A 2364 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 109|
Heft 47|
23. November 2012QU ALIT ÄT SS ICHERUNG
Für Deutschland wird die Einführung von „Present-on-Ad- mission“-Indikato- ren diskutiert (DÄ 41/2012: „Qualitäts- sicherung im Kran- kenhaus: Indikatoren für die Bewertung von Komplikationsraten“ von Björn-Ola Fechner).
Ein neues Bürokratie- monstrum
In dem Beitrag singt Herr Fechner geradezu ein Loblied auf die Ein- führung der sogenannten Present- on-Admission-Indikatoren (POA- Indikatoren) 2007 in den USA. Die- se böten „weitreichende Chancen für die Gesundheitsversorgung“. So ließen sich die Ergebnisqualitäten verschiedener Kliniken besser ver- gleichen, indem überprüfbar würde,
„ob ein Klinikum hohe Anteile hochmorbider Patienten behandelt“
oder indem die POA-Indikatoren Krankenhäusern helfen könnten, die Ergebnisqualität „zu verbessern, weil vermeidbare Komplikationen besser identifiziert werden können“.
Das ist einleuchtend. Doch wo bleibt hier die in Aussicht gestellte Chance für die Gesundheitsversor- gung? Das G-DRG-System lässt ja durch Kategorisierung der Patienten bereits einen Vergleich hinsichtlich der Krankheitsschwere zu. Und hat die Einführung der POA-Indikato- ren in den USA vor fünf Jahren denn wirklich die Ergebnisqualität der Krankenhäuser verbessert oder gar zu einer Reduktion der Kompli- kationsraten in den Krankenhäusern geführt? Dies wird in dem Beitrag mit keinem Wort erwähnt, viel- leicht, weil es hierzu keine „stabile Datenqualität“ gibt? Es scheint je- denfalls so, dass erneut ein Bürokra- tiemonstrum erschaffen wird, wel- ches unter dem Deckmantel der Ver- besserung der Krankenversorgung eine Kürzung der Erlöse der Kran-
kenhäuser zum Ziel hat. Oder wie ist es zu erklären, dass bereits zwei Jahre nach Einführung der POA-In- dikatoren in den USA eine finan- zielle Komponente ins Spiel ge- bracht wurde, die dazu führt, dass Kliniken mit vielen innerklinischen Komplikationen weniger Geld er- halten, indem diese Komplikationen nicht vergütet werden? Dieser finan- zielle Druck soll zu einer Verbesse- rung der Behandlungsqualität und zu einer Risikominimierung führen – dabei sollte das doch allein schon die Einführung der POA-Indikato- ren ermöglichen?! Aus meiner Sicht ist eine Reduktion der innerklini- schen Komplikationen – und damit eine Verbesserung der Behandlungs- und Ergebnisqualität – eher dadurch zu erreichen, dass wir endlich wie- der Zeit bekommen, uns mehr um unsere Patienten und weniger um lästige Papiertiger zu kümmern.
Dr. med. Markus A. Küper, Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschir - urgie, 72076 Tübingen
QU SS
F w v m r 4 s kenhaus: Indikatoren
DEMOGR A FIE
Experten fordern mehr Optimismus bei der Suche nach Lösungen (DÄ 38/
2012: „Demografi- scher Wandel: Altern ist keine Katastro- phe“ von Heike Korzilius).
Verharmlosung wenig zielführend
Der demografische Wandel in Deutschland hat deutliche Auswir- kungen auf das Gesundheitswe- sen. Der Anteil der über 60-Jähri- gen betrug 2008 nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung (26 Pro- zent), dennoch entfiel fast die Hälfte der Krankenhausfälle (49 Prozent) auf diese Altersgruppe.
Die zu erwartende deutliche Zu- nahme der älteren Bevölkerungs- anteile wird daher auch zu einem weiter steigenden stationären Ver- sorgungsbedarf führen. Die von 2005 bis 2010 durchgeführte Ana- lyse der Datensätze nach Paragraf 21 Krankenhausentgeltgesetz des
Landes Mecklenburg-Vorpom- mern, das den alten Bundeslän- dern in der demografischen Ent- wicklung etwas voraus ist, zeigte bezogen auf die Datenbasis des Jahres 2005 und unter Anwendung der demografischen Prognosemo- delle des Statistischen Landesam- tes Mecklenburg-Vorpommern so- wie des Rostocker Zentrums zur Erforschung des Demografischen Wandels eine deutliche Unter- schätzung der tatsächlichen Ent- wicklung von Fallzahlen und Be- legungstagen.
Der medizinisch-technische Fort- schritt wird sicherlich für die eine oder andere Krankheitsentität dia - gnostische oder therapeutische Verbesserungen mit sich bringen, was sich durchaus auf die Liege- zeiten und damit die Kosten des Krankenhausaufenthaltes auswir- ken kann. Der Effekt für die Ge- samtversorgung dürfte allerdings begrenzt sein, da neue Verfahren und Therapien nicht sofort flä- chendeckend verfügbar sind und in der Regel zunächst nur speziel- len Einrichtungen vorbehalten
bleiben. Nicht vergessen werden sollte auch, dass gerade Universi- tätsklinika, die die Translation in- novativer Behandlungskonzepte voranbringen sollen, in der Regel für die Krankenversorgung keine zusätzlichen Finanzmittel erhal- ten, um die dann notwendigerwei- se höheren Behandlungskosten aufzubringen.
Die derzeitig verfügbaren Progno- sedaten belegen eindeutig, dass die steigende Anzahl älterer Pa- tienten folgerichtig auch von ei- nem steigenden Versorgungsbedarf begleitet wird. Daher sollten die Prognosen aus „Zahlen von mor- gen (. . . und) der Morbiditätsent- wicklung von heute“ genutzt wer- den, um den Bedarf zu erkennen und gezielt Lösungskonzepte oder Präventionsstrategien zu entwi- ckeln. Eine Verharmlosung des of- fensichtlichen Trends ist dabei nur wenig zielführend.
Literatur bei den Verfassern Sebastian Fenger,
Assistent des ärztlichen Vorstandes, Prof. Dr. med. Peter Schuff-Werner, Ärztlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender, Universitätsmedizin Rostock, 18057 Rostock
DEMOGR A FI
E m b L 2 s i h “ H ik K