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Archiv "Haschisch-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts: Kein Recht auf Rausch" (18.07.1994)

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POLITIK

69 Milliarden DM p. a.). Die Kran- kenkassen glauben, Manipulations- möglichkeiten, Grauzonen in der Krankenhausfinanzierung und ko- stentreibende Systemfehler, die auch im (bis Ende 1992 gültigen) Kosten- deckungsprinzip begründet sind, auf- gedeckt zu haben. Dies könne „allzu leicht zu Fehlverhalten einzelner Be- teiligter" führen — kein „flächendek- kendes" berufs- und gesetzeswidriges Handeln, wie die Krankenkassen zu- gestehen, aber immerhin für die Kas- sen ein Beweis für die Intransparenz und die vielfältigen systemimmanen- ten Fehlsteuerungen, die jetzt abge- stellt werden sollen.

Es muß schon verwundern, daß beiläufig konzediert wird, daß das schon vor einem Monat errechnete Einsparpotential von 45 Millionen DM allein im Bereich der Herzklap- pen nicht mit einer „Schmiergeld- summe" gleichgesetzt werden darf.

Sosehr sich die Krankenkassen als

„Treuhänder der Krankenversicher- tengelder" aufspielen, so wäre ein Wort der Entschuldigung bei den pauschal angeprangerten Ärztinnen und Ärzten überfällig gewesen. Im- merhin hat sich aber zumindest der Geschäftsführer des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e. V.

(VdAK), Dr. med. Eckart Fiedler, gegenüber einem öffentlich ange- prangerten Herzklappen-Vertreiber (Firma AD Krauth GmbH & Co., Hamburg) dazu verpflichtet, aufge- stellte Behauptungen nicht weiter zu verbreiten. Die ursprünglich erhobe- ne Behauptung der „Abrechnungs- manipulationen" wurde vom VdAK inzwischen zurückgenommen

Es ist bedauerlich, daß sich die Krankenkassen durch ihr Foul-Spiel von einer sachbezogenen Diskussion über Wirtschaftlichkeitsreserven im Medicalprodukten- und Kranken- hausbereich abgemeldet haben. Kein Wunder also, daß die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. und 55 (von 57) Verwaltungsdirektoren von Herzzentren ihre Kooperation verweigern. Jetzt müssen die Kran- kenkassen die Politik für Preiskor- rektur und zur Revision der Bundes- pflegesatzverordnung sowie des Me- dizin-Produktengesetzes gewinnen.

Dr. rer. pol. Harald Clade

AKTUELL

W

egen des Besitzes kleiner Mengen „weicher" Dro- gen sind im Juni bei Kon- zerten auf dem alten Münchner Flughafen Riem 25 Men- schen festgenommen worden. Wie das Bayerische Landeskriminalamt mitteilte, hatten die Männer und Frauen im Alter von 15 bis 40 Jahren jeweils weniger als ein Gramm Ha- schisch, Marihuana oder Ecstasy-Ta- bletten bei sich. Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts am Landgericht München I, Dieter Em- rich, zeigte die Polizei die Festge- nommenen routinemäßig wegen Ver- stoßes gegen das Betäubungsmittel- gesetz an.

Allerdings werde das Verfahren gegen Ersttäter eingestellt, bei denen weniger als ein Gramm „weicher"

Haschisch-Raucher im Englischen Garten Foto: amw

Drogen für den Eigengebrauch ge- funden wird. Auch wer als Ersttäter mit bis zu fünf Gramm Haschisch er- wischt werde, könne unter Auflagen straffrei ausgehen. Erst ab dem Be- sitz von fünf Gramm werde in jedem Fall ein Strafverfahren eingeleitet.

Emrich betonte, die bayerische Justiz habe dies auch schon vor dem

„Haschisch-Urteil" des Bundesver- fassungsgerichts immer so gehand- habt. Ausschlaggebend für die Straf- verfolgung von Haschisch-Besitz in Bayern seien die Gefahr des Handels und eine mögliche Gefährdung ande- rer. „Rationen für drei Joints" bis zu einem Gramm Haschisch rechnen die Drogenfahnder nach Angaben ei- nes Sprechers des bayerischen Innen- ministeriums noch dem Eigenge- brauch an.

