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Archiv "Parvovirus B19: Ein Infektionserreger mit vielen Erkrankungsbildern" (15.06.2001)

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P

arvovirus B19 wurde erstmals 1975 in der Konserve eines gesunden Blutspenders nachgewiesen (7).

Bereits einige Jahre später gelang es, dieses Virus als den Verursacher der Ringelröteln, einer mit einem Hautaus- schlag einhergehenden Kinderkrank- heit, zu identifizieren (1). Mit einem Durchmesser der Partikel von 18 bis 26 nm zählt Parvovirus B19 zu den klein- sten bekannten Viren. Man ordnet es dem Genus Erythrovirus in der Familie der Parvoviridae zu, in der es den einzi- gen humanpathogenen Erreger dar- stellt. Die Viruskapside sind nicht von einer Hüllmembran umgeben und äußerst stabil (Abbildung 1). Sie beste- hen aus zwei Strukturproteinen (VP1- und VP2-Protein) und enthalten ein einzelsträngiges, etwa 5 600 Basen lan- ges DNA-Molekül als Erbinformation.

Parvovirus B19 infiziert bevorzugt die Vorläuferzellen der roten Blutkörper- chen. In diesen Zielzellen erfolgt der produktive Replikationszyklus, in des- sen Verlauf ein weiteres virales Protein, das Nichtstrukturprotein NS1, gebildet wird. Die infizierten Zellen setzen große Mengen von Viren frei und wer- den letztendlich durch Einleitung der Apoptose zerstört.

Epidemiologie und Übertragung

Infektionen durch Parvovirus B19 er- folgen überwiegend in der Kindheit:

Durch den Nachweis von virusspezifi- schen Antikörpern findet man bei 40 bis 50 Prozent der Jugendlichen im Al- ter von 15 Jahren, dass sie den Status ei- ner abgelaufenen B19-Infektion haben und immunologisch vor Reinfektionen geschützt sind. Da aber auch Erwachse- ne infiziert werden, steigt die Durch-

seuchungsrate auf etwa 70 bis 80 Pro- zent bei den 40- bis 50-Jährigen.

Parvovirus B19 wird üblicherweise oral durch Tröpfcheninfektion übertra- gen. In akut infizierten Personen findet man das Virus im Blut, zum Teil in sehr großen Konzentrationen von 1011bis zu 1013 Partikeln pro Milliliter. In dieser frühen Phase der akuten Infektion, in der noch keine virusspezifischen Anti- körper vorliegen, können die virale DNA und infektiöse Partikel auch im Speichel nachgewiesen werden. Die Vi- rusmengen im Speichel und peripheren Blut sinken zeitgleich mit der Ausbil- dung einer spezifischen Immunantwort ab. Die Erreger sind meist schon weni- ge Wochen nach der Infektion elimi- niert und können auch mit äußerst sen-

Parvovirus B19

Ein Infektionserreger

mit vielen Erkrankungsbildern Susanne Modrow

Zusammenfassung

Infektionen mit Parvovirus B19 verursachen ei- ne der klassischen Kinderkrankheiten, die meist problemlos verlaufenden Ringelröteln (Erythema infectiosum). In den letzten Jahren fand man, dass Parvovirus-B19-Infektionen je- doch auch mit schweren Erkrankungen wie Ar- thritiden und Arthralgien, Anämien, Thrombo- und Granulozytopenien, Hepatitiden und Myo- karditiden einhergehen können. Hierbei persi- stiert das Virus oft über längere Zeiträume im Blut oder in bestimmten Geweben. Des Weite- ren können Infektionen bei schwangeren Frau- en zu Spontanaborten, Totgeburten oder Hy- drops fetalis führen. Da durchschnittlich die Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter keinen Immunschutz besitzt, stellen Parvovirus-B19- Infektionen eine häufige viruskorrelierte Kom- plikation während der Schwangerschaft dar.

Aufgrund der neuen epidemiologischen Daten- lage sollten die Parvovirus-B19-Infektionen und die Übertragungswege des Virus mehr Be- achtung als bisher erfahren.

