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Archiv "Parvovirus B19: Ist die Übertragung durch Blutprodukte ein klinisches und transfusionsmedizinisches Problem?" (01.12.2000)

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S

owohl bei den industriell hergestell- ten Plasmapräparaten (5) als auch bei den labilen Blutkomponenten zur Transfusion (2) ist das Risiko einer Übertragung der drei besonders relevan- ten Viren, dem Erreger von Hepatitis B (HBV), Hepatitis C (HCV) und dem Aidserreger (HIV), sehr gering gewor- den. Diese Erfolge sind sowohl der sorg- fältigen Auswahl der Spender und dem Screening mit hoch sensitiven Testme- thoden als auch dem Einsatz von wirksa- men Herstellungsschritten zur Viruseli- mination bei den Plasmaprodukten zu verdanken.

In letzter Zeit wird zunehmend die Bedeutung von Parvovirus B19 (3, 4) dis- kutiert. Dieses Virus weist einen hohen Durchseuchungsgrad (circa 50 Prozent bei Erwachsenen) auf, sodass ein großer Teil der Bevölkerung durch natürlich er- worbene, neutralisierende Antikörper geschützt ist. Kürzlich wurde berichtet (3), dass trotz nachweisbarer IgG-Anti- körper eine Virämie persistieren kann.

Neuinfektionen sind nicht selten und können epidemieartig gehäuft auftreten, sodass zumindest zeitweise damit zu rechnen ist, dass Blutspenden mit dem Parvovirus B19 kontaminiert sind. Bei der akuten Infektion gesunder Personen können innerhalb einer Woche hohe Vi- rustiter (bis zu 1014pro ml !) auftreten.

Spezifische Symptome treten erst zwei bis drei Wochen nach der Infektion auf, häufig verläuft die Infektion asymptoma- tisch. Die bei HIV, HCV, HBV und ande- ren umhüllten Viren erfolgreichen Virus- inaktivierungsmaßnahmen sind bei Par- vovirus B19 nur begrenzt oder gar nicht wirksam. Methodische Fortschritte bei den Nukleinsäure-Amplifikationstech- niken (NAT) haben es ermöglicht, das

Parvovirus B19 in Blutspenden und Blut- produkten nachzuweisen.

Seit den Anfängen der Behandlung mit Bluttransfusionen und Plasmapro- dukten haben wahrscheinlich zahlreiche Übertragungen von Parvovirus B19 stattgefunden. Dies ist bisher jedoch nicht als relevantes klinisches oder trans- fusionsmedizinisches Problem wahrge- nommen worden und es sind nur wenige Übertragungsfälle beschrieben (4, 6).

Gründe hierfür sind vermutlich, dass ein großer Teil der Empfänger solcher kon- taminierten Blutprodukte aufgrund vor- her durchgemachter Parvovirus-B19-In- fektionen bereits immun war, dass durch einen Teil der Blutprodukte auch neu- tralisierende Antikörper mit übertragen werden, und dass eine Infektion auf- grund des bei gesunden Individuen häu- fig symptomarmen oder asymptomati- schen Verlaufs nicht erkannt wurde. Bei bestimmten Risikopatienten kann das Parvovirus B19 allerdings schwerwiegen- de akute oder chronische Erkrankungen auslösen.

Klinische Manifestationen

Gesunde Personen

Die akute Infektion mit dem Parvovirus B19 manifestiert sich typischerweise in Ringelröteln, auch als Erythema infec- tiosum oder „fifth disease“ bezeichnet, und geht mit Hauteffloreszenzen und grippeähnlichen Symptomen einher. Es kann auch, insbesondere bei Erwachse- nen, ein Polyarthropathie-Syndrom auf- treten, das ebenso wie Ringelröteln vor- wiegend durch Immunkomplexe aus- gelöst wird. Eine Besonderheit von Par- vovirus B19 ist, dass dieses Virus einen ausgeprägten Tropismus für erythropoe- tische Vorläuferzellen besitzt (1, 8). Als viraler Rezeptor auf sich teilenden hu- manen erythropoetischen Progenitorzel- len fungiert der Kohlenhydratanteil des Blutgruppe-P-Antigens, das auch auf M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 48½½½½1. Dezember 2000 AA3271

Parvovirus B19

Ist die Übertragung durch Blutprodukte ein klinisches und transfusionsmedizinisches Problem?

