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Archiv "Hauptziele: lebendig, praxisbezogen, interdisziplinär" (14.12.1978)

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Bericht und Meinung DAS INTERVIEW

I

rage: Herr Dr. Odenbach, von den älteren Teilnehmern der Bundesärztekammer-Kongresse sind drei Viertel mit der didakti- schen Form der Veranstaltungen einverstanden, von den jüngeren Ärzten knapp die Hälfte. Wo ver- muten Sie die Gründe für diesen Unterschied?

Antwort: Man muß wohl über die simple Feststellung hinausgehen, die jüngere Generation sei kriti- scher und die ältere sei dankbarer, weil sie mehr vergessen hat. Die Jüngeren ziehen nämlich eher die Seminarform vor, während von den Älteren der Vortrag noch eher akzeptiert wird. Die jüngeren Ärzte wollen mehr die Diskussion — ob- wohl man hinzufügen muß, daß auch bei den Älteren Diskussions- wünsche ständig zunehmen. Dann spielt, glaube ich, die Tatsache ei- ne Rolle, daß ja der Arzt am Kran- kenhaus immer im Gespräch mit anderen Kollegen ist. Andererseits sind wir keineswegs nur für den Allgemeinarzt „zuständig", son- ziem wir wollen allen Ärzten etwas

bringen, auch das, was sie auf ih- rem eigenen Fachgebiet zwar viel- leicht nicht benötigen, aber was sie doch über andere Fachgebiete wissen sollten. Denn niemand kann heute mehr sagen: es inter- essiert mich nicht, was auf den anderen Gebieten vor sich geht.

Fortbildungsbedarf heißt: zwar nicht die ganze Medizin beherr- schen, aber die ganze Medizin zu- mindest übersehen. Und weiter:

nachdem heute die Teilnahme je- des Arztes am Notdienst grund- sätzlich vorgeschrieben ist, muß jeder Arzt auch in der Lage sein können, allgemeine Notfälle zu be- handeln.

Frage: In der Untersuchung sind auch die bei Fortbildungskongres- sen benutzten Medien angespro- chen worden. Haben Sie die Mög- lichkeit, auf die Referenten bei den Kongressen einzuwirken, damit zum Beispiel die Diapositive bes- ser werden?

Antwort: Auch dort sind natürlich die Ansprüche verschieden. Die

Hauptziele:

lebendig,

praxisbezogen, interdisziplinär

Mit Dr. med. Erwin Odenbach (Foto), Lei- ter der Abteilung „Fortbildung und Wis- senschaft" der Bundesärztekammer, sprach Günter Burkart Foto: Neusch

meisten jüngeren Ärzte haben während ihres Studiums schon ei- nen Medienkomfort erlebt, wie ihn die Älteren in dieser Form gar nicht kannten. Bei Demonstratio- nen zum Beispiel wurde früher das Organ herumgereicht, und bis es auf der fünften Reihe oben ange- kommen war, sprach der Referent bereits über den dritten Patienten, so daß keiner mehr wußte, wel- ches Organ dran war. Heute kann man in Zweifachprojektionen das Organ und gleichzeitig den histo- logischen Schnitt so stark vergrö- ßert und so hervorragend darstel- len, wie das früher gar nicht mög- lich war. Dann gibt es die Eido- phorsendung, bei der man aus dem Auditorium heraus mit den Ärzten in der Klinik sprechen oder die Patienten fragen und sich gleichzeitig auch noch die Präpa- rate zeigen lassen kann, und das —

wie zum Beispiel in Davos — auf einer Leinwand in der Größe und Qualität einer Kinoleinwand. In dieser Hinsicht sind natürlich die Jüngeren anspruchsvoller; sie se- hen vieles schon als selbstver- ständlich an und haben auch das Staunen vor der Technik verlernt, die bei den Älteren immer noch zur Bewunderung führt. Und die Diapositive sind schon viel besser als früher. Wir haben allen ent- sprechenden Kongreßgestaltern die nötigen Handreichungen ge- geben. Auf unserem Interdiszipli- nären Forum hat sich jeder Mode- rator das Recht vorbehalten, die Diapositive „seiner" Referenten zu sichten. Es sind aber noch andere Dinge zu bedenken. Man sollte zum Beispiel nicht gleich zu Be- ginn den Saal abdunkeln und die Zuhörer bis zum Ende im Dunkeln sitzen lassen. Wer kann denn dann irgend etwas mitschreiben? Das führt zu der Frage: Muß man über- haupt mitschreiben? Bei einem Vortrag kann man ja hinterher eine Zusammenfassung, ein Abstract, verteilen, bei einem Seminar ist das allerdings praktisch nicht möglich. Ein guter Referent wird also sein Seminar „wellenförmig"

