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Zur Theorie einiger Possessiv- und Objekt-Suffixe im
Syrischen.
Von Friedrich Sehwally.
Die grössten Schwierigkeiten für die Analyse bieten die singu¬
larischen Suffixe , da sie als ursprünglich durchweg offene Silben
mit dem nominalen Regens innigere Verbindungen eingehen konnten,
und da bei den jetzt konsonantisch ausgehenden Nomina mit einem
ursprünglichen vokalischen Auslaut (Kasusvokal oder Bindevokal)
zu rechnen ist, über dessen Natur nur Vermutungen möglich sind.
So ist es z. B. zweifelhaft, ob o)jL.1 „sein Recht" aus hebr.
iriSi'l mit Abwerfung des unbetonten Schtussvokales entstanden ist,
oder ob e eine Kontraktion aus ahi oder etwas Ahnlichem dar¬
stellt, wobei das ot der jetzigen Endung nur graphisch, nicht
organisch zn beurteilen wäre, u. s. w.
Während man in diesen und ähnlichen Pällen kaum zu einem
sichern Resultate gelangen kann, ist die Analyse bis zu einem ge¬
vrissen Grade einfacher bei den pluralischen Nomina, da wir den
Auslaut ihrer Konstruktusformen genau kennen. In diesem Kreise
giebt es nur eine einzige Bildung, deren Ratio nicht ohne Weiteres durchsichtig ist.
Ich gebe aus von dem Beispiele wOiQjLy „seine Rechte". Die
*f
entsprechende hebräische Porm T'i"''! dvnSiU ist entstanden aus
dinai + hü. Indem h zwischen den beiden Vokalen ausfiel, ergab
sich die Aussprache dinäjü , auf welche die Konsonantenschrift noch hinweist. Später ist dafür infolge weitergehender Kontraktion
dlnäu gesprochen worden. Es kann doch wohl kaum zweifelhaft
sein, dass die Pormen T''na'n und Tnan identisch sind (gegen Wright,
Comparative Grammar S. 158 u.). Dasselbe Suffix hü ist wahr¬
scheinlich auch in der zweiten Silbe des syrischen ^0)Qi.» anzu¬
erkennen. In einer gewissen Sprachperiode muss es für „seine
Gerichte" einmal eine Porm qL,j aus dinai-hü gegeben haben, da
Schwally, Zur Theorie einiger Posseesiv- u. Objekt-Suffixe etc. 253
schlechterdings nicht einzusehen ist, wie dinai-hi in dinau-hi über¬
gegangen sein sollte.
Als das Suffix hü aus nicht mehr erkennbaren Ursachen zu
hi wurde , war die Form dinau nicht mehr deutlich genug. So
wurde das Suffix noch einmal angesetzt, vmd zwar in der neuen
Gestalt Äe'). Hieraus entstand die Aussprache dinauhl. Im bib¬
lischen Aramäisch hat sich dieselbe noch ziemlich unversehrt er¬
halten, nur der Diphthong au ist infolge „reciproker Assimilation"
(Sie vers, Phonetik 2. A. § 41*) in langes ö übergegangen. Das
Syrische hat, wie regelmässig in offener Silbe, den Diphthongen be¬
wahrt, aber das i des Suffixes ist, wie alle andern unbetonten ü und
i im Auslaut, in der Zeit nach Peststellung der Orthographie,
wieder stumm geworden. So hat das palästinische Aramäisch neben
, ,<>lo, .<f\ > die Schreibungen . .n, -y\ ; und f», -s\. , ZDMG. 22, 480.
Nur vereinzelt im Mand. „seine Hände", Nöldeke, Gramm. S. 178.
Das Neusyrische ist in der Verkennung der Natur der
Endung ^0)0 noch einen grossen Schritt weiter gegangen. Es
hängt ^0)0 als Suffix der HI. pers. sing, masc, dessen Pemininum
Ö)0 geschrieben wird, auch an singularische Nomina an, während
die alten Singularsuffixe nur noch teilweise bewahrt sind (Nöldeke,
Neusyr. Grammatik S. 78). Dieser Zersetzvmgsprocess hat übrigens
eine lange Geschichte. Schon im babylonischen Talmud und im
Mandäischen zeigen die suffigirten singularischen Nomina ausser¬
ordentlich häufig eine pluralische Gestalt (vgl. Nöldeke, Mand. Gramm.,
174 ff. , Luzzatto Grammatik 65 f.). Von hier aus ist diese Ver¬
wirrung auch in das palästinische Aramäisch eingedrungen (Dalmann
Gramm. S. 162 fl^.). — Im Hebräisch des Alten Testamentes ist die
verwandte Erscheinung zu konstatieren , dass die Plurale auf öt,
wenn sie Pronominalsuffixe annehmen, zu öte erweitert werden.