Rainer Seitz

1

Wolf-Dieter Ludwig

2

Zusammenfassung

Das Parvovirus B19 kann durch Blutkomponen- ten und Plasmaprodukte (zum Beispiel Gerin- nungsfaktoren) bei akuter unerkannter Infek- tion von Blutspendern übertragen werden. In- folge der hohen Durchseuchung sind viele Emp- fänger immun. Eine Infektion, die sich typi- scherweise in Ringelröteln bei Kindern und Ju- gendlichen oder einem Polyarthropathie-Syn- drom bei Erwachsenen manifestiert, ist in der Regel harmlos. Bei Risikogruppen kann es je- doch zu akuten („transient aplastic crisis“, TAC) oder chronischen („pure red cell aplasia“, PRCA) Störungen der Blutbildung, insbesondere der Erythropoese, kommen. Für Transfusionen von Risikopatienten sollten ausgewählte, geteste- te Blutkomponenten angefordert werden.

Beim Auftreten von TAC oder PRCA bei transfundierten Risikopatienten muss eine ge- zielte

Diagnostik durchgeführt werden. Um weitere Erkenntnisse über die klinische Wertigkeit zu erhalten, sollten Beobachtungen von Parvovi- rus-B19-Übertragungen durch Blutprodukte ge- meldet und gegebenenfalls weiterführende Untersuchungen publiziert werden.

Schlüsselwörter: Parvovirus B19, Transfusion, Erythropoese, Blutbildungsstörung

Summary

Parovirus B19: A Problem in Transfusion Medicine?

Parvovirus B19 can be transmitted by blood components and plasma products (e.g. coagula- tion factors) in case of acute unrecognized in- fection of blood donors. Due to the high preva- lence, many recipients are immune. An infec- tion (typical manifestations are erythema infec- tiosum in children and adolescents, polyarthro- pathy-syndrome in adults) is usually harmless, but may lead to acute (transient aplastic crisis, TAC) or chronic (pure red cell aplasia, PRCA) disturbances of hemapoiesis, particularly of erythropoiesis in risk groups. To risk patients, selected and tested blood components should be used for transfusion. Upon occurrence of TAC or PRCA in transfused risk patients, parvo- virus B19 should be considered, and specific diagnostics should be carried out. In order to gain further knowledge about the clinical sig- nificance, observations of parvovirus B19-trans- mission by blood products should be reported, and any advanced studies should be published.

Key words: parvovirus B19, transfusion, erythro-

1 Abteilung Hämatologie und Transfusionsmedizin (Lei- ter: Prof. Dr. med. Rainer Seitz) Paul-Ehrlich-Institut, Lan- gen

2 Abteilung Hämatologie/Onkologie/Tumorimmunologie der Charité (Leiter: Prof. Dr. med. Bernd Dörken) Campus Berlin-Buch, Robert-Rössle-Klinik, Berlin

(2)

Megakaryozyten, Endothelzellen, Pla- zenta und fetalen Leber- beziehungswei- se Myokardzellen exprimiert wird. Aus der Infektion der erythropoetischen Pro- genitorzellen resultiert eine schwere Schädigung bis hin zur Aplasie der Erythropoese. Bei gesunden Personen führt die Infektion mit dem Parvovirus B19 jedoch nicht zu einer symptomati- schen Anämie, da die Hemmung der Erythropoese nur kurz anhält und die Überlebenszeit der Erythrozyten normal ist.