gestalten, er wird Höhepunkte und Wellentäler der Entspannung ein- ander ablösen lassen, damit die Möglichkeit besteht, daß das Licht angemacht wird und daß die Teil- nehmer sich Notizen machen.

Frage: Wie wollen Sie die Tendenz unterstützen, vom Referat, vom Vortrag wegzukommen oder, je- denfalls zusätzlich, Mitarbeit und Mitdiskutieren zu fördern?

Antwort: Eine Frage, der wir uns möglicherweise zuwenden sollten, ist die, ob nicht in den Seminaren die Diskussion durch Fragebogen bereichert werden könnte — aller- dings meiner Ansicht nach nicht mit Multiple-choice-Fragen, bei denen man ja nur zum Ankreuzen und nicht zur eigenen Äußerung gebracht wird. Man sollte doch die Teilnehmer auch zu dem Mut pro- vozieren, Fragen zu stellen. Und in diesem Zusammenhang sollte man auch an etwas denken, was

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 50 vom 14. Dezember 1978 3017

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Die Information:

Bericht und Meinung Fortbildungskongresse

weder zeitlich noch anders zu be- werten ist: das Gespräch nach den Seminaren, im Foyer, im Restau- rant, das Fachsimpeln, das weder mit Fragebogen noch mit Präsenz- listen noch steuerlich zu erfassen ist, sondern nur durch den erziel- ten Gewinn. Dies wirkt auch an- dersherum: mir sagen jetzt immer häufiger Referenten bei unseren Kongressen, sie hätten gelernt, die Dinge, die sie sagen wollen, wenn nicht simpel, so doch praxisbezo- gener zu sagen. Sie versuchen, ih- ren Stoff so darzustellen, daß auch Kollegen eines anderen Fachge- bietes ihn in ihrer täglichen Praxis verwenden können.

Frage: Wenn man es so sieht, dann sind diese Kongresse ja sehr wichtig, um die Folgen der Super- Spezialisierung zu mindern.

Antwort: Ja, das Schlüsselwort da- zu lautet „interdisziplinär", man möchte beinahe sagen: interdiszi- plinär, das ist heute „in". Ich könn- te Ihnen viele Beispiele dafür auf- zählen, was sich in dieser Bezie- hung in den letzten Jahren bei un- seren Kongressen entscheidend verändert hat.

Frage: In der Studie fiel mir eine Definition von „Lernerfolg" auf, nämlich: „Wissensvermehrung und deren Anwendbarkeit in der ärztlichen Praxis". Nun ist aber bloße Anwendbarkeit etwas ande- res als die Frage — Sie kennen auch die amerikanischen Versu- che, die Effizienz von Fortbildung daran zu messen —, ob neues Wis- sen auch wirklich angewendet wird. Haben Sie sich bei Ihrer Stu- die sozusagen absichtlich zurück- gehalten, indem Sie sich auf die Frage nach der Anwendbarkeit be- schränkten?

Antwort: Die Frage nach der tat- sächlichen Anwendung würde er- zwingen, daß wir etwa nach drei Jahren die ganze Befragung wie- derholen und dazu die Frage stel- len: Haben Sie die neuen Dinge vom Kongreß auch angewandt?

Dabei könnte es passieren, daß die Befragten nur meinen, sie wenden das neue Wissen an — ob sie es

auch wirklich tun, wäre durch eine solche Befragung immer noch nicht gesichert.

Frage: Halten Sie es denn über- haupt für möglich, daß man so et- was jemals bei Kongreßteilneh- mern wird prüfen können?

