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Archiv "Bundesfreiwilligendienst: Zivis vermisst, Bufdis gesucht" (30.09.2011)

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A 2014 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 39

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30. September 2011

BUNDESFREIWILLIGENDIENST

Zivis vermisst, Bufdis gesucht

Zum 1. Juli 2011 hat der Gesetzgeber die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt und damit auch die Pflicht zum Zivildienst. In Krankenhäusern sollen deshalb die Zivis von den Bufdis (Bundesfreiwilligen) ersetzt werden. So einfach ist das aber nicht.

E

s war eine recht überschaubare Gruppe von 320 jungen Män- nern, die vor 50 Jahren als anerkann- te Kriegsdienstverweigerer erstmals den Ersatzdienst antraten. Sie hatten aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe abgelehnt und zogen das Arbeiten in sozialen Einrichtun- gen vor. Als „Drückeberger“ be- zeichnete manch einer die jungen Männer, und auch sonst genossen sie kein hohes Ansehen. Doch was 1961 noch eine exotische Ausnahme war, wurde über die Jahre gesell- schaftsfähige Regel. Bis 2011 haben insgesamt mehr als zweieinhalb Millionen Zivildienstleistende in mehr als 37 000 Dienststellen ihre Pflicht erfüllt. Das ist nunmehr Ge- schichte. Mit dem Wehrrechtsände- rungsgesetz, das zum 1. Juli in Kraft trat, wurde die Pflicht zum Zivil- dienst obsolet. Die fehlenden Zivis hinterlassen in den sozialen Einrich- tungen und Krankenhäusern nun ei- ne Lücke, die über kurz oder lang geschlossen werden muss.

Bundesfamilienministerium mit hehren Zielen

Das Bundesfamilienministerium schickt deshalb seit dem Aussetzen der Wehrpflicht als Ersatz die Bun- desfreiwilligen (Bufdis) ins Rennen.

Man hat sich im Ministerium vorge- nommen, im Jahr 2012 über 30 000 Freiwillige im Einsatz zu haben. Ein hehres Ziel angesichts der Tatsache, dass bisher 8 130 Verträge (Stand 1. September 2011) abgeschlossen wurden. In Krankenhäusern waren die Zivis bisher gerne gesehen, da sie, jung und meist kräftig, dem Pflegepersonal zur Hand gehen konnten. Für manche Zivis war das eine Belastung, für viele eine wich- tige und prägende Erfahrung.

Beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA, ehemals Bundesamt für Zivildienst) ist man, was den Bun- desfreiwilligendienst (BFD) angeht, positiv gestimmt. Peter Schloßma- cher, zuständig für Presse- und Öf- fentlichkeitsarbeit beim BAFzA, ist mit seinen Kollegen unermüdlich auf Studienmessen und in Schulen unterwegs, um für den Freiwilli- gendienst zu werben: „Ich habe mit vielen jungen Menschen gespro- chen, die einen BFD, beispielswei- se auch im Krankenhaus, als Orien- tierungsphase nutzen wollen. Man- che wissen sogar schon, dass sie in einen medizinisch-pflegerischen Beruf reinwollen und sehen das als Praktikum.“ Ein Dienst könne ih- nen, je nach Uni, auch im Studium

angerechnet werden. Im Spätherbst erwarte er eine fünfstellige Zahl an Verträgen, und nächstes Jahr habe das BAFzA, wenn alles gut laufe, die gewünschten 30 000 Verträge beisammen.

