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Elementarmathematik vom höheren Standpunkt Wintersemester 2019/20

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Wintersemester 2019/20

Dr. Regula Krapf Mathematisches Institut Universität Koblenz-Landau

Campus Koblenz

21. Februar 2020

(2)

Inhaltsverzeichnis

1 Logik und Beweismethoden 2

1.1 Aussagenlogik . . . 3

1.2 Direkte und indirekte Beweise . . . 9

1.3 Fallunterscheidungen . . . 15

1.4 Prädikatenlogik . . . 19

1.5 Beweisen und Widerlegen von All- und Existenzaussagen . . . 21

1.6 Das Schubfachprinzip . . . 25

2 Mengenlehre 27 2.1 Mengen und Mengenschreibweise . . . 27

2.2 Mengenoperationen . . . 29

2.3 Beweise mit Mengen . . . 31

2.4 Abzählprinzipien endlicher Mengen . . . 36

3 Die natürlichen Zahlen 39 3.1 Rekursion . . . 40

3.2 Das Pascalsche Dreieck . . . 45

3.3 Vollständige Induktion . . . 49

3.4 Andere Formen der vollständigen Induktion . . . 54

4 Relationen 60 4.1 Relationseigenschaften . . . 61

4.2 Äquivalenzrelationen . . . 63

4.3 Die Konstruktion der rationalen Zahlen . . . 67

4.4 Ordnungsrelationen . . . 71

4.5 Die Teilbarkeitsrelation . . . 72

5 Funktionen 78 5.1 Darstellungen von Funktionen . . . 79

5.2 Eigenschaften von Funktionen . . . 80

5.3 Die Komposition von Funktionen . . . 83

5.4 Umkehrfunktionen . . . 84

5.5 Das Hotel Hilbert . . . 89

5.6 Abzählbarkeit . . . 91

(3)

1 Logik und Beweismethoden

Wie das Wort „schön“ der Ästhetik und „gut“ der Ethik, so weist „wahr“ der Logik die Richtung. Zwar haben alle Wissenschaften Wahrheit zum Ziel; aber die Logik beschäf- tigt sich noch in ganz anderer Weise mit ihr. Sie verhält sich zur Wahrheit etwa so, wie die Physik zur Schwere oder zur Wärme. Wahrheiten zu entdecken ist die Aufgabe al- ler Wissenschaften; der Logik kommt es zu, die Gesetze des Wahrseins zu erkennen.

(Gottlob Frege) Wenn man das Wort „Logik“ hört, denkt man automatisch an Logikrätsel wie das Folgende:

Beispiel 1.1. Anne, Benjamin und Carina machen folgende Aussagen:

• Anne sagt: „Benjamin und Carina lügen!“

• Benjamin sagt: „Carina lügt!“

• Carina sagt: „Anne lügt oder Benjamin lügt!“

Wer sagt die Wahrheit?

Doch was genau ist Logik?

In der Mathematik versucht man seit jeher, wahre Aussagen zu finden und diese zu beweisen.

Beweise sind von großer Bedeutung in der Mathematik, da sie einerseits zweifelsfrei belegen, dass ein mathematischer Satz wahr ist, andrerseits aber auch Aufschluss darüber geben, wie- so dieser wahr ist. In der natürlichen Sprache geführte Argumentationen haben jedoch den Nachteil, dass sie ungenau sind und oft mehrere Interpretationen zulassen. Damit können leicht logische Fehlschlüsse entstehen, die sich ohne sehr genaues Hinschauen richtig anhören, oder Argumentationsketten, bei denen man sehr lange diskutieren kann, was genau gemeint ist.

Die Logik stellt eine Sprache bereit, in der mathematische Sätze und deren Beweise eindeutig und formal dargestellt werden können. In diesem Kapitel werden wir die Regeln der Logik untersuchen, und diese verwenden um verschiedene Beweismethoden zu motivieren.

(4)

1.1 Aussagenlogik

Je mehr Käse, desto mehr Löcher.

Je mehr Löcher, desto weniger Käse.

Also: Je mehr Käse, desto weniger Käse! Oder?

(Käse-Paradoxon) Die Aussagenlogik befasst sich mit sogenannten Aussagen:

Definition 1.2. Eine Aussage ist ein Satz, von dem man sinnvoll und eindeutig sagen kann, ob er wahr oder falsch ist.

Historisch geht die Aussagenlogik auf Aristoteles zurück, welcher bereits Grundsätze wie Ar- gumentation durch Widerspruch1 und den Satz vom ausgeschlossenen Dritten2 diskutiert hat.

Das moderne aussagenlogische Kalkül geht u.A. auf die Arbeiten von George Boole (1847), Gottlob Frege (1879) und Bertrand Russell zurück.

Beispiel 1.3. Welche der folgenden Sätze sind Aussagen? Sind sie wahr oder falsch?

(1) Draußen scheint die Sonne.

(2) √

3 lässt sich als Bruch darstellen.

(3) Was soll das?

(4) In 200 Jahren existieren keine Menschen mehr.

(5) a2+b2 =c2.

(6) Wenn der Mond ein gelber Käse ist, so ist die Erde eine Scheibe.

(7) Dieser Satz ist falsch.

Es gibt verschiedene Arten, Aussagen zu kombinieren und dadurch neue Aussagen zu generieren.

Definition 1.4. Seien A, B Aussagen.

• Die Negation ¬A („nicht A“) ist genau dann wahr, wenn A falsch ist.

• DieKonjunktion AB („A undB“) ist genau dann wahr, wennAwahr ist undB wahr ist.

• DieDisjunktionAB („AoderB“) ist genau dann wahr, wennAwahr ist oderB wahr ist oder beide wahr sind.

A∨Bist das sogenannteinklusive Oder, im Gegensatz zumexklusiven Oder (A∨B)∧¬(A∧B), welches wahr ist, wenn A wahr ist oderB wahr ist, nicht aber wenn beide wahr sind.

Aussagen können durch sogenannte Wahrheitstafeln dargestellt werden:

A B ¬A AB AB

w w f w w

w f f f w

f w w f w

f f w f f

1Siehe den Abschnitt 1.2, insbesondere auf Seite 12.

2Dieser besagt: wenn man eine Aussage hat, so gilt entweder diese Aussage oder ihre Negation. Es gibt keine weitere, dritte Möglichkeit.

(5)

Wie lautet die Negation folgender Aussagen?

A ¬A

Mathe ist einfach und spannend. Mathe ist schwierig oder langweilig.

Mathe ist nicht einfachoder nicht spannend.

Mathe ist einfach oder spannend. Mathe ist schwierig und langweilig.

Mathe ist nichteinfach und nicht spannend.

Fazit: Die Negation vertauscht ∧und ∨.

Definition 1.5. Zwei AussagenAund B sindlogisch äquivalent, falls sie dieselbe Wahrheits- tafel haben. In diesem Fall schreiben wir AB.

Logisch äquivalente Aussagen haben also immer dieselben Wahrheitswerte. Streng genommen sind sie zwar nicht gleich, jedoch handelt es sich lediglich um verschiedene Darstellungen von Aussagen mit demselben Wahrheitsgehalt. Wir haben vorhin eine wichtige Rechenregel der Aussagenlogik gefunden:

Beispiel 1.6. Für AussagenA und B gelten die de Morganschen Regeln:

(1) ¬(A∧B)≡ ¬A∨ ¬B (2) ¬(A∨B)≡ ¬A∧ ¬B.

Gelten die vorherigen Überlegungen als Beweis dieser Rechenregel? Formal gesehen wohl kaum, da wir die Rechenregel nur für ein spezifisches Beispiel (nämlich für A = „Mathe ist einfach“ und B = „Mathe ist spannend“) gezeigt. Um einen vollständigen formalen Beweis zu erhalten, muss man die Rechenregeln für alle AussagenA undB beweisen. Dies kann man beispielsweise anhand von Wahrheitstafeln:

A B AB AB ¬(A∧B) ¬(A∨B) ¬A ¬B ¬A∨ ¬B ¬A∧ ¬B

w w w w f f f f f f

w f f w w f f w w f

f w f w w f w f w f

f f f f w w w w w w

Da alle Einträge von ¬(A∧B) und¬A∨ ¬B resp. ¬(A∨B) und¬A∧ ¬B übereinstimmen, haben wir (1) und (2) bewiesen.