Schlüsselwörter: Parvovirus B19, persistieren- de Infektion, Schwangerschaftskomplikation, Übertragungsweg, Immuntherapie

Summary

Parvovirus B19: An Infectious Agent With Various Manifestations

Parvovirus B19 is the aetiological agent of one of the classical diseases of childhood, the rash illness fifth disease (erythema infectio- sum). Beside this usually harmless illness parvovirus B19 was, however, found to be as- sociated with a variety of severe diseases such as arthritis, anemia, thrombo- and granu- locytopenia, hepatitis and myocarditis. In these cases parvovirus B19 may persist over long pe- riods of time in the peripheral blood or in indi- vidual organs of the patients. During pregnan- cy infections may result in spontaneous abor- tions, intrauterine fetal death and hydrops fetalis. Since about half of the young adults are not immune, parvovirus B19-infections should be assumed as an important reason for virus- correlated problems during pregnancy. Based on these epidemiological data that were accu- mulated during the past years clinicians should pay more attention to B19-infections and the mode of viral transmission.

Key words: parvovirus B19, persistent infec- tion, complication during pregnancy, transmis- sion, immunotherapy

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene (Di- rektor: Prof. Dr. med. Hans Wolf) der Universität Regens- burg

Erkrankungen, die in Zusammenhang mit Parvovirus-B19-Infektionen auftreten Immunkompetente Personen Häufig:

Ringelröteln (Erythema infectiosum), transiente Anämie, transiente Thrombozytopenie, transien- te Granulozytopenie, Arthralgien/Arthritis Selten:

Persistierende Thrombozytopenie, persistierende Granulozytopenie, Purpura Schönlein-Henoch, idiopathische thrombozytopenische Purpura, Panzytopenie, virusassoziiertes hämophagozytä- res Syndrom (VAHS), akutes Leberversagen/He- patitis, Myokarditis, Glomerulonephritis, Enze- phalitis, Myelitis transversa

Patienten mit hämatologischen Grunderkrankungen

Schwere Anämie, aplastische Krise Schwangere Frauen

Spontanabort, Hydrops fetalis, intrauteriner Kindstod

Immunsupprimierte Patienten

Chronische Anämie, chronische Arthritis, chroni- sche Thromboczytopenie, chronische Granulozy- topenie, chronische Panzytopenie, Erythroblasto- penie (pure red cell aplasia), Myokarditis/Perikar- ditis/akutes Herzversagen, akutes Leberversa- gen/Hepatitis, Meningitis/Enzephalitis Textkasten 1

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sitiven diagnostischen Nachweismetho- den nicht mehr aufgespürt werden. In etwa 20 Prozent der Infizierten etabliert sich jedoch eine chronisch persistieren- de Form der B19-Infektion, während derer man im Blut zwar wesentlich ge- ringere Virusmengen (103bis 107Parti- kel pro Milliliter), diese aber über län- gere Zeiträume nachweisen kann.

Da Parvovirus B19 im Blut der Patien- ten vorhanden ist, kann die Übertragung der Infektion auch durch Schmierinfek- tionen von Blut und durch kontaminierte Blutkonserven erfolgen. Die Erreger be- sitzen keine Lipidmembran als Hülle und sind daher besonders stabil gegenüber chemischen und physikalischen Inakti- vierungsmethoden. Deswegen sind sie als infektiöse Viren auch in Blutproduk- ten vorhanden (33). Man konnte zeigen, dass weder Erhitzen auf 80°C für 72 Stunden oder auf 100°C für 30 Minuten noch die üblicherweise zur Abtötung membranumhüllter Viren eingesetzte Behandlung mit Lösungsmitteln und De- tergenzien die Infektiosität von Parvovi- rus B19 zerstören (38). Da durchschnitt- lich eine von 1 000 bis 2 000 Blutspenden die Erreger in zum Teil sehr großen Men- gen enthält, sind infektiöse Parvoviren in Blutprodukten wie den Gerinnungsfak- toren VIII und IX, in Albumin und wei- teren aus menschlichem Blutplasma ge- wonnenen Präparaten (zum Beispiel PPSB) vorhanden (3, 13, 48). Deswegen zeigen Hämophiliepatienten, insbeson- dere solche mit schweren Störungen der Blutgerinnung, die häufig mit Faktor VIII oder IX substituiert werden, bereits im Kindesalter eine Serokonversionsrate von fast 100 Prozent. Auch das ist ein Hinweis dafür, dass infektiöse B19-Viren in aus Blutplasma gewonnenen Präpara- ten vorhanden sind.

