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Archiv "Diagnostik und Behandlung HIV-diskordanter Paare mit Kinderwunsch" (12.10.2001)

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M E D I Z I N

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A2648 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

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ehr als 35 000 Menschen mit HIV- Infektionen leben in Deutsch- land, davon sind über 20 Prozent weiblich (8). Die verbesserten Thera- piemöglichkeiten haben in den letzten Jahren die Lebenserwartung HIV-Infi- zierter deutlich erhöht und damit auch schon verloren geglaubte Lebensper- spektiven wieder eröffnet. Da 75 Prozent der Infizierten zwischen 20 und 40 Jahre alt sind, kann dazu auch der Wunsch nach einem eigenen Kind gehören. Des- sen Realisierung steht zunächst das In- fektionsrisiko für die gesunde Partnerin beziehungsweise den gesunden Partner und für das „Wunschkind“ entgegen.

Paare, die mit diesem Dilemma zwi- schen ungewollter Kinderlosigkeit und risikobehafteter Konzeption verantwor- tungsbewusst umgehen wollen, haben deshalb Bedarf an ärztlicher und psycho- sozialer Beratung und Behandlungsan- geboten.

Da diese Aufgabe nur interdisziplinär zu lösen ist, haben Vertreter verschiede- ner Fachgesellschaften die nachfolgend aufgeführten Hinweise zur ärztlichen Diagnostik und Behandlung HIV-dis- kordanter Paare mit Kinderwunsch er- arbeitet. Diese sollen den in den letzten Jahren verbesserten Behandlungsmög- lichkeiten der HIV-Infektion Rechnung tragen und den beteiligten Ärzten als medizinische und forensische Entschei- dungshilfe dienen.

Voraussetzungen

Rat suchen insbesondere Paare, die verantwortungsbewusst mit der HIV- Infektion umgehen und nicht auf unge- schützten Geschlechtsverkehr auswei- chen wollen. Langjährige Erfahrungen in der Betreuung HIV-diskordanter Paare mit Kinderwunsch zeigen, dass eine vorausgehende psychosoziale Be- ratung notwendig ist. Selbstverständ- lich sind dabei beide Partner einzube- ziehen. Lebensplanung und Zukunfts- perspektiven (Lebenserwartung) des Paares sollten ebenso erörtert werden wie die Bedeutung des Kinderwunsches für beide Partner sowie die soziale und materielle Situation. Nach eingehen- der Beratung entscheidet sich bis zu ein Drittel der Paare selbst bei medi- zinischer Durchführbarkeit gegen eine Realisierung des Kinderwunsches und sucht nach alternativen Lebensper- spektiven.

Ist eine Behandlung aus medizini- schen Gründen nicht durchführbar oder schlägt ein Behandlungsversuch fehl, so können daraus belastende Kon- fliktlagen entstehen. Eine psychosozia- le Begleitung kann in diesen Situatio- nen helfen. In präventiver Hinsicht ist zu beachten, dass unbearbeitete Ent- täuschung und Frustration über Misser- folge Paare veranlassen können, auf un- geschützten Geschlechtsverkehr auszu- weichen (12).

Eine wesentliche Voraussetzung für eine ärztliche Unterstützung bei Kin- derwunsch ist die Bereitschaft des Paa- res zur Compliance. Diese kann durch psychiatrische Komorbidität, Substanz- abhängigkeit, ungünstiges soziales Um- feld oder mangelndes Verständnis für medizinische oder prophylaktische Maßnahmen (wie zum Beispiel kon- stanter Kondomgebrauch) gemindert erscheinen. In solchen Fällen sollte die

Diagnostik und Behandlung HIV-

diskordanter Paare mit Kinderwunsch

Michael Weigel

1

, Heidemarie Kremer

2

, Ulrike Sonnenberg-Schwan

3

, Jörg Gölz

4

, Lutz Gürtler

5

, Hans W. Doerr

6

, Norbert H. Brockmeyer

7

Zusammenfassung

HIV-diskordante Paare, die mit der Infektion verantwortungsbewusst umgehen, benötigen zur Erfüllung eines Kinderwunsches ärztlichen Beistand. Hierfür sind zunächst ethische, medi- zinische und forensische Fragen abzuklären.