Die ehemalige Existenz eines possessiven Pronominalsuffixes hü
steht durch die Übereinstimmung des Hebräischen , Arabischen,
Äthiopischen ausser Zweifel. Aus den aramäischen Inschriften kenne
ich für das Suffix hü nur den einzigen Beleg MT'nN „sein Bruder"
(vgl. hebr. Vnn) de Vogüe*) 82. In den andern Stellen steht
entweder deutlich Ti (z. B. ■'msN „sein Vater" de Vogüe 1. 65.
90; Euting Nabat. 1. 2, 4. 10, 1; TnnN „seine Brüder" de Vogüö
14. 35. 123; Euting Nabat. 12, 2; ■'imra „seine Söhne" de Vogüö
1) Wright, Comparative Grammar S. 158 f. trägt eine andere Vermutung vor: „But it may also be, that T^a"! stands for the old nominative dual 1JT113''T dabaraw-hu, by elision of the A, dabarau-u and then dabarau .... Such at any rate must be the origin af the Aramaic fonns '>~'i3b^2 , w»0)0 '^Nv) , the latter with silent wO| for malkau-hu.
2) Syrie Centrale, Inscriptions Semitiques, Paris 1868.
254 Schwally, Zur Theorie einiger Possessiv- u. Objekt-Suffixe etc.
14. 31. 33. 35. 36 etc.; Euting Nabat. 6, 3; ■'HT^n ,sein Leben"
de Vogü6 32. 73. 91; Euting Nabat. 2, 4); oder die Orthographie
ist vieldeutig (z. B. ma« ') „sein Vater" de Vogü6 32, 94; fiiat»
idem de Vogü6 87; nas idem Sendschirli Panamu 1. 2. 3. 9,
Hadad 29*); mnN „sein Bruder" de Vogü6 90. 94. 117). Darum
ist de Vogü6 82 für nrnN wahrscheinlich ■'nmN zu lesen , was
de Vogüe 85 und sonst oft auch wirklich steht.
Die Erkenntnis des alten Suffixes hü ist nun von grosser Wichtig¬
keit für die Analyse gewisser suffigierter Verbalformen, z. B. von
,^OiQJi\.^Ji »du (fem.) hast ihn getödtet". Auch hier mnss hi
sekundär sein, da die ältere Porm hu bereits in qefaltiü (aus qetaltlhü) enthalten ist. Ebenso sind , .(NjO -V^pi er tödtete ihn", ,
„du (fem.) tötetest ihn' und w^oXo^JD „töte (fem.) ihn" zu be¬
urteilen. In selbständiger und unassimüirter Gestalt ist mir das
Suffix hü am Verbum nur aus dem babylonischen Talmud bekannt
(Luzzatto Gramm. S. 93 inT'n73i, impsN). Indessen ist auf diese
Pormen wenig Verlass.
Die Mehrzahl der mit dem Suffix der III. pers. masc. sing,
versehenen Verbalformen geht auf .^o)- " aus. Hier sind zwei Er¬
klärungen möglich.
0 f
1. Die ältere Form von wO^bk^i^JO »du (masc.) hast ihn ge¬
tötet' ist nach Analogie des bisher Erörterten ^IS.\^i.O aus qetaltä
-\-hl gewesen. Vgl. irija Ezra 5, 11. Später vmrde das Suffix
in Folge seiner Verschmelzung mit der Verbalendung nicht mehr
erkannt, und deshalb die Form zu qetaltäi-hi erweitert. Ob die
letzte Silbe jemals gesprochen vrarde, ist natürlich die Frage. Aber
die Thatsache, dass jene Silbe nach der überlieferten Aussprache
stumm ist, darf in keiner Hinsicht als Beweis gelten.
2. Aus qetaltä-hl könnte . . >v\^p> auch so entstanden sein,
dass das auslautende i auf das ä der vorletzten Silbe einwirkte
(„Epenthese" Sievers a. 0. S. 214 f.). Für diese Annahme spricht
der Umstand, dass auch wkX^Ö^JOL »du tötetest mich' samt
dem Imperativ .. i^n^n darnach aus teqtoldm etc. erklärt
werden kann. Dagegen sind ^^Lq^joJ. „du tötetest uns" und
1) So auch im paläst. Aram. neben ''laN und '^maN, ZDMG. XXII, 480 f.