Klinik

Dem relativ einfachen molekularen Aufbau von Parvovirus B19 steht eine große Bandbreite unterschiedlicher Er- krankungen gegenüber, mit denen die Infektionen einhergehen können (Text- kasten 1). Der Verlauf der Infektion und die Schwere der dabei auftre- tenden Symptome sind hauptsächlich vom hämatologischen und immunolo- gischen Status der Patienten abhängig.

Immunkompetente Personen

Knapp ein Drittel der Parvovirus-B19- Infektionen verlaufen ohne Symptome.

Vor allem bei Kindern verursacht das Vi- rus das Erythema infectiosum (Ringel- röteln), im englischen Sprachgebrauch auch als „slapped cheek disease“ oder

„fifth disease“ bekannt. Der Ausdruck

„fifth disease“ bezieht sich auf die fünf Kinderkrankheiten, die mit der Bildung eines Hautausschlags verbunden sind:

Masern, Röteln, Windpocken, Schar- lach und eben die Ringelröteln. Das

Erythema infectiosum ist durch ein un- spezifisches Prodromalstadium mit er- kältungsähnlichen Symptomen wie Fie- ber, Kopfschmerzen, leichter Übelkeit und Durchfällen gekennzeichnet. Nach etwa zwei bis fünf Tagen erscheint der charakteristische Ausschlag, zuerst als feurig-rote Eruption auf den Wangen (Abbildung 2a). Nach weiteren ein bis vier Tagen folgt ein zweites Stadium:

Ein makulopapulöses Exanthem, das häufig die Form der für die Ringelrö- teln typischen Girlanden oder Ringeln zeigt(Abbildung 2b). Bei Kindern ver- laufen die Parvovirus-B19-Infektionen im Allgemeinen problemlos und mild.

Gerade in jüngster Zeit häufen sich je- doch die Befunde, die auch in Kindern das Auftreten von Gelenkentzündun- gen mit der B19-Infektion assoziieren (19, 22). Diese Symptomatik galt bis-

lang als häufigste Komplikation der Parvovirus-B19-Infektion im Erwach- senenalter, die bevorzugt bei erwachse- nen Frauen auftritt. Hier fand man in 50 Prozent der Fälle Arthropathien, vor allem der kleinen Gelenke beider Hän- de und Füße (25, 36, 46). Die Gelenkbe- schwerden dauern gewöhnlich ein bis zwei Wochen an. Bei etwa 20 Prozent der Patienten bleiben sie jedoch über zwei Monate oder auch über Jahre be- stehen oder können immer wiederkeh- ren. In diesen Fällen bleibt das Virus im peripheren Blut und/oder in den betrof-

fenen Gelenken vorhanden – es ent- wickeln sich somit persistierende Par- vovirus-B19-Infektionen (5, 37, 44, 45).

Weil Parvovirus B19 durch seinen ausgeprägten Tropismus erythroide Vorläuferzellen befällt und zerstört, kommt es im Infektionsverlauf zu aku- ten Anämien. Eine vorübergehende Abnahme der Retikulozyten und der Hämoglobinwerte als Hinweis auf die virusbedingte Zerstörung der Erythro- zytenvorläufer findet man daher bei al- len, auch bei den ansonsten asympto- matischen B19-Infektionen (2). Ähn- lich wie die Arthritiden können auch die Anämien über längere Zeit andau- ern oder rekurrieren (17, 18, 49). Außer Anämien treten aber auch Veränderun- gen in den Werten anderer Blutzellen auf. Man findet oft eine akute, gele- gentlich auch persistierende Abnahme Abbildung 1: Kryoelektronenmikroskopische Aufnahme vom Parvovirus-B19-Partikel (VP2-Kapside).

Links: Aufsicht auf die strukturierte Oberfläche der Partikel; rechts: Querschnitt durch ein Partikel.

Bei infektiösen Viren ist der Hohlraum mit dem Genom ausgefüllt, das aus einzelsträngiger DNA be- steht.

