• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schatten der DDR-Vergangenheit Notwendige Umkehr oder selbstquälerische Bewältigung" (02.05.1991)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schatten der DDR-Vergangenheit Notwendige Umkehr oder selbstquälerische Bewältigung" (02.05.1991)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Hat die akademische Füh- rungsschicht der Mediziner versagt - oder in der DDR so gut als möglich ihre Arbeit zum Wohle der Patienten ge- tan? Gibt es noch zu viele

Schatten der DDR- Vergangenheit

Notwendige Umkehr

schwarze Schafe in weißen Kitteln in Universitätsklini- ken, Bezirkskrankenhäusern, Ambulatorien - oder braucht der personelle Umbau ganz einfach seine Zeit? Sollte die Erneuerung vor allem inner- halb der neuen Bundeslän- der vorangetrieben werden - oder sollten sich Repräsen- tanten der alten Länder en- gagieren? Die Wiederverei- nigung der beiden deut- schen Staaten hat auch in der

Ärzteschaft zu einer heftigen und kontroversen Diskussion darüber geführt, wie die SED-Vergangenheit in Klini- ken und Praxen bewältigt werden soll. Im folgenden Beitrag werden hierzu zwei Ansätze zur Debatte gestellt, die unterschiedliche Antwor- ten geben. Außerdem wird am Beispiel der Berliner Charit6 gezeigt, wie eine Er- neuerung möglicherweise aussehen kann.

selbstquälerische oder Bewältigung

„Die eigentlichen Schwierigkei- ten bei der Angleichung der beiden Gesundheitssysteme Deutschlands dürften weniger im Finanziellen und Materiellen liegen als vielmehr im Psychologischen, im Mentalen und Konzeptionellen." So lautete Ende 1990 eine Prognose von Prof. Dr. Mi- chael Arnold in einem Vortrag an der Harvard School of Public Health.

Arnold ist Inhaber der Stiftungspro- fessur Gesundheitssystemforschung in Tübingen sowie Vorsitzender des Sachverständigenrates für die Kon- zertierte Aktion im Gesundheitswe- sen.

Sein Augenmerk gilt seit dieser Zeit immer wieder auch dem Stand der Vergangenheitsbewältigung und der inneren Erneuerung des ehema- ligen DDR-Gesundheitswesens. In zwei Berliner Vorträgen, einem zur Vergangenheitsbewältigung in Ost- Deutschland und einem zweiten über die Zukunft der Charit, führte er unter anderem aus, daß es nach seiner Auffassung in den beiden so lange getrennten Teilen Deutsch- lands seit dem Fall der Mauer in zu- nehmendem Maße eine schwer er- trägliche Selbstgerechtigkeit gibt.

Schon auf einen bloßen Verdacht hin oder nur nach formalen Kriteri-

en, ohne Berücksichtigung persönli- cher Umstände und der weiterrei- chenden Auswirkungen auf die per- sönlichen Lebensumstände würden Urteile gefällt oder ohne Zögern ver- urteilt. „Dies auch von vielen, die ei- gentlich aus der Zeit unmittelbar nach dem II. Weltkrieg noch wissen müßten, wie problematisch es ist, das Verhalten einzelner unter einer Dik-

Diskussionen um die Erneuerung

tatur eindeutig in die Kategorien

„schuldig" und „schuldlos" einzuord- nen. Offensichtlich fehlt den mei- sten, die so unbekümmert über eine Verstrickung in die Organisation des DDR-Staates, aber auch über eine geistige Verbundenheit mit dessen tragender Ideologie richten, die Phantasie: Zu einer Vorstellung, wie sie selbst sich unter diesen Umstän- den verhalten hätten und in welche Situation sie dort gekommen wären", kommentierte Arnold.

Uns werde, so Arnold weiter, nicht eine bestimmte politische Überzeugung oder eine klar umrisse- ne Weltanschauung in die Wiege ge- legt, sondern die Anlage eines Cha- rakters, der dann dafür entscheidend ist, inwieweit wir uns politisch oder sonstwie engagieren, in eine Füh- rungsrolle drängen oder gestaltend im Leben wirken wollen. An welcher Stelle wir aber eingreifen, in welche Richtung und wie wir agieren, das hänge von den Inhalten ab, von den Vorstellungen, die wir von der Wirk- lichkeit hätten und die wir im Zuge der Sozialisation in der jeweiligen Zeit und in unserer mittelbaren Um- welt erwerben würden.

