Presseinformation
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns
KVB-Vorstand fordert regionale Verhandlungsmacht und Stopp der willkürlichen asymmetrischen Honorarverteilung
München, 30. März 2011: Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) unterstützt die Forderung des FDP-Gesundheitsexperten Lars Lindemann, das Verhandlungsmandat über die Gesamtvergütung in der ambulanten Versorgung wieder vollständig auf die Länderebene zu verla- gern. Lindemann hatte heute im Rahmen einer Presseinformation erklärt, dass eine bundesweite Steuerung der vertragsärztlichen Vergütung nicht funktionieren könne. Zugleich wendet sich der KVB-Vorstand erneut vehe- ment gegen eine weitere bundesweite Nivellierung der Ausgaben pro Versi- cherten für die ambulante Versorgung sowie eine Fortsetzung der asymmet- rischen Verteilung von Honorarzuwächsen. Dazu sagte der KVB-Vorstands- vorsitzende Dr. Wolfgang Krombholz heute in München: „Honorargerechtig- keit bedeutet, die jeweils vor Ort erbrachten Leistungen zur medizinischen Behandlung und zur Gesunderhaltung der Patienten angemessen zu vergü- ten. Um diese Leistungen aber überhaupt erbringen zu können, bedarf es gewisser ambulanter Versorgungsstrukturen. Einfach nur nach mehr Geld zu rufen, ohne gleichzeitig Verbesserungspotentiale in der Struktur der ambu- lanten Versorgung aufzuzeigen, ist weder sinnvoll noch gerecht.“
Ohnehin verzeichneten Ärzte in Regionen mit relativ geringer Arztdichte heu- te schon die höchsten Praxisumsätze, während die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Bayern im unteren Drittel der Umsatzskala zu finden seien. „Logisch, dass dort, wo relativ wenige Ärzte viele Patienten behandeln, entsprechend hohe Umsätze pro Praxis generiert werden. Doch ein noch größeres Umsatzplus beim einzelnen Arzt gerade in weniger gut versorgten Regionen wird die Versorgung der Patienten vor Ort nicht verbessern“, so Krombholz. „Nicht, dass Kollegen in anderen KV-Regionen ihre Patienten schlechter behandeln: Aber de facto hat ein Arzt anderswo durchschnittlich deutlich weniger Zeit pro Patient als bei uns in Bayern. Ohne bessere Versorgungsstrukturen – und das heißt zunächst einmal ohne mehr Ärzte in den heute weniger gut versorgten Regionen – macht eine noch hö- here Gesamtvergütung dort keinen Sinn“, so Krombholz.
Vor allem sei Bayern nicht bereit, eine weitere Unterfinanzierung der eigenen ambulanten Versorgungsstrukturen zugunsten anderer Regionen hinzuneh- men. „Bayern hat in den letzten Jahren über den Länderfinanzausgleich, über den Gesundheitsfonds und durch die weit unterdurchschnittliche Teil- habe an den bundesweit verhandelten Zuwächsen bei Ärztehonoraren ge- nug Solidarität mit Ärzten anderer Regionen bewiesen“, so Krombholz. Zu- dem sei der Freistaat selbst eine sehr heterogene Versorgungslandschaft:
„Wir haben in Bayern jenseits der Ballungszentren im ländlichen Raum durchaus Landstriche, in denen die ambulanten Versorgungsstrukturen ver- besserungswürdig sind. Das Versorgungsgefälle, das wir aus bundesweiten Betrachtungen kennen, haben wir in gewisser Weise auch innerhalb des Freistaats.“
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Presseinformation der KVB vom 30. März 2011 Seite 2
Ein Erfolg versprechender Ansatz zur besseren Versorgung der Patienten in aktuell weniger gut versorgten Regionen bayern- und bundesweit seien da- bei vor allem Selektivverträge nach Paragraph 73 b und c des Fünften Sozi- algesetzbuchs. „Eine Stärkung der primärärztlichen Versorgung durch Haus- ärzte und versorgende Fachärzte verbessert die Versorgungssituation für die Patienten sofort spürbar und nachhaltig“, erklärte Krombholz.
Gleichzeitig würde eine besser ausgebaute ambulante Versorgung auch helfen, insgesamt Kosten im Gesundheitswesen zu sparen: „Obwohl die Ausgaben für die ärztliche Vergütung in Bayern höher sind als im Bundes- durchschnitt, liegen die Gesamtausgaben für die ambulante Versorgung un- ter dem Schnitt. Grund sind die geringeren Ausgaben etwa für Arzneimittel im Freistaat.“ Krombholz mahnte daher bei Politik und Krankenkassen an, die regionalen Versorgungsstrukturen und die damit verbundenen Kosten unbedingt in Summe zu betrachten und zu bewerten. Denn die undifferen- zierte bundesweite Nivellierung des ambulanten Behandlungsbedarfs, wie sie unter anderem Vorstände einzelner KVen forderten, führe weder automa- tisch zu einer besseren Versorgung der Patienten vor Ort noch zu einer ge- rechteren Verteilung der ärztlichen Honorare. Im Gegenteil: Hochwertigste und dabei gleichzeitig kostengünstige Versorgungsstrukturen in Bayern ge- rieten immer mehr in existentielle Gefahr, während sich gleichzeitig das
„Hamsterrad“, in dem die Ärzte in weniger gut versorgten Regionen steckten, immer schneller drehe.
Zudem sei die Ermittlung des jeweiligen ambulanten Behandlungsbedarfs – also die Bestimmung des Morbiditätsgrads etwa anhand der Kodierung von Diagnosen beispielsweise nach den Ambulanten Kodierrichtlinien – alles andere als valide und ausgereift. Hier gelte es, zunächst eine wissenschaft- lich fundierte und gleichzeitig praktikable Form zu finden, Morbidität zu mes- sen. „Die Angleichung des ambulanten Behandlungsbedarfs unter anderem durch eine weitere asymmetrische Verteilung der ärztlichen Honorarzuwäch- se scheint auf den ersten Blick gerecht, doch in Wahrheit ist sie teuer, un- gerecht und ohne spürbare positive Effekte für die Versorgung unserer Pati- enten“, so das Fazit des KVB-Chefs.