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FORUM-11-2016

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Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns

KVB FORUM

GESUNDHEITSPOLITIK: Einschätzung zum Selbstverwaltungsstärkungsgesetz KVB INTERN: Unterstützung – förderfähige Facharztgruppen in Bayern stehen fest RECHT INTERESSANT: Kostenerstattung – Krankenkassen müssen zügig entscheiden

BILANZ DER

WIRKSTOFFVEREINBARUNG

Erfolgreiche Steuerung der Arzneimittelverordnungen in Bayern

11 |16

(2)

EDITORIAL 2

Dr. med. Krombholz

Vorsitzender des Vorstands Dr. med. Schmelz

1. Stellv. Vorsitzender des Vorstands Dr. med. Enger

2. Stellv. Vorsitzende des Vorstands

Ihr KVB-Vorstand

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit unserer Wirkstoffvereinbarung in Bayern haben wir bundesweit erstmals Maßstäbe für eine transparente und nachvollziehbare Steuerung der Arzneimittelverordnungen gesetzt.

Noch bevor die Große Koalition im Rahmen des Versorgungsstärkungsgesetzes regionale Vereinbarungen überhaupt ermöglicht hatte, konnten wir uns zusammen mit den bayeri- schen Krankenkassen auf eine neue Systematik einigen und endlich die bisherige Systema- tik der Richtgrößenprüfung ablösen. Auf Basis einer fundierten Analyse hatten wir nachge- wiesen, dass die bis dato gültigen Prüfkriterien willkürlich gewählt und ungerecht waren.

Tatsächlich kam seit der Einführung unserer Vereinbarung kein Vertragsarzt mehr in eine systematische Prüfung. Unsere anvisierte Idee „Steuern statt prüfen“ wurde durch unsere Wirkstoffvereinbarung mit Leben gefüllt und ist ein gutes Beispiel für den Erfolg einer hand- lungsfähigen Selbstverwaltung. Grund genug, den Schwerpunkt der aktuellen KVB FORUM- Ausgabe diesem Thema zu widmen.

Mit Sorge betrachten wir daher das geplante sogenannte „Selbstverwaltungsstärkungsge- setz“, mit dem wir uns in einem Artikel in dieser Ausgabe auseinandersetzen. Entgegen der euphemistischen Namensgebung dieses Gesetzesentwurfs scheint es, als würde der Gesetz- geber versuchen, den Handlungsspielraum der Selbstverwaltung massiv in Richtung Staats- verwaltung auszuhöhlen. Die vorgeschlagenen erweiterten Kompetenzen einer externen

„Fachaufsicht“ würden sogar die Position der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeu- ten schwächen. Auch wenn das Gesetz zunächst nur für die Bundesebene vorgesehen ist – um vor allem den Geschehnissen in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Rechnung zu tragen –, müssen wir uns auch als Länder-KV dazu positionieren, um die Zukunft erfolgrei- cher regionaler Projekte wie unserer Wirkstoffvereinbarung in jedem Fall zu sichern.

(3)

Wichtiges für die Praxis

Wir beraten Sie gerne!

Über www.kvb.de/Beratung als neue Kurzadres- se gelangen Sie ab sofort direkt auf kürzestem Weg und unabhängig vom Thema zu den für Sie relevan- ten Kontaktdaten der KVB.

„ Sie wünschen eine Beratung zu einem be- stimmten Inhalt?

„ Sie haben bereits mit einem KVB-Berater ge- sprochen und möchten sich auf dieses Ge- spräch beziehen?

Dann haben sie zukünftig die Möglichkeit, einen Rückruf der KVB-Berater über die Kontaktformula- re unserer Internetseite anzufordern. Nennen Sie uns bei Beratungsanfragen bitte Ihren Termin- wunsch und den Themenschwerpunkt.

Rückrufservice:

1. Thema auswählen 2. Daten eingeben 3. Wir rufen Sie an!

Die Kontaktformulare können Sie unabhängig von unseren Servicezeiten nutzen. Bitte berücksichti- gen Sie, dass wir Rückrufe im Regelfall zu folgen- den Zeiten vornehmen:

Montag bis Donnerstag 7.30 bis 17.30 Uhr Freitag 7.30 bis 14.00 Uhr Ihre Beratungs- und Terminanfragen haben ein Höchstmaß an Datensicherheit. Bei der Übertra- gung der Anfrage ist ein Zugriff von Dritten ausge- schlossen. Die KVB setzt Firewalls, Anti-Viren- Software und ein Verschlüsselungsverfahren ein.

Die Kontaktformulare stehen Ihnen übrigens auch über unsere mobile Website m.kvb.de zur Verfü- gung.

Testen Sie unseren Rückrufservice, denn ein per- sönlicher Kontakt ist durch nichts zu ersetzen! Wir unterstützen Sie, wenn Sie Fragen haben oder In- formationen benötigen.

Ludwig Eichner, Geschäftsführer (KVB)

ZITAT DES MONATS ZAHL DES MONATS

621

konkrete Terminanfragen von Pa- tienten gingen im September 2016 bei der Terminservicestelle der KVB ein.

(Quelle: KVB)

„Ich war an vielen Gesetzen betei- ligt, aber das hier war ein Flop.“

SPD-Gesundheitspolitiker Prof. Dr.

med. Karl Lauterbach am 26. Sep- tember 2016 zum Thema Termin- servicestellen und deren geringe Inanspruchnahme durch Patienten.

(Quelle: ARD-Sendung „hart aber fair“)

VERTRETERVERSAMMLUNGEN 2016

Die nächste Vertreterversammlung der KVB findet an folgendem Termin in der Elsenheimerstraße 39, 80687 München, statt:

„ Samstag, 26. November 2016, 9.00 Uhr

So lautet der Titel einer Broschüre, die von einer Arbeitsgruppe – be- stehend aus niedergelassenen Ärzten, Psychotherapeuten und Flücht- lingen – entwickelt wurde und jetzt in Zweitauflage mit finanzieller Un- terstützung der KVB erschienen ist. Die Broschüre ist in vier Sprachen übersetzt und soll im Praxisalltag bei der medizinischen Behandlung von Flüchtlingen behilflich sein. Die KVB stellt die 20.000 Exemplare der von ihr gesponserten Zweit- auflage ihren niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten übers Internet kostenfrei zur Ver- fügung. Knapp 10.000 Exempla- re sind bereits über verschiede- ne Kanäle an bayerische Praxen verteilt worden.

Bei Interesse finden Sie das Be- stellformular für die Broschüre

„Beim Arzt in Deutschland“ un- ter www.kvb.de in der Rubrik Service/Mitglieder-Informatio- nen/Informationsmaterial bei Pra- xisbetrieb/Praxisführung.

Redaktion

„BEIM ARZT IN DEUTSCHLAND“

(4)

INHALTSVERZEICHNIS 4

QUALITÄT

15 Neues zum Darmkrebs- screening

Seit 1. Oktober können teilneh- mende Ärzte die intensive Bera- tungsleistung zur informierten Entscheidung im Rahmen der Darmkrebsfrüherkennung für Versicherte der TK mit 30 Euro abrechnen

GESUNDHEITSTELEMATIK 16 Internet of Things: Wenn sich Dinge verselbstständigen

Wenn sich Objekte mit elektro- nischer Steuerung selbstständig mit anderen vernetzen, kann das weitreichende Konsequen- zen haben

13 Selbstverwaltungsstärkungs- gesetz

Ein kritischer Blick auf den aktu- ellen Gesetzesentwurf zeigt, dass die Stärkung der internen Kontrollmechanismen zwar zu begrüßen, jede Aushöhlung der Selbstverwaltung jedoch strikt abzulehnen ist

KVB INTERN

14 Förderfähige Facharzt- gruppen in Bayern

Die Weiterbildung in bayeri- schen Facharztpraxen wird attraktiver. So können derzeit 156 Stellen in sechs ausgewähl- ten Facharztgruppen mit 4.800 Euro pro Monat gefördert werden TITELTHEMA

6 Steuern statt prüfen – zwei Jahre bayerische Wirkstoff- vereinbarung

Seit Einführung der Wirkstoff- vereinbarung hat sich das Ver- ordnungsverhalten der bayeri- schen Ärzte strukturell verän- dert. Das wirkt sich positiv auf die Arzneimittelausgaben aus

GESUNDHEITSPOLITIK 12 Gesundheitspolitisches Oktoberfest

Auch beim diesjährigen Gesund- heitspolitischen Oktoberfest von KVB und KZVB hatten die Teilnehmer wieder ausgiebig Ge- legenheit, sich abseits des Ar- beitsalltags zu Themen des Ge- sundheitswesens auszutauschen

