A2990 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 44⏐⏐2. November 2007
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assanten fanden die 14-Jähri- ge nicht ansprechbar auf ei- ner Bank im S-Bahnhof Frohnau.Die Jugendliche soll mit anderen auf einem Parkplatz Wodka getrun- ken haben. Von der Feuerwehr wur- de das Mädchen in ein nahe gelege- nes Krankenhaus eingeliefert.“ – Meldungen über schweren Alkohol- missbrauch, wie diese aus dem Ber- liner „Tagesspiegel“, findet man in- zwischen nahezu täglich in den Zei- tungen. Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl der alkoholbeding- ten Krankenhausaufenthalte von Kindern und Jugendlichen verdop- pelt: von 9 500 im Jahr 2000 auf 19 400 im Jahr 2005. Ein Viertel aller Jugendlichen betrinkt sich mindestens einmal im Monat mit fünf oder mehr Gläsern Alkohol.
„Ziel ist der schnellstmögliche Rausch mit möglichst billigem Al- kohol“, fasst Sabine Bätzing das Trinkverhalten der Jugendlichen zu- sammen. Um dem Problem zu be- gegnen, hatte die Drogenbeauftrag- te der Bundesregierung zu der Ta- gung „Voll drauf – neue Formen jugendlichen Alkoholkonsums“ am 22. Oktober nach Berlin eingeladen.
Mehr Forschung über die Motivati- on der Jugendlichen, sich „bis zur Betäubung“ zu betrinken, forderte dabei Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sie- berer, Universität Bielefeld: „Wir wissen sehr wenig.“ Die Verfügbar- keit von Alkohol, fehlende Vorbild- funktion von Erwachsenen sowie Gruppendruck können grundsätz- lich genannt werden.
Forschung zur Motivation
Das Ausprobieren von Alkohol gehöre zunächst zu den normalen„Entwicklungsaufgaben“ von Jun- gen und inzwischen auch von Mädchen. Die meisten hörten aber wieder auf, und nur eine Minderheit werde zu Dauerkonsumenten. Ra- vens-Sieverer beschreibt die Mus- ter: „Jugendliche, die in der Woche gut funktionieren, treffen sich am Wochenende mit Gleichaltrigen, um sich zu betrinken.“ Die Studien ließen keinen signifikanten Zusam- menhang zwischen sozioökonomi- schem Status und Alkoholkonsum erkennen. Als Forschungsthese soll- te auch psychosoziale oder leis- tungsmäßige Überforderung zu- grunde gelegt werden.
Als Schutzfaktoren vor einem re- gelmäßigen Alkoholmissbrauch nennt Dr. med. Oliver Bilke, Vivantes Kli- nikum Berlin-Hellersdorf, das Ge- fühl von Selbstwirksamkeit, soziale Unterstützung und Bindungssicher- heit. Jugendliche seien aber eine grundsätzliche Risikogruppe: Die hormonelle Umstellung, soziale und emotionale Labilität, Neugier und Grenzen testen zu wollen sowie Iden- titätsfindung machen sie vulnerabel.
Kommen noch ungünstige familiäre Verhältnissse hinzu, finden sich eini- ge in psychiatrischer Behandlung wieder. Bilke sieht auf seiner Station alkoholabhängige Jugendliche mit mehreren psychiatrischen Störungen, wie „den 15-Jährigen, der seit fünf Jahren trinkt, um seine Angst, De- pression und eine posttraumatische Belastungsstörung zu ,behandeln‘“.
Die Therapie von bereits abhängigen Jugendlichen sei schwierig und teuer, betont der Psychiater: „Sinnvoller sind Frühintervention und Prävention.“
Die Drogenbeauftragte legte hier- für Handlungsempfehlungen vor. El- tern und das soziale Umfeld müssten in ihrer Funktion als Vorbilder ge- stärkt werden und Heranwachsende darin unterstützt werden, alkoholfrei zu leben. Nötig seien „breite lokale Bündnisse“, die auch den Handel mit einbeziehen. Als sehr wichtig erach- tet sie Kontrollen zur Einhaltung der Jugendschutzgesetze, beispielsweise durch jugendliche „Testkäufer“. In der Schweiz sei dies bereits eine „er- folgreiche Praxis“. Evaluierte Prä- ventionsprojekte wie „HaLt – Hart am Limit“ müssten flächendeckend eingeführt werden.
Diese und andere Präventions- maßnahmen sind ebenso wie politi- sche Steuerungsinstrumente zur Al- koholprävention, zum Beispiel Ver- kaufsverbote, hinlänglich bekannt (siehe „Der Deutschen liebste Dro- ge“ in DÄ, Heft 31–32/2007). Auch auf dieser Tagung waren sich die Experten einig, dass es an der Um- setzung hapert. Prof. Dr. Gerhard Bühringer, Institut für Therapiefor- schung in München, führt die Hin- dernisse auch darauf zurück, dass die meisten der Akteure auch Betrof- fene seien. „Die Mehrheit will ihre Freiheiten nicht einschränken.“ I Petra Bühring
ALKOHOLMISSBRAUCH BEI JUGENDLICHEN
Schnellstmöglich zum Rausch
Doppelt so viele Jugendliche wie noch fünf Jahre zuvor wurden wegen Alkoholmissbrauchs stationär behandelt. Eine Tagung der Drogen- beauftragten der Bundesregierung beleuchtete die Hintergründe.
Foto:VISUM