„Im Wissen um diese Sozialisa- tionsabhängigkeit unserer inneren Grundüberzeugungen mußte sich nach der Wende in der DDR die Frage stellen, welche Freiheit denn eigentlich für die in diesem System Großgewordenen bestanden hat, an- ders zu sein und zu werden, als es sich aus den sozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen, ideologischen und mentalen Bedingungen dieses Staa- tes ergab. Welche Chance hatte bei- spielsweise ein 1945 Geborener, der in einem Elternhaus groß wurde, in dem keine kirchliche Tradition oder A-1550 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991

(2)

eine sonstige, dem Kommunismus entgegenstehende weltanschauliche Grundhaltung vorhanden war und der nicht durch Zufall in eine Ge- genposition zu den in diesem Staat alleine verbindlichen Anschauungen gekommen war, sich der Sozialisati- on in einer von einer einzigen Ideo- logie beherrschten Welt des Kinder- gartens, der Schule und der Univer- sitäten zu entziehen und zu einer abweichenden Haltung zu finden?

Dabei wäre es auch falsch, nun, nach dem Zusammenbruch des real exi- stierenden Sozialismus zu behaup- ten, daß die Ideale des Sozialismus nicht grundsätzlich bejahenswert sind. Wer möchte da nicht zunächst der nachdrücklich vorgebrachten Er- klärung Glauben schenken, daß die Verwirklichung dieser Ideale nur durch vorübergehende Unvollkom- menheiten, durch Friktionen mit böswilligen Feinden verhindert wird, die aber beseitigt werden können und die nicht in unkorrigierbaren Fehlern der grundlegenden Annah- men liegen", so Prof. Dr. Arnold.

„Aufstiegschancen und Gestal- tungsmöglichkeiten waren", hieß es weiter, „wie das heute deutlich wird, von ganz wenigen Ausnahmen abge- sehen, nur denen möglich, die ‚ange- paßt' waren Kann man nun ange- sichts der fehlenden Entscheidungs- möglichkeit, der fehlenden Freiheit, anders zu sein als in einer geschlos- senen Gesellschaft üblich und erwar- tet, diese Angepaßtheit und ein ‚Mit- machen' zum Vorwurf erheben? Das kurze, unwiederholbare eigene Le- ben war in einer total geschlossenen Gesellschaft zu verbringen, ohne vernünftig begründete Hoffnung auf eine andere Zukunft. Ist es da zu verdenken, Chancen genutzt und persönliche Mißhelligkeiten durch Mitmachen und Mitheulen vermie- den zu haben?"

Für die Erneuerung des Ge- sundheitswesens bedeute das:

„Wenn nun nicht auf lange Zeit ein Klima des ständigen Mißtrauens in den fünf neuen Bundesländern be- stehen soll, wenn man nicht bis in die weitere Zukunft immer wieder mit Enthüllungen rechnen will, die das öffentliche Leben belasten und den Wiederaufbau behindern, dann muß man jetzt, auf Grund konsensfähiger

Kriterien, ein für allemal klare Ver- hältnisse schaffen. Ausgegrenzt wer- den sollten nur jene, die wirklich ver- strickt waren, die beispielweise im Staatssicherheitsdienst eine aktive Rolle gespielt haben, die ausschließ- lich ihrem ,Mitheulen' und nicht (auch) ihrer Qualifikation ihre Posi- tion verdanken. Ansonsten muß ein Schlußstrich gezogen werden. Es kann nicht im Interesse eines Neube- ginns aus eigener Kraft liegen, auf die Mitwirkung von undifferenziert als schuldig Angesehenen zu verzich- ten: Man benötigt deren fachliche Kompetenz für den Aufbau, deren Wissen, das diese unter Umständen in Positionen erworben hatten, die von Ausnahmen abgesehen gar nicht anders als durch ‚Mitmachen' einge- nommen werden konnten.