Definition 1.7. Seien A und B Aussagen.

• DieImplikation AB („ausA folgtB“ oder „A impliziertB“) ist immer wahr, ausser wennA wahr ist und B falsch ist.

• Die Äquivalenz AB („A gilt genau dann, wenn B gilt“) ist genau dann wahr, wenn AB und BA wahr sind.

Bei der Implikation AB bezeichnet man A alsPrämisse oder und B alsKonklusion.

Die Implikation AB ist also genau dann wahr, wennA falsch ist oder wenn Awahr ist und B auch wahr ist. Wieso ergibt das Sinn?

(6)

Beispiel 1.8. Wir betrachten die Aussage

Wenn peine Primzahl ist mit p > 2, so istp ungerade,

für eine natürliche Zahlp. Die Aussage scheint offensichtlich wahr zu sein. Das bedeutet aber, dass sie für jedes p∈N wahr ist, also müssen die Aussagen

(1) Wenn 1 eine Primzahl ist mitp > 2, so ist 1 ungerade.

(2) Wenn 2 eine Primzahl ist mitp > 2, so ist 2 ungerade.

(3) Wenn 3 eine Primzahl ist mitp > 2, so ist 3 ungerade.

(4) Wenn 4 eine Primzahl ist mitp > 2, so ist 4 ungerade.

...

alle wahr sein. Bei (1) ist die Prämisse falsch, aber die Konklusion wahr, bei (2) und (4) sind sowohl die Prämisse als auch die Konklusion falsch, und bei (3) sind sowohl die Prämisse als auch die Konklusion wahr. Der einzige Fall, der bei einer wahren Implikation nicht auftritt, ist, dass die Prämisse wahr und die Konklusion falsch ist.

Beispiel 1.8 hat schon angedeutet, wie die Wahrheitstafel der Implikation aussieht. Die Wahr- heitstafel der Äquivalenz AB ist dann einfach die Wahrheitstafel von (A⇒B)∧(B ⇒A).

A B AB AB

w w w w

w f f f

f w w f

f f w w

Bezüglich der Rangfolge der Junktoren3 gelten folgende Vorrangregeln (die Bindungsstärke nimmt von oben nach unten ab):

1. die Negation ¬

2. die Konjunktion∧ und die Disjunktion ∨ 3. die Implikation ⇒ und die Äquivalenz ⇔.

Beispiel 1.9. Wir betrachten die Aussagen A: Es schneit.

B: Es ist kalt.

Welche der folgenden Aussagen sind logisch äquivalent? Übersetzen Sie die Aussagen in die Sprache der Aussagenlogik.

(1) Wenn es schneit, so ist es kalt.

(2) Entweder es schneit nicht oder es ist kalt.

(3) Wenn es kalt ist, so schneit es.

(4) Wenn es nicht kalt ist, so schneit es nicht.

3Als Junktoren werden die Symbole¬,∧,∨,undbezeichnet.

(7)

Für Aussagen A und B sind die folgenden zusammengesetzten Aussagen logisch äquivalent:

AB

• ¬A∨B

• ¬B ⇒ ¬A.

Aus diesem Grund definiert man AB manchmal auch als Abkürzung von ¬A∨B. Beweis. Wir vergleichen die Wahrheitstafeln von AB, ¬A∨B und ¬B ⇒ ¬A:

A B AB ¬A ¬A∨B ¬B ¬B ⇒ ¬A

w w w f w f w

w f f f f w f

f w w w w f w

f f w w w w w

Da die Wahrheitsewerte von AB, ¬A∨B und ¬B ∨ ¬A übereinstimmen, sind die drei Aussagen logisch äquivalent.

Für Aussagen A, B und C gelten folgende Rechenregeln der Aussagenlogik:

¬(¬A)≡A doppelte Negation

A∨ ¬A ist wahr Tertium non datur

A∧ ¬A ist falsch

AAA Idempotenz von

AAA Idempotenz von

A∧(B∧C)≡(A∧B)C Assoziativität vonA∨(B∨C)≡(A∨B)C Assoziativität von

ABBA Kommutativität von

ABBA Kommutativität von

A∧(B∨C)≡(A∧B)∨(A∧C) Distributivität vonbzgl.A∨(B∧C)≡(A∨B)∧(A∨C) Distributivität vonbzgl.

¬(A∧B)≡ ¬A∨ ¬B Regel von de Morgan für

¬(A∨B)≡ ¬A∧ ¬B Regel von de Morgan fürAB ≡ ¬B ⇒ ¬A≡ ¬A∨B

Alle Rechenregeln lassen sich mittels Angabe der entsprechenden Wahrheitstafeln nachweisen;

auf einen Beweis wird jedoch an dieser Stelle verzichtet.

Definition 1.10. Eine Aussage, die allgemeingültig ist, d.h. unabhängig vom Wahrheitswert der aussagenlogischen Variablenaimmer wahr ist, nennt manTautologie. Eine Aussage, die für jede Belegung der aussagenlogischen Variablen falsch ist, wird als Kontradiktion bezeichnet.

aBei zusammengesetzten Aussagen, wie beispielsweiseA∨B, werdenAundBalsaussagenlogische Variablen bezeichnet.

Bei einer Tautologie sind alle Einträge in der Wahrheitstafel „wahr“, bei einer Kontradiktion

„falsch“.

(8)

Beispiel 1.11. Welche der folgenden Aussagen sind Tautologien/Kontradiktionen?

1. A∨ ¬A 2. A∧ ¬A

3. (A⇒B)B 4. ABB

Die Negation einer Tautologie ist immer eine Kontradiktion, und die Negation einer Kontra- diktion ist eine Tautologie.

Definition 1.12. Seien A und B Aussagen. Dann heißt A hinreichend für B, falls AB wahr ist. In diesem Fall heißt B notwendig für A.

Beispiel 1.13.

• Die Aussage „Es ist kalt“ ist notwendig, aber nicht hinreichend für „Es schneit“.

• Die Aussage „Es schneit“ ist hinreichend, aber nicht notwendig für „Es ist kalt“.

Wir betrachten nochmals das Logikrätsel in Beispiel 1.1 und übersetzen dieses in die Sprache der Aussagenlogik. Wir erhalten die Aussagen

A⇔ ¬B∧ ¬C

B ⇔ ¬C

C ⇔ ¬A∨ ¬B,

wobeiA für Anne,B für Benjamin und C für Carina steht. Die Wahrheitstafel wird nun etwas komplizierter - mit 8 Spalten - da wir nun drei aussagenlogische Variabeln haben.

A B C A⇔ ¬B∧ ¬C B ⇔ ¬C C ⇔ ¬A∨ ¬B

w w w f f f

w w f f w w

w f w f w w

w f f w f f

f w w w f w

f w f w w f

f f w w w w

f f f f f f

Damit haben wir gezeigt, dass Anne und Benjamin lügen und Carina die Wahrheit sagt. Da dieser Beweis etwas umständlich ist, werden wir später auf dieses Rätsel zurückkommen und einen kürzeren und eleganteren Beweis angeben.

(9)

Das Lügnerparadoxon Der Satz

„Dieser Satz ist falsch“ bzw. „Ich lüge.“

ist keine Aussage, da er genau dann wahr ist, wenn er falsch ist. Ändert man hingegen den Satz leicht ab, so erhält man Aussagen:

1. Beispiel: „Ich lüge immer“ ist eine falsche Aussage: Falls ich immer lügen würde, so müsste ich auch jetzt lügen und damit wäre der Satz „Ich lüge immer“ falsch, ein Widerspruch.

Also sage ich mindestens einmal die Wahrheit, jedoch nicht jetzt.

2. Beispiel: „Ich lüge nie“ ist eine Aussage, deren Wahrheitswert davon abhängt, ob ich irgendwann mal im Leben lüge. Falls ich schon mal gelogen habe, so ist der Satz „Ich lüge nie“ falsch. Falls ich bis jetzt nie gelogen habe, so hängt der Wahrheitswert des Satzes davon ab, ob ich irgendwann in der Zukunft lüge.

