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Archiv "Ausschreibung: Von Bewerberliste gestrichen" (08.07.1994)

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SPEKTRUM LESERBRIEFE

NS-Zeit

Zu dem Tagungsbericht der Jahres- tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie „Gynäkologie und Nationalsozialismus: Verleugnung, Verdrängung, Verharmlosung" von Dr. Gerhard di Pol in Heft 47/1994, in dem auf ein Referat von Prof. Dr.

Dr. Winau eingegangen wurde, der über Untersuchungen des Berliner Anatomen Prof. Dr. Dr. Hermann Stieve berichtet, der „Untersuchun- gen ... an jungen weiblichen Ge- fangenen vor und nach deren Hin- richtung in den Jahren 1942 und 1943" publiziert hat:

Richtigstellung

Über diese Veröffentli- chungen und die dazu von Schweizer Ärzten erhobenen Vorwürfe hat mein Vater in mehreren Beiträgen (Schwei- zer Medizinische Wochen- schrift 77:782, Schweizer Me- dizinische Wochenschrift 79:133 und im Vorwort zu sei- nem Buch: „Der Einfluß des Nervensystems auf Bau und Tätigkeit der Geschlechtsor- gane des Menschen" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1952) selbst Stellung genom- men. Stieve schrieb:

„Seit dem Jahre 1933 und besonders während des zwei- ten Weltkrieges hatte ich Ge- legenheit, die Leichen vieler Männer und Frauen zu unter- suchen, die wegen schwerer, gemeiner Verbrechen hinge- richtet worden waren; dabei konnte ich meine Beobach- tungen über den Einfluß des Nervensystems auf Keimdrü- sen erweitern und vertiefen.

In den Jahren 1941 bis 1945 hatte ich reichlich Gelegen- heit, die Geschlechtsorgane von Frauen und Männern zu untersuchen, die während der vielen Luftangriffe und bei den schweren Kämpfen in Berlin ums Leben gekommen waren. Zum Teil handelt es sich um ganz gesunde Men- schen; an Ihnen konnte ich Tatsachen feststellen, die frü- her vollkommen unbekannt waren. Alle diese Untersu- chungen erweiterten unser Wissen von der Fortpflan-

zungstätigkeit des Menschen, sie können vielen Leidenden und dadurch der ganzen Menschheit Nutzen bringen.

So hat das Sterben aller die- ser Opfer einer verwirrten Zeit noch nachträglich einen gewissen Sinn bekommen.

Die klinischen Angaben über das Verhalten der von mir untersuchten Männer und Frauen waren vielfach aus den Gerichtsakten zu er- sehen, zum Teil verdanke ich sie Gefängnisärzten und -aufseherinnen. In einigen Fällen erhielt ich die Anga- ben von Ärzten der Kranken- häuser, in denen die Betref- fenden behandelt worden wa- ren, manchmal auch von Ver- wandten der Toten.

Ich muß auch hier hervor- heben, daß in den folgenden Schilderungen niemals Be- funde beschrieben werden, die an Menschen erhoben wurden, die aus politischen Gründen hingerichtet wur- den; des weiteren muß ich hervorheben, daß ich niemals einen der Hingerichteten vor seinem Tode gesehen oder untersucht habe, für meine Untersuchungen fällt dies nicht ins Gewicht...

Ich darf hier nochmals versichern, daß ich niemals ein Konzentrationslager be- treten und auch niemals die Leiche eines Menschen un- tersucht habe, der im Kon- zentrationslager verstorben war. Mehrmals wurde ich vom damaligen Reichsärzte- führer aufgefordert, Leichen von Kriegsgefangenen oder von Konzentrationslagerin- sassen für die Anatomie ab- holen zu lassen; ich habe mich stets geweigert, dies zu tun."

Ergänzend hierzu ist zu erwähnen, daß H. Stieve ein bekannter Gegner des Natio- nalsozialismus war. Er wurde 1933 als letzter gewählter Rektor der Universität Halle abgesetzt, weil er sich weiger- te, dem Führer des dortigen Nationalsozialistischen Stu- dentenbundes ein Stipendi- um zu erteilen, da es unter Umgehung des Stipendi- enausschusses ihm direkt vor- gelegt worden war.

