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84 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juli 2015 | www.pta-aktuell.de

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er Erreger der Früh- sommer-Meningoen- zephalitis (FSME) ist ein kleines umhülltes Virus sphärischer Gestalt (kugel- förmig). Die Art gehört zur Gat- tung der Flaviviren. Dieser Name verdankt sie einer anderen Spezies der Gruppe: dem Gelbfieber-Vi- rus (lateinisch flavus: gelb). Die FSME-Viren zirkulieren zwischen Zecken und kleinen Säugetieren wie zum Beispiel Mäusen oder Igeln;

bisweilen werden sie auch auf Wild- schweine oder Schafe übertragen.

Für die natürlichen Wirte sind sie im Allgemeinen nicht pathogen.

Zwischen 200 und 400 Erkran- kungsfälle wurden bei uns in den letzten Jahren registriert. Die Zah- len variieren, je nach Wetterlage und der Neigung der Menschen, nach draußen zu gehen.

Am aktivsten sind die Zecken bei etwa 14 bis 23 Grad Celsius und möglichst hoher Luftfeuchtigkeit.

Bei anhaltender trockener Witterung ziehen sie sich eher zurück.

Verbreitung Anders als die Bor- reliose, die durch Zecken über- all in Deutschland übertragen werden kann, tritt die FSME regio- nal begrenzt auf. Das Virus hat feste Ansprüche an Mikroklima und öko- logische Bedingungen; das lässt seine Verbreitung erkennen: Allein, dass sein „Vehikel“, die Zecke in einer Region lebt, reicht ihm nicht als Voraussetzung.

Weite Risikogebiete liegen vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen und im südöstlichen Thüringen. Bis zu fünf Prozent der Zecken in den Endemiegebieten, so wird angenommen, sind infiziert.

Die Viren scheinen sich offenbar be- sonders entlang von Flüssen „wohl- zufühlen“.

© Ralf Geithe / fotolia.com

PRAXIS VIREN & BAKTERIEN – TEIL 6

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Diese Virenart „benutzt“ Zecken, um von Wirt zu

Wirt zu gelangen. Eine Infektion damit kommt allerdings

wesentlich seltener vor als die Borreliose.

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FSME-Herde erstrecken sich oft auch über recht kleine Areale, auch innerhalb von Landstrichen, die als Niedrigrisiko-Gebiet vermerkt sind, warnt das Robert Koch-Institut. Ver- einzelt kann daher eine Übertragung auch in jeder Region Deutschlands vorkommen.

Übertragungswege Anders als bei einer Infektion mit Borrelien, die erst zu einem relativ späten Zeit- punkt während der Blutmahlzeit stattfindet, werden die Viren bereits ab Beginn des Saugakts übertragen, da sie sich in der Speicheldrüse der Zecken befinden. Eine rasche Ent- fernung der Zecke, die die Wahr- scheinlichkeit einer Infektion mit den Bakterien reduzieren kann, hilft also in Bezug auf eine mögliche virale Infektion wenig.

In die Stichstelle gelangt, vermehrt sich der Erreger zunächst lokal und in den regionalen Lymphknoten.

Über das Blut verbreitet er sich dann im Körper. Als neurotropes Virus hat es eine große Affinität zum Ner- vengewebe und ist in der Lage, Neu- ronen zu infizieren.

Eher selten kann man sich das Virus auf anderem Wege „einfangen“:

beim Verzehr von nicht-pasteuri- sierter Milch oder Rohmilch-Käse von Schaf oder Ziege.

Keine spezifische Behandlung Nur etwa drei von zehn Infizierten bekommen Symptome, meist zu- nächst grippeartige Beschwerden.