(10)

1.2 Direkte und indirekte Beweise

„Alles muss bewiesen werden, und beim Beweisen darf man nichts außer Axiomen und früher bewiesenen Sätzen benut- zen.“

(Blaise Pascal) Was ist ein Beweis? In der Schule trifft man oft „Begründungen“ von mathematischen Sätzen in der Form von

• Beispielen

• Zeichnungen

• geometrische Konstruktionen

• Herleitungen, bspw. durch Termumformungen

• vollständige Induktion

• ...

Doch was zählt wirklich als Beweis und was nicht? In der Mathematik bezeichnet man als Beweise eine vollständige Herleitung eines Satzes, bei der nur Axiome und bereits bekannte Sätze verwendet werden. Als Axiom bezeichnet man dabei eine Grundannahme, die man ohne Beweis annimmt. Beispielsweise werden die natürlichen Zahlen durch die sogenannten Peano- Axiome axiomatisiert, welche im Kapitel 3 behandelt werden.

In der Geometrie sind Beweise oft anschaulicher Natur. So lässt sich beispielsweise der Satz des Pythagoras anhand folgender Darstellung beweisen:

b c a

Eine Skizze alleine genügt jedoch nicht als Beweis; sie bedarf noch einer Erläuterung. Zunächst sollten wir den Satz des Pythagoras präzise ausdrücken:

Theorem 1.14 (Satz des Pythagoras). Falls ein Dreieck rechtwinklig mit Hypothenuse c und Katheten a und b ist, so gilt a2 +b2 =c2.

Wichtig ist es dabei, die Voraussetzung nicht zu vergessen; denn ohne diese handelt es sich nicht einmal um eine mathematische Aussage.

Beweis. Es sei ein rechtwinkliges Dreieck mit Katheten a und b und Hypothenuse c gegeben.

Wir zeichnen nun ein Quadrat mit Seite c und ergänzen die Zeichnung zu einem Quadrat mit Seite a+b. Nun können wir die Fläche der Gesamtfigur auf zwei Arten beschreiben:

1. Die Fläche des großen Quadrats ist gegeben durch (a+b)2 =a2+ 2ab+b2.

2. Die Gesamtfläche lässt sich zerlegen als Fläche der vier rechtwinkligen Dreiecke der Fläche

1

2ab, und dem Quadrat der Fläche c2. Die Gesamtfigur hat somit den Flächeninhalt 4·

1

2ab+c2 = 2ab+c2.

(11)

Also folgt

a2+ 2ab+b2 = 2ab+c2a2+b2 =c2, da beide Terme die Fläche der Gesamtfigur darstellen.

Im Folgenden erläutern wir einige Beweismethoden.

Beweisführung: direkter Beweis

Bei einemdirekten Beweiseiner Aussage der FormABfängt man mit den Voraussetzungen A an und folgert in (einfachen) Schritten daraus die zu beweisende Aussage B.

Dazu zeigt man oftZwischenresultate, also

AA1A2 ⇒ · · · ⇒AnB.

Wir nehmen A an, folgern daraus A1, dann A2,. . . , dann An und daraus folgern wir B.a

aWenn man mehrere Implikationspfeile hintereinanderschreibt wie beispielsweise inABC, so meint man eigentlich ABB C. Wenn diese Aussage wahr ist, so ist auch AC wahr (diese Eigenschaft wird alsTransitivität der Implikation bezeichnet).

Wir geben ein einfaches Beispiel an, für welches wir die Definition von geraden und ungeraden Zahlen benötigen.

Definition 1.15. Eine ganze Zahl a ∈Zheißt

gerade, falls es ein k ∈Z gibt mit a= 2k.a

ungerade, falls es ein k ∈Z gibt mit a= 2k+ 1.b

anämlichk= a2

bnämlichk= a−12

Dabei steht „a ∈Z“ für „aist ein Element von Z“, d.h. a ist eine ganze Zahl. Nun können wir einige einfache Tatsachen über gerade und ungerade Zahlen nachweisen:

Beispiel 1.16. Die Summe zweier gerader Zahlen ist wieder eine gerade Zahl. Um dies be- weisen zu können, sollten wir dies zunächst in die Sprache der Logik übersetzen und Voraus- setzungen und Schlussfolgerungen identifizieren.

Für allea, b∈Z gilt: Fallsa und b gerade sind

| {z }

Voraussetzung

,so ist a+b gerade.

| {z }

Schlussfolgerung

Nun sind wir in der Lage unsere Behauptung zu beweisen:

Beweis. Seien a, b∈Z gerade Zahlen.

a ist gerade ⇒ es gibt ein k ∈Z mit a = 2k;

b ist gerade ⇒ es gibt ein l ∈Zmit b= 2l.

a+b = 2k+ 2l = 2 (k+l)

| {z }

Z

,

also ist a+b auch gerade.

Wichtig ist es bei Beispiel 1.16 für aund b unterschiedliche Variablen k und l zu wählen, da es sich ansonsten bei a und b dieselbe Zahl handeln würde, was aber nicht vorausgesetzt wird.

(12)

Beweise werden immer mit dem Symbolbeendet; alternativ kann man auch das Kürzel „qed“

verwenden4.

Als Beispiel für einen direkten Beweis mit Zwischenschritten betrachten wir die Logarithmen- gesetze. Wie aus der Schule bekannt, ist die Logarithmusfunktion die Umkehrfunktion der Exponentialfunkion. Man definiert also

loga(u) =x:⇐⇒ax =u für a, u, x∈R mit a, u >0.

Beispiel 1.17. Behauptung: Für allea, u, v >0 mit a6= 1 gilt loga(u·v) = loga(u) + loga(v).

Beweis. Sei a∈R. Aus der Definition des Logarithmus folgt:

aloga(u) =u (1) und loga(ax) =x (2) für alle u, x∈R. Somit folgt aus einem der Potenzgesetze für u, v >0

u·v (1)= aloga(u)·aloga(v)

=aloga(u)+loga(v).

Also gilt loga(u·v) = loga(aloga(u)+loga(v))(2)= loga(u) + loga(v) wie gewünscht.

Ähnlich kann man die anderen Logarithmengesetze aus den Potenzgesetzen folgern. Umgekehrt kann man auch die Potenzgesetze mit Hilfe der Logarithmengesetze beweisen.

Definition 1.18. Seien A und B Aussagen.

• Die Umkehrung einer ImplikationAB ist die ImplikationBA.

• Die Kontraposition einer ImplikationAB ist die Implikation¬B ⇒ ¬A.

Beispiel 1.19. Wie lauten die Umkehrung und die Kontraposition von

„Wenn es schneit, so ist es kalt.“?

• Umkehrung:

• Kontraposition:

Wie wir bereits im Abschnitt 1.1 bewiesen haben, ist die Kontraposition einer Aussage logisch äquivalent zur Aussage selbst. Somit kann man, statt eine Aussage der FormAB zu zeigen, die Kontraposition ¬B ⇒ ¬A zeigen. Diese Beweismethode nennt man Kontrapositionsbeweis.

Beweisführung: Kontraposition

Bei einem Kontrapositionsbeweis zeigt man eine Implikation AB, indem man sich zur Nutze macht, dass dies äquivalent zu¬B ⇒ ¬Aist: Wenn also die AussageB nicht gilt, kann die Aussage A ebenfalls nicht gelten.

Man nimmt also an, dass die Behauptung B falsch ist und folgert nach mehreren (endlich vielen) logischen, direkten Schritten, dass die Voraussetzung A auch falsch ist.

Auch diese Beweismethode illustrieren wir anhand von zwei Beispielen.

4Kurz für „quod erat demonstrandum“; Lateinisch für „was zu beweisen war“.

(13)

Beispiel 1.20. Behauptung: Sei a∈Z. Wenna2 gerade ist, so ist auch a gerade.

Das zweite Beispiel ist geometrischer Natur. Der Stufenwinkelsatz besagt Folgendes: Seien g, h und k Geraden, sodass k sowohlg als auchh schneidet. Fallsg und h parallel sind, so sind alle Stufenwinkel (bzgl. k) gleich groß.

h

g

k β

α

In der Mathematik stellt man sich oft die Frage, ob auch die Umkehrung gilt, d.h. in unserem Fall, wenn die Stufenwinkel von g und h (bzgl.k) gleich groß sind, sind danng undh parallel?