Bezweifelt wurde allerdings vom bayerischen Justizminister Hermann Leeb (CSU), ob es sinnvoll sei, ge- meinsam festzulegen, was eine ge- ringfügige Menge Haschisch sei. Das Bundesverfassungsgericht hatte hier- zu eine einheitliche Richtlinie von den Ländern gefordert. Bis zum Herbst sollten Arbeitsgruppen der Länder mögliche Konsequenzen des BVG-Urteils erörtern, sagte der Vor- sitzende der Justizministerkonferenz der Bundesländer in Hamburg, der Hamburger Justizsenator Klaus Har- drath (parteilos). Der niedersächsi- sche Justizminister Peter Caesar (SPD) zeigte sich jedoch skeptisch, ob die Länder sich bis zum Herbst ei- nigen können. Er schlug eine Grenze von 20 Gramm Haschisch als gering- fügige Menge vor.

„Haschisch-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts

Kein Recht auf Rausch

Der Zweite Senat des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts (BVG) äu- ßerte sich zu einer Verfassungsbeschwerde und sechs Richtervorlagen, darunter die des Lübecker Richters Wolfgang Neskovic, der die Verfas- sungsgemäßheit des Betäubungsmittelgesetzes bezweifelt hatte. Die Richter bestritten das „Recht auf Rausch" und erklärten das Betäubungs- mittelgesetz für verfassungskonform, doch Polizei und Justiz sollten von Strafverfolgung absehen, wenn Cannabisprodukte nur in geringen Men- gen zum Eigenverbrauch erworben und verkauft werden. Zur Festlegung der Mengen sollten die Länder eine einheitliche Regelung treffen.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994 (19) A-1931

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POLITIK

Hamburg warb dagegen für sein Konzept, die Menge von „acht Gele- genheiten", die in der Hansestadt seit November 1992 auch für harte Drogen gilt, als Grenze zu setzen.

Das habe die Justiz im Jahr 1993 um 2 000 bis 3 000 Fälle entlastet, sagte die frühere Hamburger und jetzige Berliner Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD).

Der nordrhein-westfälische Ju- stizminister Rolf Krumsiek (SPD) hatte eine Richtlinie vorgelegt, in der als Grenzmengen von Haschisch und Marihuana zehn Gramm, für Heroin, Kokain und Amphetamine 0,5 Gramm festgelegt sind. Für andere Rauschgifte wie LSD und Morphium sind drei Konsumeinheiten, die in et- wa einer Tagesdosis entsprechen, als Richtwert angegeben.

„Übermaßverbot"

Der mecklenburgische Justizmi- nister, Dr. Klaus Gollert, erklärte da- zu: „Die Linie, die jetzt in Nord- rhein-Westfalens Drogenpolitik maßgeblich zu sein scheint, kann für Mecklenburg-Vorpommern aus ver- schiedenen Gründen nicht in Be- tracht kommen. Der Konsum illega- ler Drogen war in der DDR praktisch kein Problem und ist auch heute noch in den neuen Ländern auf ei- nem viel geringeren Niveau als in den alten Ländern." Der saarländische Innenminister Friedel Läpple (SPD) bezeichnete Krumsieks Vorschlag rundweg als falsch.

Der Düsseldorfer Vorstoß stieß auch bei zahlreichen Bundespoliti- kern auf Kritik. Wenn sich die „kata- strophale Drogenpolitik" der nord- rhein-westfälischen Regierung durchsetze, seien alle Dämme gebro- chen, sagte der Erste Parlamentari- sche Geschäftsführer der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Dr. Jürgen Rütt- gers. Der Vorsitzende des Bundes- tagsinnenausschusses, Hans Gott- fried Bernrath (SPD), betonte:

„Wenn man den Besitz harter Dro- gen zum Eigenverbrauch ausdrück- lich zuläßt, ist dies nur mit einer ver- stärkten Beratung in Schulen und Ju- gendzentren erreichbar."

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluß klargestellt,

AKTUELL

daß es kein „Recht auf Rausch" gibt.

