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Lebensqualität von älteren Krebspatient*innen erhalten und. verbessern Erfahrungen aus Studien und Klinik

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H. Schmidt1,2, T. Nordhausen1, S. Roggendorf1, E. Shehu1, K. Lampe2, S. Stegmann3, D. Vordermark2. 1Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Med. Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2

Universitätsklinikum Halle (Saale), Department für Strahlenmedizin, Univ.-Klinik und Poliklinik für

Strahlentherapie, Krukenberg Krebszentrum Halle (Saale), 3Universitätsklinikum Halle (Saale), Arbeitsbereich Geriatrie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Krukenberg Krebszentrum Halle (Saale)

15. Dezember 2020

Lebensqualität von älteren Krebspatient*innen erhalten und verbessern – Erfahrungen aus Studien und Klinik

Aufgrund der Heterogenität älterer Patient*innen mit Krebs bezogen auf biologisches Alter, Funktionalität und Komorbiditäten ist die gezielte Erfassung von individuellen Ressourcen und Risikofaktoren sowie der patientenberichteten Lebensqualität sowohl für Planung als auch Durchführung onkologischer Therapien von Bedeutung. Diese Erkenntnisse sollten auch in die

gemeinsame Therapiezielfindung und Entscheidung mit den Betroffenen einfließen. Mit dem Ziel, die individuellen Problemkonstellationen zu adressieren und die Patient*innen gezielt

supportivtherapeutisch zu behandeln, kann die wiederholte Erfassung von gesundheitsbezogener Lebensqualität (HRQoL) und individueller Symptombelastung die patientenorientierte

interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Onkolog*innen und Geriater*innen unterstützen.

Besonderheiten älterer Krebspatient*innen

Das mittlere Alter für eine Krebserkrankung liegt für Frauen bei 67,2 Jahren und für Männer bei 68,3 Jahren, wobei das Risiko für eine Krebserkrankung mit steigendem Alter zunimmt (1). Angesichts moderner Therapien ist mittlerweile auch die Behandlung mehrfach belasteter und hochbetagter (> 80 Jahre) sowie höchstbetagter Krebserkrankter (> 90 Jahre) möglich. Ältere Krebspatient*innen

unterscheiden sich jedoch insbesondere bezüglich ihres biologischen Alters, der individuellen Organreserven, Art und Schwere ihrer Begleiterkrankungen, Einschränkungen der körperlichen und kognitiven Funktion und ihres Ernährungszustands (2, 3), wodurch sich unterschiedliche

Therapievoraussetzungen und -ziele ergeben. In die Behandlungsentscheidung sollten auch

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psychosoziale Aspekte, soziale Unterstützung und die Werte und Präferenzen der Betroffenen

einbezogen werden (4). Eine Abwägung zwischen möglichen Behandlungsoptionen und Nebenwirkungen, möglichem Lebenszeitgewinn und möglichem Verlust von Lebensqualität ist gefordert. Um angepasste individuelle Therapieentscheidungen zu treffen, ist es daher von großer Bedeutung, individuelle

Ressourcen und Risikofaktoren zu identifizieren, die bei Standarduntersuchungen oft unerkannt bleiben.

Dazu wird ein umfassendes Assessment von körperlicher Funktion mit Mobilität und Stürzen, Ernährungszustand, Kognition, psychischem Zustand mit Depression sowie sozialer Unterstützung (comprehensive geriatric assessment, CGA) empfohlen (4). Diese Assessments können auch von geschultem Pflegepersonal durchgeführt werden (5). Die Ergebnisse sollten genutzt werden, um die Entscheidungsfindung sowohl in den Tumorboards als auch gemeinsam mit den Patient*innen zu unterstützen. Zudem sollten die Ergebnisse genutzt werden, um interdisziplinär, idealerweise in enger Zusammenarbeit zwischen Onkolog*innen und Geriater*innen, entsprechend unterstützende

Maßnahmen einzuleiten, mit dem Ziel, Komplikationskaskaden zu vermeiden und die Lebensqualität zu optimieren (6). Diese Maßnahmen können z.B. im Zusammenhang mit chronischen oder akuten

Komorbiditäten das Management einer Polypharmakotherapie und Delirprophylaxe aber auch Physio-, Ergo- oder Ernährungstherapie umfassen (6).