Das dies tatsächlich der Fall ist, zeigen wir per Kontrapositionsbeweis:

Beispiel 1.21. Behauptung: Wenn alle Stufenwinkel vong und h (bzgl. k) gleich groß sind, so sind g und h parallel.

(14)

Kontrapositionsbeweise sindindirekte Beweise, da man nicht direkt die Behauptung zeigt, son- dern eine zur Behauptung äquivalente Aussage. Wir betrachten nun eine weitere Art von indi- rekten Beweisen, den sogenannten Widerspruchsbeweis.

Dazu machen wir zunächst eine Vorüberlegung: Es gilt

¬(A⇒B)≡ ¬(¬A∨B)A∧ ¬B.

Möchten wir also AB beweisen, so können wir zeigen, dass A∧ ¬B widersprüchlich und damit falsch ist; denn dann muss die Negation davon, also AB, wahr sein.

Beweisführung: Widerspruchsbeweis

Bei einem Widerspruchsbeweis (auch genannt Reductio ad absurdum) nimmt man an, dass die Voraussetzungen gelten und gleichzeitig die zu zeigende Behauptung nicht gilt. Dann versucht man, daraus einen Widerspruch herzuleiten. Ein solcher Widerspruch wäre etwa „die Behauptung gilt nicht und gleichzeitig gilt sie doch“.

Etwas konkreter: Statt AB zu zeigen, leitet man ausA∧ ¬B einen Widerspruch her. Ein Spezialfall davon ist, dass man statt B zu zeigen, einen Widerspruch aus ¬B herleitet.

Theorem 1.22.

2ist irrational, d.h.

2∈/ Qa. In anderen Worten,

2lässt sich nicht als gekürzten Bruch darstellen.

aQist die Menge aller Bruchzahlen, d.h.Q={pq |pZ, qN\ {0}}. Die Menge der irrationalen Zahlen istR\Q, also alle nicht-abbrechenden nicht-periodischen Dezimalbrüche.

Beweis.

Der obige Beweis ist ein typisches Beispiel für einen Nichtexistenzbeweis; es wird gezeigt, dass eine Bruchdarstellung von √

2 nicht existiert. Solche Beweise führt man in den meisten Fällen per Widerspruch. Ein weiteres Beispiel ist das Folgende:

(15)

Beispiel 1.23. Behauptung: Die Gleichungx2 =y2+ 1 besitzt keine nichttrivialen Lösungen in Za.

Beweis.

aEinetriviale Lösung wärex=±1 undy= 0.

Auch hier erläutern wir noch ein Beispiel aus der Geometrie. Der Satz des Pythagoras (sie- he Theorem 1.14) besagt, dass bei bei einem rechtwinkligen Dreieck mit Hypothenuse c und Katheten a und b die Gleichung a2 +b2 = c2 erfüllt ist. Auch hier stellt sich die Frage der Umkehrung, und es stellt sich heraus, dass diese gilt.

Beispiel 1.24. Behauptung:

Beweis:

Zusammengefasst erhalten wir also Folgendes:

Theorem 1.25. Ein Dreieck ist genau dann rechtwinklig mit Hypothenusec und Katheten a und b, wenn a2+b2 =c2.

(16)

1.3 Fallunterscheidungen

Seit der Zeit der Griechen bedeutet „Mathematik“ zu sagen,

„Beweis“ zu sagen.

(Nicolas Bourbaki) Wir betrachten nochmals das Logikrätsel aus 1.1. Die vielleicht intuitiviste Weise, das Rätsel zu lösen, ist durch Ausprobieren. Man kann beispielsweise ausprobieren, ob es Sinn macht, dass Benjamin die Wahrheit sagt:

Was ist die Methode des „Ausprobierens“ mathematisch gesehen? Man hat zwei (mehrere) Möglichkeiten, und testet (bzw. beweist) jeden Fall einzeln. Dies nennt man eine Fallunter- scheidung.

Beweisführung: Fallunterscheidung

Bei einemBeweis durch Fallunterscheidung möchte man ABC folgern. Dazu genügt es Folgendes zu zeigen:

1. Fall: AC, und 2. Fall: BC.a

Ein Spezialfall der Methode ist, zu verwenden, dass A∨ ¬A immer wahr ist (das sogenannte Tertium non datur, oder Satz vom ausgeschlossenen Dritten). Dann kann man statt C auch AC und ¬A⇒C zeigen.

Im Allgemeinen können auch mehr als zwei Fälle auftreten: Um aus A1A2 ∨ · · · ∨An eine Aussage C zu folgern, muss man einzeln aus A1, A2,. . . ,An die Aussage C folgern.

aEin Beweis dieser Tatsache folgt aus der Beobachtung, dass die Aussage ((AC)∧(BC))(A∨B) C eine Tautologie ist, also immer wahr ist. Dies lässt sich mit Hilfe einer Wahrheitstafel nachweisen.

Beispiel 1.26. Eine Quadratzahl ist eine Zahl der Form n2 für n ∈ N. Quadratzahlen sind also

0,1,4,9,16,25,36,49,64,81, . . . Welche Endziffern können Quadratzahlen haben?

Vermutung:

Um die Endziffer von n2 zu bestimmen, reicht es die Endziffer von n zu bestimmen:

Man kann

n= 10k+r schreiben mit k ∈N und r∈ {0,1, . . . ,9}.

(17)

Nun haben wir 10 verschiedene Fälle:

Ähnliche Beispiele wie das vorangehende verwenden als Fälle die möglichen Reste bei der Di- vision durch eine Zahl n ∈ N, diese sind nämlich 0,1, . . . , n−1. Was man dabei im Grunde verwendet, ist die Division mit Rest:

Theorem 1.27 (Division mit Rest). Seien a ∈ Z und n ∈ N\ {0,1}. Dann gibt es ein- deutige Zahlen q, r ∈Z mit r ∈ {0, . . . , n−1} und

a=qn+r.

Für n= 2 bedeutet

• Rest 0:

• Rest 1:

Um diesen Satz zu beweisen, benötigen wir die vollständige Induktion; diese werden wir in Abschnitt 3.3 behandeln.

Fallunterscheidungen spielen nicht nur bei mathematischen Beweisen eine große Rolle, sondern sie haben auch einen praktischen Nutzen, so beispielsweise beim Lösen von Betragsgleichungen und Betragsungleichungen.

Für x∈R definieren wir

|x|:=

x x≥0,

−x x <0.

Hierbei wird|x| durch eineFallunterscheidung definiert; in der zweiten Spalte stehen dabei die beiden Fälle x≥0 undx <0, zwischen denen unterschieden wird, und links daneben steht die Definition von |x| im entsprechenden Fall.

DieBetragsfunktionentspricht fürx <0 einer Spiegelung der Funktionf(x) = xan derx-Achse:

(18)

−5 −4 −3 −2 −1 1 2 3 4 5

−3

−2

−1 1 2 3

0

x

|x|

Beispiel 1.28. Wir lösen die Ungleichung |2x+ 1|<5.

1. Fall: 2x+ 1≥0. Es gilt

2. Fall: 2x+ 1<0: Es gilt

Somit ist die Lösungsmenge von |2x+ 1|>5 gegeben durch

−5 −4 −3 −2 −1 1 2 3 4

−1 1 2 3 4 5 6

0

(19)

Bei Betragsungleichungen ist es wichtig zu beachten, dass bei der Multiplikation mit negativen Zahlen die Relationen <und >resp. ≤ und ≥ vertauscht werden.

Kommen in einer Betrags(un)gleichung gleich mehrere Beträge vor, so gibt es mehr verschiedene Fälle:

Beispiel 1.29. Bei der Betragsungleichung

|x−3| ≤ |2x+ 4|

hängt der Wert von |x−3|davon ab, ob x≥3 oder x <3, und der Wert von |2x+ 4| davon, obx≥ −2 oder x <−2.