Risikogruppen

Bei Patienten mit angeborenen oder er- worbenen hämolytischen Anämien oder anderen Erkrankungen mit erhöhtem Zellumsatz in der Erythropoese (so ge- nannter „erythropoetischer Stress“, zum Beispiel Eisenmangel, Blutungen, nach Nieren- oder Blutstammzelltransplanta- tion) kann eine behandlungsbedürftige

„transient aplastic crisis“ (TAC) auf- treten (1, 8). Sie ist gekennzeichnet durch deutliche Verschlechterung einer chroni- schen Anämie oder im Verlauf einer kompensierten Hämolyse durch plötzli- ches Auftreten einer Anämie mit Reti- kulozytopenie, starker Verminderung beziehungsweise Fehlen erythroider Vorläuferzellen mit Nachweis von Rie- senproerythroblasten im Knochenmark und gegebenenfalls auch Neutro- und Thrombozytopenie. Die TAC wird mit Erythrozytenkonzentraten behandelt und hinterlässt eine lebenslange Immu- nität gegen das Parvovirus B19.

Bei nichtimmunen Schwangeren kann aufgrund transplazentarer Über- tragung von Parvovirus B19, insbeson- dere im zweiten Trimenon, eine fetale Anämie und im Extremfall ein Hydrops fetalis auftreten (1, 8). Neben Schwange- ren stellen immunsupprimierte Patien- ten eine besondere Risikogruppe dar, da bei ihnen infolge gestörter humoraler Immunität und ungenügender Viruseli-

mination eine persistierende Infektion mit chronisch verlaufender „pure red cell aplasia“ (PRCA) auftreten kann (1, 8). Dies betrifft Patienten mit konge- nitalen oder erworbenen (zum Beispiel Aids) Immundefekten, Patienten mit lymphatischen Systemerkrankungen un- ter/nach Chemotherapie und Patienten mit iatrogener Immunsuppression (zum Beispiel nach Hochdosis-Chemothera- pie und Blutstammzelltransplantation, infolge Autoimmunerkrankungen, nach Organtransplantation). Neben einer Unterbrechung der immunsuppressiven und/oder zytostatischen Behandlung gilt die Gabe von intravenösen Immunglo- bulinen, die in der Regel neutralisieren- de Antikörper enthalten, heute als The- rapie der Wahl (1). Sehr selten kann eine PRCA auch bei Immunkompetenten auftreten.

Transfusionsmedizinische Bedeutung

Mit der transfusionsmedizinischen Be- deutung von Parvovirus B19 hat sich kürzlich die „Untergruppe Bewertung Blut-assoziierter Krankheitserreger“ des Arbeitskreises Blut befasst. Der Er- kenntnisstand über die Eigenschaften des Erregers, die Verbreitung bei Blut- und Plasmaspendern, die klinischen Fol- gen einer Infektion mit dem Parvovirus B19 bei Empfängern von Blutprodukten sowie Möglichkeiten zur Vermeidung ei- ner Kontamination von Blutprodukten mit dem Virus wurden in einer ausführli- chen Stellungnahme zusammengefasst (7). In ihrer Bewertung kam die Arbeits- gruppe zu folgender Empfehlung:

„Wenn es der behandelnde Arzt bei der Therapie mit Blutkomponenten in be- sonderen Fällen (zum Beispiel bei Schwangeren im ersten und zweiten Tri- menon, bei HIV-Infizierten, bei Patien- ten nach Hochdosis-Therapie mit Stammzelltransplantation) für erforder- lich hält, die mit einer möglichen Über- tragung verbundenen Risiken zu vermei- den, ist eine derzeit praktikable Möglich- keit, Blutkomponenten von Spendern zu verwenden, die IgG-Antikörper gegen Parvovirus B19 aufweisen.“ Inzwischen ist der Nachweis von Parovirus B19 durch NAT wesentlich weiterentwickelt worden, sodass idealerweise ein Stamm

von Spendern aufgebaut werden kann, die IgG-Antikörper gegen das Parvovi- rus B19 aufweisen und zum Ausschluss einer persistierenden Virämie mit negati- vem Ergebnis mittels NAT getestet sind.

Bisher werden von klinisch tätigen Kollegen, die oben genannte Patienten- gruppen betreuen, ausgewählte Blut- komponenten nicht angefordert. Dies könnte bedeuten, dass im Vergleich zu beispielsweise einer Zytomegalievirus- Übertragung eine mögliche Übertragung von Parvovirus B19 als nicht klinisch be- deutsam angesehen wird. Möglicherwei- se besteht aber auch hinsichtlich einer Übertragung von Parvovirus B19 ein un- zureichendes Problembewusstsein und der Zusammenhang mit den oben be- schriebenen Komplikationen wird nicht ausreichend gesehen beziehungsweise beachtet.

