaufsform Während Kinder nur in zehn Pro- zent der Fälle unter Arthralgien oder arthritischen Beschwerden leiden, kommt dies bei Erwachsenen in bis zu 60 Prozent der Fälle vor. Dabei sind Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Arthropathie ist meist eine akute, symmetrische, periphere Polyarthritis und befällt die Metacarpophalangealgelenke (75 Prozent), die proximalen Interpha- langealgelenke (75 Prozent), die Knie (65 Prozent), die Handgelenke (55 Prozent) und die Fußknöchel (40 Pro- zent). Die Symptomatik besteht in Schmerzen und Schwellung und klingt in der Regel nach wenigen Wo- chen ab. Bei einigen Patienten kön- nen die Symptome zum Teil jahrelang intermittierend fortbestehen (30). Ein

Teil dieser Patienten mit chronischer Arthropathie erfüllt die Kriterien ei- ner rheumatoiden Arthritis. Auch an- dere Erkrankungen aus dem rheuma- tischen Formenkreis wie Polyarteritis nodosa, Purpura Schönlein-Henoch, Kawasaki-Erkrankung, Stillistische Erkrankung und systemischer Lupus

erythematosus wurden mit Parvovi- rus-B19-Infektionen in Zusammen- hang gebracht. Die ätiologische Rolle von Parvo B19 ist bei diesen Erkran- kungen aber nicht gesichert.

Seltene Krankheitsbilder In einer kürzlich publizierten Stu- die konnte gezeigt werden, daß bei Kindern ein Teil der Fälle von non- A-, non-B-, non-C-Hepatitiden mit Parvovirus B19 assoziiert war (31).

Beim Erwachsenen gibt es ledig- lich kasuistische Mitteilungen über Parvo-B19-assoziierte hepatische Dys- funktionen (27). Außerdem wurde ge- legentlich über Fälle von Parvo-B19- assoziierter Myokarditis berichtet (16, 22). Auch bei einigen Fällen von idio- pathischer thrombozytopenischer Pur- pura wird das Virus als auslösendes Agens angesehen (26).

Erhöhter

Erythrozytenumsatz

Aplastische Krise

Bei Patienten mit hämolytischen Anämien, egal welcher Genese, führt der Befall der erythropoetischen Vor-

läuferzellen mit Parvovirus B19 und das damit verbundene Sistieren der Erythropoese zu einer lebensbedroh- lichen aplastischen Krise (11). Apla- stische Krisen wurden auch bei Eisen- mangelanämien beobachtet. Bei die- sen Krisen kommt es regelmäßig zu einem Abfall des Hämoglobins, und klinisch stehen die Sympto- me der Anämie im Vorder- grund. Manchmal jedoch entwickelt sich auch eine Thrombozytopenie und/

oder Neutropenie. Norma- lerweise sind derartige apla- stische Krisen durch die Bil- dung von spezifischen Anti- körpern selbstlimitiert und nach ein bis zwei Wochen beendet. Im Knochenmark kommt es zu einem nahezu vollständigen Verlust der erythropoetischen Vorläu- ferzellen. Bei den wenigen verbliebenen Vorstufen fin- den sich häufig Riesenpro- erythroblasten. Bei Patien- ten mit hämolytischen Anämien wird die Inzidenz von Parvovirus-B19-as- soziierten aplastischen Krisen auf zwei bis fünf Prozent pro Jahr ge- schätzt.

Hydrops fetalis

Parvovirusinfektionen können bei IgM-postiven, IgG-negativen Schwangeren transplazentar auf den Föten übergehen. Aufgrund der kur- zen fetalen Erythrozytenüberlebens- zeit während der ersten 20 Schwan- gerschaftswochen kann die Infektion zu einer schweren Anämie und Hypo- xie des Föten führen. Man nimmt an, daß es dadurch sekundär zu einer schweren Herzinsuffizienz kommt, die wiederum zu Flüssigkeitsretenti- on führt. Das Vollbild eines Hydrops fetalis ist dann gekennzeichnet durch Aszites, Pleuraergüsse und Hydram- nion und führt nicht selten zu Spon- tanaborten.

