Auswirkungen des Versiegens weiblicher Hormone
Gabriel Schär
Chefarzt Frauenklinik KSA
Frauenklinik, damals und….
Paul Hüssi 1921- Hans Jakob Wespi 1946- Willy Stoll; 1974- 1997
1936
„front“ „back office“
….. heute
Frauenklinik
Gemeinsam für die Gesundheit der Frau, des Neugeborenen und die Weiterbildung des Nachwuchses
Inhalte
• Physiologie der weiblichen Hormone
• Menopause/Postmenopause
• Hormontherapie
• Weibliche Hormone und das Auge
Zusammenhänge ordnen
Zyklus
Reproduktion
Lebenserwartung
Hormonelle Steuerung
Organfunktionen
Ovulationen (Eisprung) im
Leben einer Frau:
38 Jahre x
14 Zyklen/Jahr
= 532 Ovulationen
Wechseljahre = Klimakterium
Perimenopause = drum herum
40 45 52 55 60 65
Prämenopause = vor Postmenopause = nach Menopause = letzte Blutung
Alter (Jahre)
Eine Frau verbringt einen Drittel ihres Lebens in der Zeit nach den Wechseljahren
1850 1900 1950 2000 20
0 40 60 80
Alter
Lebenserwartung
Jahrzehnt Menopause
Lebenserwartung Frauen in Europa
!
30JEinige Wirkungen der Hormone
• Oestrogene
– Wachstum der Geschlechtsorgane
– Monatliche Reifung einer befruchtungsfähigen Eizelle – Knochenaufbau
– Wasserspeicherung im Gewebe – Im Gehirn:
• Regulierung des Temperaturempfindens
• Einfluss auf Emotions-Zentrum
• Gestagen
– Regulation der Gebärmutterschleimhaut -Umwandlung – Unterstützung der Schwangerschaft
• Androgene
– Beeinflussen sexuelle Lust (Libido)
• In den Wechseljahren lässt die Funktion der Eierstöcke allmählich nach
• Hormonproduktion in den Eierstöcken sinkt – immer weniger
• Östrogene
• Gestagene
• Androgene
• In der Postmenopause keine Hormonproduktion in den Eierstöcken mehr
• Æ Hormonmangel
30 Jahre 40 Jahre
Östrogene
Wechseljahre
Regelblutungen
Prämenopause Meno-
pause Postmeno- pause 50 Jahre 60 Jahre
Was verändert sich im Körper?
Hormone nach den Wechseljahren
Versiegen der
Hormonproduktion
•Seelische Beschwerden
•Angstgefühle
•Reizbarkeit
•Niedergeschlagenheit
•Nervosität
•Vergesslichkeit
•Geschicklichkeit
•Gleichgewichtssinn
•Dünnere Schamlippen, Scheiden- und Blasenhaut
•Inkontinenz
•Gebärmutter schrumpft
•Eisprung bleibt aus
•Männliche Hormone werden weiter
produziert
•Schwächeres Herz
•Blutdruckanstieg
•Hitzewallungen und Nachtschweiss
•Knochenschwund
•Geringere
Gelenkbeweglichkeit
•Muskeln erschlaffen
•Bindegewebe und Bänder werden schwächer
Wechseljahre = Krankheit?
• Wechseljahre stellen keine Krankheit dar,
sondern einen natürlichen Umstellungsvorgang
• Beschwerden können jedoch so stark sein, dass sie
– Krankheitswert annehmen
– Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen
– Allgemeines und sexuelles Wohlbefinden einschränken
Lebensqualität
20. Jahrhundert
40 Jahre
Hormonbehandlung zum Schutz vor
Altersleiden
Der Jungbrunnen; Lukas Cranach 1546
WHI HERS One Million Women NHS ESTHER
WHI-Trial
• Randomisierte, plazebokontrollierte primäre Präventionsstudie
• 16608 Frauen randomisiert in eine Plazebo und eine E2-Gestagengruppe
• Die Oestrogen/Gestagen-HRT ergab nach durchschnittlich 5.2 Jahren gesamthaft mehr Gesundheitsrisiken als Benefits
• Dieser Teil der Studie wurde vorzeitig geschlossen
WHI (Writing Group for the Women‘s Health Initiative Investigators) JAMA 2002;288:321
• 121‘700 Krankenschwestern in den USA
• Daten nach 16 Jahren
• Jahresrisiko für Mamma-CA gegenüber Nicht- Anwenderinnen
– Oestrogen alleine: 1.11 – Oestrogen/Gestagen: 1.58
• Hoch beachtete Studie mit jedoch formalen Fehlern (statistische Mängel, keine Infos über Art der komb.