In der Literatur gibt es nur wenige Be- richte, und es erfolgen keine Meldungen über Verdachtsfälle einer Parvovirus- B19-Übertragung bei der Anwendung von Blutprodukten an das Paul-Ehrlich- Institut. Zur Einschätzung der klinischen Wertigkeit potenzieller Übertragungen von Parvovirus B19 und eventuell da- durch ausgelöster Störungen der Erythropoese, vor allem bei Risikogrup- pen, ist es unerlässlich, weitere Informa- tionen (Kasuistiken oder Ergebnisse kli- nischer Studien) zu erhalten. Klinisch tätige Kollegen sind daher aufgefordert, ihr Augenmerk auf diese Problematik zu richten und entsprechende Mitteilungen zu machen.

Für die mit der Blutsicherheit sich be- fassenden Gremien, wie den Arbeits- kreis Blut und die regulatorischen Behörden auf nationaler und internatio- naler Ebene, ist es wichtig, die klinische Bedeutung von Parvovirus-B19-Über- tragungen besser einschätzen zu können, um gezielte und sachgerechte Maßnah- men zu veranlassen und zu einer sicheren Versorgung der Patienten mit Blutpro- dukten beizutragen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 3271–3273 [Heft 48]

Literatur

1. Brown KE, Young NS: Parvoviruses and bone marrow failure. Stem Cells 1996; 14: 151–163.

2. Glück D: Risiko der HIV-, HCV- und HBV-Übertragung durch Blutpräparate. Infusionsther Transfusionsmed 1999; 26: 335–338.

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A3272 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 48½½½½1. Dezember 2000

Der Text wurde unter Beteiligung der „Untergruppe Be- wertung Blut-assoziierter Krankheitserreger des Arbeits- kreises Blut“ erarbeitet: Prof. Dr. Reinhard Burger, Prof.

Dr. Wolfram Gerlich, Prof. Dr. Lutz Gürtler, Dr. Margarethe Heiden, Dr. Walter Hitzler, Prof. Dr. Bernd Jansen, Dr.

Hans Lefèvre, Prof. Dr. Johannes Löwer, Prof. Dr. Wolf- Dieter Ludwig, Dr. Thomas Montag-Lessing, Dr. Arnold Paessens, Prof. Dr. Georg Pauli, Dipl.-Med. Uwe Schlen- krich, Prof. Dr. Rainer Seitz, Dr. Edgar Werner, Dr. Hanne- lore Willkommen.

(3)

3. Jordan J, Tiangco B, Kiss J, Koch W: Human parvovirus B19: Prevalence of viral DNA in volunteer blood donors and clinical outcomes of transfusion recipients. Vox Sang 1998; 75: 97–102.

4. Luban NLC: Human parvoviruses: implications for trans- fusion medicine. Transfusion 1994; 34: 821–827.

5. Nübling CM, Chudy M, Löwe J: Virus testing of plasma pools and blood products by nucleic acid amplification.

Hämostaseologie 1996; 16 (Suppl.): 274–276.

6. Prowse C, Ludlam CA, Yap PL: Human parvovirus B19 and blood products. Vox Sang 1997; 72: 1–10.

7. Untergruppe Bewertung Blut-assoziierter Krankheitser- reger des Arbeitskreises Blut: Parvovirus B19. Bundesge- sundheitsbl. 2/98: 83–87.

8. Young NS: B19 parvovirus. Baillière's Clin Haematol 1995; 8: 25–56.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Rainer Seitz

Abteilung für Hämatologie und Transfusionsmedizin Paul-Ehrlich-Institut

Paul-Ehrlich-Straße 51–59, 63225 Langen E-Mail: seira@pei.de

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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 48½½½½1. Dezember 2000 AA3273

Geringere Prävalenz

In der Übersicht wird die Prävalenz von Blindheit nach deutscher Definiti- on (Visus < 1/50) aufgrund AMD für 65- bis 74-Jährige mit ein Prozent und für 75- bis 84-Jährige mit fünf Prozent angegeben. 1997 lebten in Deutsch- land über vier Millionen Personen im Alter von 75 bis 84 Jahren und fast 7,4 Millionen im Alter von 65 bis 74 Jah- ren (1).