Alles andere liefe darauf hin- aus, daß man praktisch den größten Teil der Schicht der Qualifizierten ausschlösse, auf die tendenziell we- niger Qualifizierten zurückgriffe — oder für alle Führungspositionen Persönlichkeiten aus den alten Bun- desländern gewonnen werden müß- ten. Wie das aber die Nation spal- ten, wie sehr dies das Zusammen- wachsen und den Aufbau, die An- gleichung der Lebensverhältnisse er-

1 Für manche wirken sie wie ein Symbol des alten Systems: die langen, tristen Flure der Polikliniken Foto: Dabdoub

schweren würde, ist ohne viel Phan- tasie zu erahnen."

Für einen Außenstehenden sei es leicht, so Arnold, sich für das ein- zusetzen, was er für vernünftig halte.

Es sei leicht, durch den Hinweis auf die nur gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben der Zukunft für eine durch Verständnis getragene Bewäl- tigung der Vergangenheit zu plädie- ren. Dabei blieben elementare Hal- tungen, verständliche Verhaltens- weisen außer Betracht wie die For- derung nach Sühne, nach Befriedi- gung der Rache. „Gewiß ist es auch eine blauäugige Sicht der Dinge, von dem Wandel in den politischen Ver- hältnissen auf einen Wandel in den inneren Einstellungen der Men- schen, ihren Überzeugungen und ih- rem Denken zu schließen. Aber schließlich: Wurde aus Saulus nicht Paulus? Kann nicht das Erfahren der Wirklichkeit des über Jahrzehnte in der ehemaligen DDR so sehr ge- schmähten Kapitalismus mit seiner nun erkennbaren Wohlfahrt für die breite Masse nach dem Fall der Mauer zu einem ,Damaskus-Erleb- nis' werden, das schlagartig bisher eingenommene Positionen unhaltbar macht und Überzeugungen wanken läßt?"

Verständnis für die schwierige Situation

Dennoch forderte Arnold, daß

„auch in den alten Bundesländern die Ewig-Gestrigen aus der Realität eine Lehre ziehen". Das erfordere es, die Dinge klar beim Namen zu nennen und das Plädoyer für Ver- ständnis nicht als einen Versuch des Beschönigens fehl zu deuten: Es sei eine Sache, dafür zu plädieren, rasch klare Verhältnisse über die „Weiter- verwendung" von Verantwortlichen der ehemaligen DDR zu schaffen, Verständnis für die äußerst schwieri- ge psychologische Situation der Menschen aufzubringen. Es sei aber eine andere, in aller Schärfe den to- talen Zusammenbruch des sozialisti- schen Staates und das völlige Versa- gen der für diesen Staat typischen Strukturen und Funktionsabläufe zu erkennen. „Ein Staat, der nicht auf das Vertrauen seiner Bürger bauen Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991 (23) A-1551

(3)

konnte, sondern dessen Haltung von einem paranoiden Mißtrauen be- stimmt war, der verantwortungslos mit der Umwelt umging, der die per- sönlichen Freiheiten in unerhörter Weise einschränkte, der die elemen- taren Gesetze des Wirtschaftens mißachtete, dessen Repräsentanten sich unkontrolliert Privilegien durch Ausbeutung anderer verschafften, kann schlechterdings nichts Bewah- renswertes hinterlassen. Was von der ehemaligen DDR alleine bewahrens- wert ist, was unser Verständnis, un- sere Achtung und Hilfe verdient, sind die Menschen, die keine Wahl hatten, anderswo zu leben und die. . . nichts anders getan haben als das, was auch die meisten auf dieser Seite der Mauer getan hätten: Sich anzupassen und mitzumachen", führte Arnold aus.

Wenn nun für den Auf- und Um- bau in den neuen Bundesländern die in den alten Bundesländern gewach- senen Strukturen als Vorbild genom- men würden, hieß es weiter, dann nicht aus Besserwisserei, Arroganz, mangelnder Phantasie und fehlen- dem Wagemut, sondern weil sie in einem freien Land entstanden, weil sie das Ergebnis eines demokrati- schen Gestaltungsbemühens seien.

Es sei deshalb unsinnig und irre- führend, von einem „Uberstülpen"

bei der Angleichung der Lebensver- hältnisse allgemein und bei der Um- strukturierung des medizinischen Versorgungssystems speziell zu spre- chen: Die fünf aus der ehemaligen DDR gebildeten Länder seien der Bundesrepublik beigetreten, und nicht umgekehrt die alten Bundes- länder der DDR.