HRT)
Colditz et al, Nurses Health Study Group Am J Epidemiol 1998;147(S):64S
Herzkreislauferkrankungen
Arteriosklerose Herzinfarkt
Tatsachen:
Vor der Menopause:
Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen viel seltener als bei Männern
nach der Menopause:
Sprunghafter Anstieg
Vermutung:
Ursache dafür = verminderte Produktion von Östrogen
Herzkreislauferkrankungen in %
Jahre
Verhältnis Frauen-Männer im Altersverlauf
30 40 50 60 70 80 100
60
40
20 80
0
Frauen Männer
WHI- Studie - Denkansatz
• Das Arterioskleroserisiko wird durch eine Östrogenbehandlung gesenkt
• Damit sinkt das Risiko an Angina pectoris oder Herzinfarkt zu
erkranken um die Hälfte
E2 und Gestagen Placebo
Pro 10‘000 Frauen unter
Hormonbehandlung
+ 7 Ereignisse
WHI, JAMA 2002;288:321
Jahre
Hirnschlag
E2 und Gestagen Placebo
Pro 10‘000 Frauen unter HRT mit E2 und Gestagen:
+ 8 Ereignisse
WHI, JAMA 2002;288:321
Jahre
E2 und Gestagen Placebo
Pro 10‘000 Frauen unter HRT mit E2 und Gestagen:
+ 8 Ereignisse
WHI, JAMA 2002;288:321
Jahre
7.7 Mio Einwohner in der Schweiz 3.8 Mio Frauen
ca. 1‘200‘000 Frauen sind in der Postmenopause Wenn 30% Hormone nehmen = 400‘000
280 x Herzinfarkt, 320 x Hirnschlag, 320 x Lungenembolie n = 920
ca. 1/3
E2 und Gestagen Placebo
Pro 10‘000 Frauen unter HRT mit E2 und Gestagen:
+ 8 Ereignisse
WHI, JAMA 2002;288:321
Jahre
Hüftfrakturen
E2 und Gestagen Placebo
Pro 10‘000 Frauen unter HRT mit E2 und Gestagen:
- 5 Ereignisse
WHI, JAMA 2002;288:321
E2 und Gestagen Placebo
Pro 10‘000 Frauen unter HRT mit E2 und Gestagen:
- 6 Ereignisse
WHI, JAMA 2002;288:321
Bilanz pro 10‘000 Anwenderinnen
Ereignisse n
KHK +7 Hirnschlag +8
LE +8 Mammakarzinom +8
Hüftfrakturen -5 Kolonkarzinom -6
Mortalität +1
Bilanz +19
Wertigkeit der WHI-Studie
• Formale Fehler
– Zu hohes Alter der Probandinnen, welches in Europa keine Situation mehr für eine HRT wäre
– Probandinnen kardiologisch krank
– Hoher Anteil von übergewichtigen Frauen
• Die Wertigkeit der Studie wird von der
europäischen Projekt-Gruppe „ WHI- Studie“ in grosse Zweifel gezogen
„WHI-Studie“ -Projektgruppe: Huber, Birkhäuser, Metka, Druckmann, Rohr, Winkler, Schindler
Behandlungsbeginn
Risiken auf 10‘000 Frauen mit Hormontherapie
50-59 Jahre 70-79 Jahre
Oestrogen
Herzinfarkt -10 +4
Hirnschlag 0 +14
Thrombose, Embolie +2 +12
Oestrogen/Gestagen
Herzinfarkt +5 +23
Hirnschlag +4 +13
WHI Steering Committee, 2004
Thrombose- Embolierisiko und Einnahmeart
Risiko
Keine HRT 1
Oestrogene über die Haut 1.2 Oestrogene HRT mit Tabletten 4.1
Gestagenzusatz
Progesteron mikronisiert 0.9
Pregnan-Derivate 0.9 Norpregan-Derivate 4.0
Estherstudie, Canonico et al. 2007
hormone therapy group
E alone = estrogen alone
Chlebowski et al. J Natl Cancer Inst 2012;104:517–527
Invasive breast cancer incidence by hormone therapy group
E + P = estrogen plus progestin;