Den prozentualen Angaben von Professor Kirchhof zufolge wären in Deutschland 1998 allein in der Alters- gruppe der 75- bis 84-Jährigen circa 200 000 Menschen infolge AMD blind gewesen. Nach Angaben der Schwer-

behindertenstatistik des Statistischen Bundesamtes (StaBa) gab es 1997 je- doch „nur“ rund 82 000 Blinde in Deutschland in allen Altersgruppen und für alle Blindheitsursachen (2).

Andere Autoren kommen aufgrund anderer Quellen zu etwas höheren Angaben. So bezifferten Krumpaszky et al. (3) für 1995 die Zahl der Blin- dengeldempfänger auf 112 000 Perso- nen. Allerdings haben in sechs (Ber- lin, Hessen, Mecklenburg-Vorpom- mern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) von sechzehn Bundesländern außer Blinden auch so genannte „hochgradig Sehbehinder- te“ Anspruch auf Zahlung von Blin- dengeld (4).

Die von Kirchhof angegebenen Prävalenzen von Blindheit infolge AMD stimmen dann mit der Literatur überein, wenn sie sich auf die Häufig- keit der späten Formen der AMD oh- ne Berücksichtigung einer wie auch immer gearteten Sehbehinderung be- ziehen, so in der Beaver-Dam-Studie aus den USA (5) oder der Blue-Moun- tain-Studie aus Australien (6).

Nur eine Minderheit der Patienten mit später AMD erleidet eine Visus- verlust bis zu legaler Blindheit (7).

Der Mehrzahl der Patienten mit spä- ter AMD verbleibt ein Restsehvermö- gen im Sinne der deutschen Definition von „hochgradiger Sehbehinderung“

(Visus < 1/35 im besseren Auge) und

„Sehbehinderung“ (Visus < 1/15 im besseren Auge) oder besser. Es ist zu beachten, dass die deutsche Definition von Blindheit, wie sie das Bundesmi- nisterium für Arbeit und Sozialord- nung in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozia- len Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz in An- lehnung an die Bestimmungen der Deutschen Ophthalmologischen Ge- sellschaft (DOG) vorgeschlagen hat, im internationalen Vergleich sehr streng ist.

Exsudative AMD als eine Spätform der AMD (neben atrophischer AMD) ist für 60 bis 80 Prozent aller Blind- heitsfälle durch AMD verantwortlich (8). Nach eigenen Berechnungen auf Grundlage der Häufigkeitsverteilung der Spätformen der AMD aus der Be- aver-Dam-Studie (5) sowie der An-

nahme eines Blindheitsrisikos von 1:20 bei exsudativer AMD (8) wird die Zahl Blinder infolge exsudativer AMD für das Jahr 2000 in Deutsch- land auf rund 20 000 Personen ge- schätzt. Unsere Berechnungen stim- men gut mit den für Oberbayern und Köln/Düsseldorf ermittelten Ursa- chenverteilungen von Blindheit über- ein. In beiden Untersuchungen war AMD hinsichtlich Prävalenz und Inzi- denz häufigste Blindheitsursache. Sie hatte in Oberbayern einen Prävalenz- anteil von 15,4 Prozent (9) und in den Regierungsbezirken Köln/Düsseldorf von 32,5 Prozent (10). Dies deutet auf die Plausibilität der unserer Modell- rechnung zugrunde liegenden Annah- men hin.

Auf Grundlage der Prävalenzanga- ben der Beaver-Dam-Studie (5) wird die Zahl der Personen im Alter von 43 bis 86 Jahren in Deutschland mit Ver- änderungen hinweisend auf exsudati- ve AMD in mindestens einem Auge auf rund 430 000 für das Jahr 2000 ge- schätzt.