Parvoviren können zusätzlich in fast allen fetalen Organen, einschließ- lich des Herzens, akut entzündliche Veränderungen hervorrufen (17, 18).

Mißbildungen wurden jedoch nach Parvo-B19-Infektionen nicht gehäuft beobachtet. Infektionen jenseits des zweiten Trimesters verlaufen auf-

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M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

(62) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 43, 25. Oktober 1996 Adeno-

assoziiertes Parvovirus

(AAV)

Densovirus

Parvoviridae Parvovirus Parvovirus B19 Grafik 1

Familie der Parvoviridae. Parvovirus B19 und Adeno-assoziiertes Parvovirus kom- men beim Menschen vor. Pathogen ist nur Parvovirus B19.

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grund der längeren Erythrozyten- überlebenszeit meist asymptomatisch.

Die Inzidenz von akuten Parvo-B19- Infektionen während der Früh- schwangerschaft liegt bei etwa vier bis fünf Prozent, muß jedoch bei Schwan- geren, die häufig Kontakt zu Kindern im Vorschulalter haben (zum Beispiel Kindergärtnerinnen), höher angesetzt werden, insbesondere bei endemi- schen Ausbrüchen der Erkrankung.

Bei bis zu zehn Prozent der infizierten Schwangeren kommt es zur transplazen- taren Infektion mit Ausbil- dung eines Hydrops feta- lis, der unbehandelt häufig zum Spontanabort führt.

Schwangere, die Kontakt zu Kindern mit Ringelröteln haben, sollten deshalb un- abhängig von Krankheits- zeichen serologisch (25) un- tersucht werden, und bei Nachweis von spezifischen IgM-Antikörpern muß die fetale Entwicklung engma- schig durch Ultraschallun- tersuchungen kontrolliert werden, um bei Ausbildung eines deutlichen Hydrops fetalis eine intrauterine

Bluttransfusion durchführen zu kön- nen. Dies ist zur Zeit die einzige gesi- cherte, wenn auch risikoreiche, Thera- piemaßnahme und bietet zudem den Vorteil, daß auch fetales Blut zur Dia- gnostik, für die Parvo- B19-PCR, ge- wonnen werden kann.

Immunsupprimierte Patienten

Chronische Anämie

Bei immunsupprimierten Patien- ten kann Parvovirus B19 persistieren und zu einer chronischen Anämie führen (12, 20, 28). Verläufe von bis zu zehn Jahren sind beschrieben (13).

Als prädisponierende Faktoren wur-

den folgende Erkrankungen und The- rapiemaßnahmen beschrieben: Thy- musaplasie (Nezelof-Syndrom), Im- mundefizienz (zum Beispiel SCID), akute Leukämien, chronisch myelo- ische Leukämie, maligne Lymphome, myelodysplastisches Syndrom, Astro-

zytom, Wilms-Tumor, HIV-Infektion, systemischer Lupus erythematodes, Zytostatikatherapie, Organtransplan- tationen (11). Meist handelt es sich bei diesen chronischen Anämien um relativ milde Verlaufsformen, und auch die Parvovirus-B19-Konzentra- tion im Blut ist deutlich geringer als zum Beispiel bei der aplastischen Kri- se. Der typische Ausschlag und Ge- lenkbeschwerden fehlen meist. Da bei dieser Patientengruppe ein Immundefekt vorliegt, ist es nicht verwunderlich, daß in der Regel keine spe- zifischen IgM-Antikörper nachgewiesen werden kön- nen. Dies wiederum erklärt auch, daß das Virus persi- stieren kann. Die Diagnose muß sich in diesen Fällen auf den Virusnachweis im Blut mittels PCR stützen (24). In Einzelfällen wurde auch bei Patienten ohne of- fensichtlichen Immunde- fekt eine chronische Parvo- B19-assoziierte Anämie be- obachtet (7). Die Therapie besteht in Bluttransfusio- nen und in der Verabrei- chung von Immunglobuli- nen (11). Dabei ist aber sicherzustel- len, daß die verwendeten Blutpräpa- rate einerseits nicht selbst kontami- niert sind und andererseits einen möglichst hohen, spezifisch gegen Parvovirus gerichteten IgG-Antikör- pertiter haben.