Chlebowski et al. J Natl Cancer Inst 2012;104:517–527
Osteoporosebrüche um 55%
Karim R, Dell RM, Greene DF et al. (2011) Hip fracture in postmenopausal women after cessation of hormone therapy: results from a prospective study in a large health management organization. Menopause 18:1172-7
• Die Hormontherapie stellt die wirksamste Behandlung für menopausale Wallungen dar
• Die Vorteile der Hormontherapie wiegen die Nachteile besser auf wenn die Therapie früh in der postmenopausalen Phase begonnen wird
• Die Hormontherapie ist wirksam zur Prävention der Osteoporose
• Die Hormontherapie ist wirksam zur Prävention des Herzinfarktes wenn die Therapie früh in der postmenopausalen Phase begonnen wird
• Wenn die Gebärmutter vorhanden ist, muss eine kombinierte Östrogen- Gestagentherapie erfolgen
• Die Hormontherapie muss eine individuelle Entscheidung sein welche Lebensqualität, gesundheitliche Überlegungen, Risiken und Alter in die Überlegungen einbezieht.
1
• Thrombosen und Herzinfarkt steigen mit Beginn der
Hormontherapie an; das absolute Risiko ist aber vor dem 60.
Altersjahr tief. Die Therapie über die Haut verringert die Risiken
• Hormone und Brustkrebs ist ein komplexes Thema; Gestagene und längere Therapiedauer erhöhen das Risiko. Absetzen der Hormontherapie stoppt das erhöhte Risiko
• Studien zeigen unter Hormoneinnahme ein erhöhtes Rezidivrisiko nach Brustkrebs
Tatsache
• 50 bis 85% der Frauen in der Postmenopause haben Hitzewallungen
• 1/3 der Frauen in der Postmenopause benötigen Hormone um eine zufriedenstellende
Lebensqualität zu erreichen
Was tun?
• Körperliche Aktivität
• Ausreichend Entspannung und Schlaf
• Ausgewogene Ernährung
• Intensive Hautpflege
• Rauchen aufgeben
• Massvoller Alkoholkonsum
•
Medikamente
Eventuell bei Bedarf
• Pflanzliche Präparate
• Hormonersatztherapie (HRT) Gesamtpaket Lebensführung
Empfehlungen zur Hormontherapie
• Indiziert wenn Beschwerden vorhanden sind und pflanzliche Alternativen nicht wirken
• Zur rechten Zeit beginnen («Window of opportunity»)
• So kurz wie möglich/nötig
• Östrogene über die Haut
• Progesteron (Schutz der Gebärmutterschleimhaut)
mikronisiert als Kapseln
Haut
Progesteron in Tablettenform
• Die Sexualhormone haben eine breite Palette von Wirkungen auf das Auge.
• Die Zusammenhänge werden noch nicht vollständig verstanden
Sex, Eyes, and Vision: Male/Female Distinctions in Ophthalmic Disorders
• age-related maculopathy
• retinopathy
• dry eye
• Glaucoma
• Cataract
• ocular blood flow
• ocular inflammatory disorders
Eisner A. Current Eye Research, 2015; 40(2): 96–101
Tränen
Tränen
Zyklusbedingte östrogene Blutspiegelveränderungen verursachen Veränderungen im Gleichgewicht der
Augenoberfläche. Damit beeinflussen sie das Syndrom des „trockenen Auges“. Änderungen der okularen
Oberflächenparameter wurden aber nicht beobachtet.