Literatur beim Verfasser

Dr. med. Stephan Kupsch

Institut für Gesundheits-System-Forschung Weimarer Straße 8, 24106 Kiel

Patienten mit einbeziehen

Es ist begrüßenswert, wenn die Macu- ladegeneration wieder in den Mittel- punkt fachärztlicher Diskussion ge- rückt ist. Den Autoren ist zu verdan- ken, dass sie die Vielfalt therapeuti- scher Möglichkeiten erörtern, insbe- sondere, wenn das Vakuum der kon- servativen Therapie („man kann nichts machen“) von Heilpraktikern oder auch von Allgemeinmedizinern und anderen ausgefüllt wird. Um so schlimmer erscheint uns die Tendenz, wenn inzwischen manche pharmazeu- tische Unternehmen eigene pathophy- siologische Modelle und langfristige therapeutische Pläne an Nicht-Au- genärzte verschicken.

Für unsere Patienten ist es unver- ständlich, wenn Augenärzte behaup- ten, die trockene MD sei nicht behan- delbar, nur bei der fortgeschrittenen irreversiblen Form der feuchten MD zu dem Beitrag

Die altersabhängige Makuladegeneration

von

Prof. Dr. med. Bernd Kirchhof in Heft 21/2000

DISKUSSION

(4)

sei eine Behandlung möglich – und zwar lediglich mit Laser, obwohl 80 Prozent der Betroffenen negative Er- fahrungen damit gemacht haben.

Den betroffenen Patienten wird die Urteilskraft zugetraut, zu erkennen, ob die Krankheit schlechter wird (Amsler-Test), gleichzeitig wird ihnen jedoch abgesprochen, beurteilen zu können, ob es ihnen nach einer Be- handlung besser geht.

Heroische chirurgische Eingriffe haben für Patienten häufig die Konse- quenz, nicht nur eine Verschlechte- rung, sondern eine Erblindung zu er- leiden.

In Anbetracht dieser schwierigen Situation scheint es uns geboten, eine Äquivalenz zwischen chirurgisch-kli- nischer und konservativ-biologischer Therapie beziehungsweise eine Koor- dination beider Richtungen zugunsten unserer Patienten anzustreben.

Die neueren Ergebnisse der Neuro- wissenschaften bestätigen einhellig die Neuroregeneration als Tatsache.

Diese Chance sollte auch in der Au- genheilkunde wahrgenommen wer- den.

Dipl.-Psych. Werner Schönbach Selbsthilfegruppe Maculadegeneration e. V.

Breslauer Straße 26, 93073 Neutraubling

Gute Erfahrung mit Akupunktur

Als Quintessenz des Beitrags bleibt leider nur die Feststellung, dass einer zunehmenden Zahl von sehbehinder- ten älteren Patienten seitens der Uni- versitätsmedizin bei dieser stark be- einträchtigenden Augenerkrankung lediglich die Krücke der vergrößern- den Sehhilfen geboten werden kann.

Daran ändert auch die neue photody- namische Therapie (PDT) nichts, die von den daran beteiligten Industrien in letzter Zeit in meistens verkürzter Darstellungsweise bezüglich der Wirksamkeit in der Laienpresse lan- ciert wird.

Angesichts dieses Sachverhaltes bleibt mir das selektive Skotom vieler Kollegen rätselhaft, das offensichtlich eine wesentliche Therapierichtung im- mer wieder ausblendet. Ich jedenfalls habe bei diesem Krankheitsbild mit

der traditionellen chinesischen Medi- zin (Ganzkörperakupunktur) sehr gute Erfahrungen gemacht, wenn man früh genug, also bevor beide Augen in die feuchte Form der Erkrankung übergegangen sind, behandelt. Das Therapieziel, die Lesefähigkeit am besseren Auge zu erhalten, wurde bis auf wenige Ausnahmen erreicht.

Sollte nicht vielleicht auch dieser Therapieansatz zum Wohle der Be- troffenen in die „umfangreichen For- schungsprogramme“ aufgenommen werden?

