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Archiv "Die Gemeinschaft – prägend für das ganze Leben" (25.01.1990)

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Academic year: 2022

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Im Informatikunterricht werden unter anderem komplizierte Stundenpläne erarbeitet

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT 1LDUN6+ERZIEHUN6

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ur Lieblingslektüre mei- ner Töchter gehört eine bestimmte Art von Mädchenromanen — solche, in denen leicht und lustig über Mädchen und Mädchen- freundschaften im Internat geschrieben wird. Danach be- steht das Internatsleben aus einer Kette lustiger Streiche, nur gelegentlich unterbro- chen von kleinen Krisen, wie sie eben in Gemeinschaften auftauchen können. Folglich werden vom Vater, der auf ei- ne reiche Internatserfahrung zurückgreifen kann, ähnlich kurzweilige, wahre Geschich- ten aus seinem Erleben er- wartet. Jene Story etwa, die davon handelt, daß eines Ta- ges das Goggomobil des Prä- fekten nächtens vom Park- platz in den Waschraum im zweiten Stock getragen wur- de, gehört somit zu den Best- sellern der väterlichen Er- zählkünste. Nüchterne Bege- benheiten sind dagegen weni- ger gefragt.

Am Anfang: Heimweh Tatsächlich kommen sol- che — und auch weniger lusti- ge — Streiche überall, wo viele in Gruppen zusammenleben, vor. Doch ist das Leben im Internat nicht vorwiegend lu- stig und kurzweilig. Vor allem die ersten Jahre machen den Neulingen zu schaffen. Das liegt nicht allein am Heim- weh. Das dauerhafte Leben in fremden Gemeinschaften, abseits vom Elternhaus, ist generell nicht die ideale Le- bensform für Kinder. Sie füh- len sich in kleinen Gemein- schaften, wie eben dem El- ternhaus, besser aufgehoben.

Je älter die Internatszöglinge allerdings werden, desto bes- ser gefällt es ihnen durchweg.

Hier macht sich der Abnabe- lungsprozeß von den Eltern, der nach der Pubertät zuneh- mend einsetzt, bemerkbar.

Trennung vom Elternhaus wird in diesen Jahren oft ge- radezu als wohltuend emp- funden. Die Selbständigkeit nimmt zu.

Freilich — Internat ist nicht gleich Internat. Die großen

Probleme der Kleinen kön- nen erheblich gemildert wer- den, wenn die unteren Klas- sen in kleinen Gruppen fami- liär zusammenleben. Das ist nicht nur eine Frage des Erziehungsprinzips, sondern nicht zuletzt eine des Geldes.

Eine optimale Relation Er- zieher/Schüler erfordert nun einmal einen hohen Personal- aufwand, und der kann nicht billig sein, es sei denn, das In- ternat würde erheblich sub- ventioniert.

Das ist häufig bei Interna- ten in kirchlicher Träger- schaft der Fall. Allerdings werden solch günstige Kondi- tionen — jedenfalls bei den ka- tholischen Einrichtungen, die immer noch besonders zahl- reich vertreten sind — in aller Regel nur für Jungen offe- riert. Dahinter steckt bei den Ordens- und sonstwie kirch-

lich getragenen Häusern die vage Hoffnung, aus dem In- ternat könne priesterlicher Nachwuchs hervorgehen.

Mädchen-Internate sind hin- gegen selten preiswert, auch nicht bei Nonnen. Internate in gänzlich freier Träger- schaft können im übrigen nicht billig sein, Stipendien- programme für bedürftige Schüler und Schülerinnen bil- den da nur ein kleines Gegen- gewicht. Solche Stipendien haben zudem neben dem Nutzen auch ihre Nachteile.

Denn trotz aller Beteuerun- gen wird zwischen vollzahlen- den Zöglingen und Stipendia- ten zumindest unterschwellig unterschieden, wenn nicht von der Internatsleitung, dann von den Schülern selbst, die sehr wohl und viel zyni- scher als Erwachsene sozial klassifizieren.

Eine solche Erfahrung mag allerdings eine gute Le- bensschule sein, wie über- haupt das Zusammenleben in der Gemeinschaft prägend für das weitere Leben ist.

Man kann im Internat sehr viel besser als im behüteten Elternhaus den Umgang mit der Gruppe lernen: Man lernt sich entweder durchzusetzen oder durchzumogeln, die mei- sten profitieren von der Er- fahrung. Man lernt schließ- lich, trotz der allgegenwärti- gen Gruppe, eigene Freiräu- me zu schaffen und zu vertei- digen.