Wichtige Voraussetzungen für eine reprodukti- onsmedizinische Intervention sind die psycho- soziale Beratung beider Partner sowie die Com- pliance des Paares. Liegt die HIV-Infektion beim Mann vor, können vitale, motile Spermien an- gereichert werden, die HIV-negativ und für Ver- fahren der assistierten Reproduktion verwend- bar sind. Ist die Frau von der HIV-Infektion be- troffen, besteht die Möglichkeit einer Selbstin- semination. Bei instabilem Infektionsverlauf, eingeschränkten antiretroviralen Therapieop- tionen beziehungsweise Reistenzentwicklung, somatischer Komorbidität wie chronischen HBV- und HCV-Infektionen, Diabetes mellitus, Anfallsleiden oder präexistenten geburtshilf- lich-gynäkologischen Risiken ist von einer Ver- folgung des Kinderwunsches abzuraten.

Schlüsselwörter: HIV-diskordantes Paar, Kin- derwunsch, HIV-Prävention, assistierte Repro- duktion, Spermienaufbereitung

Summary

German-Austrian Recommendations for Diagnosis and Treatment of HIV Discord- ant Couples who Wish to Have Children HIV discordant couples who feel responsible for their infectivity need medical advice to have children. As a prerequisite ethical, medi- cal, and forensic issues have to be adressed.

Psycho-social and reproductive counselling are important matters. If the man is HIV infected vital and motile semen can be enriched and used for assisted reproduction. If the woman is infected self-semination is possible. Exclusion criteria are a high viral load, instable CD4 cell count, missing options for antiviral therapy and resistence against azidothymidine and nevirapine. Furthermore, couples with comor- bidity, such as chronic hepatitis B or C infection, diabetes mellitus, epilepsies, and gynaecologi- cal riskfactors should also be excluded.

Key words: assisted reproduction, HIV discord- ant couples, HIV prevention, reproductive counselling, semen preparation

1Universitäts-Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Frank Melchert), Mannheim

2All Around AIDS e.V., Dortmund

3KIS – Kuratorium für Immunschwäche, München

4Praxiszentrum Kaiserdamm, Berlin

5Institut für Medizinische Mikrobiologie (Direktor: Prof.

Dr. med. Lutz Gürtler) der Ernst Moritz Arndt Universität, Greifswald

6Institut für Medizinische Virologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Hans W. Doerr) der Universitätskliniken Frankfurt am Main

7DAIG, Klinik für Dermatologie und Allergologie (Direktor:

Prof. Dr. med. Peter Altmeyer) der Ruhr-Universität, Bochum

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begleitende Beratung intensiviert wer- den – gegebenenfalls unter Nutzung nichtärztlicher Beratungsangebote der Selbsthilfe – und eine Behandlung kri- tisch geprüft werden. Gleiches gilt für fortgeschrittene Stadien der HIV-In- fektion (B3 oder C nach der CDC-Klas- sifikation). Grundsätzlich ergeben sich aus dem Kinderwunsch HIV-diskor- danter Paare zwei Konstellationen mit unterschiedlicher Problematik:

❃ Ist der Mann HIV-infiziert, muss ausschließlich der Infektionsschutz der gesunden Partnerin berücksichtigt wer- den.

❃ Wenn die Frau HIV-infiziert ist, müssen neben dem Infektionsschutz des gesunden Partners auch das Infekti- onsrisiko des Kindes sowie mögliche Interaktionen von Schwangerschaft und HIV-Infektion berücksichtigt wer- den.

HIV-Infektion der Frau

Schwangerschaft und Geburt haben nach bislang vorliegenden Studien kei- nen ungünstigen Einfluss auf den Ver- lauf einer nicht fortgeschrittenen HIV- Infektion. Umgekehrt scheint jedoch die Infektion die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen in der Schwanger- schaft zu erhöhen (10).

Das Risiko einer Virusübertragung von der Mutter auf das Kind beträgt oh- ne Intervention etwa 15 bis 20 Prozent.

