Privatdozent Dr. med. Martin Pfeiffer (oben links), Dr. rer. nat.
Dr. med. Ernst Weidmann (oben rechts), der eine bei Bay- er, der andere bei Hoechst für Arzneimittelsicherheit verant- wortlich, plädieren für „ergän- zende Forschung".
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Prof. Dr. med. Fritz Scheler (rechts), Vorsitzender der Arz- neimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, befürchtet verzögerte Meldungen.
Foto: Neusch
Z
unächst im Alleingang, aber in der festen Hoffnung auf Bun- desgenossen, haben Bayer und Hoechst eine „Stiftung Arzneimittel- sicherheit" ins Leben gerufen. Sie soll Forschungsvorhaben unterstüt- zen, die „neue zusätzliche Instru- mente für die Arzneimittelsicherheit entwickeln und die vorhandenen Sy- steme der Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen entschei- dend ergänzen."Die Stiftung ist von der nord- rhein-westfälischen Stiftungsbehör- de noch nicht genehmigt, Bayer und Hoechst haben jedoch, gleichsam im Vorgriff, bereits zwei Projekte mit insgesamt 400 000 DM gefördert: die vom Kieler Institut für Gesundheits- System-Forschung (Prof. Dr. Fritz Beske) modellhaft aufgebaute phar- mako-epidemiologische Datenbank sowie das Bremer Modell zur Erfas- sung schwerer unerwünschter Wir- kungen (Prof. Dr. Peter S. Schönhö- fer). Beide wurden bisher vom Bun- desgesundheitsamt gefördert. Die Stiftung übernimmt praktisch die Anschlußfinanzierung.
Die beiden Projekte deuten an, worum es den Stiftern geht: die För- derung solcher Vorhaben, die man- gels Forschungskapazität und/oder finanzieller Möglichkeiten von den traditionellen Institutionen nicht durchgezogen werden können. Sol- che Institutionen sind in erster Linie das Bundesgesundheitsamt und die Arzneimittelkommissionen der Stan- desorganisationen, insbesondere die Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft. Dr. Martin Pfeif- fer (Bayer) und Dr. Ernst Weidmann (Hoechst) betonten übereinstim- mend bei der Vorstellung der Stif- tung, man wolle keineswegs in Kon- kurrenz treten zur Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft oder zum Bundesgesundheitsamt, deren Leistungen bei der Erfassung von Meldungen seien unbestritten, doch könne durch Spontanerfassung weder Inzidenz noch Kausalität von Nebenwirkungen befriedigend ge- klärt werden. Solches erfordere eine sehr aufwendige Forschung, die nicht einmal große Pharmaunterneh- men allein leisten könnten.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzeschaft ist einstweilen
Arzneimittelsicherheit
abwartend bis skeptisch. Der Vorsit- zende der Arzneimittelkommission, Prof. Dr. Fritz Scheler, erinnerte dar- an, daß die Arzneimittelkommission schon seit langem unerwünschte Arz-
neimittelwirkungen erfaßt und Emp- fehlungen an die Ärzteschaft gibt. Er möchte vermeiden, daß durch ein
„von der Industrie gesponsertes Er- fassungssystem" die Bewertung und Weitergabe von Arzneimittelneben- wirkungen unnötig verzögert wird.
Die beiden bisher von der Stif- tung gesponserten Projekte deuten freilich nicht auf ein weiteres „Erfas- sungssystem" hin. Das Kieler Projekt zielt vielmehr auf die Inzidenz von
Arzneimittelwirkungen. Prof. Beske betont, mit Blick auf die Kritik der Arzneimittelkommission, es handle sich um eine notwendige Ergänzung des bestehenden Spontanerfassungs-
systems. Das Bremer Projekt soll insbesonde- re zur Klärung von Kausalitäten beitragen. Prof.
Schönhöfer weist darauf hin, daß allein sein Bremer Institut jährlich 250 bis 300 Fälle von schweren uner- wünschten Arz- neimittelwirkun- gen in das beste- hende Spontan- erfassungssystem einspeist.
Sowohl Bay- er wie Hoechst machen keinen Hehl daraus, daß sie weiterhin auf die Mitwir- kung der Stan- desorganisatio- nen bauen. Dr.
Pfeiffer von Bay- er rechnet au- ßerdem damit, daß sich schon in Kürze weitere Pharmafirmen der Stiftung an- schließen wer- den. Dr. Weidmann (Hoechst) be- tont, die Stiftung sei bei der Auswahl von Forschungsprojekten unabhän- gig. Darüber werde ein Kuratorium entscheiden, bei dem die Industrie keine Stimmenmehrheit haben wer- de. Als vorläufiger Vorsitzender die- ses Kuratoriums wurde Prof. Dr.
Georges Füllgraff gewonnen, der un- ter anderem einmal Präsident des Bundesgesundheitsamtes in Berlin gewesen ist. NJ
Ergänzende Forschung
Dt. Ärztebl. 89, Heft 1/2, 6. Januar 1992 (27) A1-27