2) D. H. M ü 11 e r , Die altsemitischen Inschriften von Sendschirli. Wien 1893.
Schwally, Zur Theorie einiger Possessiv- u. Objekt-Suffixe etc. 255
^^Q^JS ,töte uns' nur als den beiden ersten Formen analoge
Bildungen zu verstehen, deren { keine organische Berechtigung hat.
In allen hierher gehörenden Bildungen des Perfektum er¬
scheint vor dem Suffixe ein langes ä. Dieses a, gleichviel ob lang
oder kurz, ist als ursprängliche Flexionsendung anzusprechen, nicht
nur in der III. sing. masc. perf. , die uns hier nichts angeht,
sondern auch in der II. sing. masc. perf., sowie beim Perfekt Plural
in der I. pers. (cf. arab. Geez, Tigrinja), III. fem. (cf Geez) und
n. fem.'^). Die II. pers. masc. plur. ist wahrscheinlich nach Ana¬
logie des ünä des Imperfectum gebildet.
Im Imperfektum nehmen die Analogiebildungen einen
grösseren Raum ein. Doch ist das Einzelne hier zu kompliziert,
als dass ich in diesem Zusammenhange näher darauf eingehen könnte.
Die Endungen der Singularformen des Imperfekts verlangen eine
besondere Untersuchung. Von besonderem Interesse ist beim
starken Verbum die II. pers. masc. sing. , da es von ihr drei
Varianten giebt. Die älteste derselben ist wahrscheinlich oj^^jdL,
da sie dem hebräischen inbupn am nächsten steht. Die andere
wO)Q.^>^j02. ist bereits oben analysiert worden. Nachzutragen ist hier
nur noch, dass das i der Silbe li gleicher Herkunft sein muss wie
das e der entsprechenden hebräischen Form. i^o^Q^JOL ist
wahrscheinlich die jüngste der Spielformen und aus Analogiebildung
zn erklären. Dies muss dann auch für den Imperativ . .e ^ "
behauptet werden.
1) Vgl. Nöldeke in ZDMG. XXXVIII, 407 ff.
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Gesetzliche Bestimmungen über Ktmja-Namen
im Islam.
Von Ignaz Goldziher.
I. In der dnrch Wellhansen in dieser Zeitschrift Bd. L
veröffentlichten „Ergänzung einer Lücke im Kitäb al-
agänl " 'findet sich 148, 3 v. u. die Nachricht, dass Al-Mu^ra b.
^u'ba früher mit der Kunja Abü 'isä benannt war, dass aber
'Omar diese Kunja in Abü 'Abdallah veränderte.
Dies stimmt zu der auch anderweitig bekannten Bestrebung
'Omars, in den Namen der Angehörigen der muhammedanischen
Gemeinde Änderungen vorzunehmen. Er hatte einmal den, freilich
niemals ausgeführten Gedanken, allen Muslimen Namen von Propheten E
zu geben*): tU-j^l tU^-b ^^j**L«^i tU«! j_ob ol^l (Ibn
Kutejba, Ma'ärif 143 paenult.). Dabei liess er sich, ohne Zweifel,
vom Beispiel des Propheten leiten, der die alten Namen seiner Ge¬
treuen*), wenn ihnen eine Erinnerung an heidnische Anschauung
oder eine ominös scheinende Bedeutung anhaftet^, geme durch.'
solche ersetzt, die der neuen Religionsanschaung besser entsprechen, oder einen glückverheissenden Sinn ausdrücken*).
Im allgemeinen verändert Muhammed gerne die Namen, die
seine Anhänger im Heidentum oder in andem Religionen , denen
sie angehörten , geführt (Ibn Hisäm 352, 9), wenn er dies auch
nur bei der kleinen Minderzahl der Bekehrten durchführen konnte.
1) Solcbe Namen wählt man geme i^jjüii] J>-^m' Al-dawäliki ed. Sachau 135, 6.
2) Auch Ortsnamen triflt solche Veränderung, z. B. Gazirat al-'arab ed. Hüller 170, 26; Jäkfit I, 789, 7.
3) Vgl. Anknüpfungspunkte auf jüdischem Gebiete in H. Güdemanns Ab¬
handlung: Die superstitiöse Bedeutung des Eigennamens (Steinschneider-Fest¬
schrift).
4) Die hierauf bezüglichen Hadite sind in orientalischen Werken öfters gesammelt, u. a. auch bei Al-Damiri s. v. V-^l^, II, 208.