Das Internet of Things ist ein Netzwerk, in dem auch kleinste Ge- räte über stan- dardisierte Kanä- le direkt selbsttä- tig untereinander kommunizieren In Bayern konnte

die Steuerung der Arzneimittelver- ordnungen indi- kationsbezogen nach Wirkstoffen und Wirkstoffan- teilen umgestellt werden

6

Der Entwurf zum

Selbstverwal- tungsstärkungs- gesetz beschränkt sich in weiten Teilen auf Spit- zenorganisatio- nen der Bundes- ebene

13 16

(5)

KURZMELDUNGEN

24 KVB eröffnet neue Bereit- schaftspraxen

24 Einigung über Honorar- erhöhung

24 LMU-Lehrstuhl für Allgemein- medizin

25 IMPRESSUM

26 KVB SERVICENUMMERN AUS DER PRAXIS

21 Nasensprays: Vorsicht beim „Switching“

Worauf Praxen jetzt bei der Ver- ordnung von nasalen Kortikoi- den achten müssen, um der Ge- fahr von Rückforderungsanträ- gen durch Krankenkassen und Prüfungsstelle zu entgehen

RECHT INTERESSANT

22 Kostenerstattung – Kranken- kassen müssen zügig ent- scheiden

Leistungsanträge ihrer Versi- cherten sind von Krankenkassen zügig zu bearbeiten und dürfen aufgrund etwaiger Arbeitsüber- lastung der eigenen Mitarbeiter nicht zurückgestellt werden ARZNEIMITTELTHERAPIE-

SICHERHEIT

18 Interaktionen mit Schild- drüsenhormonen

Aufgrund der vielen möglichen Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen müssen Schild- drüsenhormone zum Schutz von mehr als 1,3 Millionen betroffe- nen bayerischen Patienten un- bedingt im Blick behalten wer- den

Für bestimmte Mometason- und Fluticasonhaltige Nasensprays be- steht seit Kurzem keine Verschrei- bungspflicht mehr

21

Die Wechselwir-

18

kungen mit Schild- drüsenhormonen sind vielfältig. Für die Güte der Ein- stellung der Schild- drüsenfunktion sind deshalb re- gelmäßige Kon- trollen notwendig

Am LMU-Lehr- stuhl für Allge- meinmedizin werden Medizin- studierende nun unter neuer Lei- tung frühzeitig an den Beruf des Hausarztes her- angeführt

24

(6)

TITELTHEMA 6

In Bayern gehen die Uhren anders – auch was das Steuern der Arzneimittel- ausgaben angeht. So hat die KVB die Richtgrößenprüfung bereits zu einem Zeitpunkt abgelöst, als sie noch als Regelprüfung im Gesetz stand. Gelungen

ist dies mit der sogenannten Wirkstoffvereinbarung, die im Dezember 2016 ihren zweiten Geburtstag feiert. Grund genug, die Auswirkungen der Vereinba- rung genauer zu betrachten.

STEUERN STATT PRÜFEN – ZWEI JAHRE BAYERISCHE WIRKSTOFFVEREINBARUNG

M

öglich gemacht hat die Ablösung der Richtgrö- ßenprüfung der mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arz- neimittelmarktes (kurz: AMNOG) am 1. Januar 2011 ins Fünfte Sozi- algesetzbuch aufgenommene Ab- satz 3b des Paragrafen 106. Die- ser erlaubte bereits zum damali- gen Zeitpunkt eine Ablösung der Richtgrößenprüfung, wenn die Steuerung der Arzneimittelverord- nungen auf eine indikationsbezo- gene Steuerung nach Wirkstoffen und Wirkstoffanteilen umgestellt wird, die auch eine Mengenkom- ponente beinhaltet.

Generika, Leitsubstanzen und Rabattarzneimittel

Dieser Schachzug gelang der KVB damals in einer Art und Weise, dass sie zum Vorbild der jetzt vom Gesetz geforderten regionalen Vereinbarungen werden könnte.

Zumindest schaut die gesamte Re- publik gespannt nach Bayern, wie sich der Arzneimittelmarkt und die Arzneimittelausgaben unter die- sem neuen Instrument entwickeln.

Denn gesteuert werden sollte nicht mehr nach Kosten, die für den Arzt aufgrund verschiedener

Rabatte nicht mehr nachvollzieh- bar sind, sondern nach Kenngrö- ßen, die im Moment der Verschrei- bung für den Arzt auch transpa- rent sind: Generika, Leitsubstan- zen und Rabattarzneimittel. Damit wird die Steuerung indirekt vorge- nommen, der Arzt muss die Kos- ten der Arzneimittel im Detail nicht mehr kennen. Da Generika, Leitsubstanzen und Rabattarznei- mittel als wirtschaftlich betrachtet werden, reicht es für den Ver- tragsarzt aus, in den entsprechen-

den Indikationsgebieten bestimm- te Quoten dieser Arzneimittel zu erfüllen, um in keine Prüfung zu geraten.

Dieses neue System stellte alle Beteiligten vor große Probleme, weil man ein – wenn auch unge- liebtes, aber dafür bekanntes – System durch eine völlig neue Me- thodik ablöste. Vom KVB-Vorstand über die Berufsverbände, die Fach- ebene und die Pharmakotherapie- berater gingen die Aktivitäten in

Trendmeldung nach Wirkstoffvereinbarung

Veränderung (in Prozent) der Rot- und Grün-Punkte (alle Arztfachgruppen) im Zeitraum 4. Quartal 2014 bis 1. Quartal 2016

-1,7

-4,4

-5,8 3,1

Q3 2014/

Q4 2014 Q3 2014/

Q1 2015 Q3 2014/

Q2 2015 Q3 2014/

Q3 2015 Q3 2014/

Q4 2015 Q3 2014/

Q1 2016 8,4

10,7

15,1 15,0

12,6

-7,1 -8,2 -7,6

Grafik 1 Quelle: KVB

-5 % 0 % 5 % 10 % 15 % Seit Einführung

der Wirkstoff- vereinbarung hat sich das Ver-

ordnungsverhal- ten der bayeri- schen Ärzte strukturell ver-

ändert.

(7)

Grafik 2 (Fortsetzung siehe Seite 8) Quelle: KVB Analgetika

Antibiotika Antidiabetika Antiepileptika Antimykotika systemisch

Antimykotika topisch Antiparkinsonmittel Antiphlogistika/-rheumatika BTM-Rezeptpflichtige

Opioide Corticosteroide Endokrine Therapie hormonelle Kontrazeptiva Kombi kardio- vaskuläres System Lipidregulatoren Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen

Zielwerterfüllung Ziele 1 bis 15: 3. Quartal 2013 bis 2. Quartal 2014 gegenüber 2. Quartal 2016 3/2013 bis 2/2014 Zielerfüllung in Prozent 2/2016 Zielerfüllung in Prozent

0 20 40 60 80 100 120 140

105,02 101,03 87,12

131,18 100,74

78,47

116,16 97,34

101,43 103,00

103,32

119,92 101,29

113,42 99,54

die Fläche, um die neue Systema- tik vorzustellen, zu erklären und zu diskutieren. Zahlreiche Abendver- anstaltungen und auch Wochen- endseminare verlangten den Mit- arbeitern der KVB viel ab, um end- lich den Regressdruck von den Praxen fernhalten zu können.

Aus Rot mach Grün!

Erreicht wird dies durch eine ratio- nale Steuerung: Bei Erreichen eines Ziels in der quartalsweise versand- ten „Wasserstandsmeldung“ gibt es einen grünen Punkt. Wenn auch das Gesamtergebnis im grünen Bereich liegt, weiß der Vertragsarzt zirka sieben Wochen nach Quar- talsende, dass es zu keiner Prü- fung kommt. Liegt der erreichte Wert weiter als zehn Prozent unter dem Zielwert, wird dies durch ei- nen roten Punkt zum Ausdruck ge- bracht. Intention ist also, die grü-

nen Punkte möglichst zu mehren und die roten zu verringern. Dass diese Art von Steuerung tatsäch- lich funktioniert, ist in Grafik 1 dargestellt: Deutlich wird die kon- tinuierliche Zunahme der grünen Punkte, die die einzelne Zielwert- erfüllung eines Arztes kennzeich- nen, und die gleichzeitige sukzessi- ve Abnahme der roten Punkte, die in der Quartalsmitteilung angeben, ob ein einzelnes Ziel durch den Arzt noch nicht erreicht wurde. Die ge- samten grünen und roten Punkte aller bayerischen Vertragsärzte werden hier pro Quartal kumuliert und im Verhältnis zum Ausgangs- wert dargestellt.

