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Andere Formen der vollständigen Induktion

Manchmal benötigt man für den Beweis einer BehauptungB(n+ 1) im Induktionsschluss nicht nurB(n), sondern auchB(n−1). Wie bei der Rekursion führt dies zu einer Verallgemeinerung des Induktionsprinzips:

Beweisführung: Verallgemeinertes Prinzip der vollständigen Induktion Um eine Behauptung B(n) für allen ∈Nzu beweisen, kann man

B(0). . .B(k−1) und ∀n∈N: (B(n−k+ 1)∧B(nk+ 2)∧. . .B(n)B(n+ 1)) für ein k ∈N beweisen.

Beim üblichen Prinzip der vollständigen Induktion gilt k = 1. Dazu geht man wie folgt vor:

(1) Induktionsanfang: Die Behauptung stimmt für 0,1, . . . , k−1; das heißt, B(0), B(1), B(2), . . . , B(k−1) sind wahr.

(2) Induktionsannahme: Wir nehmen an, dass für ein beliebiges, aber fest gewähltes n∈N mit nk−1 die Aussagen

B(nk+ 1), B(n−k+ 2), . . . , B(n) wahr sind.

Mit Hilfe dieser Annahme beweisen wirB(n+ 1):

Induktionsschluss: Wir folgern, dass auch B(n+ 1) wahr ist.

Das übliche Prinzip der vollständigen Induktion entspricht dem Spezialfallk= 1. In vielen wei-teren Anwendungen wählt man k = 2 (wie in Beispiel 3.18). Die Merkregel ist (vgl. mehrglied-rige Rekursion): Wenn man beim Induktionsschluss die Behauptung für die k vorangehenden Zahlen benötigt, so muss man im Induktionsanfang die Behauptung für die erstenk Zahlen be-weisen. Wie beim üblichen Induktionsprinzip kann man statt bei 0 bei einer beliebigen anderen natürlichen Zahl beginnen.

Beispiel 3.18. Wir zeigen mit Hilfe des Prinzips der starken Induktion die Aussage Fn<2n für alle n∈N\ {0}.

(1) Induktionsanfang: Für n= 1 gilt:

Für n= 2 gilt:

(2) Induktionsannahme:

(IA)

Wir nehmen an, dass

Induktionsschluss: Wir müssen zeigen Es gilt

Manchmal benötigt man für den Induktionsschluss zum Beweis einer Behauptung B(n) nicht nur eine fixe Anzahl an Induktionsannahmen, sondern man benötigt B(k) für alle kn.

Dies führt zu einer weiteren Verallgemeinerung des Prinzips der vollständigen Induktion, der sogenannten starken Induktion.

Beweisführung: Starke Induktion

Um eine Behauptung B(n) für allen ∈Nzu beweisen, kann man B(0)∧(∀k∈N mit kn :B(k)⇒B(n+ 1)) für alle n∈N beweisen. Dazu geht man wie folgt vor:

(1) Induktionsanfang: Die Behauptung stimmt für n= 0, d.h. B(0) ist wahr.

(2) Induktionsannahme: Wir nehmen an, dass B(k) für alle k ∈ N mit 0 ≤ kn wahr ist.

Mit Hilfe dieser Annahme beweisen wirB(n+ 1):

Induktionsschluss: Wir folgern, dass auch B(n+ 1) wahr ist.

Daraus folgt, dass die Aussage B(n) für jedes n ∈Ngilt.

Wenn man die Analogie der Dominosteine betrachtet, so bedeutet die starke Induktion, dass, wenn alle Dominosteine k mit kn gefallen sind, so fällt auch Dominostein n+ 1.

Auch bei der starken Induktion kann man statt bein= 0 bei einer beliebigen natürlichen Zahl beginnen.

Das folgende Beispiel zeigt, dass jede natürliche Zahl n ≥ 2 eine Primfaktorzerlegung besitzt, d.h. jedes n ≥ 2 lässt sich als Produkt von Primzahlen darstellen. In Kapitel 4 werden wir zudem zeigen, dass die Primfaktorzerlegung eindeutig ist.

Lemma 3.19. Jede natürliche Zahl n≥2 lässt sich als Produkt von Primzahlen darstellen.

Dabei ist zu beachten, dass ein Produkt im allgemeinen Sinne wie in Definition 3.6 auch aus einem einzigen Faktor bestehen kann. Es kann sogar aus 0 Faktoren bestehen; ein solches Produkt wird als leeres Produkt bezeichnet und ist als 1 definiert.