In den Leitsätzen zum Beschluß heißt es: „Für den Umgang mit Dro- gen gelten die Schranken des Arti- kels 2 Abs.1 Grundgesetz. Ein ,Recht auf Rausch', das diesen Beschrän- kungen entzogen wäre, gibt es nicht."

Die Strafbarkeit des Verbrauchs von Cannabisprodukten wird bestätigt:

„Die zur verfassungsrechtlichen Prü- fung gestellten Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sind mit dem Grundgesetz vereinbar."

Wenn die Schuld als gering an- zusehen ist und kein öffentliches In- teresse besteht, kann jedoch von der Strafverfolgung abgesehen werden.

Das sei beim Umgang mit Cannabis- produkten in der Regel „bei dem ge- legentlichen Eigenverbrauch ohne Fremdgefährdung" der Fall.

„Die Verhängung von Kriminal- strafe gegen Probierer und Gelegen- heitskonsumenten kleiner Mengen von Cannabisprodukten kann in ih- ren Auswirkungen auf den einzelnen Täter zu unangemessenen und spezi- alpräventiv eher nachteiligen Ergeb- nissen führen, wie etwa einer uner- wünschten Abdrängung in die Dro- genszene und einer Solidarisierung mit ihr", heißt es in den BVG-Leit- sätzen. In diesen Fällen müsse das

„Übermaßverbot" beachtet werden, nach dem Tat und Strafe nicht außer Verhältnis stehen dürfen. Bei einer Fremdgefährdung könnten dagegen eine größere Schuld und ein öffentli- ches Interesse an der Strafverfolgung vorliegen. Die Länder treffe die Pflicht, für eine im wesentlichen ein- heitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen.

Immissionskarte (16)

Die vorliegende Karte bezieht sich auf den Zeitraum vom 30. Mai bis 3. Juli 1994. Vom 25. Juni bis zum 3. Juli lag Deutschland im Einflußbe- reich von schwül-warmer Mittel- meerluft, die zu Temperaturen von 30 Grad Celsius und mehr führte.

Wegen der geringen Windgeschwin- digkeit waren dadurch die meteoro-

Der Gleichheitsgrundsatz gebie- te es nicht, Alkohol und Nikotin wie Cannabis-Produkte zu behandeln.

Zwar seien die Gefahren durch Alko- holmißbrauch mindestens so groß wie durch Cannabis-Konsum. Der Alkohol habe jedoch eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten. Au- ßerdem könne der Gesetzgeber den Genuß von Alkohol nicht effektiv un- terbinden (zum BVG-Beschluß siehe auch Deutsches Ärzteblatt, Heft 19/1994, „Seite eins").

„Diskussion beendet?"

In einer Stellungnahme zu der Entscheidung stellte Bundesgesund- heitsminister Horst Seehofer (CSU) fest, daß vom Gericht die Drogenpo- litik der Bundesregierung voll bestä- tigt worden sei. Schon bisher gebe es 16 verschiedene rechtliche Möglich- keiten für Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, bei geringen Mengen Haschisch-Besitz von Strafe abzuse- hen. Die Drogenpolitik der Bundes- regierung beruhe nicht allein auf dem Strafrecht, sondern „auf den drei gleichgewichtigen Säulen" Prä- vention und Hilfe für Betroffene, Be- kämpfung des Drogenangebots und internationale Zusammenarbeit.

Seehofer ist der Ansicht, mit dem Urteil des Bundesverfassungsge- richts sei die Diskussion um die Frei- gabe von Cannabisprodukten been- det. Auch eine sogenannte liberalere Drogenpolitik wie in den Niederlan- den und der Schweiz verringere das Problem nicht, sondern bewirke eher das Gegenteil. afp/Kli

logischen Voraussetzungen für die Bildung von Ozon gegeben. So konn- ten an verschiedenen Meßstellen entsprechend hohe Spitzenwerte ge- messen werden.

Die höchsten Kurzzeitbelastun- gen wurden in Wörth (379 Mikro- gramm/m3) und Hürth bei Köln (315 Mikrogramm/m3) gemessen. Der

Ozonbelastung im Juni

A-1932 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994

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