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das Vietnamesische

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Academic year: 2022

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PROBLEME DER SPRACHMISCHUNG IN OSTASIEN

Von Heinrich Herrfahrdt, Marburg

Aus der Fülle der Fragen möchte ich hier zwei herausgreifen, denen ich im

Zusammenhang der Staatsentwicklung Ostasiens begegnet bin: 1. die

Verhältnisse bei der frühgeschichtlichen Entstehung von Staaten, 2. das

Vietnamesische .

Die Entstehung von Flächenstaaten, über kleine bäuerliche Gemein¬

schaften des Neolithikums hinaus, zeigt in Ostasien ebenso wie im Abend¬

land zwei entgegengesetzte Triebkräfte : 1. das Bedürfnis nach Ordnung in

bestimmten abgegrenzten Gebieten, zuerst besonders bei der Bewirt¬

schaftung des Wassers großer Ströme, 2. den Eroberungswillen, ausgehend

von den Reitervölkern Zentralasiens (Mac ICcnder: pivot of history). Die

Spannung zwischen Ordnungs- und Erobererstaaten und der von ihnen

geprägten Formen (Bürokratie - Lehnswesen) durchzieht seitdem die ganze

Staatengeschichte. In den Stromtalstaaten entsteht die Schrift, in den Er¬

obererstaaten die schnelle Übermittlung von Nachrichten durch Reiter-

staffetten (Post).

Nimmt man mit der - nicht beweisbaren - Überlagerungstheorie (GuM-

PLOWicz, Fk. Oppenheimbb, Rüstow) an, daß jede Herrschaft auf Über¬

lagerung beruht, z. B. in den Stromtalstaaten auf der stärkeren organisa¬

torischen Kraft der eindringenden Viehzüchter, so kann schon für diese

Zeit eine Sprachmischung vermutet werden. Deutlich ist sie bei der Über¬

lagerung von Bauern durch erobernde Reiterstämme. Hier können wir

meist beobachten, daß der Wortschatz der zahlenmäßig überlegenen Bauern

erhalten bleibt, ergänzt durch besondere Ausdrücke aus dem Leben der

Überschichter, daß aber die Syntax der Reiter als die vornehmere Sprech¬

weise auch die Volkssprache ergreift. Die Einheit der Syntax im ,, altaischen"

Bereich von den Türkvölkern bis zu den Japanern, so die konsequente

Attribut Voransetzung, bei völlig verschiedenem Wortschatz, beruht we¬

sentlich auf dem Vorbild der Herrenschicht. Auch das Chinesische dürfte,

ebenso wie das Tibetische, ursprünglich das Verbum ans Ende des Satzes ge¬

stellt haben, bis es, vielleicht aus einem logischen Bedürfnis (Ablaufwieder¬

gabc) zur Nachsetzung des Objekts übergegangen ist. Die Frage liegt nahe,

ob das Chinesische und Japanische vor der Überlagerung durch Reiter¬

völker das Attribut nachgesetzt haben, wie es im Khmer und im Malaischen

der Fall ist. Eine neolithische Bauernkultur vom Gelben Fluß bis Indo-

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1058 Heinbich Hebbfahbdt

nesien (Mattenkeramik im weiten Sinn) würde der These von Pater W.

Schmidt entsprechen, daß die Attribut-Nachsetzung zum pflanzerisch-

mutterrecht] ichen Kulturkreis gehört.

Können wir für Nordasien und China die prägende Kraft der Reitervölker

vermuten, so finden wir in Südostasien die umgekehrte Erscheinung: die

nach Süden vordringenden Thai übernahmen dort die Attribut-Nachsetzung

der Mon-Khmer-Sprachen, wohl im Zusammenhang der dortigen, letztlich

aus Indien stammenden Religionen, entsprechend dem Einfluß der sume¬

rischen Syntax auf Babylonier und Assyrer und dem vorindogermanischen

Substrat in der keltischen Syntax. Soziale und religiöse Gründe dürften

also die wichtigsten Paktoren sein, die zur Übernahme einer fremden Wort¬

stellung führen (Oberschichtsprache und sakrale Sprechweise).

Nun einiges über das Vietnamesische. Für das Verständnis der

Vorgänge im heutigen Vietnam wäre es wichtig, wenn wir ein geschlossenes

Bild der kulturgeschichtlichen Entwicklung gewinnen könnten. Dabei ist

auch die Sprachgeschichte von Bedeutung. Das Vietnamesische ist eine

Mischsprache. Äußerhch erscheint es dem Chinesischen verwandt : einsilbige,

unveränderliche Wörter, durch Töne unterschieden. Äuch die meisten

Wörter sind dem Chinesischen verwandt; aber die Zahlwörter und viele

Ausdrücke des täglichen Lebens, vermutlich die älteste Schicht des Wort¬

schatzes, entsprechen dem Khmer. Auch syntaktisch hat das Vietname¬

sische die Attribut-Nachsetzung des Khmer bewahrt; nur fertig übernom¬

mene chinesische Wortverbindungen zeigen die chinesische Wortstellung.