Erfassung von Lebensqualität und Patient-Reported Outcomes

Der Begriff der Lebensqualität wird häufig genutzt und ist mittlerweile im Sozialgesetzbuch V als ein Kriterium für den Patientennutzen etabliert. Das zugrundeliegende Konzept der HRQoL in der Medizin wird seit langem erforscht und es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass es sich dabei um ein multidimensionales Konstrukt handelt (7). Mittels dieses Konstruktes wird versucht, die subjektive

Wahrnehmung des eigenen körperlichen (z.B. mit Beschwerden wie Schmerzen, Appetitlosigkeit, Fatigue) und emotionalen Befindens sowie entsprechender Funktionsbereiche einschließlich körperlicher, sozialer und Rollenfunktion zu erfassen. Spezifischer als die gesundheitsbezogene Lebensqualität fokussiert die krankheitsspezifische HRQoL Symptome und Funktionseinschränkungen, welche mit der Erkrankung und deren Behandlung verbunden sind. Für die Erfassung der krankheitsspezifischen HRQoL onkologischer Patient*innen stehen diverse Instrumente zur Verfügung. Darunter sind das Functional Assessment of Cancer (FACT) und die Instrumente der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) am weitesten verbreitet (8-10). Für die Erfassung von patientenberichteten Symptomen stehen darüber hinaus auch die PRO-CTCAE (11) und eine große EORTC Itembank zur Verfügung. Die Evidenz für den klinischen Nutzen nimmt stetig zu (12, 13). Trotzdem wird die konkrete Einbindung in den klinischen Alltag einschließlich gezielter, aus der Erfassung von Lebensqualität und anderen patientenberichteten Symptomen und Funktionseinschränkungen (auch Patient-Reported Outcomes, PROs) abgeleiteten Maßnahmen, noch nicht breit umgesetzt.

 

Das kann u.a. damit zusammenhängen, dass trotz allgemeiner Verwendung des Begriffs keine klaren Leitlinien zur Verfügung stehen, wie dies erfolgen soll. Im Gegensatz zu objektiven Laborbefunden und bildgebenden Verfahren ist die Besonderheit von Lebensqualität und PROs, dass hier die

subjektiven Wahrnehmungen direkt von den Patient*innen erfasst und nicht verändert oder

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interpretiert werden (14). Diese Subjektivität ist wesentlich und muss bei allen weiteren Überlegungen und klinischen Handlungen in Betracht gezogen werden. In der auf objektive Messdaten und Befunde ausgerichteten Medizin stellt die Integration und Übersetzung in klinisches Handeln jedoch eine

Herausforderung dar. Hierzu ist neben technischen Möglichkeiten, welche die Erfassung unterstützen, die Einbindung dieser Informationen in die klinische Routine notwendig (15). Bei vorhandener Bereitschaft, die subjektive Sicht der Patient*innen einzubeziehen, können PROs helfen, die Kommunikation mit den Patient*innen zu fokussieren und unerkannte Beschwerden und Probleme gezielt im Sinne von

„Promunication“ zu thematisieren (16).

   

Lebensqualität bei älteren Krebspatient*innen

Insbesondere bei älteren Menschen mit Krebs sind optimale Therapiewahl und Vermeidung von Komplikationen für den Erhalt der Lebensqualität wesentlich. Erhalt von Lebensqualität und Selbstständigkeit bzw. Selbstversorgung stellen für die Betroffenen möglicherweise ein wichtigeres Therapieziel dar als die Verlängerung des Überlebens (17). Daher sollten diese Aspekte in die

gemeinsame Entscheidungsfindung einbezogen und idealerweise die HRQoL vor, während und nach onkologischen Behandlungen erfasst werden (18). Dies soll im Folgenden anhand von Beispielen aus eigenen Studien, Pilotprojekten und der klinischen Praxis näher erläutert und illustriert werden.

Entwicklung der Lebensqualität älterer Patient*innen

Mit dem Ziel, die Lebensqualität älterer Krebspatient*innen z.B. durch gezielte Supportivmaßnahmen zu erhalten und zu verbessern, sind zunächst Erkenntnisse über die Entwicklung im Krankheitsverlauf und mögliche Einflussfaktoren notwendig.