DDD als Kenngröße

Da man sich nicht mehr an Kosten orientieren wollte, musste man eine andere Kenngröße für die Quoten verwenden: die Defined Daily Do-

ses oder kurz DDD genannt. Diese entspricht im Idealfall der mittle- ren Tagesdosis in der Hauptindika- tion. Insgesamt werden 30 Indika- tionsgruppen in der bayerischen Wirkstoffvereinbarung auf der Ba- sis von DDD verglichen. Generika wie Originale – ob Leitsubstanz oder nicht – sowie rabattierte Arz- neimittel werden über die Menge an verordneten DDDs erfasst und entsprechend ausgewertet. Eine Strukturänderung in diesen Berei- chen müsste durch eine höhere Quote an Generika und Leitsub- stanzen gekennzeichnet sein.

Grafik 2 zeigt deutlich, dass diese strukturellen Änderungen über die 30 Indikationsgruppen sehr gut gelungen sind. Es gibt aber auch Ausnahmen: Bei den Antidiabetika (Ziel 3) ist der Trend an Generika rückläufig – ein bundesweites Phänomen. Hier wird man in den

Die Strukturän- derung ist deut- lich zu erken- nen. Die damit verbundenen Einsparungen leiten sich aus den Preisunter- schieden zwi- schen den „gu- ten“ und

„schlechten“

Seiten der Quo- ten ab.

(8)

8 TITELTHEMA

Verhandlungen mit den Kranken- kassen den Wert nach unten an- passen müssen.

Bei den Antiphlogistika/Antirheu- matika ergibt sich derzeit ein scheinbar negatives Bild, das aller- dings ein Artefakt ist: Durch die Umkodierung von „Voltaren resi- nat®“ nach einer Preiserhöhung durch den Hersteller ist dieses von der positiven Seite der Quote auf die negative gewandert.

Bei den Lipidregulatoren hatte man das Ziel in der Vergangenheit bereits kollektiv erfüllt. Dass dies derzeit knapp nicht erreicht wird, liegt wohl zum einen an der IMPROVE-IT- Studie, die einen – wenn auch nur marginalen – Nutzen von Ezetimib in einem siebenjährigen Vergleichs- zeitraum gegenüber einer reinen Statingabe gezeigt hat. Zum ande- ren sind seit geraumer Zeit auch

Grafik 2 (Fortsetzung von Seite 7) Quelle: KVB

Sexualhormone und Modulatoren des Genitalsystems

Mittel zur Behandlung von Knochenerkrankungen Ophthalmika Psychoanaleptika Psycholeptika RAS-System Rhinologika

Thrombozyten- aggregationshemmer

Urologika andere Antianämika Antikoagulantien Gn-RH-Analoga Koloniestimulierende Faktoren MS-Therapeutika TNF-Alpha-Blocker

Zielwerterfüllung Ziele 16 bis 30: 3. Quartal 2013 bis 2. Quartal 2014 gegenüber 2. Quartal 2016 3/2013 bis 2/2014 Zielerfüllung in Prozent 2/2016 Zielerfüllung in Prozent

20

0 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300

106,14 125,05 103,25

103,42 104,85

198,02 111,05

106,39 103,52

123,06 77,78

272,66 284,46

161,52 96,07

Jedes Indika- tionsgebiet hat bestimmte Quo- ten, die erreicht

werden sollen.

(9)

Grafik 3 Quelle: KVB 1

16 2

17 3

18 4

19 5

20 6

21 7

22 8

23 9

24 10

25 11

26 12

27 13

28 14

29 15

30

Rabattquote Ziele 1 bis 30: 3. Quartal 2014 gegenüber 1. Quartal 2016 3/2014 Rabattquote in Prozent 1/2016 Rabattquote in Prozent

40 30 20 10

0 50

Prozent Zielnummer

60 70 80 90 100

79,31 71,66

80,12

49,39

38,18

65,22 43,02

60,04

7,60

78,90 78,16

82,93 83,98 53,72

33,73

83,41 76,77

87,46

63,75

46,43

71,67 66,03 59,95

6,56

78,85 81,99

84,17 86,51 63,59

51,22 59,13 32,65

83,67

17,57

69,99 40,61

57,07

71,14

19,34

6,38

29,99

2,03

43,79 0,50

24,17

65,58 46,51

87,81

36,06

72,87 44,81

61,29

76,59

45,36

6,67

31,14

53,34 48,28 32,83

49,20

die PCSK-9-Hemmer auf dem Markt und fester Teil der lipidsenkenden Therapie vor einer Apherese.

Bei den oralen Antikoagulantien wird man den Wert entsprechend anpassen, aber auch gleichzeitig den Markt der NOAKs untereinan- der steuern müssen. So werden für die NOAKs Leitsubstanzen de- finiert, die dann bevorzugt zum Einsatz kommen sollten, wenn Vi- tamin-K-Antagonisten nicht in Fra- ge kommen.

Bei den MS-Präparaten ist immer noch der „Tecfidera-Effekt“ zu spüren, der eine Zielerreichung verhindert hat. Aber auch hier hat man auf die Marktgegebenheiten reagiert: Seit den Preisverhand- lungen nach dem AMNOG ist Tec- fidera so günstig wie die bisheri- gen Leitsubstanzen. In der Gesamt- schau aus Ergebnis von Nutzenbe- wertung und Preisverhandlung im Vergleich zu einzelnen Leitsubstan- zen einigte man sich darauf, auch Tecfidera zukünftig als zusätzliche Leitsubstanz aufzunehmen und damit bei der Verordnung positiv zu zählen.

Rabattarzneimittel

Wie die Grafik 3 zeigt, haben unter dem Mehr an Generika und Leit- substanzpräparaten auch noch die zusätzlich rabattierten Präparate zugenommen. Aus der Quotenver- besserung resultieren also weitere erhebliche Einsparungen. Die Ra- battverträge sind zwar geheim, aber Insider sprechen immer wie- der von höheren zweistelligen Ra- batten jenseits der 50 Prozent – eine beachtliche Größenordnung!

Vergleich Freistaat – Bund Die Strukturveränderung in Bay- ern gegenüber dem Bundesdurch- schnitt wird in Grafik 4 auf Seite 10 deutlich: War Bayern bis zum

(10)

10 TITELTHEMA

Entwicklung Generikaanteil und Anteil Leitsubstanz 3. Quartal 2014 und 4. Quartal 2015 Bayern gegenüber Bund

Gesamt- DDDs Bayern:

zirka 1,03 Milliarden

Gesamt- DDDs Bayern:

zirka 26,28 Millionen Gesamt-

DDDs Bayern:

zirka 23,59 Millionen Gesamt-

DDDs Bayern:

zirka 0,99 Milliarden

Nulllinie = Bundesdurchschnitt

(ohne Bayern) Nulllinie = Bundesdurchschnitt

(ohne Bayern)

3/2014 3/2014

Generika Leitsubstanzen

4/2015 4/2015

0,90 %

6,20 %

0,70 %

5,20 %

4,20 %

0,50 % 3,20 %

0,30 % 2,20 %

0,10 %

1,20 %

0,20 % -0,80 % -0,10 %

Grafik 4 Quelle: KVB

Beispiel: TNF alpha Inhibitoren Im Leitsubstanzziel zu den TNF al- pha Inhibitoren sei auf den beacht- lichen Zuwachs der Infliximab Ta- gesdosen hingewiesen (Grafiken 5 und 6 auf Seite 11). In Bayern nahm das DDD-Volumen bei dieser Leit- substanz um ein Drittel zu (von 300.000 auf 400.000 DDD). Im Bund wurde im gleichen Zeitraum dagegen nur eine Zunahme um zir- ka 13 Prozent beobachtet (von 1,79 auf 2,02 Millionen DDD). Stiegen im Bund die verordneten Nicht-Leit- substanz DDD von Adalimumab (plus 500.000 DDD, plus 16 Prozent) und Etanercept (plus 184.000 DDD, plus neun Prozent), so nahm in Bayern zeitgleich Adalimumab zwar auch an Fahrt auf, allerdings nur mit einem Zuwachs um neun Pro- zent (zirka 41.000 DDD). Adalimu- mab bleibt Marktführer, wird jedoch im Freistaat von Infliximab fast eingeholt. Etanercept stagnierte durch Umsetzung der Wirkstoff- vereinbarung und konnte mutmaß- lich nur aufgrund zahlreicher Ra- battverträge das Niveau halten (zirka 230.000 DDD, also null Pro-

zent Zuwachs). Da das gesamte Segment kontinuierlich wächst, hat Etanercept an Marktdurchdrin- gung verloren. Die beiden neueren TNF alpha Inhibitoren und WSV- Leitsubstanzen Golimumab und Certolizumab wachsen stetig. Aller- dings wuchs Certolizumab in Bay- ern (plus 183 Prozent) doppelt so stark wie im Bund (plus 90 Pro- zent), Golimumab entsprechend sogar leicht über das Doppelte (Bayern: plus 124 Prozent, Bund:

plus 57 Prozent).