Grundsätzlich scheint zu jedem Zeit- punkt der Schwangerschaft ein Über- tritt von Viren aus dem Blutstrom in den Trophoblasten beziehungsweise die Plazenta möglich. Nach den heute vorliegenden Daten scheint aber insbe- sondere der Geburtsverlauf das fetale Infektionsrisiko zu definieren, welches durch vorzeitige Wehentätigkeit, Früh- geburtlichkeit, vorzeitigen Blasen- sprung, Amnioninfektionen und durch eine vaginale Geburt gesteigert wird.

Deshalb gilt neben einer antiretrovi- ralen Therapie während der Schwan- gerschaft, einer neonatalen antiretrovi- ralen Prophylaxe und dem Verzicht auf Stillen auch eine elektive Sectio caes- area unter Schonung der Amnionmem- bran als Standard zur Senkung des ma- terno-fetalen Transmissionsrisikos (5).

Durch die Summe der genannten Maß-

nahmen lässt sich das fetale Infektions- risiko auf unter zwei Prozent senken (6).

Das individuelle Transmissionsrisiko lässt sich derzeit nicht exakt definieren.

So kann sich der Virustiter im Verlauf einer HIV-Infektion jederzeit erhöhen.

Zudem können nicht prognostizierbare Risikofaktoren im Verlauf einer Schwangerschaft auftreten. Ein wesent- licher Prädiktor für das Übertragungs- risiko scheint aber die Viruslast im Blut beziehungsweise im Vaginalsekret zu sein (4, 7). Als günstige Voraussetzun- gen für ein geringes materno-fetales Transmissionsrisiko gelten:

❃eine geringe Viruslast – möglichst unter 1 000 Kopien/ml – sowie eine sta- bile CD4-Zellzahl in den letzten sechs Monaten,

❃verbleibende antiretrovirale The- rapieoptionen, keine Resistenz gegen Azidothymidin und Nevirapin,

❃keine somatische Komorbidität wie chronische HBV- und HCV-Infek- tionen, Diabetes mellitus, Anfallslei- den,

❃keine präexistenten gynäkolo- gisch-geburtshilflichen Risiken.

Die fundierte Erfassung und Ge- wichtung der genannten Faktoren bil- det die medizinische Basis, ob dem Paar zur Realisierung des Kinderwunsches

geraten werden kann beziehungsweise ob dieser wegen einer vorübergehen- den Risikoerhöhung aufgeschoben werden sollte oder gänzlich abgeraten werden muss. Entscheidet sich das Paar nach eingehender Beratung, den Kin- derwunsch zu verfolgen, ist frühzeitig die Fertilitätsabklärung und infektiolo- gische Diagnostik beider Partner indi- ziert (Tabelle). Sind Fertilitätshinder- nisse ausgeschlossen, sollte das Paar über die Möglichkeit der Selbstinsemi- nation unterrichtet werden. Hierzu kann zum Ovulationszeitpunkt das spermizidfreie Kondom nach dem Ge- schlechtsverkehr umgekehrt in die Va-

gina eingeführt werden oder das Ejaku- lat nach Masturbation mit einer Spritze oder einer Portiokappe vaginal appli- ziert werden. Bei gleichzeitigem Schutz des gesunden Partners kann dadurch die Konzeption in der Privatsphäre des Paares belassen werden (12).

Die Empfehlung und Durchführung reproduktionsmedizinischer Interven- tionen bedarf einer differenzierten und individuellen Beurteilung. Beratung und Aufklärung des Paares über die medizinischen Aspekte sowie Maßnah- men, die lediglich einen physiologi- schen Zustand wieder herstellen – zum Beispiel bei Anovulation oder Tuben- faktorstörung oder bei einer früher M E D I Z I N

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A2650 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

´ TabelleCC´

Basisdiagnostik beider Partner bei HIV-Diskordanz

Anamnese Medizinische und psychosoziale Vorgeschichte Gynäkologische Diagnostik Palpation, Sonographie, Tubenfaktorprüfung

(ggf. Hysteroskopie)

Basaltemperaturkurve, ggf. endokrinologische Diagnostik Zervixabstriche (Zytologie, pathogene Keime)

Serologie (Röteln, Toxoplasmose, TPHA, CMV, HBV, HCV) HIV-spezifische/allgemein- HIV-assoziierte Symptome und Begleiterkrankungen medizinische Diagnostik

Blutglucose, GOT, GPT, GT, Blutbild Ultrasensitive HIV-PCR, CD4/CD8-Zellen HIV-Antikörpertest des seronegativen Partners Andrologische Diagnostik Spermiogramm, Ejakulatkultur