Insgesamt gibt es also 3 Fälle:

1. Fall:

2. Fall:

3. Fall:

Paradox: Wahrheit und Beweisbarkeit Der Satz

Dieser Satz ist falsch.

ist keine Aussage, da er genau dann wahr ist, wenn er falsch ist. Wie sieht es aus, wenn wir den Satz leicht abändern zu folgendem Satz?

Dieser Satz ist nicht beweisbar. Wir machen eine Fallunterscheidung:

1. Fall: Der Satz ist beweisbar. Dann ist er aber wahr, da nur Wahres bewiesen werden kann.

Somit ist er aber unbeweisbar, ein Widerspruch.

2. Fall: Der Satz ist nicht beweisbar. Dann ist er aber wahr.

Somit ist der Satz wahr, aber nicht beweisbar! Wahrheit und Beweisbarkeit sind also nicht dasselbe. Dies wurde auch in der sogenanntenPeano-Arithmetik als Satz über natürliche Zahlen formalisiert und formal bewiesen. Dies ist der 1. Gödelsche Unvollständigkeitssatz.

(20)

1.4 Prädikatenlogik

Logik ist die Anatomie des Denkens.

(John Locke) Wie kann man eine Aussage wie

• Alle Zahlen sind entweder gerade oder ungerade.

• Es gibt keine Marsmenschen.

• Jede Zahl hat eine eindeutige Primfaktorzerlegung.

mathematisch ausdrücken?

Die Aussagenlogik reicht dafür nicht aus, da wir keine Möglichkeit haben zu quantifizieren, also Wörter wie „alle“, „jede(r)“ oder „keine(r)“ auszudrücken. Dazu betrachten wir eine Erweite- rung der Aussagenlogik, die sogenannte Prädikatenlogik. Diese wurde unabhängig von Gottlob Frege und Charles Sanders Peirce entwickelt.

Eine Aussagenform (oder Prädikat) E(x) ist eine Eigenschaft, die von einer (oder mehreren) Variablenxabhängt. Für ein konkretes (mathematisches) Objektaist dannE(a) eine Aussage, die besagt, dass a die Eigenschaft hat, die durch E ausgedrückt wird.

Beispiel 1.30. Beispiele für Aussageformen sind

S(x) = „x ist schön“.

U(x) = „x ist ungerade“.

Dann ist S(Koblenz) ist die Aussage „Koblenz ist schön“; U(2) besagt „2 ist ungerade“.

Definition 1.31. Sei E(x) eine Aussageform.

• ∃x:E(x) bezeichnet die Aussage „es gibt (mindestens) ein x, so dassE(x)“.

• ∀x:E(x) bezeichnet die Aussage „für allex gilt E(x)“.

Das Symbol ∃ nennt man Existenzquantor, ∀ nennt man Allquantor.

Wie lautet die Negation folgender Aussagen?

A ¬A

AlleWege führen nach Rom.

Es gibt einen Weg, der nach Rom führt.

Fazit:

Theorem 1.32. Sei E(x) eine Aussageform. Es gelten folgende Rechenregeln für die Prädi- katenlogik:

(1) ¬(∃x:E(x))≡ ∀x:¬E(x).

(2) ¬(∀x:E(x))≡ ∃x:¬E(x).

(21)

Um diesen Satz formal zu beweisen, müssten wir tiefer in die mathematische Logik eintauchen, worauf wir im Rahmen dieser Vorlesung verzichten.

Quantoren können auch auf eine bestimmte Menge eingeschränkt werden: Sei M eine Menge und E(x) eine Aussageform. Dann schreiben wir

• ∃x∈M :E(x) für „es gibt ein x inM, für das E(x) gilt“

• ∀x∈M :E(x) für „für jedes x in M gilt E(x)“.

Des Weiteren schreibt man

∃!x E(x) für „es gibt genau ein x, für dasE(x) gilt“.

Beispiel 1.33. Überlegen Sie, was die folgenden Aussagen bedeuten. Sind sie wahr oder falsch?

(1) ∃x∈R:x2 = 2.

(2) ∃x∈Q:x2 = 2.

(3) ∃!x:x2 = 2.

(4) ∀x∈R∀y∈R:x+y=y+x.

(5) ∃n∈N∀m∈N:m < n.

(6) ∃n∈N∀m∈N:mn.

Wenn man mehrfach hintereinander denselben Quantor eingeschränkt auf dieselbe Menge ver- wendet, so kann man dies vereinfacht schreiben durch

∃x, y :E(x, y) für∃x∃y :E(x, y) sowie ∀x, y :E(x, y) für∀x∀y:E(x, y).

Wichtig ist es zu beachten, dass die Reihenfolge von Quantoren eine Rolle spielt: Die Aussagen (1) ∀x∃y:E(x, y) und

(2) ∃y∀x:E(x, y)

bedeuten nicht dasselbe! Wir illustrieren dies anhand von folgenden beiden Beispielen; zuerst ein nicht-mathematisches Beispiel:

Ein mathematisches Beispiel:

(22)

1.5 Beweisen und Widerlegen von All- und Existenzaussagen

Was beweisbar ist, soll in der Wissenschaft nicht ohne Beweis geglaubt werden.

(Richard Dedekind) Wenn man eine Aussage der Form ∀x:E(x) beweisen möchte, muss man wirklich zeigen, dass E(a) für jedes a gilt; es reicht also nicht, dies anhand von einigen Beispielen zu testen:

Beispiel 1.34. Der französische Mathematiker Pierre de Fermat hat entdeckt, dass Fn = 22n + 1 für n= 0,1,2,3 und 4 eine Primzahl ist. Es gilt beispielsweise

F0 = 220 + 1 = 21+ 1 = 3 F1 = 221 + 1 = 22+ 1 = 5 F2 = 222 + 1 = 24+ 1 = 17 F3 = 223 + 1 = 28+ 1 = 257.

Daher stellte er die Vermutung auf, dass Fn für jede natürliche Zahl n eine Primzahl ist, also

∀n∈N:Fn ist eine Primzahl.

Fast 100 Jahre später bewies Euler, dass F5 = 4294967297 durch 641 teilbar und somit keine Primzahl ist.

Beispiel 1.34 verdeutlicht, dass man eine Aussage über unendlich viele Zahlen nicht anhand von Beispielen beweisen kann. Dennoch sind Beispiele oft nützlich, um Behauptungen aufzustellen und Beweisideen zu finden.

Wie beweist man nun eine Aussage der Form∀x:E(x)? Ganz einfach, man wählt einbeliebiges x0 und zeigt, dass E(x0) wahr ist. Da x0 beliebig war, muss E(x) für jedes x wahr sein.

Beispiel 1.35. Formal präzis lautet die3. Binomische Formel:

Beweis.

(23)

Und wie kann man eine Allaussage ∀x : E(x) widerlegen, d.h. wie kann man ¬∀x : E(x) beweisen? Betrachten wir beispielsweise die Aussage

A: Jede natürliche Zahl ist gerade.

Diese Aussage ist offensichtlich falsch, da 3 eine natürliche Zahl ist, die ungerade ist. Die Zahl 3 ist also ein Gegenbeispiel der Aussage A. Um zu beweisen, dass A falsch ist, reicht es also schon eine einzige Zahl zu finden, die nicht gerade ist.

Beweisführung: Widerlegung durch Gegenbeispiel

Wenn man beweisen möchte, dass ∀x : E(x) nicht gilt, so genügt es ein x0 finden, sodass

¬E(x0) gilt; d.h um eine Allaussage zu widerlegen, genügt es ein Gegenbeispiel anzugeben.

Dies folgt aus der Tatsache, dass die Aussage ¬∀x:E(x) äquivalent zur Aussage ∃x:¬E(x) ist (siehe dazu Abschnitt 1.4).

Wir geben ein weiteren Gegenbeweis durch Gegenbeispiel an.

Beispiel 1.36. Für a ∈ R mit a ≥ 0 ist √

a die eindeutige Lösung x ∈ R mit x ≥ 0 der Gleichung x2 =a.

Beweisen Sie oder widerlegen Sie:

(1) Für alle a∈R gilt √

a2 =a.

(2) Für alle a∈R mit a≥0 gilt (√

a)2 =a.