Beweis von Lemma 3.19.

Eine weitere Anwendung des Prinzips der starken Induktion ist die folgende:

Lemma 3.20. Jede natürliche Zahl n≥1 lässt sich als Summe paarweise verschiedener Zwei-erpotenzen darstellen.

Beispiel.

Beweis durch starke Induktion.

Lemma 3.20 zeigt, dass jede natürliche Zahl eine Binärdarstellung besitzt. Diese lässt sich auch mit folgendem Algorithmus, basierend auf iterierter Division durch 2, berechnen, hier am Bei-spiel n = 53:

Analog kann man zeigen, dass sich jede natürliche Zahl in beliebigen Zahlensystemen darstellen lässt, indem man die Basis 2 durch eine andere Basis ersetzt.

Eine weitere Anwendung des Prinzips der starken Induktion ist der sogenannte Wohlordnungs-satz:

Theorem 3.21 (Wohlordnungssatz). Jede nichtleere Menge von natürlichen Zahlen hat ein kleinstes Element.

Beweis.

Der Wohlordnungssatz wird oft in der folgenden Form benutzt: Um zu zeigen, dass eine Behaup-tung B(n) für alle natürlichen Zahlen gilt, macht man einen Widerspruchsbeweis und nimmt an, dass dies nicht der Fall ist. Aus dem Wohlordnungssatz folgt dann, dass es ein kleinstes Gegenbeispiel n0 ∈N gibt, d.h. n0 ist die kleinste natürliche Zahl, für die ¬A(n0) gilt.

Der Wohlordnungssatz hat einige schöne Anwendungen. So kann man beispielsweise „beweisen“, dass alle natürlichen Zahlen „interessant“ bzw. „besonders“ sind!

Fun Fact: Das Interessante-Zahlen-Paradoxon

Der englische Mathematiker G. H. Hardy bezeichnete die Zahl 1729 einer Anekdote nach als

„nichtssagend“, wurde dann aber von vom indischen Mathematiker S. Ramanujan darüber aufgeklärt, dass dies „die kleinste natürliche Zahl [sei], die man auf zwei verschiedene Weisen als Summe von zwei Kubikzahlen ausdrücken kann“.

Wenn man natürliche Zahlen als „interessant“ resp. „uninteressant“ klassifizieren möchte, wobei eine „uninteressante“ Zahl eine Zahl ohne besondere Eigenschaften ist, so stößt man auf folgendes Paradoxon:

Wir möchten beweisen, dass jede natürliche Zahl n interessant ist. Falls dies nicht der Fall ist, so gilt

X :={n∈N|n ist uninteressant} 6=∅.

Somit gibt es nach dem Wohlordnungssatz eine kleinste Zahl n0X. Somit ist n0 aber die kleinste uninteressante Zahl, was aber eine interessante Eigenschaft ist!

Beweismethode: Prinzip des unendlichen Abstiegs

Es gibt keine absteigende unendliche Folge von natürlichen Zahlen, d.h. es gibt keine Folge der Form (n0, n1, n2, . . .) mit n0 > n1 > n2 > . . . und nk∈N für alle k ∈N.

Das Prinzip des unendlichen Abstiegs folgt direkt aus dem Wohlordnungssatz: Falls eine solche Folge (n0, n1, n2, . . .) existiert, so besitzt die Menge

X :={nk |k ∈N}={n0, n1, n2, n3, . . .}

nach dem Wohlordnungssatz ein kleinstes Element, was der Annahme widerspricht.

Wir verwenden dies, um den Satz über Division mit Rest zu beweisen:

Theorem 3.22 (Division mit Rest). Seien n ∈ N und b ∈ N\ {0,1}. Dann gibt es ein-deutige Zahlen q, r ∈N mit r ∈ {0, . . . , b−1} und

n =qb+r.

Dies ist eine Existenz- und eine Eindeutigkeitsaussage. Dazu zeigt man zuerst, dass solche q, r existieren (Existenzbeweis) und danach, dass diese eindeutig sind.

Beweis. (1) Existenz:

(2) Eindeutigkeit:

Bemerkung 3.23. Der Satz über Division mit Rest lässt sich auch auf die ganzen Zahlen verallgemeinern, d.h., für jedes n ∈Z gibt es q, r ∈Zmit r∈ {0, . . . , b−1} und

n =qb+r.