Organmanifestationen

Bisher wurde bei immunsuppri- mierten Patienten das Hauptaugen- merk auf die durch Parvo B19 verur- sachte chronische Anämie gerichtet (2, 8). Eigene Erfahrungen im Rahmen der autologen und allogenen Kno- chenmarktransplantation legen jedoch den Verdacht nahe, daß das Virus bei dieser Patientengruppe häufiger als bei immunologisch Gesunden innere Organe befallen kann. So konnten wir bei mehreren Patienten mit Hautexan- them (Abbildung) das Virus mittels PCR teils im Blut und teils in der Haut, bei einem Patienten mit Kar- diomyopathie im Herzmuskel, bei ei- nem Patienten mit Hepatitis in der Le- ber und bei einem Patienten mit hä-

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M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 43, 25. Oktober 1996 (63) 0 6 12 18 24 30

Virämie IgM IgG

Tage Infektiosität Exanthem Grafik 2

Zeitlicher Verlauf der Antikörperbildung gegen Parvovirus B19 beim immunologisch Gesunden. Anti-B19-IgM bleibt 3 bis 5 Monate nach Infektion im Serum nachweisbar.

Anti-B19-IgG persistiert dauerhaft. (Modifiziert nach T. F. Schwarz).

Menschen mit erhöhtem Erythrozytenumsatz

Immunsupprimierte Patienten

Normalpersonen Asymptomatische Erkrankung

Erythema infectiosum Rheumatoide Verlaufsform

Seltene Krankheitsbilder

Aplastische Krise Hydrops fetalis

Chronische Anämie Organmanifestation Grafik 3

Durch den Parvovirus B19 verursachte unterschiedliche Krankheitsbilder

(4)

molytisch-urämischem Syndrom in der Niere nachweisen. Die während eines Jahres beobachtete Inzidenz von Parvo-B19-Infektionen lag bei diesem Patientenkollektiv bei 17 Pro- zent und die mit

Parvo-B19-assozi- ierte Mortalitäts- rate bei sieben Prozent (eigene Beobachtung, zur Publikation einge- reicht). Deshalb sollte bei immun- supprimierten Pa- tienten mit unge- klärtem Organ- versagen immer auch eine Parvo- virus-B19-Infekti- on ausgeschlos-

sen werden, am besten durch PCR aus Biopsiematerial. Die Behandlung ist symptomatisch, jedoch kann ein Therapieversuch mit hochdosier- ten polyvalenten Immunglobulinen, wie bereits bei der chronischen Anämie beschrieben, unternommen werden.

Schlußfolgerungen

Da das klinische Spektrum von Parvo-B19-Infektionen, insbesondere bei Risikopersonen, nicht auf das Erythema infectio- sum beschränkt ist, muß diese Infekti- on sehr ernst ge- nommen werden.

Zu den besonde- ren Risikogruppen zählen virusexpo- nierte Frauen in der Schwanger- schaft, Patien- ten mit hämolyti- schen Anämien und immunsuppri- mierte Patienten.

Während bei den ersten beiden Risikogruppen die Diagnose meist serologisch gestellt werden kann, ist dies bei immuno- logisch kompromittierten Patienten nicht ausreichend. Daher sollten zu- sätzlich Blut und relevante Organe auf Parvo-B19-DNA mittels PCR un- tersucht werden. Eine spezifische anti-

virale Therapie besteht derzeit nicht.

