M E D I Z I N
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A1982 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 28–29½½½½15. Juli 2002
Aktivierung des Adenosin-A2a-Rezep- tors durch Adenosin, das während der Ischämieperiode durch ATP-Abbau entsteht (Grafik 2). Hierdurch kommt es einerseits zur Aktivierung der Phos- pholipase C und der Proteinkinase-C- Isoenzyme-eund -dsowie andererseits zur Stimulation von NO-Synthasen mit vermehrter Bildung des second-mes- senger-cGMP. Sowohl die Proteinki- nase-C-Isoenzyme-e und -d als auch cGMP führen im nächsten Schritt zur Aktivierung der p38-MAP-Kinase. Die hierdurch vermittelten zytoprotektiven Mechanismen sind bislang noch unbe- kannt. Derzeit wird unter anderem die Bedeutung der durch p38-MAPK indu- zierten Hämoxygenase-1 untersucht.
Im Falle einer Induktion der Hämoxy- genase-1 in Hepatozyten konnte An- dreas Nüssler, Berlin, eine drastische Reduktion von Zellschäden durch kalte und warme Ischämie nachweisen. Fer- ner zeigte Gabriele Sass, Erlangen, dass die Induktion der Hämoxygenase-1 so- wohl die Bildung als auch die Toxizität von TNF-a vermindert. Hämoxygen- asen besitzen antioxidative Eigenschaf- ten und können darüber hinaus durch Bildung von vasorelaxierendem Koh- lenmonoxid Mikrozirkulationsstörun- gen der Leber nach Kupffer-Zell-Akti- vierung vermindern, berichtete Christi- an Steib, München. Interessant ist auch die Beobachtung von Tobias Gerwig, München, dass eine hormonelle Prä- konditionierung der Leber mit atrialem natriuretischen Peptid (ANP) zu einer vergleichbaren Zytoprotektion und In- duktion der Hämoxygenase-1 führt.
Hierfür scheint ebenfalls ein cGMP- und p38-MAPK-abhängiger Signalweg verantwortlich zu sein. Diese Ergebnis- se zeigen außerdem, dass die durch ischämische Präkonditionierung akti- vierten endogenen Schutzmechanis- men der Zelle auch durch pharmakolo- gische Interventionen induzierbar sind.
Dies könnte neue Wege der pharmako- logischen Zytoprotektion eröffnen.
Die Wirksamkeit der ischämischen Präkonditionierung wurde bislang nur in tierexperimentellen Modellen nicht- vorgeschädigter Lebern gezeigt. Man- fred Bilzer, München, ging deshalb der Frage nach, ob der in Fettlebern beson- ders ausgeprägte Ischämie-Reperfusi- onsschaden ebenfalls durch ischämi-
sche Präkonditionierung vermindert werden kann. Ischämische Präkondi- tionierung von Lebern homozygoter Zucker-Ratten mit einem Verfettungs- grad von 40 Prozent reduzierte den post- ischämischen Transaminasenanstieg um 80 Prozent, Mikrozirkulationsstörun- gen waren kaum noch zu beobach- ten. Die ischämische Präkonditionie- rung ist somit ein wirksames Verfahren zur Reduktion des Ischämie-Reperfusi- onsschadens moderat verfetteter Le- bern.
Erstmals konnte die Wirksamkeit der ischämischen Präkonditionierung in einer randomisierten prospektiven klinischen Studie nachgewiesen wer- den. In einer Studie des Klinikums Großhadern in München unter Leitung von Rolf J. Schauer, wurden 61 Patien- ten mit ausgedehnten Leberresektio- nen eingeschlossen. Vor dem Pringle- Manöver erfolgte eine ischämische Prä- konditionierung (n=30) oder keine Be- handlung (n=31). Alter, Geschlechts- verteilung, Grad der Fibrose und Stea-
tose, Dauer des Pringle-Manövers und die Zahl der resezierten Segmente be- ziehungsweise des Lebervolumens war in beiden Gruppen gleich. Komplikatio- nen wie Tod, schwere Leberdysfunktio- nen oder das Auftreten von Biliomen waren signifikant niedriger in der Prä- konditionierungsgruppe und zeigen so- mit die klinische Wertigkeit des neuen Verfahrens.
