Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 5⏐⏐30. Januar 2009 A171
P O L I T I K
A
m 19. Januar startete die Kas- senärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz das Pilotpro- jekt KV-TV in 20 ausgewählten Praxen. Die Fernsehgeräte in den Wartezimmern zeigen seitdem Sen- dungen, die von der KV bereitge- stellt werden. Die circa 30-minütige Programmschleife von KV-TV will den Patienten nicht nur die Warte- zeit verkürzen: „Wir wollen poli- tisch informieren“, erklärt Dr. med.Günter Gerhardt, Vorsitzender der KV Rheinland-Pfalz, das Hauptan- liegen des Projekts. So bietet KV- TV neben informativen Beiträgen und Unterhaltungssendungen kurze, comicartige Clips, die gesundheits- politische Themen aus der Sicht der Ärzte darstellen. „Wir verstehen uns als Anwälte der Patienten“, erläutert Gerhardt, „und deshalb müssen wir darüber informieren, wie es sich wirklich verhält.“
Neben den redaktionellen Beiträ- gen der KV kann der einzelne Arzt das Programm mit eigenen Inhalten ergänzen. Zurzeit handelt es sich da- bei um die Präsentation der eigenen Praxis, von Mitarbeitern und indivi- duellen Leistungsangeboten. Wer- bung und Sponsoring werde es nicht geben, betont Gerhardt. Denkbar seien hingegen Filme über medizi- nische Einrichtungen, die sich auf diesem Wege vorstellen könnten.
Da bisher kaum Daten zur Ak- zeptanz des Wartezimmerfernsehens vorliegen, wird die achtwöchige Pi- lotphase von KV-TV wissenschaft- lich begleitet. Alle zwei Wochen wird dazu ein neues Programm eingespielt und die Sendungen anhand von Fra- gebögen evaluiert. Die Auswertung soll zeigen, was gut ankommt und was man besser machen kann. „Die große Frage ist: Wie reagieren die Pa- tienten, wenn wir Ton hinzufügen?“, sagt Anja Kibies, Redakteurin von KV-TV. Deshalb ist das Programm anfangs nur untertitelt, und erst im Verlauf der Testphase wird es mehr vertonte Beiträge geben.
Bisher wird KV-TV auf DVD an die Praxen geliefert. Langfristig ist eine Mediathek geplant, in der Ärz- te ihr Programm online aus dem Angebot der KV individuell zusam- menstellen können. Das Angebot soll dann auch Beiträge umfassen, die sich an Ärzte oder Praxismitar- beiter richten, und über aktuelle Ge- sundheitspolitik informieren.
Das Projekt ist bisher auf Rhein- land-Pfalz beschränkt. „Unser Ziel ist es, KV-TV deutschlandweit ein- zuführen“, erklärt Gerhadt. „Es wä- re sehr vorteilhaft, wenn alle 17 KVen in Zusammenarbeit mit den Kammern sich daran beteiligen
würden.“ n
Dr. rer. nat. Marc Meißner
FERNSEHEN IM WARTEZIMMER
KV geht auf Sendung
Die KV Rheinland-Pfalz hat das Fernsehen im
Wartezimmer entdeckt und nutzt es mit einem eigenen Programm als Plattform für Öffentlichkeitsarbeit.
Politische Clips:
Mit kurzen Animati- onsfilmen vermittelt KV-TV gesundheits- politische Entwick- lungen aus Sicht
der Ärzte. Foto:KV Rheinland-Pfalz
Dr. med. Holger Schünemann vom Italian National Cancer Institute in Rom mit „Grade“ einen Analyse- ansatz für Experten, der helfen soll, die Evidenzqualität und den Emp- fehlungsgrad von Studien besser einschätzen zu können.
Dass Ärzte und Patienten ent- täuscht von Studienergebnissen sind, weil sie meinen, diese seien zu weit weg von der Versorgungsrealität, und umgekehrt Wissenschaftler ver- ärgert darüber sind, dass ihre Er- kenntnisse zu selten Eingang in Therapieentscheidungen finden, muss kein Dauerzustand bleiben. Dies legte der Biometriker Prof. Dr. Karl Weg- scheider vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf nahe. Er trat dafür ein, je nach Fragestellung un- terschiedliche Studienarten zu for- cieren und sich nicht nur auf Arbei- ten der höchsten Evidenz zu stützen.
Seiner Meinung nach gibt es mehrere Transferprobleme:
cStudien treffen Aussagen über Kollektive, nicht über individuelle Patienten.
cStudien enthalten statistische Aussagen, die stets unscharf sind.
cStudienaussagen gelten nicht für alle Settings, sind nicht notwen- dig für alle Untergruppen, die von einer Fragestellung betroffen sind, und sind schon gar nicht ewig.
„Es ist sehr schwer, eine perfekte Studie zu machen“, stellte Weg- scheider klar. Andererseits liege in Studien die einzige Chance, zu ler- nen und besser zu werden, und das funktioniere ja auch. Denn Studi- energebnisse hätten vielen Ärzten bereits wichtige Impulse für ihre Arbeit gegeben. Und gründliche Überlegungen zu Studienkonzepten
„erdeten“ deren Absichten.
Ein großes Problem haben nach Wegscheiders Ansicht in vielen Bereichen allerdings diejenigen, die bindende Entscheidungen fällen müssen. Sie verlangten deshalb eindeutige Evidenznachweise: „Und wenn diese nicht vorhanden sind, ist man das Problem zumindest erst noch einmal eine Weile los.“ n Sabine Rieser
Die Vorträge des 2. Diskussions- forums sind nachzulesen auf der Homepage des IQWiG:
www.iqwig.de/index.810.html.