Streng oder liberal Das Gruppenerlebnis dürfte auf den Internatszög- ling am nachhaltigsten und dauerhaftesten wirken. Es hat

Die Gemeinschaft

prägend für das ganze Leben

Das Leben im Internat besteht nicht nur aus lustigen Streichen

Dt. Ärztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990 (77) A-241

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HERMANN LIETZ-SCHULE SPIEKEROOG

staatl. anerkanntes Gymnasium für Jungen und Mädchen, Klasse 7-13

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Anfragen richten Sie bitte an den Leiter der

Hermann Lletz-Schule, Dr. Hartwig Henke, 2941 Spiekeroog, Tel. (0 49 76) 4 13-4 14

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ImIP positive und negative Seiten.

Das sollte, wenn man sein Kind ins Internat schickt, wohl überlegt werden. Die al- lermeisten Kinder halten dem Gruppendruck stand und wachsen damit, einige tragen bleibende Schäden davon. Ei- ne verantwortungsvolle Inter- natsleitung wird die Eltern beizeiten auf Fehlentwicklun- gen aufmerksam machen.

Das zweite, für das Leben prägende Erlebnis bringt die Ideologie mit sich, die der je- weilige Träger bewußt oder unbewußt vermittelt. Bei kirchlichen Internaten ist die Ausrichtung von vornherein klar; hier werden Eltern, die ihre Kinder ins Internat schicken, lediglich zu prüfen haben, wie streng oder wie li- beral das Haus geleitet wird.

Seit einiger Zeit sind bei vie- len Eltern, die ihren Kindern

„Werte" vermitteln wollen, die strengen Internate be- liebt. Ob dem Kind damit letzten Endes gedient ist, sei dahingestellt. Hier liegen Wert- und Lebensentschei- dungen vor, die ureigene Sa- che der betroffenen Familien sind.

Die Familie ersetzen Die ideologische Spann- breite bei freien Internaten ist groß. Sie reicht von der Anthroposophie bis zu selbst- entwickelten pädagogisch/

philosophischen Konzepten.

Dabei spielen indes die Ideen von Hermann Lietz und Kurt Hahn in irgendeiner Weise

Konzentriertes Lernen in ge- sunder, schöner Umgebung — ein häufig ver- wendetes Wer- beargument. In manchen Inter- naten sind Kurz- aufenthalte „zur Probe" möglich meistens mit. Eltern sollten sich mit der ideologischen Ausrichtung des Hauses sorg- fältig auseinandersetzen. Der

„Geist" einer Schule oder ei- nes Internates wird nicht nur in feierlichen Reden be- schworen, den gibt es tatsäch- lich, und er wirkt sich auf das spätere Leben nachhaltig aus, weil ja die Internatsjahre prä- gende Jahre für die Erwach- senenzeit sind.

Weshalb geht ein Kind ins Internat? Weshalb geben El- tern ihr Kind ins Internat? Da gibt es zunächst und wohl am häufigsten schlichte Zwangs- lagen — der Vater, der ständig versetzt wird, die auseinan-

derfallende Familie, berufstä- tige und überlastete Eltern.

Da gibt es das altbekannte Problem der sogenannten Er-

ziehungsschwierigkeiten, da gibt es die Kinder, die in den Augen der Eltern auf der Schule nicht „spuren". Und für all das kann tatsächlich ein Internat gute Dienste lei- sten. Internate haben auch im Schul- und Freizeitangebot oft viel zu bieten, mehr als das heimische Gymnasium.

Nicht zuletzt werben manche Internate offen oder verstoh- len mit dem Prestige, das mit dem Besuch eines Hauses mit klangvollem Namen verbun- den ist. Und viele Eltern glau- ben, zum Wohle ihres Kindes zu handeln, wenn sie ihm eine derart gute Startbasis fürs Le- ben verschaffen. Die Kalkula- tion ist nicht unbedingt falsch, zumal prestigebewuß- te Häuser für ihre Ehemali- gen sehr oft ein feingespon- nenes Netzwerk pflegen, das auch im späteren Leben nütz- lich sein kann.

Es kann unumgänglich sein, sein Kind in ein Internat zu geben — die nötigen finan- ziellen Möglichkeiten einmal vorausgesetzt. Ein Internat kann das Kind fördern, es kann aber auch zum Alp- traum werden. Die eigenen Motive, der Charakter des Kindes und die Art des in Aussicht genommenen Hau- ses müssen sorgfältig abgewo- gen werden. Niemals kann ein Internat die Rolle einer funktionsfähigen Familie voll übernehmen, aber es kann notfalls die Familie ersetzen.

Lustige Streiche eingeschlos- sen. NJ

A-242 (78) Dt. Ärztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990

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