Mengenkomponente

Die Zahlen belegen: Die Steuerung der bayerischen Wirkstoffvereinba- rung greift, ohne dass die Patien- tenversorgung darunter leidet.

Denn die Zahlen zu dem sich aus- weitenden Markt deuten nicht da- rauf hin, dass die bayerischen Ärz- te sich durch die Strukturände- rung daran gehindert fühlen, Ver- ordnungen auszustellen.

Allerdings könnte man nun auf den Gedanken kommen, dass die Quo- ten sich vorrangig dadurch so po- sitiv verändert haben, dass insge- samt mehr Patienten im betreffen- den Zeitraum versorgt wurden und das Ergebnis also auf eine Mengen- ausweitung zurückzuführen ist.

Die Wirkstoffvereinbarung sieht im Übrigen bisher eine Mengenaus- weitung in DDD von bis zu fünf Prozent pro Behandlungsfall als zulässig an. Das bedeutet, dass beispielsweise mehr DDD aufgrund von mehr Arbeitstagen in einem Quartal unschädlich sind.

Dass diese Grenze nicht über- schritten wurde, verdeutlicht Gra- fik 7 auf Seite 11. Der im vierten und letzten Quartal jeden Kalen- derjahres beobachtete Mengenzu- wachs im Vergleich zu allen übri- gen Quartalen fiel 2015 besonders hoch aus. Grundsätzlich ist die Mengenzunahme zum Jahresende Beginn der Wirkstoffvereinbarung

im Generikaanteil immer deutlich schlechter als der Bundesdurch- schnitt, so ist man nun an einigen anderen Kassenärztlichen Vereini- gungen vorbeigezogen und landet sogar zirka ein Prozent vor dem Bundesdurchschnitt. Dieses eine Prozent mag nach wenig klingen, aber allein die Tatsache, dass in den Generikazielen jeweils pro Quartal über eine Milliarde DDDs gesteuert werden, relativiert den Maßstab. So mussten also mehr als zehn Millionen DDDs „umge- switcht“ werden, um ein Prozent vor dem Bundesdurchschnitt zu landen.

Bei den Leitsubstanzen ist das Bild noch deutlicher, wobei der Freistaat in diesem Feld auch bisher schon immer vor dem Bundesdurchschnitt lag. Aber eine Steigerung des Leit- substanzanteils gegenüber dem Bundesdurchschnitt um mehr als fünf Prozent ist eine beachtliche Leistung, die auf die Umsetzung der Steuerung durch die Vertrags- ärzte zurückzuführen ist.

(11)

Grafik 5 Quelle: KVB Entwicklung der TNF-alpha-Blocker im Bund

Certolizumab-AL04AB05 Golimumab-AL04AB06 Infliximab-AL04AB02 Etanercept-AL04AB01 Adalimumab-AL04AB04

1/2014 2/2014 3/2014 4/2014 1/2015 2/2015 3/2015 4/2015 0

500000 1000000 1500000 2000000 2500000 3000000 3500000 40000004.000.000

3.500.000 3.000.000 2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000

DDD-Gesamtsummen 3. Quartal 2014 bis 1. Quartal 2016 DDD-Summen

(WSV-Ziel 1-30)

Veränderung

3/2014 976.332.309 4/2014 1.021.177.749 1/2015 980.238.559 2/2015 979.054.204

3/2015 985.634.978 in Prozent 3. Quartal 2015

gegenüber 3. Quartal 2014 0,95 % 4/2015 1.044.842.705 in Prozent 4. Quartal 2015

gegenüber 4. Quartal 2014 2,32 % 1/2016 988.771.942 in Prozent 1. Quartal 2016

gegenüber 1. Quartal 2015 0,87 %

Grafik 7 Quelle: KVB

hin ein bekannter Effekt. Zukünftig wird der Mengenkomponente je- doch über alle Quartale hinweg ei- ne größere Bedeutung zukommen müssen, um Kompensationen der Einsparungen aus Strukturände- rungen durch eine Mengenauswei- tung zu verhindern.

Fazit

Der Slogan der Wirkstoffvereinba- rung „Steuern statt prüfen“ blieb in Bayern keine leere Worthülse.

Tatsächlich gab es seit Einführung der Vereinbarung für keinen Ver- tragsarzt mehr eine Systematische Prüfung. Allerdings sind von den bayerischen Krankenkassen noch nicht sämtliche Quartale „abge- segnet“. Dennoch kann man für fünf Quartale schon heute Entwar- nung geben (Quartal 4/2014 bis inklusive Quartal 4/2015). Für zwei weitere ist die Regressfreiheit na- heliegend.

Damit dies so bleibt, muss die Wirkstoffvereinbarung immer an die Marktgegebenheiten angepasst werden. Einige Änderungen der Zielwerte und der Struktur haben die Praxen erst kürzlich per Post erhalten. Mit Leben aber erfüllen können dieses System nur die Ver- tragsärzte, die sich die Spielregeln zu eigen machen und den Zielwert bei den einzelnen Indikationsgrup- pen ins Visier nehmen. Wenn dies gelingt, bleibt der Terminus „Prü- fung“ hoffentlich weiterhin ein Fremdwort.

Johann Fischaleck, Dr. rer. nat. Kerstin Behnke, Dr. rer. biol. hum. Franziska Hörbrand, Dr. rer. biol. hum. Larissa Weichen-

berger (alle KVB)

Grafik 6 Quelle: KVB

Entwicklung der TNF-alpha-Blocker in Bayern

Certolizumab-AL04AB05 Golimumab-AL04AB06 Infliximab-AL04AB02 Etanercept-AL04AB01 Adalimumab-AL04AB04

500.000 450.000 400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000

1/2014 2/2014 3/2014 4/2014 1/2015 2/2015 3/2015 4/2015

(12)

GESUNDHEITSPOLITIK 12

Am 15. September fand das inzwischen schon traditionelle Gesundheitspolitische Oktoberfest der KVB und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) in München statt. Es war bereits die sechste Veranstaltung dieser Art, zu der die Gastgeber rund 130 Gäste aus Politik, Verwaltung, Ärzteschaft, Kranken- kassen und Verbänden des bayerischen Gesundheitswesens begrüßen konnten.

GESUNDHEITSPOLITISCHES OKTOBERFEST

I

n gelöster Atmosphäre diskutier- ten die Gäste nicht nur über die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheitspolitik, sondern auch über viele andere Themen, die Bay- erns Ärzte und Patienten bewegen.

In seinem Grußwort appellierte Dr.

med. Wolfgang Krombholz, Vorsit- zender des Vorstands der KVB, für eine Stärkung der Handlungsfrei- heit der Selbstverwaltung auf regi- onaler Ebene, um die Besonder- heiten Bayerns bei der Versorgung der Patienten besser berücksichti- gen und passgenaue Lösungen für die Versorgungssituation im Frei- staat finden zu können. Dieser Aufruf fand große Zustimmung im Publikum und wurde in der Diskus- sion durch breite Kritik am gleich- machenden System des Gesund- heitsfonds unterstrichen. Darüber hinaus war es Krombholz ein An- liegen, für mehr Vertrauen der Po- litik gegenüber den Ärzten zu wer- ben.

Dr. med. Pedro Schmelz, erster stellvertretender KVB-Vorstands- vorsitzender, plädierte in seinem Statement für eine Stärkung des Grundsatzes „ambulant vor statio- när“ sowie für gleiche Bedingun- gen für niedergelassene Ärzte im Wettbewerb mit den Kliniken. Ins- besondere die niedergelassenen Fachärzte müssten oft einen un- gleichen Wettbewerb mit den Kli- niken bestehen, obwohl eine am- bulante Behandlung der Patienten deutliche Vorteile biete.