 

Studien beschreiben, dass sich z.B. bei Brustkrebs-Patientinnen ab 70 Jahren die körperliche Funktion 1-2 Jahre nach Therapie im Vergleich zu jüngeren Patientinnen nicht verbesserte (19) und dass bei 5-Jahres- Überlebenden von Brustkrebs und bestimmten anderen Krebsarten funktionelle Einschränkungen vermehrt zu beobachten sind. Auch eigene Daten zeigen, dass sich die HRQoL, insbesondere die körperliche Funktion und einzelne Symptome, gerade bei älteren Menschen unter Therapie deutlich verschlechtern kann (20). Kaufmann et al. haben in einer prospektiven Beobachtungsstudie (n=50) bei hochbetagten Patient*innen (mittleres Alter 82 Jahre) 6 Monate nach Behandlung eine Verschlechterung der körperlichen und eine klinisch relevante (mehr als 10 Punkte auf der Skala von 0-100)

Verschlechterung der Rollenfunktion beobachtet. Besonders auffällig waren Anstieg von Krankheitslast und Zukunftssorgen sowie die Abnahme der familiären Unterstützung („Konnten Sie mit Ihrer Familie über Ihre Erkrankung sprechen?“) (20). In einer weiteren Studie wurde die HRQoL älterer

Krebspatient*innen über 12 Monate beobachtet. Hier zeigte sich der stärkste Rückgang der körperlichen Funktion in den ersten 3 Monaten der Therapie, wobei nach 12 Monaten der Ausgangszustand nur von wenigen Patient*innen wieder erreicht wurde. Die große Varianz der individuellen Verläufe unterstreicht die Bedeutung wiederholter Erfassungen vor, während und nach der Therapie, um die betroffenen Patient*innen gezielt unterstützen zu können (15, 21). In diesem Zusammenhang sind auch soziale

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Beziehungen von besonderer Bedeutung für die Unterstützung älterer Krebspatient*innen (22).

Beispielsweise zeigte die Sekundäranalyse einer Längsschnittstudie zum sozialen Netzwerk eine höhere Wahrscheinlichkeit für Funktionsbeeinträchtigung bei Krebsüberlebenden im Zusammenhang mit einem Rückgang häufiger Kontakte, aber auch eine schützende Wirkung neu entstandener Beziehungen konnte identifiziert werden (23).

 

Für die gezielte Unterstützung älterer Krebspatient*innen sowohl während als auch nach der stationären Behandlung bzw. sektorenübergreifend sollen im Folgenden 3 Ansätze vorgestellt werden.

CGA in Verbindung mit patientenberichteter Lebensqualität – eine Pilotstudie

Mit dem übergeordneten Ziel, die HRQoL älterer Patient*innen mit Krebs auch sektorenübergreifend zu erhalten, wurde eine komplexe Intervention entwickelt und pilotiert, in der die Empfehlungen zum Einsatz von CGA und der Erfassung von HRQoL umgesetzt und mit einer pflegerischen telefonischen Nachsorge kombiniert wurden (18). Der durchschnittliche Zeitaufwand für die gesamten Assessments, die auch von geschultem Pflegepersonal durchgeführt werden können, betrug pro Patient*in 60 Minuten. Um den behandelnden Ärzt*innen einen schnellen Überblick über Risikofaktoren und Ressourcen zu erlauben, wurden die Ergebnisse des CGA und der HRQoL nach dem Ampelprinzip kodiert und zusammengefasst (Abb. 1), als Basis für die Supportivmaßnahmen genutzt und in die gemeinsame Entscheidungsfindung einbezogen (18). Es zeigte sich, dass durch die zusätzlichen Assessments und die patientenberichtete HRQoL relevante, die Routinedokumentation sinnvoll ergänzende Informationen gewonnen wurden, die zur gezielten Allokation supportiver Maßnahmen beitrugen.

 

Abb. 1: Zusammenfassung von Assessments des CGA (comprehensive geriatric assessement), objektiver Befunde (grau) und

patientenberichteter Symptome (violett) und Kodierung nach dem Ampelprinzip.

NRS=Nutritional Risk Screening

 

Implementierung des CGA in die klinische Routine – Screening oder Assessment?