Mit diesem Beitritt aber hätten sich für die neuen Bundesländer Chancen eröffnet, die kein anderer am Sozialismus zugrundegegangener Staat habe: „Um die Chancen wahr- nehmen zu können, muß jedoch die Vergangenheit, soweit es nicht um strafrelevante Tatbestände geht, mit Verständnis für die gewesene Reali- tät als wirklich vergangen betrachtet und nicht selbstquälerisch über Jah- re hinweg ‚bewältigt' werden."

Für eine ausgesprochen deutli- che personelle Kursänderung trat demgegenüber zu Beginn des Jahres ein Arzt des Bezirkskrankenhauses

Görlitz ein: Dr. sc. med. Pit Stosiek vom Pathologischen Institut forderte in einem Beitrag zur „Besetzung lei- tender Stellen im Gesundheitswe- sen" der ehemaligen DDR deutli- cher Veränderungen (D-Ausgabe:

Heft 51-52/1990, Gesamtausgabe:

Heft 5/1991).

Stosiek schrieb unter anderem:

„Umkehr - vom Christentum bis zur Psychoanalyse - gehört zu den Grundregeln menschlicher Lebens- korrektur. Der Unterschied zur Wende liegt im Winkel. Umkehr, das heißt 180 Grad. Der richtige Weg - einmal verfehlt - wird nicht durch Kurskorrektur gefunden oder Ver- haltensänderung. Man muß zurück zu der Stelle, an der es falsch wurde.

Dieser Weg fällt schwer. Und des- halb wird er oft nicht gegangen. Sich wenden ist leichter als umkehren.

Rechtsstaat wird nur dort, wo das Recht an Stelle des Unrechts tritt, nicht daneben oder dazu."

Der Görlitzer Arzt analysierte in seinem Beitrag unter anderem, wes- halb in der DDR auch im Gesund- heitswesen wenigstens pro forma bis zum Schluß „alles wie am Schnür- chen" lief. Sein Fazit lautete: Weil der Geist des Widerstandes zerfallen war, weil viele kleine staatliche Lei-

Einladung zu einer Diskussion um die Zukunft der Poliklinik. Vieles scheint den Mitarbeitern der Poliklinik erhaltenswert — doch nicht unbedingt die personellen Struk- turen Foto: Dabdoub

ter für die notwendige Loyalität im System sorgten.

Und weiter schrieb Stosiek: „Ein staatlicher Leiter, also auch ein Chefarzt, sollte und konnte viele gute Sekundäreigenschaften haben:

fachliche Qualitäten, Erfahrung, Mitmenschlichkeit, ja Religiosität.

Deshalb kommen jetzt auch so viele und sagen: Was wollt ihr von uns?

Wir waren doch auch kritisch und dagegen, ihr wußtet es doch. Wir mußten aber dafür sorgen, daß die Klinik lief, im Interesse der Patien- ten. Wir haben unser gutes Recht, auf unseren Posten zu bleiben.

Qualifiziertere

blieben auf der Strecke Die das sagen, übersehen nur, daß sie die entscheidenden Erfül- lungsgehilfen des alten Systems wa- ren und daß sie durch ihr Wohlver- halten eine ganze Schicht potentiel- ler Konkurrenten verdrängt haben.

Denn wer signalisierte, daß er alter- nativ oder oppositionell dachte, hat- te keine Chance, in eine leitende Funktion zu gelangen. Für alles gibt es Ausnahmen, aber das war die Re- gel. Hier ist der Punkt, zu dem zu- rückzukehren ist, wenn man sich nicht nur wenden will."

Dr. Stosieks Kernsatz lautete:

„Die Qualifizierteren sind nach der gleichen Regel auf der Strecke ge- blieben, wenn ihnen das politische Gewicht auf der Waage fehlte." Des- halb schlug er für die Zukunft fol- gende Elemente der Reorganisation vor:

• Eine allgemeine Ausschrei- bung für alle Stellen, die mit Hilfe politischer Mittel besetzt wurden.