Wie sieht es mit Existenzaussagen aus? Wenn wir die Aussage ∃x : E(x) beweisen möchten, so kann manexplizit ein xangeben, für das E(x) wahr ist. Im Gegensatz zu Allaussagen kann man Existenzaussagen also durch Angabe eines Beispiels beweisen.

Beispiel 1.37. Wie kann man die Aussage

Es gibt ein Dreieck mit Seitenlänge a= 3 cm, b= 4 cm und c= 5 cm beweisen? Was lässt sich über ein solches Dreieck aussagen?

Ein weiteres Beispiel für eine Existenzaussage ist die Lösbarkeit einer Gleichung oder eines Gleichungssystems:

(24)

Beispiel 1.38. Das folgende Gleichungssystem ist lösbar:

(I) 3x−y = 1 (II) 4x+ 2y = 3

Dies ist eine Existenzaussage. Sie kann ganz einfach durch Bestimmung der Lösung bewiesen werden.

Alternativ kann man die Existenz auch beweisen, ohne die Lösung konkret anzugeben:

In der Geometrie verwendet man oftgeometrische Konstruktionenoder Skizzen um die Existenz eines Objekts zu beweisen. Ein Beweis sollte aber nicht ausschließlich aus einem Bild/einer Skiz- ze bestehen, sondern sollte immer durch einen schriftlichen Beweis ergänzt werden.

Beispiel 1.39. Drei Studierende A, B und C möchten gemeinsam Übungsaufgaben der Ele- mentarmathematik bearbeitena. Dazu möchten sie sich an einem Ort treffen, der vom Wohn- ort der drei Studenten gleich weit entfernt ist. Die drei Studenten wohnen nicht an derselben Straße. Gibt es einen solchen Ort?

A, B und C bilden Eckpunkte eines Dreiecks ∆ABC.

A B

C

c b a

mAB

mBC

M

Bildet man nun die MittelsenkrechtemAB vonAundB, so hat jeder Punkt aufmABdenselben Abstand zuAundB. Dasselbe gilt für die MittelsenkrechtemBC vonB und C. Setzt manM als Schnittpunkt vonmAB und mBC, so folgt|M A|=|M B|, daM aufmAB liegt, und analog

|M B| = |M C|. Insgesamt folgt |M A| = |M B| = |M C|, und somit ist M der gewünschte Treffpunkt.

Insbesondere haben wir die Existenz des Umkreismittelpunkts nachgewiesen.

aAn dieser Stelle sei nochmals nachdrücklich empfohlen die Übungsaufgaben in Lerngruppen zu bearbeiten und nicht alleine!

(25)

Die Existenz eines mathematischen Objektes kann also auch bewiesen werden, ohne dieses kon- kret anzugeben. Eine Methode solche nicht-konstruktive ist, das sogenannte Schubfachprinzip, worauf wir in Abschnitt 1.6näher eingehen werden.

Manchmal möchte man die Existenz mehrerer – oder sogar unendlich vieler – Objekte zeigen.

Theorem 1.40. Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Wir erinnern hier kurz an die Definition einerPrimzahl: Eine natürliche Zahlpheißt Primzahl, falls ihre einzigen Teiler 1 und p sind.

Wie kann man die Existenz von unendlich vielen Objekten beweisen? Wir können nicht alle Primzahlen

2, 3, 5, 7, 13, . . .

explizit angeben. Wir müssen aber zeigen, dass die Aufzählung der Primzahlen nie aufhört;

d.h. dass es immer noch eine weitere Primzahl gibt. Dazu zeigen wir, dass jede endliche Folge von Primzahlen unvollständig ist, d.h. falls man endlich viele Primzahlen p1, . . . , pn auflistet, so gibt es eine weitere Primzahl, die in dieser Folge nicht vorkommt.

Beweis von Theorem 1.40.

Zu beweisen, dass etwasnicht existiert, kann oft sehr schwierig sein. Meistens macht man dann einen Widerspruchsbeweis: Um

¬∃x:E(x)

zu beweisen, nimmt man an, dass es ein x gibt mit E(x) und führt diese Annahme zu einem Widerspruch. Ein klassisches Beispiel haben wir schon gesehen:√

2 ist irrational. Mit Quantoren lässt sich diese Aussage formulieren als

¬(∃p, q ∈N:√

2 = pq).

Für den Beweis haben wir die Existenz von p, q ∈ N mit √

2 = pq angenommen und diese zu einem Widerspruch geführt. Ein weiteres Beispiel für einen Nichtexistenzbeweis bildet Beispiel 1.23.

(26)

1.6 Das Schubfachprinzip

Das sogenannte Schubfachprinzip liefert einen Existenzbeweis, der die Objekte, deren Existenz bewiesen wird, nicht konkret angibt. So weiß man beispielsweise, dass unter vier Personen mindestens zwei Personen dasselbe Geschlecht haben. Dies lässt sich wie folgt begründen: Es gibt nur drei verschiedene Geschlechter5. Dies kann man wie folgt verallgemeinern:

Beweisführung: Schubfachprinzip

Wenn man n+ 1 Objekte n Kategorien ("‘Schubfächern"’) zuordnet, so müssen mindestens zwei Objekte derselben Kategorie zugeordnet werden.

Dieses Prinzip lässt sich indirekt begründen: Würde jeder Kategorien höchstens ein Objekt zugeordnet, so würde es höchstens n Objekte geben.

Beispiel 1.41.

(1) Unter 13 Personen befinden sich immer mindestens zwei, die im selben Monat Geburtstag haben.

(2) Eine Gerade, die durch keinen Eckpunkt des Dreiecke ∆ABC geht, kann höchstens zwei Seiten schneiden.

Manchmal ist es etwas komplexer, die richtigen Kategorien zu finden. Dazu betrachten wir noch folgendes Beispiel:

5Seit dem 1. Januar gibt es in Deutschland neben „männlich“ und „weiblich“ auch ein drittes Geschlecht

„divers“.

(27)

Beispiel 1.42. An einer Party gibt es mindestens zwei Personen, die dieselbe Anzahl Be- kannte haben. Was könnten hier die Objekte und die Kategorien sein?

Am naheliegendsten ist es, als Objekte die Personen und als Kategorien die Anzahl Bekannte im Raum zu nehmen.

• Es gibt also n Objekte, wobei n die Anzahl Partygäste ist.

• Die Anzahl Bekannter eines Partygäste liegt zwischen 0 und n−1.

Somit sind es n Objekte undn Kategorien und das Schubfachprinzip kann nicht direkt ange- wandt werden. Dazu machen wir eine Fallunterscheidung:

1. Fall:

2. Fall:

Ein etwas mathematischeres Beispiel ist folgendes:

Beispiel 1.43. Gegeben seien 11 Zahlen. Gibt es stets zwei Zahlen, sodass deren Differenz die Endziffer 0 hat?

Objekte:

Kategorien:

Ähnliche Beispiele wie das vorangehende verwenden die möglichen Reste bei der Division durch eine Zahl k ∈ N, diese sind nämlich 0,1, . . . , k−1. Was man dabei im Grunde verwendet, ist die Division mit Rest (siehe Abschnitt 4.5).

(28)

2 Mengenlehre

Eine Menge ist eine Zusammenfassung verschiedener Objek- te unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Gan- zen. Die Objekte werden dieElemente der Menge genannt.

(Georg Cantor)

2.1 Mengen und Mengenschreibweise

In der Mengenlehre betrachtet man Mengen. In der sogenannten naiven Mengenlehre definiert man eine Menge einfach als eine unsortierte Ansammlung von Objekten, in der ein Objekt nur einmal vorkommen kann.

Beispiel 2.1. Beispiele für Mengen sind:

• die Menge aller Studierenden in Koblenz

• die Menge aller natürlichen Zahlen N

• die Menge aller reellen Zahlen≥2 und ≤7, also das Intervall [2,7]

• die Lösungsmenge der Gleichung x3+ 2x−1 = 0

• die leere Menge ∅, die eindeutige Menge ohne Elemente.

Definition 2.2. Seien M, N Mengen. Man schreibt

xM, fallsx ein Element vonM ist.

x /M, fallsx kein Element von M ist.

MN, fallsM eine Teilmenge von N ist, d.h.∀x(x∈MxN).