Serologie (HBV, HCV) Chlamydien-PCR im Urin

TPHA, Treponema pallidum Hämagglutination; CMV, Cytomegalievirus; GOT, Glutamat-Oxalacetat-Transaminase; GPT, Glutamat-Pyruvat- Transaminase; GT, Glutamyltranspeptidase; HBV, Hepatitis-B-Virus; HCV, Hepatitis-C-Virus

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durchgeführten Sterilisation – sind als vertretbar anzusehen. Eine ovarielle Stimulation sollte allerdings qualifiziert überwacht werden, mit dem Ziel einer Monoovulation, da Mehrlingsschwan- gerschaften ein erhöhtes Risiko für eine materno-fetale Transmission bergen können.

Wesentlich kritischer sind aber Ver- fahren der assistierten Reproduktion zu beurteilen. Ein ausdrücklicher Rechts- satz, nach dem HIV-diskordanten Paa- ren die Realisierung ihres Kinderwun- sches zu versagen ist, existiert nicht. Die juristische Bewertung kann nicht ein- heitlich für alle Fälle erfolgen, sondern muss angesichts der erläuterten Risiken differenzieren. Bei HIV-infizierten Frauen ist das Transmissionsrisiko auf das Kind zwar bei Einhaltung der oben genannten Hinweise gering, aber im- mer noch von einer Größenordnung, die nicht als lediglich „theoretisch“ be- zeichnet werden kann. Eine aktive ärzt- liche Intervention im Sinne einer För- derung des Befruchtungsvorgangs ist jedenfalls dann mit Vorbehalten zu ver- sehen, wenn man in der Beratung das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellt. Ob sich aus dem verbleibenden Infektionsrisiko erfolgreich sogar Re- gressansprüche eines infizierten Kindes ergeben können, wird zurzeit juristisch kontrovers diskutiert (3).

In jedem Fall ist die eingehende Auf- klärung darüber, dass es trotz Einhal- tung aller Sorgfalt zur Infektion des Kindes kommen kann, ebenso eindeu- tig und lückenlos zu dokumentieren, wie sämtliche Diagnose- und Behand- lungsmaßnahmen. Zudem sollte vor Durchführung derartiger aktiver Inter- ventionen ein Votum der örtlich zustän- digen Ethik-Kommission eingeholt werden.

HIV-Infektion des Mannes

Natives Ejakulat besteht im Wesentli- chen aus drei Fraktionen: Spermien, Seminalplasma und nukleäre Begleit- zellen, also Vorläuferzellen der Sper- miogenese und Leukozyten. HI-Viren beziehungsweise deren Progenom kön- nen zwar im Seminalplasma sowie in der Begleitzellfraktion und auch ver- einzelt an immobilen Spermien nach-

weisbar sein, vitale, motile Spermien kommen aber als Virusträger nicht in Betracht (15).

Bewegliche Spermien können durch standardisierte Aufbereitungstechni- ken isoliert werden (1, 11): Zunächst werden durch Dichtegradientenzentri- fugation die Spermien im Pellet vom Seminalplasma und der Begleitzellfrak- tion abgetrennt. Nach zwei Wasch- schritten, wird das Pellet abschließend vorsichtig mit Kulturmedium über- schichtet und die Probe für 30 bis 60 Mi- nuten bei 37°C inkubiert. In dieser Zeit reichern sich die motilen Spermien in der oberen Grenzschicht an. Um eine Kontamination mit viralen Partikeln mit größtmöglicher Sicherheit aus- schließen zu können, sollte anschließend ein Aliquot der aufbereiteten Probe mit sensitivstem Test auf HIV-Nukleinsäu- re untersucht werden. Eventuell enthal- tenes virales Genom beziehungsweise Progenom wird isoliert, amplifiziert (durch PCR, nucleic acid sequence based amplification, oder Ähnliches) und de- tektiert. Unabhängig von der Virus- menge ist jede kontaminierte Probe zu verwerfen. Bis das Testergebnis vor- liegt, ist in der Regel eine Tiefgefrier- konservierung der aufbereiteten Sper- mienprobe unumgänglich.