Die ischämische Präkonditionierung und die Behandlung mit Glycin oder Glutathion sind als neue Strategien zur Prävention von Ischämie-Reperfusi- onsschäden der Leber anzusehen. Die- se Ansätze sind vielversprechend, da sie nicht nur effizient, sondern auch kli- nisch einsetzbar erscheinen.
Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Manfred Bilzer Medizinische Klinik II
Klinikum Großhadern
der Ludwig-Maximilians-Universität, München Marchioninistraße 15
81377 München
E-Mail: Manfred.Bilzer@t-online.de
Elektrolytmangel als Auslöser
Neben den beobachteten Sarkomer- einrissen, sind Elektrolytverschiebun- gen in der Muskelzelle die Auslöser von Muskelkater. Bei Ausdauerbela- stung, etwa beim Bergsteigen, gehen mit den beträchtlichen Schweißmen-
gen auch größere Mengen an lebens- wichtigen Elektrolyten wie Kalium und Magnesium verloren.
Werden diese bevorzugt in der Zel- le vorhandenen Mineralstoffe nicht rechtzeitig und ausreichend mit ge- zieltem Trinken wieder zugeführt, dann werden sie durch Calcium aus dem Knochen ersetzt: die Muskelzelle leidet dann unter Calciumüberladung mit erhöhter Kontraktilität und un- genügender Erschlaffung. Dies macht sich bemerkbar durch Leistungsabfall, Zittern und Zuckungen in einzelnen Muskeln, Waden- und Zehenkrämp- fen, als Muskelschwäche mit „schwe- ren Beinen“ oder muskulären Koordi- nationsstörungen. Leider sind unter den zahlreichen Elektrolytersatzge- tränken im Handel nur wenige für Ausdauerbelastung geeignet. Selbst ein sehr bekanntes isotonisches Ge- tränk enthält zu wenig Elektrolyte, dafür reichlich Glucose.
zu dem Beitrag
Muskelkater
von
Prof. Dr. med. Dieter Böning in Heft 6/2002
DISKUSSION
Sportler, die einer hohen und lang- andauernden körperlichen Belastung ausgesetzt sind, und die dementspre- chend eine hohe Schweißproduktion aufweisen, können leicht die Probe aufs Exempel machen: Wird ausrei- chend getrunken, dann ist ein Muskel- kater ein eher seltenes Ereignis.
Dr. med. Armin Schroll Buchauerstraße 3 81479 München
Einfluss von Acetylsalicylsäure
Der Artikel gibt einen Überblick über das aktuelle Muselkaterkonzept. Er- wähnt werden sollte aber auch die Be- einflussbarkeit von Muskelkater durch Acetylsalicylsäure (ASS), der im Laufe der Jahre mehrere Untersucher nachgin- gen.
So analysierten beispielsweise in ei- ner placebokontrollierten Studie mit 20 jungen Frauen Francis et al. (1987) die Auswirkung von 4 ⫻648 mg ASS/d auf die Entwicklung von Muskelkater- schmerzen, Beweglichkeitseinschrän- kung des beteiligten Gelenks sowie die Maximalkraft. Während nach 24 Stun- den keine Unterschiede der Beschwer- den auftraten, wies nach 48 Stunden die ASS-Gruppe 25 Prozent (p ✜0,05) weniger Schmerzen durch Muskelka- ter auf als die Kontrollgruppe. Die Be- weglichkeitseinschränkung lag sogar zu beiden Untersuchungszeitpunkten bei Gabe von ASS um 50 Prozent nied- riger, während sich bezüglich der Ma- ximalkraftreduktion keine Verbesse- rung durch ASS ergab. Schmerzen und Bewegungseinschränkung dürften da- her im Unterschied zur Kraft auch von Arachidonsäuremetaboliten beeinfluss- bar sein.
Literatur
1. Francis KT , Hoobler T: Effects of aspirin on delayed muscle soreness. J Sport Med 1987; 27: 333–
337, ebenso in Physical Therapy 1986; 66 (5):
746–747.
Dr. med. Dr. rer. nat. Dr. Sportwiss.
Christoph Raschka Institut für Sportwissenschaften Johann Wolfgang Goethe-Universität Ginnheimer Landstraße 39 60487 Frankfurt am Main
Überlastungsmyopathie
Die in dem Beitrag aufgeführten elek- tronenoptischen Muskelfaserverände- rungen bei Muskelkater bedürfen ei- ner Ergänzung.