Bei Anämie und Hydrops fetalis steht die Transfusionstherapie im Vorder- grund. Außerdem kann, besonders bei Organbefall, ein Therapieversuch mit hochdosierten polyvalenten Immun- globulinen unternommen werden.

Stets sollte aber bedacht werden, daß das Virus die üblichen Inaktivierungs- verfahren übersteht und daß damit bei- de Therapiemodalitäten auch potenti- elle Parvo-B19-Infektionsquellen bein- halten.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-2781–2784 [Heft 43]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Priv.-Doz. Dr. med. Michael Schleuning Medizinische Klinik III

Klinikum Großhadern

Ludwig-Maximilians-Universität Marchioninistraße 15

81377 München

A-2784

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT

(64) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 43, 25. Oktober 1996 Abbildung: Typisches Hautexanthem bei Parvovirus- B19-Infektion. Bei dem abgebildeten Patienten han- delt es sich um einen Erwachsenen nach allogener Knochenmarktransplantation.

Bei der Refluxkrankheit der Spei- seröhre, die bei vielen Patienten zu ei- ner Refluxösophagitis führt, findet sich eine Reihe von Motilitätsstörungen in der Speiseröhre, wie Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters und ge- störte peristaltische Aktivität (Clea- rance). Die Autoren untersuchten bei 105 Patienten mit chronischer Reflux- krankheit vor und nach einer Antire- flux-Operation mittels Szintigraphie und Manometrie die Motorik von Speiseröhre und Magen. Dabei fand sich neben einer verzögerten Transit- zeit eines radioaktiv markierten Bolus in der Speiseröhre auch eine Moti- litätsstörung des Magens mit deutlich verzögerter Entleerung. Nach der An- tireflux-Operation bestand keine Kor- relation mehr zwischen ösophagealer und gastraler Motilitätsstörung.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die gastroösophageale Refluxkrankheit meist mit einer Mo-

tilitätsstörung des gesamten oberen Verdauungstraktes vergesellschaftet

ist. w

Lundell L, Myers JC, Jamieson GG: Is motility impaired in the entire upper gastrointestinal tract in patients with gastrooesophageal reflux disease? Scand J Gastroenteral 1996; 31: 131–135 Department of Surgery. Sahlgren´s Hos- pital, 41345 Gothenburg, Schweden

Generalisierte Motilitätsstörung bei Refluxkrankheit der Speiseröhre

Unter der Einnahme nichtsteroi- daler Antirheumatika ist mit gastroin- testinalen Nebenwirkungen, insbe- sondere Blutungen und Ulkusbildung zu rechnen.

Die Autoren werteten 12 klini- sche Studien über gastrointestinale Komplikationen aus; dabei erwies sich Ibuprofen als die Substanz mit

dem geringsten Ulkusrisiko, gefolgt von Diclofenac, während Azapropa- zon, Tolmetin, Ketoprofen und Piro- xicam das höchste Komplikationsrisi- ko aufwiesen.

Indomethazin, Naproxen, Sulin- dac und Aspirin nahmen eine inter- mediäre Position ein. Allerdings gilt das niedrige Risiko für gastrointesti- nale Komplikationen von Ibuprofen nur für Dosen bis 1 200 Milligramm;

bei höheren Dosen nähert sich das Ri- siko dem der anderen nichtsteroida- len Antirheumatika.

Die Autoren empfehlen, beim Einsatz nichtsteroidaler Antirheuma- tika eine möglichst niedere Dosis zu wählen, um das Risiko gastrointestina- ler Komplikationen zu minimieren. w Henry D, Lim LL-Y, Rodriguez LAG et al.: Variability in risk of gastrointestinal complications with individual non-stero- idal anti-inflammatory drugs: results of a collaborative meta-analysis. BMJ 1996;

312: 1563–6

Centre for Clinical Epidemiology and Biostatistics, Faculty of Medicine and Health Sciences, University of New- castle, New South Wales, Australien

Risikoprofil der

Antirheumatika

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