Für einen verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Patienten- daten sprach sich die zweite stell- vertretende KVB-Vorstandsvorsit- zende Dr. med. Ilka Enger aus. Die Verheißungen von Big Data müssen ihrer Ansicht nach kritisch hinter- fragt werden. Dies gilt auch für die Bestrebungen des Freistaats, sich

durch das zentrale Krebsregister und das geplante Landesgesund- heitsdatenzentrum Behandlungs- daten anzueignen. Hier müsse man sich immer die Frage stellen, ob der Zweck die massiven Ein- griffe in die informationelle Selbst- bestimmung der Patienten recht- fertige, solange diese ihre Daten nicht freiwillig zur Verfügung stellen.

Insgesamt war auch das diesjähri- ge Gesundheitspolitische Okto- berfest eine rundum gelungene Veranstaltung, gerade weil sie es ermöglicht, mit den Akteuren des bayerischen Gesundheitswesens auch einmal jenseits des Arbeits- alltags zusammenzukommen und sich auszutauschen.

Adam Hofstätter (KVB) Die Vorstände

von KVB und KZVB waren so- wohl in Feier- als auch in Dis- kussionslaune:

Pedro Schmelz, Janusz Rat, Ilka Enger und Wolf- gang Krombholz

(von links).

Volles Haus und damit beste Vor- aussetzungen für einen kon- struktiven Aus- tausch jenseits

des Arbeits- alltags.

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Mit dem Gesetzesentwurf zum sogenannten Selbstverwaltungsstärkungsge- setz findet der Reigen der euphemistischen Gesetzestitel der Bundesregierung seinen vorläufigen Höhepunkt. War schon beim Versorgungsstärkungsgesetz die Stärkung der Versorgung nicht das zentrale Ergebnis des Entwurfs, so ist der Titel diesmal doch „sehr gewagt“ gewählt.

SELBSTVERWALTUNGS- STÄRKUNGSGESETZ

D

as eigentliche Ziel des Ge- setzesentwurfs scheint es zu sein, das Bundesge- sundheitsministerium aus der politi- schen Schusslinie zu bringen. Denn zu all dem, was in der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV) in den letzten Jahren nicht so gelau- fen ist, wie es sein sollte, muss man auch die Aufsicht durch das Ministerium zählen, die über Jahre hinweg nicht ausreichend stattge- funden hat. Die KVB möchte sich mit dem Gesetzesentwurf jedoch nicht polemisch befassen, son- dern sich mit den Inhalten detail- liert auseinandersetzen.

Stärkung der internen Instru- mente der Selbstverwaltung Positiv sehen wir die Stärkung der internen Elemente der Kontrolle durch die Selbstverwaltungsgremi- en. Tatsächlich braucht jede Insti- tution eine funktionierende inter- ne Kontrolle, und während die KV Bayerns hierzu ein System mit un- abhängiger Revision und klaren Anlagerichtlinien hat, gibt es in der KBV diesbezüglich durchaus Nachholbedarf. Dazu gehören un- ter anderem eine wirksamere Kon- trolle des Vorstands und eine Rege- lung, wie die starke Machtposition des Vorstandsvorsitzenden der KBV wirksam überprüft werden kann. Ob dafür der Vorschlag des Gesetzesentwurfs, den Vorstands-

vorsitzenden mit Zwei-Drittel-Mehr- heit wählen zu lassen, geeignet ist, darf bezweifelt werden.

Ausbau der externen Eingriffs- möglichkeiten – der Weg zur Fachaufsicht

Die vorgeschlagenen erweiterten externen Eingriffsmöglichkeiten haben aus unserer Sicht eine mas- sive Schwächung der Selbstver- waltung zur Folge und konterkarie- ren das vorgebliche Ziel des Ge- setzes. Bereits heute bestehen um- fassende Kontrollrechte der Auf- sichtsbehörden. Diese Aufsicht wurde jedoch in den letzten Jahren bedauerlicherweise vernachlässigt.

Nötig ist daher keine Ausweitung der externen Eingriffsrechte, son- dern eine wirksame Umsetzung der bestehenden aufsichtsrechtli- chen Möglichkeiten. Statt die Hand- habe der Aufsicht zu verbessern, weisen Teile des Gesetzes den Weg in Richtung Fachaufsicht und damit zu einer massiven Schwä- chung der Selbstverwaltung in Richtung Staatsverwaltung.

Der Kern der Selbstverwaltung ist es, die rechtlichen Spielräume, die der Gesetzgeber gewährt, in eige- ner Verantwortung sachgerecht auszufüllen. Wenn das Gesetz nun der Aufsichtsbehörde das Recht einräumt, „bei unbestimmten Rechtsbegriffen Inhaltsbestimmun-

gen zur Rechtsanwendung und Rechtsauslegung“ zu erlassen, so schränkt das den Gestaltungs- spielraum der KBV in einem Maße ein, der mit der Selbstverwaltung nicht vereinbar ist, weil dies ein klassisches Instrument der Fach- aufsicht ist.

Gesetz auf Bundesebene beschränkt

Das Gesetz ist in weiten Teilen auf die Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung auf Bundesebe- ne beschränkt und betrifft die Kas- senärztlichen Vereinigungen der Länder nicht direkt. Trotzdem ist es uns ein Anliegen, die KVB in der politischen Auseinandersetzung entsprechend zu positionieren. Das Fazit ist klar: Wir begrüßen die Stärkung der internen Kontrollme- chanismen, verwahren uns aber gegen jede Aushöhlung der Selbst- verwaltung durch die Einführung von Elementen der Fachaufsicht.

Adam Hofstätter, Martin Degenhardt (beide KVB)

(14)

KVB INTERN 14

Nachdem die Förderung der Weiterbildung in Hausarztpraxen bereits seit vielen Jahren etabliert ist, können in Bayern nun auch Praxen, die angehende Augenärzte, Frauenärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Kinderärzte, Hals- Nasen-Ohren-Ärzte und Hautärzte weiterbilden, eine monatliche Förderung in Höhe von 4.800 Euro erhalten. Darauf haben sich die KVB und die bayerischen Krankenkassen Ende September geeinigt. Beide Parteien werden die Förde- rung paritätisch finanzieren. Insgesamt können so rund 156 Stellen in Bayern gefördert werden.

FÖRDERFÄHIGE FACHARZT- GRUPPEN IN BAYERN

B

asis dafür ist eine auf Bun- desebene geschlossene Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung. Diese sieht un- ter anderem vor, dass sich die Kas- senärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen bis spätestens 1. Oktober 2016 darauf verständi- gen, welche Facharztgruppen sich für das Kontingent pro Bundesland bewerben können. Der Vorstand der KVB sieht die für Fachärzte neu

etablierte Förderung als wichtigen Meilenstein. Der Förderbetrag ori- entiert sich an der im Krankenhaus üblichen Vergütung und macht die Weiterbildung in den Praxen für die sechs ausgewählten Facharzt- gruppen deutlich attraktiver.

Details zur Aufteilung des Stellen- kontingents auf die einzelnen Fach- gruppen sowie ausführliche Infor- mationen zu den Fördervorausset-

zungen finden Sie unter www.

kvb.de in der Rubrik Nachwuchs auf der Seite Weiterbildung.

Eine Antragstellung ist bis zum 11. November 2016 mit dem im Internet bereitgestellten Formular möglich. Übersteigt die Anzahl der beantragten Stellen das Stellen- kontingent, wird ein Auswahlver- fahren durchgeführt.

Der KVB-Vorstand plädiert dafür, auch weiteren Facharztgruppen bedarfsorientiert eine Förderung der Weiterbildung zu ermöglichen.

Wenn das Programm gut ange- nommen werde, müsse deshalb mit den Krankenkassen über eine Erweiterung gesprochen werden.

Zudem sei es notwendig, die An- zahl der geförderten Stellen zu er- höhen. So habe man eine passen- de Strategie, um dem zunehmend auch in fachärztlichen Praxen dro- henden Ärztemangel wirksam zu begegnen.

Redaktion Nun können

auch Praxen, die angehende Augenärzte, Frauenärzte, Kinder- und Ju- gendpsychiater,

Kinderärzte, Hals-Nasen- Ohren-Ärzte und Hautärzte wei- terbilden, eine monatliche För- derung erhalten.

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Mit der Verabschiedung des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes (KFRG) am 31. Januar 2013 wurde die Grundlage für ein organisiertes Krebs- früherkennungsprogramm für Darmkrebs mit bundesweitem Einladungsverfah- ren geschaffen. Bereits seit Juni 2013 werden in einem gemeinschaftlichen Pilotprojekt zwischen KVB und Techniker Krankenkasse (TK) wesentliche Eckpunkte des KFRG in Bayern umgesetzt. Die Initiative wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege finanziell gefördert.