E. Cavdar et al. / Contact Lens & Anterior Eye 37 (2014) 209–212
PMP und trockenes Auge
Postmenopausale Frauen mit schwerem
evaporativem „Syndrom des trockenen Auges“
zeigen tiefere Sexualhormonlevel als gesunde Kontrollen
PMP und HRT und trockenes Auge
Dauer der Postmenopause und Anwendung einer
Hormontherapie können die Inzidenz des Syndroms des trockenen Auges erhöhen.
Oestrogen and inflammatory events
Das „trockene Auge“ besitzt eine höhere Prevalenz bei Frauen als bei Männern
…Weibliche Hormone spielen wohl eine Rolle in Produktion, Regulation und Erhaltung des normalen Tränenfilms
... aber der Wirkmechanismus der Hormone wird noch nicht gut verstanden
…Östrogen könnte eine Kaskade von entzündlichen
Veränderungen verursachen, welche dem trockenen Auge zugrunde liegen
Cornea
Die zentrale korneale Dicke und biomechanische Parameter variierten signifikant entlang des menstrualen Zyklus.
Korneale Hysteresis und Resistenz- Faktoren nahmen
während der Ovulation ab. Die Kornea war am dünnsten zu Beginn und nahm zu von der Ovulation bis zum Ende des Zyklus.
Diese kornealen Veränderungen könnten beim Screening für Kandidaten der refraktären Laserchirurgie wichtig sein.
J Cataract Refract Surg 2011; 37:1507–1511
Cataract
Current Eye Research, 2015; 40(2): 176–190
Epidemiologische Daten und in vitro Studien deuten auf eine Rolle der Östrogene in der Kataraktbildung hin. Weitere Studien sind notwendig um eine mögliche Verbindung zwischen Hormontherapie und
Linsenklarheit oder -trübung zu erkennen. Zudem sollten
experimentelle Studien den exakten Mechanismus analysieren mit welchem Östrogene gegen Katarakt schützen.
Die Hormontherapie postmenopausaler Frauen zeigt keine signifikante Veränderung des Brechungsstatus, der kornealen Topographie und der Wellenfrontaberration des Auges in der 6-Monats Kontrolle.
Lai K, Cui J, Ni S, Zhang Y, He J, et al. (2013) The Effects of Postmenopausal Hormone Use on Cataract: A Meta-Analysis. PLoS ONE 8(10)
Diese Meta-Analysen-Resultate zeigen dass die
Hormontherapie eine protektive Rolle in der Katarakt- Entwicklung spielen könnte.
Glaukom
Ophthalmic Epidemiology, 2014; 21(2): 92–98
Frauen mit Menopause in einem jüngeren Alter hatten häufiger ein Glaukom. Bestätigung der Resultate durch andere Studien ist aber notwendig.
JAMA Ophthalmol. 2014 March ; 132(3): 298–303
Die Anwendung einer postmenopausalen
Östrogentherapie könnte helfen das Risiko eines
primären Offen-Winkel-Glaukoms zu reduzieren. Wenn andere Studien dies bestätigen, könnte dies eine neue Behandlungsform anstossen
Oestradiol- Nasenspray verbessert bei gesunden postmenopausalen Frauen die Durchblutung der Augenarterie
HRT retinal blood flow and retinal nerve fiber
Invest Ophthalmol Vis Sci. 2010;51:2587–2600
Diese Erkenntnisse zeigen dass Östrogene den retinalen Blutfuss erhöhen und die retinale Nervefasernschicht schützen
...das endogene Östrogen spielt eine wichtige Rolle in der okularen Pathologie und der Fehlsichtigkeit
...es muss aber noch ein langer Weg gegangen werden bis die kausale Verbindung zwischen Östrogenmangel und Fehlsichtigkeit geklärt ist...
...die Schwierigkeit liegt darin, die wichtigen molekularen Ziele zu erkennen...
...direkte und indirekte transcriptionale Änderungen könnten durch miRNAs beeinflusst sein...
.... Hinweis auf epigenetische Regulation
Den
«Wechsel»
positiv
erleben
Postmenopause
Vorausschauen Vorsorgen
Beraten lassen Wohl fühlen
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