Aufbereitete, HIV-negativ getestete Spermien können grundsätzlich für alle Verfahren der assistierten Reproduk- tion verwendet werden. Bei HIV-dis- kordanten Paaren reduziert sich das Spektrum auf die intrauterine Insemi- nation (IUI) und die extrakorporale Befruchtung mittels konventioneller In-vitro-Fertilisation (IVF) beziehungs- weise intrazytoplasmatischer Spermien- injektion (ICSI) mit nachfolgendem Embryotransfer. Die Wahl der Metho- de richtet sich nach den Befunden der gynäkologischen und andrologischen Paardiagnostik sowie den Wünschen des Paares (Tabelle). Diese Verfahren unterliegen den Richtlinien der Bunde- särztekammer (2), die in der zurzeit gül- tigen Fassung die Eheschließung vor- aussetzen. Ausnahmen hiervon bedür- fen grundsätzlich der Zustimmung der ständigen Ethikkommission der zustän- digen Landesärztekammern, sind in einzelnen Bundesländern (zum Bei- spiel Berlin) bei Paaren in stabiler Part- nerschaft aber auch ohne Anrufen der

Ethikkommission möglich. Beide Part- ner sollten darüber aufgeklärt werden, dass letztlich auch mit aufwendigsten Aufbereitungstechniken und Testver- fahren die Möglichkeit einer Virus- übertragung auf die gesunde Partnerin – und dadurch auch auf das gewünschte Kind – nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Im Ge- gensatz zur Infektionsgefahr eines un- geschützten Geschlechtsverkehrs, die mit 0,5 bis 1 Prozent angenommen wird (9), ist dieses Restrisiko aber rein hypo- thetisch und nicht mehr bezifferbar. In- sofern wird man bei Beachtung der dar- gestellten Vorgehensweise sowie deren lückenloser Dokumentation keine haf- tungsrechtlichen Einwände gegen eine reproduktionsmedizinische Behand- lung bei HIV-Infektion des (Ehe-)Man- nes erheben können (3).

Grundsätzlich sollten alle Patientin- nen, die sich einem der genannten The- rapieverfahren unterzogen haben – ebenso wie die geborenen Kinder – in- fektiologisch nachuntersucht werden.

Fazit

Die Beratung und Betreuung HIV-dis- kordanter Paare mit Kinderwunsch ist eine interdisziplinäre Aufgabe auf der Basis einer umfassenden Diagnostik.

Bei HIV-Infektion des Mannes kann durch Verfahren der assistierten Re- produktion der Kinderwunsch mit al- lenfalls hypothetischem Restrisiko ei- ner Infektion für die gesunde Partnerin realisiert werden. Ist die Frau HIV-infi- ziert, sollte das fertile Paar über die Möglichkeiten der Selbstinsemination unterrichtet werden. Über eine aktive reproduktionsmedizinische Therapie kann angesichts des heutigen Kenntnis- standes insbesondere wegen des Risi- kos der materno-fetalen Transmission und der angesprochenen haftungsrecht- lichen Überlegungen nur im Einzelfall entschieden werden. Selbstverständlich müssen diese Einschätzungen an künf- tige Entwicklungen angepasst werden.

Die nachstehenden Empfehlungen wurden verabschiedet von der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG e.V.), der Österreichischen AIDS-Gesellschaft (ÖAG), der Arzneimit- telkommission der Bundesärztekammer sowie der Deut- schen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung von HIV- und AIDS-Patienten (DAGNÄ e.V.), M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001 AA2651

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der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburts- hilfe (DGGG), der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV), der Kommission für Antivirale Chemotherapie der Gesellschaft für Virologie (GfV), vom Bundesverband reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. (BRZ), von der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), vom KIS - Kuratorium für Immunschwäche e.V., vom Verein All Around AIDS e.V. und vom Robert Koch-Institut (RKI). An der Formulierung mitgewirkt haben als Vertreter der genannten Gesellschaften und Institutionen: M. Bals- Pratsch, Lübeck, M. Beichert, Mannheim, N.H. Brockmeyer, Bochum, B. Buchholz, Mannheim, K. Diedrich, Lübeck, H.W. Doerr, Frankfurt, W. Eberbach, Erfurt, C. Egarter, Wi- en, K. Friese, Rostock, J. Gölz, Berlin, I. Grosch-Wörner, Ber- lin, L. Gürtler, Greifswald, H. Jäger, München, C. Keck, Frei- burg, H. Kentenich, Berlin, G. Kindermann, München, H.