Die Zahl r wird als Rest bei der Division durch b bezeichnet. Dabei gilt es zu beachten, dass z.B. der Rest von n=−4 bei der Division durchb = 3 nicht 1, sondern 2 ist, denn es gilt

−4 = (−2)·3 + 2, also erhält man q=−2 und r= 2.

4 Relationen

Die Mathematiker sind eine Art Franzosen: Redet man zu ihnen, so übersetzen sie es in ihre Sprache, und dann ist es alsbald etwas anderes.

(Johann Wolfgang von Goethe) Was versteht man im Alltag unter einer Relation? Eine Relation bringt zwei Objekte x und y in eine Beziehung, so stellt beispielsweise die Verwandtschaft eine Beziehung zwischen zwei Menschen dar. Dies lässt sich auch auf die Mathematik übertragen:

Beispiel 4.1. Sei M die Menge aller Menschen. Wir schreiben xy:⇐⇒x und y sind verwandt.

Dabei bringt ∼ die Menschenx und yzueinander in Beziehung. Wir können dann die Menge R={(x, y)∈M2 |xy}={(x, y)∈M2 |x, y sind verwandt}

betrachten. Dies ist eine Teilmenge von M2 =M ×M.

Definition 4.2. Seien M und N Mengen. EineRelation aufM ×N ist eine TeilmengeRM×N. Falls (x, y)∈R, so schreibt man auchxR yund sagt, dassxin Relation zu ysteht.

Man kann eine Relation RM×N auch direkt durch∼R angeben, denn aus ∼R erhält man R={(x, y)∈M ×N |xRy}.

Wenn M =N, so sagt man auch, dass R (bzw.∼R) eine Relation auf M definiert.

Beispiele 4.3.

(1) Die Verwandtschaft ist eine Relation auf der Menge aller Menschen.

(2) Die Gleichheit = ist eine Relation auf jeder Menge, beispielsweise auf M = N = R. Sie lässt sich als Menge darstellen durch

{(x, y)∈R2 |x=y}={(x, x)|x∈R}.

(3) Die Teilmengenrelation ⊆ist eine Relation auf P(N).

(4) Es gibt aber auch Relationen, bei denen die beiden Mengen unterschiedlich sind: Seien M =N und N =R sowie für n∈N, y ∈R

ny :⇐⇒y2 =n.

Die Relation besteht also aus Paaren der Form (n,√

n) oder (n,−√

n) für n∈N.

Relationen RM ×M auf einer endlichen Trägermenge M können durch Pfeildiagramme dargestellt werden. Dabei zeichnet man für jedes Element von M einen Kreis und zeichnet jeweils einen Pfeil vonxM nach yN, falls (x, y)∈R.

• Falls auch (y, x)∈R, so zeichnet man einen Doppelpfeil zwischen x und y.

• Falls x in Relation zu sich selbst steht, so zeichnet man einen Ringpfeil.

Beispiel 4.4. Sei M =N ={1,2,3,4,5,6} und seiR die Relation gegeben durch R ={(1,2),(2,3),(2,4),(3,3),(3,4),(4,1),(4,3),(5,6),(6,5)}.

Diese Relation lässt sich durch folgendes Diagramm darstellen:

4.1 Relationseigenschaften

Im Folgenden betrachten wir einige Eigenschaften von Relationen.

Definition 4.5. Sei M eine Menge. Eine Relation ∼ auf M heißt (1) reflexiv, falls xxfür alle xM.

(2) irreflexiv, falls xx für alle xM.

(3) symmetrisch, falls xy =⇒yx für alle x, yM.

(4) antisymmetrisch, falls für alle x, yM aus xy und yx schonx=y folgt.

(5) transitiv, falls für allex, y, zM aus xy und yz schonxz folgt.

Beispiel 4.6. Wir betrachten die Relationen auf der Menge {a, b, c, d, e, f} definiert durch folgende Pfeildiagramme:

a b

c

e d f

a b

c

e d f

Welche Eigenschaften haben die beiden Relationen?

Wir interpretieren die oben eingeführten Relationseigenschaften graphisch.

Eigenschaft graphische Interpretation Beispiel

reflexiv

irreflexiv

symmetrisch

antisymmetrisch

transitiv

Beispiele 4.7. Welche Eigenschaften haben die folgenden Relationen?

(1) Die Verwandtschaftsrelation auf der Menge aller Menschen.

(2) Die Gleichheitsrelation = aufR. (3) Die ≤-Relation auf R.

(4) Die <-Relation auf R.