Für eine Implementierung des empfohlenen und in der o.g. Studie eingesetzten CGA in die klinische Routine muss angesichts knapper Ressourcen zentrumsspezifisch geklärt werden, bei welchen Patient*innen umfassende Assessments durchgeführt werden sollen. Um zu entscheiden, welche Patient*innen von einem umfassenden CGA profitieren würden, wird auch international die

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Durchführung von Screenings empfohlen (z.B. G6 oder G8) (24, 25). Für diese Entscheidung sind jedoch die Vorteile eines solchen Vorgehens mit den Limitationen der vorhandenen Screening-Instrumente bezüglich Sensitivität und Spezifität abzuwägen (26). In diesem Zusammenhang ist zu klären, welche der durch den zusätzlichen Aufwand eines Screenings zu erwartenden Informationen ggf. bereits in der Standarddokumentation (z.B. Pflegedokumentation) vorhanden sind. Zudem ist zu bedenken, dass die Screening-Instrumente eher defizitorientiert sind und besondere Ressourcen nicht erfasst werden. Um eine die personellen und zeitlichen Ressourcen der Klinik schonende und doch umfassende Identifikation von Risikofaktoren und Ressourcen der Patient*innen und anschließende interprofessionelle Behandlung zu erreichen, wurde in der Klinik für Strahlentherapie des Krukenberg Krebszentrums des

Universitätsklinikums (UK) Halle/Saale entschieden, die vorhandene ärztliche und pflegerische

Dokumentation zu verwenden, um den Bedarf für ein geriatrisches Konsil strukturiert zu erfassen (Abb.

2). Konsiliarisch geriatrische Mitbetreuung wird veranlasst, wenn bei den in Abbildung 2 gezeigten Inhalten der Standarddokumentation zwei oder mehr Auffälligkeiten verzeichnet werden.

 

Abb. 2: Pflegerische Aufnahmedokumentation (links), Items der ärztlichen

Aufnahmedokumentation für Patient*innen ab 70 Jahren (rechts); Doppellungen grau.

 

Das geriatrische Konsil umfasst neben ausführlichem Gespräch, Assessments wie den Lachstest (27), Timed up and go (TUG) (28), das Montreal cognitive assessment (MOCA (29)) und den Uhrentest (30). Auf Basis der Assessments werden Behandlungsempfehlungen bspw. zur Optimierung der Medikation bei Polypharmakotherapie oder für ergänzende Ernährungstherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Kognitionsbeübung, Logopädie etc. erstellt. Im weiteren Verlauf werden wöchentliche gemeinsame Visiten durchgeführt, um die Maßnahmen jeweils an die aktuelle Situation anzupassen.

 

In die konsiliarische Betreuung der älteren Krebspatient*innen wird auch die patientenberichtete HRQoL einbezogen, die im folgenden Abschnitt vorgestellt wird.

Erfassung der Lebensqualität im klinischen Alltag

In der Klinik für Strahlentherapie des Krukenberg Krebszentrums des UK Halle/Saale erfolgt digital gestützt über einen Touchscreen mittels einer Software (https://ches.pro/) zu Behandlungsbeginn ein Screening der HRQoL mittels des EORTC QLQ-C30 gefolgt von täglichem Monitoring relevanter Symptome

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mittels EORTC EinzelItems (15). Die Ergebnisse werden in das Klinikinformationssystem importiert und stehen grafisch aufbereitet den behandelnden Ärzt*innen und Pflegenden in Echtzeit zur Verfügung. Eine Beantwortung der Fragen ist abgesehen von Fällen mit schwerer Demenz oder anderen schweren

kognitiven Störungen ggf. mit Unterstützung auch älteren Patient*innen sehr gut möglich. Die Erfassung der HRQoL bietet klinisch relevante ergänzende Informationen sowohl zu Therapiebeginn als auch im Verlauf.

   

KASUISTIK

Wir stellen einen knapp 89-jährigen Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom vor, welcher eine neoadjuvante simultan-kombinierte Radiochemotherapie, Radiatio des Rektumkarzinoms und der Lymphabflusswege mit Einzeldosen von 1,8 bis Gesamtdosis 50,4 Gy und simultane Chemotherapie mit Capecitabin 1.000 mg/m2 KOF/d kurzzeitig erhielt. Zur Therapiefindung und -begleitung erfolgte ein geriatrisches Konsil (Abb. 3).

Hier kurz die onkologische Vorgeschichte zusammengefasst:

Rektumkarzinom 2-4 cm ab ano Kutanlinie beginnend, semizirkulär wachsend.