In eigenen umfangreichen tierexpe- rimentellen Untersuchungen an Ka- ninchen, Laborratten, Haushühnern (Hähnen) und frisch gefangenen Feld- hasen konnten nach erschöpfendem Laufzwang in einer von Hand betrie- benen Trommel in großer Regelmäßig- keit lichtoptisch nachweisbare Skelett- muskelfaserveränderungen nachge- wiesen werden. Diese zeigen einen phasenhaften Verlauf und enden zwei bis drei Wochen nach dem einmaligen Laufzwang mit Restitutio ad integrum.
Sie bestehen aus segmentalen Partial- nekrosen einzelner oder in Gruppen liegender Muskelfasern mit bereits zwei bis vier Stunden nach der Er- schöpfung erkennbarem umschriebe- nem Ödem und anschließender, von den erhaltenen randständigen Myo- zyten ausgehender, Regeneration der Fasern (so genannte Muskelschläu- che). Bereits nach acht bis zehn Tagen sind die jungen schmäleren Fasern mit Querstreifung und stärkerer Anfär- bung (HE, van Gieson, PAS) neben der noch vorhandenen, sehr lebhaften Zellproliferation (Myoblasten) deut- lich sichtbar. In den Muskeln der drei Wochen nach der Überanstrengung getöteten Versuchstiere sind nur dis- krete Reste der Regeneration nach- weisbar.
Die Ursache des offenbar primären Faserödems liegt wahrscheinlich in ei- ner Insuffizienz der K-Na-Pumpe mit Kaliumverlust und Natriumanreiche- rung (gleichzeitige Elektrolytbestim- mungen im Muskel ergaben eine Kaliumab- und Natriumzunahme).
Auch bei kleinen Zugvögeln (auf dem Leuchtturm Hiddensee beim herbstli- chen Vogelzug gefangene Singvögel) konnten – allerdings diskrete – analoge Muskelfaserveränderungen aufgefun- den werden. Ebenso fanden sich in der menschlichen Skelettmuskulatur, zum Beispiel nach Status epilepticus, plötz- lichem Tod nach sportlicher Überan- strengung, Hyperthermiesyndrom, un- ter anderem mehr oder weniger deutli- che entsprechende Faserschäden.
Für diese auch den Kreatininanstieg nach exzessiver körperlicher Anstren- gung erklärende Muskelschädigung wird der Terminus „akute Überla- stungsmyopathie“ vorgeschlagen.
Literatur beim Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Hans-Jochen Schumann Institut für Pathologie
Auenweg 38 06847 Dessau
Schlusswort
Für die ergänzenden Erläuterungen von Herrn Schumann bedanke ich mich. Seine tierexperimentellen Befun- de (1) sind in der Tat die ersten Hinwei- se auf Muskelfaserschäden, wie sie spä- ter nach Marathonläufen beschrieben wurden. Ich habe sie in früheren Arti- keln deshalb auch verschiedentlich zi- tiert.
Über Elektrolytverluste aus den Muskelfasern als Muskelkaterursache, wie von Herrn Schroll vermutet, ist mir nichts bekannt. Ein Ersatz von Kalium durch Calcium im millimolaren Aus- maß ist sicher nicht möglich, da dies zur Ausfällung von Calciumphosphat in den Zellen führt. Dass erhöhte Ca-Kon- zentrationen aber als Muskelkaterursa- che diskutiert werden, ist im Artikel be- schrieben.
Die von Herrn Raschka zitierte Wir- kung von Aspirin ist nicht sehr überzeu- gend: Eine mehrtägige hochdosierte Einnahme (2 600 mg täglich), um 25 Prozent Schmerzminderung zu errei- chen, lohnt sich meines Erachtens nicht.
Literatur
1. Schumann HJ: Überlastungsnekrose der Skelettmus- kulatur nach experimentellem Laufzwang. Zbl Allg Pathol 1972; 116: 181–190.
Prof. Dr. med. Dieter Böning Institut für Sportmedizin
Universitätsklinikum Benjamin Franklin Freie Universität Berlin
Clayallee 225 14195 Berlin M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 28–29½½½½15. Juli 2002 AA1983