A 2780 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 108|
Heft 51–52|
26. Dezember 2011 Woche für Woche historischeHäppchen, übers Jahr verteilt, bie- tet der Vitalis-Wandkalender. Ärz- tinnen und Ärzten, die sonst keine Zeit haben, sich mit der Geschich- te des eigenen Faches zu befassen, bekommen hier aus dem reichhal- tigen medizinhistorischen Spek- trum viel Wissenswertes mundge- recht serviert.
So erfahren sie etwas über den US-amerikanischen Chirurgen William Steward Halsted, der am 23. September 1852 geboren wur- de. Auf einem Foto aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts sieht man ihn bei einer Operation im anatomischen Theater der Johns- Hopkins-Klinik in Baltimore.
Halsted ist der Namensgeber für die Halsted-Intrakutannaht, die zum Handwerkszeug gehört, das jeder Chirurg beherrschen sollte.
Als erster Chirurg soll Halsted bei seinen Eingriffen Gummihand- schuhe getragen haben. Gerne pro- bierte er neue Operationstechniken an den Mitgliedern der eigenen Familie aus. Halsted experimen- tierte mit Kokain als lokalem An- ästhetikum, was bei ihm zu einer Suchterkrankung führte, mit der er lange Jahre schwer zu kämpfen hatte.
In der 49. Kalenderwoche stößt man auf ein Foto von Arthur Conan Doyle samt Familie auf der Über- fahrt mit dem Schiff nach New York. Im Dezember 1887 erschien die erste Sherlock-Holmes-Ge- schichte „A Study in Scarlett“.
Wahrscheinlich wäre sie nie er- schienen, wenn die Arztpraxis von Doyle in Portsmouth etwas besser gelaufen wäre. Aber die Patienten blieben aus, und Doyle hatte ausrei- chend Muße, die berühmten Detek- tivgeschichten zu erfinden.
Zwei Wochen zuvor sieht man auf dem Kalenderblatt ein Gemäl- de, das den heroischen Selbstver- such eines Arztes festhält: James Caroll hatte sich 1899 seinem Kol- legen Walter Reed als Versuchska- ninchen zur Verfügung gestellt, um
den Nachweis zu erbringen, dass die Stechmücke das Gelbfieber-Vi- rus überträgt. Der Versuch wurde ein voller Erfolg – Caroll und ein weiterer Freiwilliger erkrankten und starben an der Infektion.
So geht es auf 53 Kalenderblät- tern durch das ganze Jahr. Gerne lässt man hier ausnahmsweise ein- mal die Zeit verstreichen, ist man doch gespannt darauf, welche histo- rische Reminiszenz die nächste Woche zu bieten hat. Und vielleicht macht das ein oder andere Kalen- derblatt auch Appetit auf mehr, und man verspürt den Wunsch, sich ein- gehender mit einem bestimmten Ausschnitt aus der Geschichte der Medizin zu befassen. Thomas Gerst
KALENDER
Medizingeschichte übers Jahr verteilt
Harald Salfellner (Hrsg.): Zur Geschichte der Medizin. Kalender 2012. Vitalis, Oberhaching 2011, 54 Seiten, Spiralbindung, 24 × 29 cm, Bilderdruckpapier, 29,90 Euro
KRIMINALROMAN
Schatten der Vergangenheit
„Unwirklichkeit, aber anders jetzt.
Die Unwirklichkeit des Todes, nicht die aus einem Traum.“ – Kommissa- rin Judith Krieger läuft am Rhein entlang. Ein Alptraum hat sie aus dem Bett und aus dem Haus in die Kölner Altstadt getrieben. Die Som- mernacht ist drückend heiß, Nacht- schwärmer lagern an der Promenade.
„Sie kann ihre Stimmen hören, Mu- sikfetzen, Lachen.“ Plötzlich gellen Schreie durch die Dunkelheit, und die
Kommissarin wird in einen Mordfall hinein- gezogen, der über lan- ge Strecken undurch- dringlich bleibt und dessen Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen. Gewiss ist für Judith und ihren Kollegen Manni Kor- zilius lange Zeit nur
eins: „Der Täter beobachtet sie. Er ist nah, viel zu nah.“
Der Tote vom Rhein ist Jonas Vollenweider, der 20 Jahre zuvor selbst unter Mordverdacht stand.
Im Haus seiner Familie hatte sich ein Blutbad ereignet, die Hinter- gründe blieben ungeklärt, die Lei- chen verschwunden. Die Ermittlun- gen führen Judith und Manni schließlich zu einem Kinderheim in der Eifel, dessen dunkle Vergangen- heit bis in die NS-Zeit reicht.
„Nichts als Erlösung“ ist der fünf- te Fall der Kommissare Krieger und Korzilius, und Gisa Klönne schafft es einmal mehr, eine Geschichte zu erzählen, die den Leser in ihren Bann zieht. Die Figuren haben Witz, Geist und Tiefe, die Handlung ist in- telligent, ungewöhnlich und span- nend. Der gut recherchierte Hinter- grund verrät, dass Klönne lange als Journalistin gearbeitet hat. Wer Ju- dith und Manni diesmal von Köln über Darmstadt bis nach Samos ge- folgt ist, freut sich schon auf Fall Nummer sechs. Heike Korzilius K
e g g d d i z i K z
Gisa Klönne: Nichts als Erlösung. Ullstein, Berlin 2011, 352 Seiten, gebunden, 19,99 Euro.