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der Thrombozyten und der neutrophi- len Granulozyten (4, 24, 39, 40). Diese Symptomatik kann in Einzelfällen zu lebensbedrohenden und auch tödlichen Verläufen führen. Des Weiteren wur- den auch Purpura Schönloch-Henlein, idiopathische thrombozytopenische Purpura (Morbus Werlhof) sowie tran- sitorische Panzytopenien als mögliche Folgen der Parvovirus-B19-Infektion beschrieben (10, 39). In einigen Fällen beobachtet man im Infektionsverlauf

die Ausbildung des virusassoziierten hämophagozytären Syndroms (VAHS).

Dieses ist durch eine reversible Hyper- plasie der Histiozyten sowie eine ausge- prägte Hämophagozytose und Zytope- nie gekennzeichnet. Die Erkrankung nimmt einen meist gutartigen, selbstli- mitierenden Verlauf.

Frühere Hinweise, dass die Virusin- fektion ätiologisch mit der Entstehung des SLE (SLE, systemischer Lupus erythematodes) in Verbindung steht, konnten nicht bestätigt werden und sind daher umstritten (12, 47). Die Parvovi- rus-B19-Infektion kann jedoch einem akuten SLE sehr stark ähneln und in Einzelfällen bei zugrunde liegendem SLE neue Schübe dieser Autoimmuner- krankung auslösen (11, 21). Ähnliches gilt für Patienten mit Sjögren-Syndrom als Grunderkrankung (35).

Weiterhin stehen akute Hepatitiden oder Fälle von akutem Leberversagen gelegentlich im Verdacht, durch Parvo- virus-B19-Infektionen verursacht zu sein. In Leberbiopsien der Patienten fand man vereinzelt B19-Genome, wie häufig die Infektion allerdings mit die- ser Symptomatik assoziiert ist, ist nicht geklärt (8, 14, 43). Auch wurden gele- gentliche Fälle von akuter Glomerulo- nephritis als Folge einer B19-Infektion beschrieben (26).

In jüngster Zeit wird jedoch eine weitere schwere Erkrankung als kau- sal durch Parvovirus B19 verursacht diskutiert. In Patienten mit Myokardi- tis und dilatativer Kardiomyopathie findet man in Endothelzellen von En- domyokardbiopsien gehäuft Virusge- nome, etwa 30 Prozent der untersuch- ten Proben erwiesen sich dabei als po- sitiv. Es scheint sich allerdings nicht um eine Symptomatik zu handeln, die mit akuten B19-Infektionen einher- geht. Das Parvovirus persistiert hier im Myokard der Patienten (9, 27, 29).

Inwieweit sich diese Befunde bestäti- gen lassen, bleibt weiteren Untersu- chungen vorbehalten. Allerdings soll- te man bei ungeklärter kausaler Gene- se von Myokarditiden auch an Parvo- virus B19 als ursächliches Agens den- ken.

Hämatologische Erkrankungen

Weil Parvovirus B19 durch seinen ausge- prägten Tropismus Erythrozytenvorläu- ferzellen infiziert und zerstört, ent- wickeln Patienten mit Erkrankungen des blutbildenden Systems häufig schwere akute Anämien. Damit muss vor allem bei Patienten mit Sichelzellanämie, erbli- cher Sphärozytose und verschiedenen Thalassämien, aber auch bei solchen mit hämolytischer Autoimmunanämie oder mit Enzymanomalien der roten Blutkör- perchen wie Pyruvatkinasedefizienz ge- rechnet werden. In diesen Fällen tritt plötzlich eine lebensbedrohende Anä- mie auf, die oft mit einem völligen Fehlen der Retikulozyten einhergehen kann.

Diese aplastischen Krisen können jedoch auch ohne hämatologische Grunder- krankung bei Patienten mit erythroidem Stress, beispielsweise verursacht durch schwere Blutverluste bei Unfällen oder chirurgischen Eingriffen oder durch Ei- senmangelanämien auftreten. Sie müs- sen umgehend mit Bluttransfusionen therapiert werden, um Dekompensatio- nen zu vermeiden.