Noch geringes Interesse am Dienst im Krankenhaus In den Krankenhäusern sind viele Stellen, die ehemals mit Zivis be- setzt wurden, vakant. Ein Beispiel ist das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Köln-Hohenlind. „Wir hatten zu Spitzenzeiten 16 Zivildienstleisten- de im Haus. Bisher sieht es so aus, als ob wir unsere freien Plätze nicht besetzen können. Seit der Umstel- lung haben gerade einmal vier Bun- desfreiwillige bei uns angefangen“, beklagt Katharina Seiler von der Personalabteilung des Krankenhau- ses. In vielen Bereichen klaffe eine große Lücke. Zu Zeiten des Zivil- dienstes habe sie nie Probleme ge- habt, Interessenten zu finden. Viele Zivis wollten besonders gerne den OP-Pflegern zuarbeiten. Den Trans- port vom Patientenzimmer zu den sterilen Schleusen des OP mitzuor- ganisieren habe die meisten gereizt.

Man habe auf dieser Stelle auch gute Einblicke in die Arbeitsabläufe gewinnen können. Der Transport

In Krankenhäusern waren die Zivil- dienstleistenden gern gesehen, da sie dem Pflegepersonal zuarbeiten konnten.

Foto: dapd

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30. September 2011 sei jedoch eine schwere körperliche

Arbeit, die nicht von jedem geleis- tet werden könne, gibt Seiler zu be- denken. Einer älteren Dame, die ei- nen Bundesfreiwilligendienst ab- solviert, sei das nicht zuzumuten.

Bei vielen jungen Menschen ist zudem das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), das in die Verwaltungshoheit der Länder fällt, noch bekannter und beliebter. Schulabgänger kön- nen sich bis zu ihrem 27. Lebens- jahr dafür bewerben. Das FSJ ist ansonsten mit dem BFD vergleich- bar. Bei beiden wird der Einsatz in teilnehmenden sozialen Einrich- tungen und Krankenhäusern ange- boten.

Ein Unterschied besteht noch in dem Anspruch der Eltern, während eines FSJ Kindergeld zu erhalten.

Während des BFD erlischt dieser Anspruch bisher noch. Ein kleiner, aber entscheidender Anreiz für jun- ge Leute, eher das FSJ zu wählen.

Nach Peter Schloßmacher ist die Auszahlung des Kindergeldes beim BFD jedoch intern schon beschlos- sene Sache. Es fehle nur die Zu- stimmung des Bundestags.

Katharina Seiler ist trotzdem nicht zufrieden mit der Gesamtsi- tuation. Ein FSJler oder ein Bufdi sei in manchen Tätigkeitsfeldern schwer einsetzbar. Eine langwieri- ge Schulung, wie es für den OP- Dienst nötig sei, lohne sich bei ei- nem FSJler, der vielleicht nur sechs Monate da ist, oder aufgrund einer kurzfristigen Studienplatz- vergabe vorher ausscheidet, even- tuell gar nicht. Für den Bundesfrei- willigen besteht eine gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen.

In der Probezeit kann der Bufdi schon nach zwei Wochen ausschei- den. Bei einem „wichtigen Grund“

wie einer Studienplatzvergabe ist eine noch schnellere Vertragsauflö- sung im gegenseitigen Einverneh- men möglich. Das erschwert natür- lich die Planung in den Kranken- häusern.

Anders sei das bei den Zivis ge- wesen, so Seiler. Man habe sich darauf verlassen können, dass sie ihre Pflichtzeit ableisten und somit alle Hygieneschulungen mit den Krankenpflegern gemeinsam ab- solvieren.

12 107 Zivildienstleistende wa- ren nach Angaben des BAFzA im August 2010 bundesweit in Kran- kenhäusern tätig. 7 634 davon in der Pflegehilfe und in den Betreu- ungsdiensten, der Rest übernahm Hausmeistertätigkeiten, Küchen- dienste oder arbeitete beim Kran- kentransport mit. Stellt sich die Fra- ge, wie diese Stellen anderweitig besetzt werden können. Ähnlich wie im Falle der Ärzte, müssen die Krankenhäuser und Verbände nun selbst für ihre freien Stellen Interes- senten gewinnen und sich so attrak- tiv wie möglich präsentieren. Für Peter Schloßmacher liegt jedenfalls auf der Hand: „Wer mehr wirbt, der

hat auch mehr Bewerber.“ Die gro- ßen Verbände und Träger der Wohl- fahrtspflege seien ja von Anfang an in sämtliche Entwicklungen und Beratungen zum Thema Bundes- freiwilligendienst mit eingebunden gewesen. Sie hätten, so Schloßma- cher, also genügend Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Die Re- aktionen auf das Ende der „Ära Zi- vildienst“ seien zudem sehr unter- schiedlich gewesen. Manche hätten den Zivis regelrecht hinterherge- trauert, andere hätten die Chancen des BFD erkannt.