Antwort: Über die kassenärztliche Abrechnung wäre das schon in er- heblichem Umfange möglich, glaube ich. Wenn zum Beispiel nach Einführung der Antibiotika zehn Jahre vergangen wären, bis Antibiotika in einer für die KV deutlichen Weise angewandt wor- den wären, dann hätte man sagen müssen: die Ärzte haben nichts gelernt. Weitere Beispiele: wenn jetzt etwa die Verordnung von Duogynon unverändert weiterge- hen würde, oder wenn bei Schwangeren über 45 Jahren die Zahl der Anträge auf Abbruch rela- tiv nur ebenso groß oder gar gerin- ger wäre als bei Jüngeren, dann würde man sagen müssen: die Ärzte haben nichts dazugelernt.

Mit dem, was die KV an Statistik hat, ließe sich schon heute einiges anfangen, etwa bei der Zahl der Endoskopien, bei den Früherken- nungsuntersuchungen, bei neuen Arzneimitteln. Mißverstehen Sie mich nicht: ich meine hier keine Überprüfung einzelner Ärzte; son- dern durch anonyme Auswertung statistischen Materials wären ge- nerelle Aussagen denkbar.

Frage: Sie haben im abgelaufenen Jahr bei einigen Kongressen ein Seminar über Katastrophenmedi- zin aufgenommen. Wie waren die Erfahrungen damit, und werden Sie das fortsetzen?

Antwort: Dies geschah auf Anre- gung des Bundesgesundheitsmi- nisteriums, und zwar erstmals beim Sommerkongreß in Davos, weil die Schweizer die größten Er- fahrungen auf diesem Gebiet ha- ben. Es kam uns an diesem Sams- tagvormittag nicht auf die Vertei- digungssituation an, sondern wir haben versucht — wohl mit Erfolg

—, den Teilnehmern klarzumachen, was Katastrophenmedizin eigent- lich heißt, nämlich jede medizini-

sche Versorgung, welche die Hilfs- mittel am Ort übersteigt. Dabei braucht man nicht gleich an Erd- beben oder an Seveso oder an den Tankwagenunfall in Spanien in diesem Sommer zu denken. Heute gehört eigentlich schon jeder nen- nenswerte Autobahnunfall zur Ka- tastrophenmedizin. Man muß es so sehen: für ein Landkranken- haus sind schon drei Schwerver- brannte eine Katastrophe. In Da- vos zeigten die Schweizer Refe- renten sehr gut, wie man nach or- ganisatorischen Gesichtspunkten vorgehen und entscheiden muß, daß die richtigen Leute so rasch wie möglich an die richtige Stelle kommen. Auch bei der Wiederho- lung in Meran und in Grado wurde klar, daß in einem solchen Fall der erfahrenste Arzt an der Unfallstelle sein muß, aber nicht selbst ope- riert, sondern die richtigen Ent- scheidungen treffen muß. Wir ha- ben da in der Bundesrepublik Deutschland einen entsetzlichen Nachholbedarf. In der Schweiz zum Beispiel muß jeder Medizin- student einen dreitägigen Kata- strophen- und Notfallblock mitma- chen, wo diese Dinge interdiszipli- när geübt werden. Wir in Deutsch- land müssen endlich merken, daß wir viele Jahre lang den Kopf in den Sand gesteckt haben und we- gen der Erinnerung an den Krieg so tun wollen, als ob Katastrophen bei uns überhaupt nicht möglich wären. Viele bei uns kennen nicht einmal den fundamentalen Unter- schied zwischen Notfallmedizin — das Höchste an Einsatz, das für einen Menschen möglich ist — und Katastrophenmedizin, bei der es um die Frage geht, wie kann ich mit einem Minimum an Mitteln für möglichst viele etwas erreichen?

Wir haben vor, das gleiche Pro- gramm zu wiederholen und viel- leicht auch um Planspiele zu er- weitern. Der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung hat jeden- falls beschlossen, im kommenden Jahr alle Samstagvormittage bei den Kongressen für eine solche Veranstaltung zu blockieren. Und im Januar 1980 werden wir dieses Thema auch vor das Interdiszipli- näre Forum bringen.

3018 Heft 50 vom 14. Dezember 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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