Schwangere Frauen

Wenn Parvovirus B19 schwangere Frau- en infiziert, dann kann das mit schweren Folgen für den Fetus verbunden sein. In- fektionen in der Frühschwangerschaft können zum Spontanabort führen. Wie häufig dies geschieht, ist unklar. Vor al- lem im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft können die Viren trans- plazentar auf den Fetus übertragen wer- den. Man schätzt, dass dies in 10 bis 20 Prozent der schwangeren Frauen mit Par- vovirus-B19-Infektion geschieht (Public Health Working Party on Fifth Disease) (34). In diesem Entwicklungsstadium fin- det das Virus im Fetus infizierbare Zellen vor – es vermehrt sich vor allem in den Pronormoblasten der fetalen Leber. Vi- rusgenome konnte man aber auch im fe- talen Myokard und der Lunge nachwei- sen. Als Folge der Zerstörung der Erythrozytenvorläufer und der damit verbundenen Unterbrechung der Bil- dung von roten Blutkörperchen kommt es im Fetus zur Ausbildung von schweren Anämien mit der Folge von Ödemen und Wassereinlagerungen im Gewebe (Aszi-

a b

Abbildung 2: Manifestationen der Ringelröteln; a) feurig-rote Eruption auf den Wangen; b) Ringel- und girlandenförmiger Ausschlag auf den Extremitäten

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tes, Hydrothorax, Hydroperikard). Die- ser Hydrops fetalis führt unbehandelt fast immer zum Tod des ungeborenen Kindes und zum Abort. Spontane Rück- bildungen wurden nur sehr selten berich- tet. Neuere Untersuchungen in Schwe- den, in deren Rahmen die intrauterinen fetalen Todesfälle in der Spätschwanger- schaft untersucht wurden, zeigten jedoch auch bei 15 Prozent dieser nicht mit Hy- drops verbundenen Fälle eine Assoziati- on mit Parvovirus-B19-Infektionen (28, 42). Hinweise auf Schädigungen oder Missbildungen des Fetus als Folge der B19-Infektion gibt es bisher nicht. Ange- sichts der Tatsache, dass in Deutschland durchschnittlich die Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter keinen Immun- schutz aufweist, stellt die Parvovirus- B19-Infektion heute wohl neben den Zy- tomegalievirus-Infektionen die häufigste viruskorrelierte Komplikation während der Schwangerschaft dar.

Immunsupprimierte Patienten

In immunsupprimierten Patienten (an- geborene Immundefizienzen, Transplan- tationspatienten, HIV-infizierte Perso- nen) verlaufen die Parvovirus-B19-In- fektionen meist chronisch persistierend und verursachen schwere, lebensbedro- hende Erkrankungen (15, 20, 30). Außer schweren, chronischen Anämien, Reti- kulozytopenien und Neutropenien zählt hierzu die Erythroblastopenie (PRCA, pure red cell aplasia). Vor allem die PR- CA ist in chemotherapeutisch immun- supprimierten Transplantationspatien- ten mit lebensbedrohenden Komplika- tionen verbunden. Bei dieser Patienten- gruppe findet man im Gegensatz zu im- mungesunden gehäuft Myokarditis, Peri- karditis, akutes Herz- und Leberversa- gen, Meningitis und Enzephalitis. Man schätzt die B19-assoziierte Mortalität in Transplantationspatienten auf etwa sie- ben Prozent (41).

Diagnostik

Akute Infektionen weist man durch das Vorhandensein von Virusgenomen im peripheren Blut durch die Polymerase- Kettenreaktion (PCR) nach. Etwa eine Woche nach dem Kontakt mit dem Vi-

rus sind in der frühen Inkubationsphase noch vor dem Auftreten der ersten IgM-Antikörper gegen die Struktur- proteine sehr große Virusmengen im peripheren Blut vorhanden (Grafik a).