Histologie: mäßig differenziertes Adenokarzinom ausgehend von einem high grade Adenom Stad. IV  

Laparoskopische Anlage eines doppelläufigen Sigmoidostomas Relevante Nebendiagnose: TEP nach Schenkelhalsfraktur rechts.

 

Abb. 3: Geriatrisches Konsil.

 

Geriatrisches Assessment

• TUG + < 10 Sek. (keine Hilfsmittel, bei Untersuchung sicherer Gang) (28)

• PHQ9 (Screening auf Depression) unauffällig (31)

• Lachstest (27)  

Trotz des unauffälligen TUG-Tests ergab der Lachstest bei der Befragung des Patienten in 5/16 Punkten die folgenden Auffälligkeiten:

• eingeschränkte Beinfunktion; Hilfsmittel: Gehstock; Patient beschreibt intermittierend wankenden Gang, zudem seien die Beine an manchen Tagen sehr schlapp, Mobilisation dann bis Mittag eingeschränkt → Frailty,

• eingeschränkte Aktivität wegen Gangunsicherheit und intermittierendem Schwindel, daraus

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resultierende Sturzangst

• mangelnde soziale Unterstützung, keine Angehörigen vor Ort

• Krankenhausbehandlung

• anamnestisch 2 Stürze in den letzten 6-12 Monaten → Sturzsyndrom  

Sturzsyndrom und das Alter kennzeichnen die Geriatrie-typische Multimorbidität.

Als geriatrische Diagnosen wurden gestellt: Frailty, Gangunsicherheit und Sturzsyndrom Therapieziel-Wunsch des Patienten: Erhalt bzw. Optimierung der Mobilität und Erhalt der

Eigenständigkeit mit langmöglichem Verbleiben in der Häuslichkeit, wenn möglich ohne Pflegedienst.

Geriatrische Empfehlung

1. In Zusammenschau der Klinik sowie des erhobenen Assessments insgesamt gute Ressourcen hinsichtlich der geplanten Radiochemotherapie.

2. Bei bekannter Gangunsicherheit (intermittierend) bitte Physiotherapie auf Abruf konsiliarisch hinzuziehen, um Sturzrisiko zu minimieren.

 

Interdisziplinärer Entschluss aufgrund der Beurteilung zur Durchführung der simultanen Chemotherapie oral mit Capecitabin in reduzierter altersadaptierter Dosis.

Weiterer stationärer Verlauf

Trotz der in Assessment und Klinik gezeigten guten Ressourcen musste die orale Chemotherapie aufgrund deutlicher Nebenwirkungen sowie Verschlechterung des Allgemeinzustands z.B. auch

zunehmender Schwäche (Abb. 5) nach kurzer Zeit abgebrochen werden. Es erfolgte eine symptomatische Behandlung unterstützend mit bilanzierter Infusionstherapie bei intermittierender Hypotonie, eine angepasste Analgesie sowie eine Laxanzien-Gabe bei Koprostase. Zusätzlich fand während des gesamten Aufenthalts eine begleitende Ergo- und Physiotherapie zur Verbesserung der Mobilität und zum Erhalt der Selbständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens statt. Die geriatrische Mitbetreuung erfolgte durch wöchentliche Visiten sowie bei Veränderung der Symptomatik zusätzlich auf Anfrage. Die

Abbildungen 4 und 5 zeigen die patientenberichtete Lebensqualität vom Eingangsscreening zur

Einschätzung der Therapiefähigkeit (Abb. 4) und die Ergebnisse des Monitorings (Abb. 5) im Verlauf, so wie sie im Klinikinformationssystem dargestellt werden. Durch die interdisziplinäre Betreuung und bedarfsgerechten Supportivmaßnahmen konnte eine zufriedenstellende Symptomkontrolle gerade im Bereich Appetitlosigkeit (Abb. 5) und Erhalt der Lebensqualität erreicht werden.

 

Abb. 4: EORTC QLQ-C30-Funktionsskalen und Gesamtlebensqualität sowie Symptomskalen zu Behandlungsbeginn.

(8)

 

Abb. 5: EORTC Einzel-Items zum Monitoring der Symptombelastung im Verlauf.