Dr. med. Dipl.-Biol. Bernhard von der Haar Günterstalstraße 17, 79102 Freiburg

Schlusswort

Ich danke Herrn Dr. Kupsch (Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel) für seine Richtigstellung bezüg- lich der epidemiologischen Daten zur altersabhängigen Makuladegenera- tion (AMD). Meine Angaben zur Prävalenz der AMD stammen aus den Chesapeake-Bay- (1), Beaver-Dam- (2) und Rotterdam-Studien (3). Sie orientieren sich tatsächlich nicht an den strengen deutschen Bestimmun- gen für Blindheit (Visus unter 1/50).

Herr Dr. Kupsch merkt zu Recht an, dass die Zahl der Erblindungen an AMD geringer ist als angegeben, die Anzahl der Erblindungen durch exsu- dative AMD in Deutschland für das Jahr 2000 auf rund 20 000 Personen zu schätzen ist und dass AMD hinsicht- lich Prävalenz und Inzidenz die häu- figste Erblindungsursache im Alter ist.

Ich teile Herrn Schönbachs Enttäu- schung über die unbefriedigenden Er- gebnisse jeglicher Laserkoagulation im Zusammenhang mit AMD.

Schließlich ist unter anderem diese Erfahrung Anlass, sich intensiv der Grundlagenforschung zuzuwenden und zwar in Deutschland nunmehr in einem Umfang, wie er weltweit seines- gleichen sucht (DFG-Schwerpunkt- programm: Altersabhängige Makula- degeneration). Die Forschung ver- sucht auch die aktuellen Therapie- ansätze der „Neuroregeneration“ für die AMD auszunutzen. Solange dar- aus aber keine auf den Patienten an- wendbare Therapieform zur Verfü-

gung steht und wir die Pathogenese der AMD noch nicht besser verstehen, so- lange erscheint es mir gerechtfertigt, Therapieverfahren einzusetzen, die die erkrankten (Pigment-)Zellen er- setzen (Transplantation) oder die Ma- kula auf eine „gesündere“ Unterlage rotieren (Makularelokation). Vorläufi- ge Resultate sind hoffnungsvoll, end- gültige Resultate liegen voraussicht- lich in zwei bis drei Jahren vor.

Zu Herrn Dr. von der Haar: Wenn alternative Therapieverfahren bisher nicht oder nicht mehr in wissenschaft- lichen Projekten berücksichtigt wur- den, dann liegt dies daran, dass es an Konzepten zum Mechanismus der Wirksamkeit alternativer Verfahren fehlt. „Eigene Erfahrungen“ sind als Pilotstudie unzureichend, um eine aufwendige klinische Untersuchung anzustoßen. Dazu ist der natürliche Verlauf der AMD zu variabel.

Literatur

1. Bressler NM, Bressler SB, West SK, Fine SL, Taylor HR: The grading and prevalence of macular degene- ration in Chesapeake Bay watermen. Arch Ophthal- mol 1989; 107: 847–852.

2. Cruickshanks KJ, Klein R, Klein BEK: Sunlight and age-related macular degeneration. The Beaver Dam Eye Study. Arch Ophthalmol 1993; 111: 514–518.

3. Vingerling JR, Dielemans I, Bots ML, Hofman A, Grobbee DE, de Jong PT: Age-related macular dege- neration is associated with atherosclerosis: The Rot- terdam Study. Am J Epidemiol 1995; 142: 404–409.

Prof. Dr. med. Bernd Kirchhof Augenklinik RWTH Aachen Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen M E D I Z I N

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A3274 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 48½½½½1. Dezember 2000

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wissen- schaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kongressberichte und Zeitschriftenreferate – kön- nen grundsätzlich in der Rubrik „Diskussion“ zu- sammen mit einem dem Autor zustehenden Schlusswort veröffentlicht werden, wenn sie in- nerhalb vier Wochen nach Erscheinen der betref- fenden Publikation bei der Medizinisch-Wissen- schaftlichen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens einer Schreibmaschinen- seite (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen, Literatur- verzeichnis mit bis zu vier Zitaten) wissenschaft- lich begründete Ergänzungen oder Entgegnungen enthalten. Für Leserbriefe anderer Ressorts gelten keine besonderen Regelungen (siehe regelmäßige

Hinweise). DÄ/MWR

Referenzen

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