Ob Chance oder nicht, mag Eva Penke (Name von der Redaktion geändert), Krankenpflegerin und in der Notaufnahme eines Kreiskran- kenhauses in Baden-Württemberg tätig, nicht beurteilen. „Die Zivis fehlen“, sagt sie, und das merke man einfach. Da sie und ihre Kollegin die Notaufnahme nicht verlassen dürfen, seien sie darauf angewie- sen, dass die Krankentransporte von jemand anderem durchgeführt werden. Das Röntgen finde bei- spielsweise ein Stockwerk über der Notaufnahme statt; den Patienten müsse jemand dorthin bringen. Seit die letzten Zivis gegangen sind, be- helfe man sich mit der Unterstüt- zung von Krankenpflegehelferin- nen. Die könnten im Moment ein-

springen, da eine Station wegen Umbau geschlossen sei. Wenn die Station die Arbeit wieder aufnimmt, werde es aber eng, so Penke. Zwei FSJler beschäftigt das Kranken - haus zwar noch, einen Bundesfrei- willigen habe sie aber noch nicht im Team.

Was hat es also für Konsequen- zen, wenn die Zivis keine Patienten mehr schieben, kein Essen mehr verteilen und den Müll nicht mehr entsorgen? Man muss kräftig die Werbetrommel rühren oder Perso- nal dafür einstellen – obwohl das einen immensen finanziellen Auf- wand bedeuten würde. „Durch den Mangel an Zivildienstleistenden sind wir dazu übergegangen, in je- dem OP eine neue Stelle zu schaf- fen, die regulär mit Personal besetzt wird, das keine Fachausbildung hat“, erklärt Katharina Seiler. In der Bilanz des Krankenhauses schlage das natürlich zu Buche. Gleichwohl werden Ausgaben dieser Art ver- mutlich weiter anfallen.

Nicht nur deshalb will sich die Personalabteilung des St.-Elisabeth- Krankenhauses in Zukunft intensi- ver mit dem Thema Bundesfreiwil- ligendienst beschäftigen: „Wir wer- den für das nächste Jahr mehr Wer- bung in der Öffentlichkeit für uns machen“, bekräftigt Seiler. Sie hofft, dass sich bei den jungen Menschen herumspricht, wie interessant und erfüllend die Arbeit im Kranken-

haus sein kann.

Johanna Protschka

Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) kann im Prinzip von je- dem geleistet werden, der seine Pflichtschulzeit beendet hat. Eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Die Regeldauer beträgt zwölf Monate, kann jedoch auf sechs Monate ver- kürzt werden. Wer älter als 27 Jahre ist, hat die Möglich- keit, in Teilzeit tätig zu werden. Das heißt mindestens 20 Stunden die Woche. Ein Taschengeld von maximal 330 Euro wird den Bufdis ausgezahlt. Auch Rentner und Emp- fänger von Arbeitslosengeld II können sich zum BFD mel- den. Wer Sozialleistungen erhält, bekommt davon 60 Euro als Freibetrag, der Rest wird auf die Leistungen angerech- net. In welchen Einrichtungen Stellen ausgeschrieben sind, kann über die Platzbörse auf www.bundesfreiwilli gendienst.de eingesehen werden.

SO WIRD MAN BUFDI

Wer mehr wirbt, der hat auch mehr Bewerber.

Peter Schloßmacher, BAFzA

P O L I T I K

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