   

Erhalt der körperlichen Funktion unter Therapie

Die körperliche Funktion ist ein wesentlicher Bestandteil der HRQoL und eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Selbstständigkeit. Wie bereits eingangs erwähnt, kann unter onkologischer Therapie die körperliche Funktion nachlassen, was insbesondere bei älteren Patient*innen z.B. auch zu Muskelabbau, weiterer Schwäche, Gangunsicherheit und somit zu erhöhtem Sturzrisiko führen kann.

 

Um dieser Problematik zu begegnen, wird aktuell in der Klinik für Strahlentherapie des Krukenberg Krebszentrums des UK Halle/Saale eine Pilotstudie durchgeführt mit dem Ziel, die körperliche Funktion und somit auch die HRQoL und Teilhabe älterer Patient*innen unter ambulanter Strahlentherapie zu erhalten (32). Die teilnehmenden Patient*innen bekommen nach ausführlichen Assessments unter Einbeziehung individueller Präferenzen und Ziele entweder digital gestützt Anleitungs- und

Mitmachvideos oder bebilderte schriftliche individuelle Anleitungen für selbstständiges Üben zu Hause sowie Hinweise zur Optimierung der Ernährung (Abb. 6).

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Die Studie wird voraussichtlich im August 2021 beendet sein. Es werden Erkenntnisse zu Akzeptanz der unterschiedlichen Zugangswege und insbesondere zum potenziellen Nutzen der Intervention für die Motivation zum selbstständigen Üben und somit auch dem Erhalt der körperlichen Funktion erwartet.

 

Abb. 6: Elemente der Sidekick-Studie zur Förderung der körperlichen Aktivität älterer Krebspatient*innen in ambulanter

strahlentherapeutischer Behandlung.

Fazit, Ausblick

Insgesamt unterstreichen sowohl die Erkenntnisse aktueller Studien als auch die eigenen Projekte die große Bedeutung ganz individueller Herangehensweisen sowohl für die ambulante und stationäre Therapie als auch für die sektorenübergreifende Behandlung älterer Patient*innen mit Krebs. Mit dem Ziel, die Lebensqualität zu erhalten, ist zunächst deren Erfassung notwendig. In Verbindung mit weiteren gezielten Assessments entsteht so eine gute Grundlage für einen offenen Austausch mit den Betroffenen und ihren Angehörigen über die individuellen Bedarfe und Behandlungsziele.

 

Um die individuellen Problemkonstellationen zu adressieren und die Patient*innen gezielt zu

unterstützen, kann die wiederholte Erfassung der HRQoL und der persönlichen Symptombelastung auch eine patientenorientierte interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit unterstützen. In weiteren Studien sollen der klinische Nutzen der hier vorgestellten Ansätze untersucht werden, um die Behandlung älterer Krebsbetroffener weiter zu optimieren.

 

Es besteht kein Interessenkonflikt.

 

Dr. med. Heike Schmidt  

Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Med. Fakultät der Martin-Luther-Universität

(10)

Halle-Wittenberg,

Universitätsklinikum Halle (Saale) Magdeburger Straße 8

06112 Halle (Saale)  

Universitätsklinikum Halle (Saale), Department für Strahlenmedizin, Univ.-Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie

Ernst-Grube-Straße 40 06120 Halle (Saale)  

E-Mail: heike.schmidt2@uk-halle.de

ABSTRACT

H. Schmidt1,2, T. Nordhausen1, S. Roggendorf1, E. Shehu1, K. Lampe2, S. Stegmann3, D. Vordermark2. 1 Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Med. Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2 Universitätsklinikum Halle (Saale), Department für Strahlenmedizin, Univ.-Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie, Krukenberg Krebszentrum Halle (Saale), 3 Universitätsklinikum Halle (Saale), Arbeitsbereich Geriatrie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Krukenberg Krebszentrum Halle (Saale)

 

Older people with cancer are heterogeneous regarding their biological age, functioning, and comorbidities. Therefore individual ressources and risk factors should be identified and taken into

account for treatment planning and shared decision making with the patients. Aiming to adress individual complex health related problems, the combination of a geriatric assessment and repeated assessments of health related quality of life and patient-reported symptoms can inform the interdisciplinary

collaboration between oncologists and geriatricians and facilitate personalised supportive care for older people with cancer.

 

Keywords: Geriatric oncology, health related quality of life

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