(Endliche) Mengen können in aufzählender Schreibweise durch Angabe aller Elemente darge- stellt werden, so ist beispielsweise{1,2} die Menge, deren einzige Elemente 1 und 2 sind.

Die wichtigsten Mengen, sind die Zahlenmengen, die wir auch schon in den vorangehenden Abschnitten verwendet haben:

N={0,1,2,3, . . .} natürliche Zahlen

Z={. . . ,−3,−2,−1,0,1,2,3, . . .} ganze Zahlen Q={Brüche}={pq |p∈Zund q ∈N\ {0}} rationale Zahlen R={Dezimalbrüche} reelle Zahlen.

R Q Z N

−1 0

1 2

√2

(29)

Es gilt also N ⊆ Z ⊆ Q ⊆ R.

Zwei Mengen sind gleich, falls sie dieselben Elemente haben. Dies wird auch als Extensionali- tätsaxiom bezeichnet. In der Sprache der Logik bedeutet dies

M =N ⇐⇒MNNM.

Sei M eine Menge und E(x) eine Aussageform. Man schreibt {x∈M |E(x)}

für die Menge allerxM, für dieE(x) wahr ist. Diese Darstellung wird auch alsbeschreibende Darstellung von Mengen bezeichnet.

Beispiel 2.3. Beispiele für die beschreibende Mengenschreibweise sind

• [−3,8] = {x∈R| −3≤x≤8} (abgeschlossenes Intervall)

• (2,100) ={x∈R|2< x <100} (offenes Intervall)

• [−2,∞) = {x∈R|x≥ −2} (halboffenes Intervall)

• {x∈R|x2+ 3x−4 = 0} die Lösungsmenge der Gleichung x2+ 3x−4 = 0

• {n∈N|n ist gerade}=: 2N die Menge aller geraden natürlichen Zahlen

• {x∈N|x6=x}=∅

Wichtig bei der Mengenschreibweise ist, dass Mengen ungeordnet sind. So gilt beispielsweise {1,2}={2,1}={1,2,1,2}.

Es kommt also nicht auf die Reihenfolge an, wie man die Elemente aufzählt, und ob man Ele- mente doppelt aufzählt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Mengen und geordneten Paaren wie beispielsweise Koordinaten in der Ebene oder im Raum. So gilt etwa

(1,2)6= (2,1), (−1,3,5)6= (3,5,−1) und (1,2,1)6= (1,2).

Das Russellsche Paradoxon

Wieso muss man die Mengenschreibweise

{x∈M |E(x)}

auf eine Menge M einschränken, d.h. wieso kann man nicht ganz allgemein die Menge aller x, die E(x) erfüllen bilden, also{x|E(x)}?

Falls das geht, so könne wir die Menge

R={x|x /x}

betrachten. Dies ist aber widersprüchlich, denn es gilt

RR⇐⇒R∈ {x|x /x} ⇐⇒R /R.

Unter Verwendung, dass R keine Menge ist, kann man auch zeigen, dass es keine Allmenge gibt, also dass die Klasse aller Mengen keine Menge ist.

(30)

2.2 Mengenoperationen

Man lernt Mathematik nicht, man gewöhnt sich nur daran.

(Paul Erdös) Es gibt viele Arten, wie man gegebene Mengen zu neuen Mengen kombinieren kann. Einige wichtige Beispiele möchten wir hier angeben.

Definition 2.4. Seien M, N Mengen. Dann definiert man

MN :={x|xMxN}die Vereinigung von M und N

MN :={x|xMxN}der Durchschnitt von A und N

M \N :={x∈M |x /N}die Differenz von M und N

M ×N :={(x, y)|xMyN} das kartesische Produkt von M und N

• P(M) :={x|xM} die Potenzmenge von M. Beispiel 2.5.

• R\Q={nicht-abbrechende, nicht-periodische Dezimalbrüche} irrationale Zahlen

• (−1,2)∪ {2}

• (3,5)∩[4,6]

• {1,2} \ {2,3}

• {1,{2}} \ {2}

• P({1,2})

• {1,2} × {3,4}

• R2 =R×R

Mengenoperationen lassen sich durch sogenannte Venn-Diagramme darstellen:

M N M N

MN MN

(31)

M N

M N

M \N MN

Für endlich viele Mengen M1, . . . , Mn schreibt man

n

[

i=1

Mi :=M1M2. . .Mn

n

\

i=1

Mi :=M1M2. . .Mn.

Man kann die Bildung von Vereinigungen und Durchschnitten auch auf beliebig viele Mengen erweitern. Sei I 6=∅ eine Menge (genannt Indexmenge) und sei Mi eine Menge für jedes iI.

Dann definiert man

[

i∈I

Mi :={x| ∃i∈I :xMi}

\

i∈I

Mi ={x| ∀i∈I :xMi}.

In vielen Fällen wählt man I =N.

Beispiel 2.6. Geben Sie die folgenden Mengen als Intervall an:

[

n∈N

[0, n] =

\

n∈N

[0, n] =

(32)

2.3 Beweise mit Mengen

In der Mathematik gibt es keine Autoritäten. Das einzige Argument für die Wahrheit ist der Beweis.

(Kazimierz Urbanik, polnischer Mathematiker) In der Mengenlehre möchte man oft beweisen, dass eine Menge M in einer anderen Menge B enthalten ist. Aber wie zeigt manMN? Ganz einfach: Man zeigt, dass jedes Elementx, das in M liegt, auch in N liegt.

Ein offensichtliches Beispiel ist, dass die leere Menge in jeder anderen Menge enthalten ist.

Beispiel 2.7. Für jede Menge M gilt ∅ ⊆M.

Beweis:

Es gilt also ∅ ∈ P(M) für jede Menge M.

Wir haben bereits gesehen, wie man beweist, dass eine Menge in einer anderen Menge enthalten ist. Wie beweist man nun die Gleichheit zweier Mengen M und B?

Man verwendet das Extensionalitätsaxiom, d.h.

M =N ⇐⇒MNNM.

Um M =N zu zeigen, beweist man also zwei Inklusionen

"‘⊆"’ MN, und

"‘⊇"’ NM.

Als erstes Beispiel beweisen Wir das sogenannte Distributivgesetz für Mengen (genauer: Dis- tributivgesetz von ∩ bzgl. ∪): Für alle Mengen M, N und P gilt

(M ∩N)∪P = (M ∪P)∩(N ∪P).

Um eine Mengengleichheit wie diese zu entdecken, lohnt es sich ein Venn-Diagramm anzugeben:

N M

P

N M

P

(33)

Beispiel 2.8. Wir beweisen eines der sogenannten Distributivgesetze für Mengen:

Behauptung: Für alle MengenM, N und P gilt (M ∩N)∪P = (M ∪P)∩(N ∪P).

Beweis (1. Version).

Das Distributivgesetz ist ein Beispiel für eine Rechenregel für Mengenoperationen.

Es gelten folgende Mengengesetze für MengenM, N und P: M ∩ ∅=∅

M ∪ ∅=M

M ∩(N ∩P) = (M ∩N)P Assoziativität vonM ∪(N ∪P) = (M ∪N)P Assoziativität von

MN =NM Kommutativität von

MN =NM Kommutativität von

M ∩(N ∪P) = (M ∩N)∪(M ∩P) Distributivität vonbzgl.M ∪(N ∩P) = (M ∪N)∩(M ∪P) Distributivität vonbzgl.M \(N ∩P) = (M \N)∪(M \P) Regel von de Morgan fürM \(N ∪P) = (M \N)∩(M \P) Regel von de Morgan für

Zu beachten ist, dass diese sehr stark an die Rechenregeln der Aussagenlogik erinnern. Tatsäch- lich lassen sich die Mengengesetze auf die Rechenregeln der Aussagenlogik zurückführen, siehe dazu Beispiel 2.12.

Für MengenM und N gilt

MN ⇐⇒MN =M.

Wie kann man eine solche Äquivalenz beweisen? Bei einemÄquivalenzbeweis fürAB, wobei A und B Aussagen sind, beweist man jeweils zwei Richtungen

„⇒“: AB und

„⇐“: BA

Wir beweisen nun die Äquivalenz, die wir oben beschrieben haben.