Bei etwa jedem Dritten dieser Er- krankten entwickelt sich, nachdem das Fieber vorübergehend zurück- ging, eine ZNS-Manifestation: eine Hirnhautentzündung (Meningitis), Hirnentzündung (Enzephalitis) oder die Namen gebende Misch- form. An Symptomen können Kopf- schmerzen und Nackensteifigkeit, Fieber, Erbrechen, Verwirrtheit, Konzentrations- und Gehstörungen auftreten. Bei etwa jedem Zehn- ten ist zusätzlich das Rückenmark entzündet (Myelitis); insbesondere dann können Lähmungen oder an- dere Beeinträchtigungen lange per-

sistieren, aber auch nach Monaten heilt die Krankheit oft ganz aus. Mit zunehmendem Alter erleiden Infi- zierte öfter Komplikationen. Etwa ein Prozent der Fälle mit ZNS-Be- teiligung endet tödlich. Die Krank- heit kann nur symptomatisch be- handelt werden.

Die gute Nachricht: Jede Infek- tion hinterlässt eine lebenslange Immunität – und: Kinder bleiben meist von schweren Verläufen ver- schont!

Prävention Zur Impfung mit inak- tivierten, nicht vermehrungsfähigen FSME-Viren wird allen Bewohnern und Besuchern von Risikogebieten geraten, die sich in der Natur auf- halten. Auch vor Reisen in andere Endemiegebiete, zum Beispiel in Österreich (vor allem die östlichen Landesteile), Osteuropa, Russland, dem Baltikum oder manchen Re- gionen Chinas empfiehlt sich die ak- tive Immunisierung. Personen mit nachgewiesener Hühnereiweißaller- gie sollten die Notwendigkeit einer Impfung in Absprache mit ihrem Arzt gut abwägen.

Exkurs: Ablauf der Impfung Das RKI schreibt dazu auf seiner Homepage : „In der Regel sind drei Impfungen notwendig, um den vol- len Impfschutz zu erreichen. Nach der ersten Impfung findet entspre- chend dem klassischen Schema die zweite etwa ein bis drei Monate später statt. Die dritte Impfung ist dann fünf bis zwölf beziehungsweise neun bis zwölf Monate nach der zweiten Impfung fällig. Der Impf- schutz hält dann mindestens drei Jahre. Nach vollständiger Impfung kann bei 99 Prozent der Geimpften mit einem vollständigen Schutz vor FSME gerechnet werden. Bereits nach zwei Impfungen besteht bei 98 Prozent ein Schutz, der aller- dings nur etwa ein Jahr anhält. Der- zeit werden von den Herstellern verschiedene Impfschemata ange- boten, unter anderem auch sog.

Schnellschemata, die kurzfristig an- gewendet werden können, zum Bei- spiel bei anstehender Reise in ein Risikogebiet.

Eine Kontrolle der durch die Imp- fung induzierten Antikörper wird vor allem für immunsupprimierte Personen sowie älteren Personen nach der zweiten Teilimpfung emp- fohlen, zur Entscheidung, ob gege- benenfalls eine zusätzliche Dosis notwendig ist (siehe hierzu auch die Fachinformationen des jewei- liegn Impfstoffes). Zur Entschei- dung, ob eine Auffrischimpfung notwendig ist, sind serologische Kontrollen in der Regel nicht emp- fohlen. Die Indikation für eine FSME-Auffrischungsimpfung bei einer gesunden Person sollte aus den in den Fachinformationen emp- fohlenen Impfabständen abgeleitet werden.“ ■

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin ENTFERNTE

VERWANDTE

Am häufigsten unter den vira- len Tropenkrankheiten bringen Touristen von Fernreisen das Dengue-Fieber mit. Charakte- ristisch für diese Infektion sind neben den hohen Temperatu- ren und Kopfschmerzen sehr starke Muskel- und Knochen- schmerzen. Andere Vertreter der Virengattung sind die Erreger des Gelbfiebers, der Japan-Enzephalitis und des West-Nil-Fiebers. Das West- Nil-Virus hat sich inzwischen auch weit auf gemäßigte Ge- biete ausgebreitet: Es tritt jetzt auch in Teilen Nordamerikas und Europas auf (etwa Osteu- ropa, Griechenland, Italien, die Region Wien).

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juli 2015 | www.pta-aktuell.de

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