E)

Die Möglichkeit zur Neube- werbung der amtierenden Stellenin- haber, damit die menschlich und fachlich legitimierten unter ihnen ei- ne gerechte Chance bekämen - die auf den Chefarztposten nach Auffas- sung von Stosiek in der Mehrheit seien.

• Neubewerbung von Dritten aus dem früheren Mittelbau.

• Stellungnahme der Kandida- ten und ihrer Mitarbeiter bei der Evaluierung der Qualifikation.

A-1552 (24) Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991

(4)

• Unterstützung des Prozesses durch Fachverbände und politische Instanzen der alten Bundesländer.

• Bildung unabhängiger Ent- scheidungsgremien.

Der Pathologe erhielt Anfang des Jahres neben kritischen auch zahlreiche zustimmende Briefe von Kolleginnen und Kollegen, die ihre Übereinstimmung mit Erfahrungen aus ihrem ärztlichen Alltag begrün- deten: Politisch belastete Ärzte sä- ßen nach wie vor auf den gleichen Stühlen; die alten sogenannten Rei- sekader seien auch jetzt wieder als erste auf Kongressen anzutreffen;

westdeutsche Verbände hätten kein Interesse zu erfahren, welche Ver- gangenheit Mitglieder von Partner- organisationen besäßen.

Doch was ist inzwischen aus den vielen kritischen Anregungen und Vorschlägen, für die die beiden aus- führlicher zitierten Meinungen ex- emplarisch stehen, geworden?

„Es hat sich inzwischen nichts verändert. Der Beton hat abgebun- den. Das heißt im Klartext: Es hat keine Stellenausschreibungen gege- ben, Neubewerbungen von Dritten aus dem früheren Mittelbau, auch wenn sie nachweislich qualifiziert sind, sind völlig unmöglich, unabhän- gige Entscheidungsgremien existie- ren nicht, Fachverbände und politi- sche Instanzen sind auf dem entspre- chenden Ohr taub." So lautet die bit- tere Antwort von Dr. sc. med. Pit Stosiek für seinen Wirkungsbereich.

Das deckt sich mit den Erfah- rungen einiger anderer Ärzte, wo- nach sich auf der Ebene der Bezirks- krankenhäuser nicht allzu viel getan hat: Zwar wurden stellenweise die berühmten Vertrauensfragen ge- stellt. Doch da für den Mißtrauens- fall klare Vorschriften fehlten, blieb es häufig dabei. „Offenbar gab es die Hoffnung, daß die betroffenen Leute aus Anstand gehen", beschreibt ein sächsischer Arzt die Lage. „Doch in Wirklichkeit sind viele noch im Amt."

Anders scheint es stellenweise an den Universitäten auszusehen:

Dr. med. habil. W. Reuter*), Leiter

* Versehentlich wurde in dem erwähnten Le- serbrief anstelle von Dr. Reuter Prof. Dr. sc.

med. J. Schauer als Autor genannt. Wir bitten, die Verwechslung zu entschuldigen.

Ihre Bestrebungen um eine strukturelle und personelle Erneuerung werden überall aufmerksam verfolgt: die weltbekannte Cha- lite in Berlin Foto: Bild und Heimat der Abteilung Stoffwechsel/Ernäh- rung der Universitätsklinik Leipzig, hatte Anfang des Jahres in einem Leserbrief von einem „langwierigen und schmerzlichen Demokratisie- rungsprozeß" seiner Universität ge- sprochen. Inzwischen, so berichtete er vor kurzem, sei durch das Konzil ein neuer Rektor, Prof. Dr. Corneli- us Weiß, gewählt worden. Derzeit sei ein „Sächsisches Hochschulerneue- rungsgesetz" in der Diskussion, wo- nach Personal- und Fachkommissio- nen über den Verbleib von Hoch- schullehrern und wissenschaftlichen Mitarbeitern entscheiden sollen.

Die Medizinische Fakultät unter Dekan Prof. Dr. Geiler und Prode- kan Prof. Dr. Schauer bemühe sich um Rehabilitationsmaßnahmen für Wissenschaftler, die bisher von SED- Kadern behindert worden seien. Die sieben „abgewählten" Professoren der Medizinischen Fakultät seien al- lerdings nach wie vor im Amt.