NEUES ZUM

DARMKREBSSCREENING

A

ngelehnt ist das Projekt an die Empfehlungen des Na- tionalen Krebsplans (NKP), um die Bürger- und Patientenorien- tierung beim Thema Krebs zu stär- ken, insbesondere die informierte Entscheidung (englisch: Shared Decision Making – SDM). Ziel ist es, TK-Versicherte zu befähigen, das Für und Wider einer Darmkrebs- früherkennung auf der Grundlage gesicherter und objektiver Infor- mationen individuell abzuwägen.

Das persönliche Gespräch mit dem Arzt ist hierbei ein wichtiger Be- standteil bei der Meinungsbildung des Versicherten. In der Online- Fortbildung „Beratung zur informier- ten Entscheidung bei der Darm- krebsfrüherkennung (DFE)“ für Ärzte, die von einem interdiszipli- nären Expertengremium entwickelt wurde, werden daher nicht nur ak-

tuelle evidenzbasierte Informatio- nen zur Darmkrebsfrüherkennung, sondern gleichermaßen kommuni- kative Kompetenzen anhand von Videosequenzen und einem pra- xisnahen Gesprächsleitfaden ver- mittelt. Ärzte, die die Fortbildung zum SDM erfolgreich absolviert haben, sind berechtigt, für die Be- ratung zur Darmkrebsfrüherken- nung bei TK-Versicherten ab dem vollendeten 50. Lebensjahr ein Zu- satzhonorar abzurechnen.

Was ist neu?

Neu verhandelt wurde die Höhe des Zusatzhonorars. Bislang be- trug die Vergütung 25 Euro. Ab 1. Oktober 2016 können teilneh- mende Ärzte nun für die intensive Beratungsleistung zur informierten Entscheidung im Rahmen der Darm-

krebsfrüherkennung für TK-Versi- cherte 30 Euro abrechnen.

Eine weitere Neuerung resultiert aus dem gefassten Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschus- ses, bis spätestens 1. April 2017 ein neues Testverfahren zur Früh- erkennung von Darmkrebs in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzuneh- men. Derzeit werden die Online- Fortbildung und die Beratungsin- formationen überarbeitet, sodass Mitglieder und Patienten rechtzei- tig zur Einführung des neuen Test- verfahrens auf aktuelle Inhalte zu- greifen können.

Anja Schneider, Ursula Chmiela (beide KVB)

Seit 1. Oktober 2016 gibt es im Pilotprojekt 30 Euro Zusatz- honorar für die Beratung.

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GESUNDHEITSTELEMATIK 16

Wieder schlägt ein neuer Ausdruck hohe Wellen: Internet of Things, kurz „IoT“.

Diesmal ist die Veränderung so tief im Dickicht der Technik versteckt, dass die damit verbundene Revolution von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird.

Ganz neue Objekte mit elektronischer Steuerung werden sich in Kürze selbst- ständig mit anderen vernetzen können. Das hat weitreichende Konsequenzen, die künftig durch eine neuartige Adressierung sogar noch verschärft werden.

INTERNET OF THINGS – WENN

SICH DINGE VERSELBSTSTÄNDIGEN

D

ie Erfahrung lehrt, dass fun- damentale Technologien in der Wahrnehmung schein- bar verschwinden. Sie verweben sich so tief mit dem täglichen Leben, dass sie selbst gar nicht mehr be- merkt werden. Das ist keine grund- legende Konsequenz der Technolo- gie, sondern eine Folge der mensch- lichen Psychologie. Sobald Men- schen etwas ausreichend kennen und immer wieder erleben, ver- schwindet es aus ihrem Bewusst- sein. Jeder Autofahrer kennt dieses Phänomen, wenn Verkehrzeichen oder Plakatwerbung, an denen man täglich vorbeifährt, nicht mehr wahr- genommen werden.

Das Gleiche passiert gegenwärtig in der Informationstechnologie. So werden in viele neue Geräte immer kleinere, vernetzte und sich selbst organisierende winzige „Computer- chen“ eingebaut. Sie sollen Men- schen und ihre Arbeit unterstützen, ohne selbst abzulenken oder über- haupt aufzufallen. So werden die heutigen Rechner zunehmend durch winzige „intelligente Gegenstände“

ergänzt.

Für dieses Phänomen wurde der Be- griff „Internet of Things“ geprägt.

Damit bezeichnet man die Verknüp- fung eindeutig identifizierbarer phy- sischer Objekte (also „Things“) mit

ihren elektronischen Repräsenta- tionen und digitalen Nachrichten in einem weltweit immer dichter wer- denden Datennetz. Diesmal sind es die Dinge selbst und nicht mehr die Menschen, die aktiv werden.

Das echte IoT ist also ein Netzwerk, in dem nicht nur die menschlichen Benutzer einzelne Gerätezustände abfragen und verwalten können, sondern in dem auch kleinste Ge- räte über standardisierte Kanäle di- rekt selbsttätig untereinander kom- munizieren. Diese vernetzten Ge- räte werden so preiswert und leis- tungsfähig, dass sie überall Einzug halten und menschliche Interven- tion gezielt unterstützen oder gar ersetzen können.

Zauberwort Selbstvernetzung Beispiele kennt man schon aus dem Fernsehen, wenn etwa „intelligen- te“ Heizungsregler und Steuerungs- systeme beworben werden. Oder aus der Medizin, wo beispielsweise ganz neue Bewegungs- und Atem- sensoren zur Alarmierung erster Vorzeichen eines plötzlichen Kinds- todes zum Einsatz kommen. In Me- dizinerkreisen bescheinigt man IoT bereits ein großes Potenzial zur fle- xiblen Patientenüberwachung, zum Beispiel mittels aufklebbarer Tem- peratursensoren oder EKG-Moni-

toren auf der Haut. Und so funk- tioniert es: Das EKG-Pflaster sen- det seine Daten an den Monitor, der Glukosesensor am Oberarm wird vom Computer abgefragt, die neue Infusionspumpe stimmt sich mit der Steuereinheit ab. Ähnli- ches gilt für die Medikationspla- nung einer sensorgestützten Apo- thekenverwaltung oder deren Aus- gabe auf Basis von Funketiketten.

Durch Selbstvernetzung entstehen damit ganz neue Produkte oder Leistungen – scheinbar ganz von selbst und genau so, wie es sich die Benutzer wünschen.

Möglich wird dies durch eine zwei- te, nicht minder gravierende Neu- erung, die sich ganz still im Unter- grund der heutigen Computertech- nologie vollzieht. Zur Erklärung: Im Internet, wie in jedem Netz, muss jeder einzelne Knotenpunkt direkt adressierbar sein, damit Nachrich- ten von A nach B geleitet werden können. Das bisherige Internet mit seinem Kommunikationsprotokoll der vierten Generation (IPv4) kann- te maximal 4,2 Milliarden Adres- sen. Das galt in den 1960er Jahren als unvorstellbar viel, ist aber heu- te längst bis auf die letzte Adresse ausgebucht. Als Hilfskrücke wird daher jede freiwerdende IPv4-Ad- resse sofort woanders weiterge- nutzt. Das geschieht flächende-

(17)

Die Umstellung von IPv4 auf IPv6 sollte sei- tens der Netzan- bieter gegenüber den Kunden kom- muniziert wer- den. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte IPv6 und dessen automatische Nutzung unbe- dingt so lange ausgeschaltet lassen, bis eige- ne Schutzvor- kehrungen ge- troffen wurden.

ckend, zum Beispiel jede Nacht, wenn dem eigenen sogenannten

„Router“, wie der „Fritz!Box“ oder dem „SpeedPort“, vom Provider eine neue Adresse für die nächs- ten 24 Stunden zugewiesen wird.

Umstellung auf IPv6-Standard Zur Auflösung dieses längst bekann- ten Flaschenhalses wurde schon 1995 das Internetprotokoll der sechsten Generation (IPv6) entwi- ckelt und zwei Jahre später verab- schiedet, das jetzt mehr als 340 Sextillionen (1036) Adressen kennt.

Rein theoretisch könnte man damit jedem Sandkorn auf der Erde meh- rere Internetadressen zuweisen. Da- mit wird eine ganz neue Vergabe- strategie für Adressen möglich. Mit IPv6 erhält jeder Nutzer nicht mehr nur eine der wertvollen Internet- adressen für 24 Stunden, sondern dauerhaft ein ganzes sogenanntes

„64er“-Netz, mit dem er eigenen Geräten in seinem Einflussbereich theoretisch mehr als 18 Trillionen (1018) IP-Adressen zuordnen kann.