Da kein Zellkultursystem zur Züchtung der Erreger existiert, kann man die Vi- ruspartikel nur durch Hämagglutinati- ons- oder serologische Antigennach- weistests nachweisen. Deutlich emp- findlicher und daher heute üblich ist je- doch der DNA-Nachweis. Antikörper der IgM-Klasse sind ebenfalls ein An- zeichen für eine akute Infektion, nach- weisbare Konzentrationen findet man frühestens etwa zehn Tage nach Virus- kontakt. Eingesetzt werden hierzu ELISA- oder Western-Blot-Tests. Der Einsatz partikulärer Formen der VP2- Proteine als Antigen hat sich insbeson- dere in empfindlichen IgM-Capture-

Tests und für den Nachweis von Anti- körpern bewährt, die gegen konforma- tionelle Epitope gerichtet sind. Bei eini- gen Patienten fällt die IgM-Konzentra- tion allerdings sehr schnell wieder ab und bereits drei Wochen später sind diese Immunglobuline nicht mehr vor- handen. Deswegen sollte bei schwange- ren Frauen zum sicheren Ausschluss ei- ner akuten Infektion immer auch die Durchführung eines PCR-Tests in Er- wägung gezogen werden.

IgG-Antikörper gegen die Struktur- proteine und eine gleichzeitig negative PCR sowie negative Befunde bezüglich des IgM-Nachweises sind diagnostische Hinweise auf den Status einer abgelau- fenen B19-Infektion mit erfolgter Eli- minierung der Viren aus dem periphe- ren Blut. Personen mit diesen serologi- schen Parametern gelten als immun und Grafik

Virusvermehrung, Antikörperbildung und Symptome im Verlauf der Parvovirus-B19-Infektion; a) akute Infektion; b) persistierende Infektion

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sind vor einer erneuten Infektion mit Parvovirus B19 geschützt. Die IgG-An- tikörper sind erstmals etwa zwei Wo- chen nach Kontakt mit dem Virus nach- weisbar, sie steigen dann in ihrer Kon- zentration an und bleiben lebenslang erhalten (Grafik a). Ein Teil der IgG- Antikörper ist neutralisierend und an der Eliminierung des Virus aus dem pe- ripheren Blut beteiligt. Deswegen sin- ken zusammen mit der Zunahme der IgG-Konzentrationen die nachweisba- ren Viruskonzentrationen rasch ab. Bei den meisten Infektionen sind bereits vier Wochen nach Infektion keine Erre- ger mehr nachweisbar.

Bei den persistierenden Infektions- verläufen bleiben die Virusgenome im peripheren Blut über die PCR über län- gere Zeiträume von bis zu mehreren Jahren durch die PCR nachweisbar, wenn auch mit 103bis 107Genomäqui- valenten pro Milliliter Blut in deutlich geringeren Konzentrationen als in den frühen Infektionsphasen (Grafik b).

Bei den B19-assoziierten Arthritiden,

den Myokarditiden und auch den He- patitiden findet man die Viren oft nur in Biopsien der erkrankten Organe. Mit Ausnahme der immunsupprimierten Patienten sind zugleich auch IgG-Anti- körper gegen die Strukturproteine und häufig auch gegen das NS1-Protein vor- handen (16, 31, 32). Letztere sind ein wichtiger serologischer Hinweis dafür, dass in den Personen eine chronische Parvovirus-B19-Infektion abläuft oder dass im Vorfeld eine B19-Infektion mit verzögerter Viruseliminierung stattge- funden hat.

Therapie

Bisher sind keine antiviralen Chemo- therapeutika zur Behandlung der Par- vovirus-B19-Infektion verfügbar. Es gibt auch keinen Impfstoff. Wie bereits oben erwähnt, müssen Patienten mit schweren Anämien und aplastischen Krisen möglichst umgehend mit Blut- transfusionen behandelt werden. Im- munsupprimierte Patienten, die im Ver- lauf einer Organ- oder Knochenmark- transplantation akute oder persistieren- de B19-Infektionen entwickeln, werden mit Immunglobulinpräparaten thera- piert, die hohe Konzentrationen B19- spezifischer Antikörper enthalten. In den meisten Fällen wird dadurch eine Regression der B19-assoziierten Sym- ptome erreicht (6, 23).