Stieve gehörte auch, wie aus dem Buch von Eberhard Zeller: „Geist der Freiheit des 20. Juli" — Gotthold Mül- ler Verlag München, vierte Auflage 1993 — hervorgeht, zu dem Kreis des 20. Juli.

Es bleibt nach Studium der zitierten Veröffentlichun- gen Stieves und der Aussagen der noch lebenden Zeugen, zum Beispiel Dr. Eugen Klein, der in der fraglichen Zeit Assistent in der Anato- mie war, festzustellen:

—Nach den mehrfach vorlie- genden Veröffentlichungen Stieves sind keine Untersu- chungen in Konzentrationsla- gern durchgeführt worden, .

—Stieve hat niemals Hinge- richtete vor deren Tod gese- hen oder untersucht,

—seine Erkenntnisse stam- men aus histologischen Un- tersuchungen von nach dem Tode Obduzierten, Verstor- benen, bei Bombenangriffen Umgekommenen und Hinge- richteten, die in die Anatomie verbracht wurden, sowie aus Präparaten, die bei Operatio- nen gewonnen wurden,

—die Gegnerschaft Stieves gegenüber dem Nationalso- zialismus ist vielfach, auch durch noch lebende Zeugen, belegbar.

Weitere Nachweise beim Verfasser.

Prof. Dr. med. Friedrich- Ernst Stieve, Lindenschmit- straße 45/1, 81371 München

Ausschreibung

Zu der Neubesetzung der Chefarzt- stelle für die Neurochirurgische Kli- nik der Charit6:

Von Bewerberliste gestrichen

Seit Wochen verfolge ich in der Presse und im Fernse- hen den Kampf von Patienten um den Verbleib ihres behan- delnden Arztes, Prof. Vogel, noch Chefarzt der neurochir- urgischen Abteilung der Cha- rit6.

Zu den in letzter Zeit ge- nannten Vorwürfen seiner so- genannten „systemstabilisie- renden Wirkung" möchte ich

als Angehörige einer von Pro- fessor Vogel erfolgreich ope- rierten Patientin, als Teilneh- merin der Patienteninitiative, als Kollegin, allen am Ent- scheid über den Verbleib von Professor Vogel an der Chari- t6 Beteiligten folgenden Sachverhalt mitteilen:

Professor Vogel lernte ich als Kinderärztin im Kranken- haus Lindenhof/OZK im Rahmen einer Weiterbil- dungsveranstaltung zum The- ma: „Bericht über eine Studi- enreise in die USA und neue neurochirurgische Operati- onsmethoden" erstmalig am 18. Mai 1988 kennen. Er be- richtete überaus positiv über seine Forschungsreise in die USA und die sich daraus er- gebenden Erfahrungen. Auf die folgenden Anfragen aus dem Kollegenkreis, ob sich solche Reisemöglichkeiten nur für Parteimitglieder der SED ergeben, antwortete er sehr detailliert, mit welchen Schwierigkeiten er vor der Reise zu kämpfen hatte und wieviel Widerstand er zu überwinden hatte. Wörtlich sagte er: „Wenn vor Ihnen die eine Tür zugemacht wird, müssen sie durch die andere wieder hineinkommen. Unbe- quem sein und nicht nachlas- sen, unbequem zu sein."

Es erforderte schon Mut, sich nicht nur zum Wider- stand zu bekennen, sondern auch öffentlich Kollegen zur Gegenwehr aufzufordern.

Solch einem Menschen sy- stemstabilisierende Wirkung vorzuwerfen, ist wohl fehl am Platze.

Ich meine, die Art des Verschwindens des Namens von Professor Vogel von der Bewerberliste für die Beset- zung der Stelle des Chefs der Neurochirurgie beziehungs- weise die Unterlassung der Wiederberufung eines inter- national bekannten Spitzen- neurochirurgen, dem mensch- lich und fachlich kaum je- mand gleichzustellen ist, scha- det nicht nur seinen Patien- ten, sondern dem Ansehen unseres Landes und unserer Demokratie.

Dr. Jutta Raquet, Ernst-Gru- be-Straße 25, 12555 Berlin

A-1864 (16) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 27, 8. Juli 1994

Referenzen

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