Die Umstellung des Internets auf IPv6 erfolgt bereits seit 2012 und wird von den Internetanbietern an- gestoßen. Inzwischen unterstützen fast alle Anbieter und fast alle End- geräte dieses neue weltweite Netz parallel zum alten IPv4.

Mit dem neuen Adressraum gibt es aber keine der bislang strukturell bedingten „schwarzen Flecken“

mehr im weltweiten Netz. Die bis- her „hinter“ einer gemeinsamen IPv4-Adresse automatisch geschütz- ten lokalen Netzwerkendgeräte ste- hen durch die neuen, individuellen IPv6-Adressen plötzlich im Rampen- licht der Öffentlichkeit – wenn man nicht selbst eingreift und den Zu- griff von außen unterbindet. Die bis- her unbeachteten Brandschutzmau- ern, die „Firewalls“, müssen des- halb neu aufgestellt und neu aus- gerichtet werden. Wer IPv6 ohne Spezialvorkehrungen unbedacht ak-

tiviert lässt, wenn die großen Pro- vider damit beginnen, das neue Protokoll anzubieten, der riskiert, dass alle angeschlossenen Geräte und Daten aus dem Internet unter Beschuss geraten.

Eigene wirksame Vorkehrungen treffen

Die gute Nachricht ist, dass die Netzanbieter die Umstellung von IPv4 auf IPv6 nicht ungefragt vor- nehmen – wenn alles richtig läuft.

Die schlechte Nachricht ist, dass viele Hersteller von Routern die Option „IPv6 benutzen, wenn ver- fügbar“ automatisch aktiviert las- sen. Dies stellt ein gefährliches Einfallstor dar. Im Endeffekt sollte IPv6 und dessen automatische Nutzung aus Sicherheitsgründen so lange ausgeschaltet bleiben, bis eine interne Umstellung ge- wünscht ist und eigene wirksame Vorkehrungen getroffen sind. Die- se Überprüfung sollte heute und nicht erst morgen erfolgen. Sie sollte so schnell wie möglich durch einen Fachmann des Vertrauens vorgenommen werden.

Dass das Ganze kein Kindergeburts- tag wird, zeigt die Suchmaschine

„Shodan“. Sie wurde speziell dafür entwickelt, alle mit dem Internet verbundenen Geräte zu identifizie- ren. Es gibt also jetzt schon funk-

tionierende Suchmaschinen oder Netzwerk- und Schwachstellen- scanner wie „Nessus“, die IPV6 bis ins hinterste Eck ausleuchten und bei der Suche nach Schwach- stellen helfen – im Guten wie im

Schlechten. Das trifft natürlich auch die winzigen Knechte des IoT.

Verantwortung übernehmen In der Gesamtschau vereinigen sich gegenwärtig zwei wichtige Veränderungen, deren praktische Tragweite für die Gesundheitsver- sorgung noch schwer zu beurtei- len ist. Immer mehr kleinste Objek- te senden beziehungsweise emp- fangen selbstständig Daten. Gleich- zeitig wird die Zahl der verfügba- ren Internetadressen in ungeahnte Dimensionen gehoben.

Der Endanwender wird aller Vor- aussicht nach von diesen Neue- rungen nur wenig mitbekommen.

Aber so bequem und nützlich IoT werden könnte, so sehr verlagert die IP-Umstellung die Aufgabe der Prüfung und des sinnvollen Einsat- zes auf den verantwortlichen An- wender. Dieser sollte sich ausken- nen und vorbereiten.

Dr. med. Christoph Goetz, Leiter Gesundheitstelematik (KVB)

Quelle: nach TraceMyIP.org

(18)

ARZNEIMITTELTHERAPIESICHERHEIT 18

Schilddrüsenhormone gehören zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln. 12,5 Prozent der bayeri-

schen GKV-Patienten wurden im Jahr 2015 mit Levothyroxin oder einer Kombi- nation von Levothyroxin mit Jod oder Liothyronin behandelt. Das entspricht mehr als 1,3 Millionen Versicherten in Bayern. Aufgrund vieler möglicher Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen sollen die Schilddrüsenhormone aus Sicht der Arzneimitteltherapiesicherheit beleuchtet werden.

INTERAKTIONEN MIT SCHILDDRÜSEN-

HORMONEN

A

ls körpereigenes Hormon wird Levothyroxin unter anderem bei jeglicher Ge- nese einer Hypothyreose einge- setzt. Es erfolgt die Substitution des Hormons in der Menge, die bis zum Erreichen der euthyreoten Stoffwechsellage nötig ist.

Die Ursachen für eine klinische Hypothyreose sind vielfältig und reichen von latenten Unterfunktio- nen der (zu kleinen) Schilddrüse über die Hashimoto-Thyreoiditis mit Autoimmunantikörpern bis hin zu benignen und malignen Erkrankun- gen der Schilddrüse.

Levothyroxin weist eine geringe the- rapeutische Breite auf. Bei Über- dosierung des Hormons kommt es zu den Symptomen einer Hyper- thyreose, die sich unter anderem durch Herzrhythmusstörungen, Hit- zewallungen und Bluthochdruck bemerkbar machen kann. Aufgrund der nicht unerheblichen Risiken für den Patienten, wenn keine euthy- reote Stoffwechsellage vorliegt, ist die genaue Einstellung des Patien- ten von großer Bedeutung. Da die Fertigarzneimittel in vivo unter- schiedliche Bioverfügbarkeiten ge-

zeigt haben und das Festlegen der richtigen Dosis für den Patienten durch Präparatewechsel erschwert werden kann, wurden die Schild- drüsenhormone bereits am 10. De- zember 2014 der Substitutions- ausschlussliste hinzugefügt. Der Patient erhält in jedem Fall das vom Arzt verordnete Medikament, auch Rabattverträge der Kranken- kassen veranlassen keinen Aus- tausch des Präparats. Die Über- wachung der Schilddrüseneinstel- lung erfolgt durch die Messung des TSH-Wertes (thyreotropes Schild- drüsenhormon) im Blut, gegebe- nenfalls werden die Hormone Tri- jodthyronin (T3) und Tetrajodthy- ronin (T4) ebenfalls bestimmt.

Korrekte Einnahme von zentra- ler Bedeutung

Für die Wirksamkeit des Arznei- mittels und die Aufrechterhaltung eines gleichmäßigen Blutplasma- spiegels ist die korrekte Einnahme von zentraler Bedeutung. Die Fach- information empfiehlt die Einnah- me morgens nüchtern mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück ausschließlich mit Leitungswasser.

In einer Studie konnte gezeigt wer- den, dass der TSH-Wert bei Patien- ten ansteigt, wenn sie die individu- elle Levothyroxin-Dosis zum Früh- stück einnehmen, die Wirksamkeit des Arzneimittels war also deutlich schlechter. Die Stärke des TSH- Anstiegs variierte interindividuell sehr stark, sodass von der Einnah- me mit einer Mahlzeit abgeraten werden muss. Neben der korrek- ten Einnahme und Lagerung (bei einigen Präparaten ist die Aufbe- wahrung im Umkarton vorgegeben) des Levothyroxins gibt es Wech- selwirkungen mit anderen Arznei- stoffen, die die Wirksamkeit beein- flussen können.

Polyvalente Kationen

Allen voran sei die Interaktion mit polyvalenten Kationen genannt.

Hier entstehen schwer absorbier- bare Komplexe mit dem Wirkstoff, sodass die Aufnahme im Darm eingeschränkt ist [1]. Die Einnah- me beispielsweise von Calcium- oder Eisenpräparaten sollte also nicht zeitgleich mit Levothyroxin erfolgen. Denkbar wäre die Einnah- me von Calcium etwa zum Mittag- essen und Eisen zur Nacht, um für

(19)

eine gute Resorption der einzel- nen Wirkstoffe zu sorgen. Der Min- destabstand sollte zwei Stunden betragen [2].

Interaktion mit Digitalis- glykosiden

Ebenfalls klinisch relevant ist die Interaktion zwischen den Schild- drüsenhormonen und Digitalisgly- kosiden, da es sich hierbei um zwei Wirkstoffe mit geringer thera- peutischer Breite handelt. Herz- glykoside sind bei Patienten mit hypothyreoter Stoffwechsellage stärker wirksam. Es wird die Ab- hängigkeit der Expression des Ef- fluxtransporters p-Glykoprotein vom Schilddrüsenstatus diskutiert [1]. Bei Hypothyreose sind weniger Effluxtransporter vorhanden, die das Substrat (in diesem Fall Herz- glykoside) eliminieren. Daraus re- sultiert die stärkere Wirksamkeit im Vergleich zu euthyreoten Patien- ten. Einer Überwachung bedarf es jedoch nur bei Neueinstellung hy- pothyreoter Patienten mit Levothy- roxin aufgrund der möglichen Un- terdosierung der Herzglykoside.