Ein besonderes Problem in der The- rapie akuter B19-Infektionen stellen B19-negative schwangere Frauen dar, die nach Kontakt mit B19-infizierten Personen serokonvertieren. Unabhän- gig davon, ob die Frauen im Verlauf der akuten Infektion selbst die Symptome einer frischen Parvovirusinfektion zei- gen oder diese ohne Krankheitsanzei- chen verläuft, kann das Virus auf den Fetus übertragen werden. Dieser kann während des zweiten und dritten Schwangerschaftstrimesters als Folge der Infektion einen Hydrops fetalis ent- wickeln, der in aller Regel zum Tod des werdenden Kindes und zum Abort führt. Auch ein Zusammenhang der fe- talen Infektionen mit intrauterinem Kindstod ist beschrieben. Ist in einer schwangeren Frau eine akute B19-In- fektion serologisch und/oder sympto- matisch nachgewiesen, muss der Fetus

in engmaschigen Ultraschallkontrollen auf die Ausbildung hydropischer Öde- me untersucht werden. Zugleich müs- sen dopplersonographische Untersu- chungen zur Abschätzung des Anämie- risikos im ungeborenen Kind durchge- führt werden. Weist das über Nabel- schnurpunktion gewonnene fetale Blut Hämoglobinwerte von unter 10 g/dl auf, dann muss der Hb-Wert durch intraute- rine Bluttransfusionen (20 bis 80 ml) angehoben werden. Ähnliches gilt, wenn im Ultraschallbild erste Ödeme erkannt werden. Letztendlich kann auch eine Blutaustauschtransfusion am werdenden Kind durchgeführt werden.

Es zeigte sich, dass durch diese Vorge- hensweise die Kinder ohne Ausbildung von Folgeerscheinungen gerettet wer- den konnten. Eine Aufstellung der Vor- gehensweise beim Kontakt schwange- rer Frauen mit B19-infizierten Perso- nen ist in Textkasten 2gegeben.

Neben diesen Möglichkeiten scheint es jedoch auch sinnvoll, bereits bei Dia- gnose einer akuten B19-Infektion der schwangeren Frau Immunglobulin- präparate zu verabreichen. Hierzu lie- gen zwar keine ausführlichen Studien sondern nur Fallberichte vor. Immun- globuline können aber ähnlich wie in immunsupprimierten Patienten geeig- net sein, die Virämie während der aku- ten Infektion in schwangeren Frauen zu kontrollieren und somit die Über- tragung auf den Fetus zu verhindern. In jeden Fall sollte jedoch zuerst die sero- logische Diagnosestellung einer fri- schen Parvovirus-B19-Infektion erfolgt sein.

Danksagung: Die Autorin dankt Prof. Dr. Hans Wolf, Insti- tut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Regens- burg, und Priv.-Doz. Dr. Hartwig Lehmann, Rheumaklinik Bad Bramstedt, für das kritische Lesen des Manuskripts und für eine Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 1620–1624 [Heft 24]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift der Verfasserin:

Prof. Dr. rer. nat. Susanne Modrow

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Universität Regensburg

Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg

E-Mail: susanne.modrow@klinik.uni-regensburg.de Vorgehensweise bei Parvovirus-B19-In-

fektionen während der Schwangerschaft

Erhebung des Immunstatus

IgG/IgM gegen die Strukturproteine VP1 und VP2

Mögliche Ergebnisse:

1) IgG positiv/IgM negativ:

abgelaufene Infektion, Immunschutz vor- handen

2) IgG negativ/IgM positiv:

akute Infektion, kein Immunschutz 3) IgG negativ/IgM negativ:

Verdacht auf akute Infektion, kein Immun- schutz, Wiederholung

Bei 2) plus 3):

Nachweis der Virus-DNA (PCR) im mütterlichen Blut, positives Ergebnis bei akuter Infektion

Beim Nachweis einer akuten B19-Infektion:

– engmaschige Ultraschallkontrolle – Kontrolle des Hämoglobinwerts im fetalen

Blut

– Kontrolle der Virus-DNA (Fruchtwasser und mütterliches Blut)

– Bestimmung von Antikörpern gegen NS1- Proteine

– eventuell Immunglobulintherapie

Beim Nachweis von Hb-Werten < 10 g/dl oder bei sich ausbildenden Ödemen (Wasseran- sammlungen) im Feten:

– Intrauterine Bluttransfusionen Textkasten 2

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