Knechten, Aachen, H. Kremer, Dortmund, D.H. Krüger, Ber- lin, Loner, Wien, U. Marcus, Berlin, Mayer, Wien, A. Obru- ca, Wien, T. Rabe, Heidelberg, R. Ratzel, München, H. Sal- zer, Wien, A. Schäfer, Berlin, B. Schmied, Wien, U. Sonnen- berg-Schwan, München, M. Thaele, Saarbrücken, M. Wei- gel, Mannheim, G. Weiler, Berlin.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 2648–2652 [Heft 41]

Literatur

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15. Weigel M, Beichert M, Melchert F: Assistierte Repro- duktion bei HIV-Infektion des Ehepartners – Von der Kontraindikation zur Indikation? Reproduktionsme- dizin 1999; 15: 410–418.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Michael Weigel Universitäts-Frauenklinik

Theodor-Kutzer-Ufer 3-5, 68167 Mannheim E-Mail: michael.weigel@gyn.ma.uni-heidelberg. de Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer Deutsche AIDS-Gesellschaft

Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität

Gudrunstraße 56, 44791 Bochum E-Mail: n.brockmeyer@derma.de M E D I Z I N

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A2652 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

Frauen, die nach vorangegangener peripartaler Kardiomyopathie erneut schwanger werden, gehen das Risiko einer klinisch signifikanten Verschlech- terung ihrer Linksherzfunktion, die auch zum Tod führen kann, ein.

Etwa 20 Prozent der Frauen, die an der seltenen peripartalen Kardiomyo- pathie erkranken, überleben nur dank einer Herztransplantation. Der we- sentlich größere Teil der Frauen aber, die nicht so schwer beeinträchtigt wur- den, sieht sich bei erneutem Kinder- wunsch mit einer nur unzureichenden Datenlage und wenig prognostischen Anhaltspunkten konfrontiert. Aus die- sem Grund untersuchten Elkayam et al. in einer landesweit in Amerika angelegten retrospektiven Studie die Daten (Krankenakten und persönli- che Gespräche) von 44 betroffenen Frauen mit insgesamt 60 nachfolgen-

den Schwangerschaften. Die Autoren mussten feststellen, dass es im Rahmen einer erneuten Schwangerschaft auch bei den Frauen mit vormals wieder nor- malisierter Linksherzfunktion zu einer signifikanten Abnahme der linksven- trikulären Auswurffraktion und in 21 Prozent der Fälle zu einer Herzinsuffi- zienz kam. Noch ungünstiger waren die Verläufe bei Frauen, die als bleibenden Schaden ihrer Kardiomyopathie eine Linksherzinsuffizienz davongetragen hatten und mit dieser beeinträchtigten kardialen Funktion erneut schwanger wurden. Auch hier sank die linksven- trikuläre Auswurffraktion weiter ab, 44 Prozent der Frauen wurden herzinsuf- fizient und 19 Prozent starben. Ähnlich alarmierende Zahlen ergaben sich für die Feten dieser folgenden Schwanger- schaften: Bei den schon linksherzbela- steten Müttern kam es in 25 Prozent

der Fälle zu einer Abtreibung aus me- dizinischer Indikation (gegenüber vier Prozent bei den nicht belasteten Müt- tern) und die Frühgeburtenrate betrug 37 Prozent (gegenüber elf Prozent).

Aufgrund des Studiendesigns und der kleinen Fallzahlen sind die Daten si- cher noch prüfenswert, für betroffene Frauen können sie aber eine wertvolle Entscheidungshilfe sein, schließen die

Autoren. goa

Elkayam U et al.: Maternal and fetal outcome of sub- sequent pregnancies in women with peripartum car- diomyopathie. N Engl J Med 2001; 344: 1567–1571.

Uri Elkayam, Section of Heart Failure, Division of Cardiology, Department of Medicine, University of Southern California School of Medicine, Los Angeles, USA.

Schwangerschaft nach

peripartaler Kardiomyopathie

Referiert

Referenzen

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