Wechselwirkung mit Estrogenen

Des Weiteren sei die Wechselwir- kung von Schilddrüsenhormonen mit Sexualhormonen genannt. Ei- nige Wochen nach Beginn einer Behandlung mit Estrogenen kann bei Patientinnen mit Hypothyreose der Bedarf an Levothyroxin stei- gen. Estrogen steigert die hepati- sche Produktion von Globulinen und damit auch die von thyroxin- bindendem Globulin (TBG). Testos- teron senkt sie. Zusätzlich wird der Grad der Glykosylierung von TBG beeinflusst, wodurch das Ausmaß des hepatischen Abbaus beeinflusst wird [3]. Levothyroxin liegt im Blut zu über 99 Prozent an das Globulin gebunden vor. Ob und in welche Richtung sich da- raufhin auch die Konzentration an freiem Levothyroxin verändert, wird unterschiedlich bewertet [4].

In einer kleineren Studie konnte nachgewiesen werden, dass die Plasmakonzentration an freiem Le- vothyroxin signifikant sank [5]. Die klinische Ausprägung einer Hypo- thyreose ist möglich. Es wird da-

her empfohlen, bei Patientinnen unter Schilddrüsenhormonthera- pie, bei denen eine Behandlung mit Estrogenen neu begonnen wird, monatliche Kontrollen der Schild- drüsenparameter durchzuführen, bis es zu einer Stabilisierung kommt.

Dasselbe wird regelmäßig beim Feststellen einer Schwangerschaft und dadurch bedingtem massiven Hormonanstieg durch den behan- delnden Gynäkologen durchge- führt. Keine besonderen Maßnah- men sind hingegen erforderlich, wenn die Gabe von Schilddrüsen- hormonen erstmals bei Patientin- nen unter Therapie mit Estrogenen notwendig wird. Hier erfolgt die Dosisfindung wie bei unbehandel- ten Patientinnen.

Levothyroxin und Amiodaron Die gleichzeitige Gabe von Levo- thyroxin und Amiodaron führt da- zu, dass die Umwandlung von T4 in T3 gehemmt wird [6]. Bei euthy- reoten Patienten kann es zu einer Verschiebung der T4- und T3-Pa- rameter kommen. Die Schilddrü- senparameter sollten beobachtet

Mehr als 1,3 Mil- lionen Patienten bekommen allei- ne in Bayern Schilddrüsen- hormone. Grund genug, mögliche Wechselwirkun- gen im Blick zu behalten.

(20)

ARZNEIMITTELTHERAPIESICHERHEIT 20

werden, ein Therapieabbruch des Amiodarons ist jedoch nicht erfor- derlich. Zusätzlich kann Amiodar- on aufgrund des hohen Jodgehalts Schilddrüsenfunktionstests verfäl- schen.

PPI und Levothyroxin

Die mögliche Wechselwirkung von Levothyroxin mit Protonenpumpen- inhibitoren (PPI) wird in der Litera- tur kontrovers diskutiert. In Bay- ern wurde in 2015 bei 371.976 Pa- tienten gleichzeitig ein PPI und Le- vothyroxin verordnet, sodass dieser Konstellation eine hohe Bedeutung zukommt.

In einer offenen Cross-Over-Stu- die wurde die Resorption oral zu- geführten Levothyroxins in Abhän- gigkeit von der Einnahme eines Protonenpumpeninhibitors (hier 40mg Pantoprazol) untersucht [7].

Dazu nahm eine Gruppe von ge- sunden Probanden über sieben Ta- ge Pantoprazol ein. Danach wurde den Probanden 4µg Levothyroxin je Kilogramm Körpergewicht zuge- führt und die Resorptionskinetik via Messung des Wirkstoffspiegels (Plasma-T4) im Blut ermittelt. Die andere Gruppe der Probanden nahm die individuelle Menge an Levothyroxin ohne vorherige Be- handlung mit Pantoprazol ein. Nach vierwöchiger Auswaschphase er- folgte der Cross-Over, das heißt, die Probanden, die zuvor kein Pan- toprazol eingenommen hatten, be- kamen dies jetzt zusätzlich zum Levothyroxin, und umgekehrt.

Im Ergebnis wurde bei dieser Ver- suchsanordnung gezeigt, dass die siebentägige Anwendung von 40mg Pantoprazol keinen signifikanten Einfluss auf die Resorption und Plasmakonzentration der einmali- gen Gabe von Levothyroxin bei magen- und schilddrüsengesun- den Probanden hatte. Es sei noch einmal erwähnt, dass der für die

Güte der Einstellung der Schild- drüsenfunktion maßgebliche Para- meter die TSH-Konzentration ist.

So gibt es Daten, die zeigen, dass selbst bei nicht unterschiedlichen Plasma T4-Werten die TSH-Werte im Verlauf unterschiedlich ausfal- len können [8]. Auch ist nicht aus- geschlossen, dass Protonenpum- penhemmer hepatisch eine Wech- selwirkung auslösen, die erst bei Patienten mit pathologischer Schilddrüsenfunktion zum Tragen kommt [9].

In einer kleineren, aber sorgfältig durchgeführten klinischen Studie hatten 113 Struma-Patienten mit begleitender atropher Gastritis und/oder einer Infektion mit Heli- cobacter pylori einen signifikant höheren Levothyroxin-Bedarf, um einen festgelegten, niedrigen TSH- Zielkorridor von 0,05 bis 0,2mU/l zu erreichen als 135 Struma-Kon- trollpatienten ohne gastrointesti- nale Begleiterkrankung (1,87 be- ziehungsweise 1,95µg/kg/Tag ge- genüber 1,53µg/kg/Tag, p<0,001) [10]. Zehn weitere Struma-Patien- ten mit einer Refluxösophagitis und daraufhin einer täglichen 40mg Omeprazol-Einnahme wiesen im Schnitt einen um 37 Prozent hö- heren Verbrauch an Levothyroxin auf (2,16 gegenüber 1,58µg/kg/

Tag, p<0,001). Die Autoren mut- maßen, dass für eine optimale Le- vothyroxin-Aufnahme des Körpers die Magensekretion nicht patholo- gisch beziehungsweise medika- mentös verändert sein darf.

Erstaunlicherweise ergab demge- genüber eine retrospektive Popu- lationsanalyse an 11.000 schotti- schen Schilddrüsen-Patienten un- ter Levothyroxin, dass eine Anhe- bung des Magen-pH-Wertes durch H2-Antagonisten nach sechs Mo- naten nicht zu einem signifikanten TSH-Wert-Anstieg führte, eine ebensolche durch Protonenpum- penhemmer aber schon [9].

Es bleiben zusammengefasst be- züglich der PPI-Levothyroxin-Inter- aktion noch Fragen offen. Da be- reits eingestellte Schilddrüsenpa- tienten eine wieder neu auftreten- de Unterfunktion nicht immer symp- tomatisch bemerken oder auch entsprechende Symptome fehldeu- ten, sollte bei neu begonnener Dauermedikation mit PPI nach einer gewissen Zeit die Schilddrüsen- funktion erneut überprüft werden.

Ines Hasselluhn (KVB)

[1] Fachinformation Euthyrox®

Stand: August 2016.

[2] Thien-Giang Bach-Huynh et al., J Clin Endocrinol Metab. 2009, 94 (10): 3905-3912.

[3] Tahboub R, Arafah BM, Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2009 (6):769-80.

[4] Wiegratz I. et al., Contraception 2003, 67:

361-66; Redmond G. P., Thyroid 2004, 14, S1: S5-15.

[5] Arafah B. M., New Engl J Med 2001; 344 (23):

1743-1749.

[6] Fachinformation Cordarex (R), Stand:

Februar 2016

[7] Dietrich J. W. et al., Horm Metab Res. 2006;

38(1): 57-59.

[8] Carswell J. M. et al., J Clin Endocrinol Metab 2013, 98 (2): 610-17.

[9] Irving S. A./Vadiveloo T./Leese G. P. , Clin Endocrinol 2015, 82: 136-141.

[10] Centanni M. et al., New Engl J Med 2006, 354 (17): 1787-95.

Referenzen

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