(34)

Beispiel 2.9. Behauptung: Für alle Mengen M und N gilt MN ⇐⇒MN =M. Beweis.

Wir betrachten nun wieder ein Beispiel mit natürlichen Zahlen. Für a∈Zhaben wir bewiesen:

a2 gerade =⇒a gerade.

Wie sieht es mit der Umkehrung aus?

Beispiel 2.10. Behauptung: Für jedes a ∈ Z gilt: Die Zahl a2 ist genau dann gerade, wenn a gerade ist.

Beweis.

Manchmal kann man Äquivalenzen aber auch direkt beweisen, indem man in jedem Schritt eine Aussage angibt, die offensichtlich äquivalent zur vorangehenden Aussage ist. In diesem Fall beweist man also beide Richtungen gleichzeitig.

Viele Mengengleichheiten lassen sich so beweisen; so verwendet man beispielsweise beim Be- weis des Assoziativgesetzes für ∩ resp. ∪ das entsprechende Assoziativgesetz für die logischen Junktoren ∧und ∨:

Beispiel 2.11. Behauptung: Für alle MengenM, N und P gilt M∩(N∩P) = (M∩N)∩P. Beweis.

Wichtig ist es dabei, die Symbole der Logik und der Mengenlehre nicht zu verwechseln!

(35)

Als zweites Beispiel beweisen wir nochmals das Distributivgesetz:

Beispiel 2.12. Behauptung:Für alle MengenM, N, P gilt (M∩N)∪P = (M∪P)∩(N∪P).

Beweis (2. Version.)

Beim Umgang mit Äquivalenzpfeilen ⇔ ist es wichtig zu überprüfen, dass es sich tatsächlich um eine Äquivalenz handelt und nicht nur eine Implikation in eine Richtung. Solche Fehler können zu paradoxen „Beweisen“ führen:

Beispiel 2.13. Es sei a=b. Dann folgt

ab=a2 abb2 =a2b2

b(ab) = (a+b)(ab) b=a+b

b= 2b 1 = 2.

Worin besteht der Fehler?

Manchmal möchte man zeigen, dass mehr als zwei Aussagen äquivalent sind. Um zu beweisen, dass die AussagenA1, . . . , Anäquivalent sind, muss man nichtAiAj für allei, j ∈ {1, . . . , n}

zeigen, sondern man kann stattdessen einen Ringschluss machen. Dabei zeigt man

A1A2

A2A3 ...

An−1An und

AnA1.

Damit sind alle Aussagen äquivalent: Beispielsweise sind A1 und A4 äquivalent, da man ja A1A2, A2A3 und A3A4 gezeigt hat, woraus auch A1A4 folgt. Umgekehrt wissen wir A4A5, . . . , An−1An und AnA1, woraus A4A1 folgt.6

6Wir verwenden dabei folgendes Prinzip: AusAB und BC folgt AC. Dies lässt sich anhand der Wahrheitstafel von (AB)(BC)(AC) leicht nachwweisen.

(36)

Beispiel 2.14. Behauptung: Seien M, N Mengen. Die folgenden Aussagen sind äquivalent:

(1) MN (2) MN =M (3) MN =N (4) M \N =∅ Beweis.

Es gibt noch eine weitere Methode, wie man Mengengesetze beweisen kann, nämlich mit soge- nannten Elementetafeln. Dabei überprüft man jeweils für ein Objekt x, ob xM oderx /M für jede der Mengen M, die im Mengengesetz vorkommen, d.h. man macht eine vollständige Fallunterscheidung.

Beispiel 2.15. Behauptung:Für alle MengenM, N, P gilt (M∩N)∪P = (M∪P)∩(N∪P).

Beweis (3. Version.) Mit einer Elementetafel:

M N P MN (M ∩N)∪P MP NP (M ∪P)∩(N ∪P)

∈ ∈ ∈

∈ ∈ ∈/

∈ ∈/

∈ ∈//

/ ∈ ∈

/ ∈ ∈/

//

///

Dabei entspricht die Elementetafel einer Wahrheitstafel, wobei statt M die Aussage xM steht und an der Stelle von ∈ resp. ∈/ entsprechend “w” oder “f” steht.

Diese Methode eignet sich jedoch nur für den Beweis von Mengengesetzen. Die anderen beiden Methoden, insbesondere die erste, können auch in anderen Kontexten angewendet werden.

(37)

2.4 Abzählprinzipien endlicher Mengen

Nicht alles, was man zählen kann, zählt auch und nicht alles, was zählt, kann man zählen.

(Albert Einstein) Wenn man eine endliche Menge betrachtet, so kann man deren Elemente zählen. Wie das im Unendlichen aussieht, betrachten wir in den Abschnitten 5.6 und 5.7. Abzählen ist eine grundlegende Technik in der Mathematik, welche beispielsweise in der Kombinatorik und in der Wahrscheinlichkeitsrechnung von großer Bedeutung ist.

Definition 2.16. Sei M eine endliche Menge. Wir schreiben |M| für die Anzahl Elemente von M. Man nennt |M| auch die Mächtigkeit von M.

In diesem Abschnitt betrachten wir einige Grundprinzipien des Abzählens (siehe dazu auch [Grieser, Kap. 5]).

Definition 2.17. Zwei Mengen M, N heißen disjunkt, fallsMN =∅.

1. Summenregel: Falls zwei endliche Mengen M und N disjunkt sind, so gilt

|M∪N|=|M|+|N|.

Dies lässt sich auch einfach verallgemeinern: Falls M1, . . . , Mn endliche Mengen sind, die paarweise disjunkt sind, d.h. MiMj = ∅ für alle i 6= j in {1, . . . , n}, so gilt für M =M1. . .Mn

|M|=|M1|+. . .+|Mn|.

2. Produktregel:Für zwei endliche Mengen M und N gilt

|M ×N|=|M| · |N|.

Auch dieses Prinzip lässt sich verallgemeinern: Für endliche Mengen M1, . . . , Mn gilt

|M1×. . .×Mn|=|M1| ·. . .· |Mn|.

Dabei ist leicht einzusehen, dass sich die Produktregel aus der Summenregel ergibt: Da M endlich ist, ist M von der Form M = {x1, . . . , xm}. Wenn wir für jedes i ∈ {1, . . . , m} die Menge

Ni :={(xi, y)|yN}

betrachten, so folgt NiNj = ∅ für i6= j und M ×N =N1. . .Nm. Damit folgt aus der Summenregel

|M ×N|=|N1|+. . .+|Nm|=|N|+. . .+|N|

| {z }

m-mal

=m· |N|=|M| · |N|.

(38)

Die folgende Darstellung illustriert den Beweis für M ={1,2,3,4,5} und N ={1,2,3}.

m N2

Die Produktregel ist auch relevant für die Schulmathematik:

Beispiel 2.18 (Schulbuchaufgabe). In einem Restaurant gibt es 3 verschiedene Vorspei- sen, 8 Hauptgänge und 4 Nachspeisen. Wie viele verschiedene Menüs kann man in diesem Restaurant zusammenstellen? Insgesamt sind es

In der Kombinatorik wird oft eine verallgemeinerte Version der Produktregel betrachtet:

Verallgemeinerte Produktregel

Falls in einem Entscheidungsprozess n Entscheidungen getroffen werden, und man bei der i-ten Entscheidungen ki Möglichkeiten hat, so gibt es insgesamt

k1 ·. . .·kn Möglichkeiten.

Wieso verallgemeinert diese Regel die Produktregel? Um die Kardinalität von M ×N zu be- stimmen, hat man |M| Möglichkeiten für die erste Koordinate, und |N| Möglichkeiten für die zweite Koordinate, also insgesamt |M· |N| Möglichkeiten für ein Element von M ×N.

Die Verallgemeinerte Produktregel lässt sich ebenfalls aus der Summenregel herleiten. Auf einen formalen Beweis wird an dieser Stelle verzichtet.

Beispiel 2.19. Wie viele Zahlenpaare der Form (a, b) mit a, b∈ {1, . . . ,100} gibt es mit (1) a6=b

(2) a < b?

Wir müssen zwei Entscheidungen treffen, um a auszuwählen und um b auszuwählen.

Möglichkeiten für a Möglichkeiten für b

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