Das Bemühen um Veränderung wird nach Darstellung des Dekans der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität, Prof. Dr. Ha- rald Mau, in Berlin ebenfalls großge- schrieben. Die Charite sei in einer speziellen Situation, da „hier in Ber- lin praktisch die Wiedervereinigung erprobt wird", meinte Mau am Ran- de eines Treffens des Medizinischen Fakultätentages in Köln.

Erneuerung heißt für ihn: Struk- turen und Personen kritisch bewer-

ten, von außen wie von innen. „Von außen her" hat beispielsweise der Wissenschaftsrat bereits eine struk- turelle Bewertung der Charit be- gonnen, vor allem unter wirtschaftli- chen Gesichtspunkten. Sein Gutach- ten wird im Frühsommer erwartet.

„Von innen her" wurden sogenann- te Personalstrukturkommissionen geheim gewählt, die das Recht zur Analyse der Fakultätsstrukturen und des Personals besitzen. Am Ende ih- rer Arbeit werden Abschlußberichte stehen, die als Gesamtwerk erst Gut- achtern, dann dem Akademischen Rat und schließlich dem Senator für Wissenschaft vorgelegt werden sol- len. Helfen sollen den Kommissio- nen bei ihrer Arbeit Akten des Staatssicherheitsdienstes, die nach Darstellung von Mau bereits ange- fordert sind.

„Es gibt durchaus Leute an der Fakultät, die es lieber hätten, wenn alles so bliebe wie bisher", erläuterte der Dekan die Akzeptanz dieses auf- wendigen Verfahrens für rund 6000 Menschen, das im Mai abgeschlos- sen sein soll. Allerdings sei das Se- natspapier, worin stehe, wer für den öffentlichen Dienst ausscheide, auch jedem bekannt — und offenbar er- zeugt es einen gewissen Reform- druck.

Charit6: Verfahren zur Erneuerung

Probleme bereitet aber nicht nur die Vergangenheit, sondern ebenso die Zukunft. Ein Beispiel: Die Beru- fungsverfahren für diverse Lehrstüh- le. Diese Form der Erneuerung hat begonnen — aber schließlich kann die Charite keine Bezahlung bieten, die der einer westdeutschen Hochschule vergleichbar wäre. Offenbar schreckt das viele Bewerber aber nicht gleich ab. Und schließlich geht auch das Verfahren, welches die Charite zu ihrer Reformierung gewählt hat, den einen nicht weit genug und den an- deren zu weit. Professor Dr. Harald Mau hat dazu eine klare Einstellung:

„Es wäre schön, wenn die Leute, die es 40 Jahre lang schwer hatten, so viel Fürsorge erhalten würden wie die, die 40 Jahre lang Positionen in- nehatten." Sabine Dauth Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991 (25) A-1553

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Handwerklich erfahrener Mitarbeiter (m/w/d) auf 450 b Basis für unsere Bau- vorhaben im Kreis Kleve gesucht. Gerne auch Rentner/innen. Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Deutsche Bädertag noch einmal definiert, wie er die Kuren im modernen Gesund- heitswesen sieht: „Die mo- derne Kurortmedizin ergänzt mit besonderen Therapiever- fahren

Die Kinderklinik trägt seinen Na- men, eine Straße und eine integrative Kindertagesstätte mit behinderten Kindern sind nach Ibrahim

Für einen Beobachter muss ganz klar sein: Der Mann ist jetzt weg, er bleibt nicht am Bahnhof.“.

Wenn die Temperatur in einer Wolke unter null Grad sinkt, dann bilden sich statt Re- gentropfen winzige Eiskristalle!. Hierbei verbinden sich Wasserteilchen mit winzigen

Das führt zu einer Art „Post- leitzahlenlotterie“, weil abhängig vom Wohnort eine Leistung einmal vom NHS erstattet wird, im Nach- barort dafür nicht.. Das 1999 gegründete NICE

Der Weg aus einem Zeitalter, das die Welt malerisch erlebte, in ein neues, das die Welt plastisch sieht, das ist auch der Weg, den die Bildhauer von der Generation Kolbe zu den

1 Sollten die Mitteilungen gemäß §§ 58a und 58b AMG durch verschiedene Dritte erfolgen, ist für jeden Dritten eine Anzeige notwendig.