Je nach dem Einteilungsgesichtspunkt wird daher das Vietnamesische als

indochinesische Sprache auf schwacher Mon-Khmer-Grundlage oder als

chinesisch überfremdete Mon-Khmer-Sprache charakterisiert. Im Verhält¬

nis zu China ist wichtig, daß die Vietnamesen in ihrer ganzen Geschichte

unter starkem Einfluß der chinesischen Kultur und unter dem Vorbild der

chinesischen Staatsordnung gestanden haben, aber sich immer wieder gegen

die pohtische Abhängigkeit von China gewehrt haben.

Das alte Viet-Reich (Chines, yüet), das 333 v. Chr. dem chinesischen Chou-

Reich einverleibt wurde, umfaßte Fokien, Kwangtung und Kwanghsi und

dehnte sich allmählich bis Tonking aus (Nam-Viet). Wir haben uns gewöhnt,

die Sprachen der chinesischen Südprovinzen als chinesische Mundarten

anzusehen. Das ist aber nur insofern begründet, als sie mit Einbeziehung in

das chinesische Reich die chinesischen Schriftsprache erhalten haben. Ihre

Aussprache dürfte der der alten Thai, ihrer westlichen Nachbarn, näher¬

gestanden haben, wie auch heute viele Wörter im Kantonesischen und Thai

übereinstimmen (so die Zahlen säm = 3 und kao = 9).

So dürfte die älteste vietnamesische Sprache in Tonking als Mischung von

Khmer und der dem Thai verwandten Viet-Sprachen entstanden sein. Sie

hat sich im Mittelalter mit der schrittweisen Eroberung des Champa-Reiches

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Probleme der Sprachmiscbung in Ostasien 1059

und des zum Khmer-Reich gehörenden Mekong-Deltas über das ganze

heutige Vietnam ausgedehnt. Dabei sind aber die bisherigen Cham-Sprachen,

Mischungen von Khmer und Malaüsch, wie auch andere Sprachen von Berg¬

völkern nicht ganz verdrängt worden. Kulturell und religiös gehörten alle

Gebiete südlich von Tonking zum indischen Einflußgebiet, haben aber im

Vietnam-Reich an dessen chinesisch-konfuzianischer Prägung teilgenom¬

men.

So setzt sich die heutige Bevölkerung Vietnams aus sprachlich und kultu¬

rell sehr verschiedenartigen Gruppen zusammen. Die Richtungen des Bud¬

dhismus sind, bei starken Rivalitäten persönlicher und sozialer Art, teils

von Indien, teils von China her geformt worden und in ihren Eigenarten

schwer zu fassen. Staatssoziologisch gesehen ist Vietnam heute ein Beispiel für extremen Pluralismus; zur alten Vielgestaltigkeit der Sprachen, Stämme und Religionen kommt der moderne Pluralismus politischer und wirtschaft-

hch-sozialer Gruppenbildung. Die mangelnde Kenntnis und Berücksich¬

tigung dieser Vielfalt hat im Westen wie im Osten zu falschen Vorstellungen

von der Anwendbarkeit demokratischer Pormen in Wahlen und Abstim¬

mungen geführt. Ein einheitlicher Volkswille fehlt, und neue integrierende

Kräfte, die imstande wären, die verschiedenen Gruppen zu einer Einheit

zusammenzuführen, sind bisher nicht zu sehen. Das fällt besonders auf, da

Vietnam im 19. Jh. in den Jahrzehnten bis zur französischen Koloniali-

sierung, mehr als die meisten neuen Staaten Asiens und Afrikas Ansätze

zur Nationwerdung entwickelt hatte. Trotzdem sind heute noch keine Wege

zu sehen, wie das unglückliche Land ohne fremde Hilfe zu Ordnung und

Frieden gelangen könnte.

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Die Manuskripte folgender Vorträge lagen bei Redaktionsschluß nicht vor bzw. erscheinen an anderer Stelle :

DIE BEGRÜNDUNG DES ERZIEHUNGSDIREKTORATS

UNTER DEN NÖRDLICHEN SUNG ALS

INSTITUTIONSGESCHICHTLICHES PROBLEM

Von T. Grimm, Bochum

EINIGE ANMERKUNGEN ZUR INSTITUTIONALISIERUNG

DES KAMPAKU-AMTES

Von U. Kemper, Bochum

EINIGE BEMERKUNGEN ZUR

PI-CHI ALS GESCHICHTS QUELLE

Von H. Friese, Erlangen

DIE IRONISCHEN KRITIKER

DAS 126. KAPITEL DES SHIH-CHI

Von T. Pokora, Prag

Der Vortrag erscheint in der Festschrift für Jaroslaw Prü.sek

HUI-YÜANS UND TAO-SHENG'S THESE ÜBER DIE

BUDDHANATUR ALS ERGEBNIS DER EXEGESE

CHINESISCHER REZEPTIONSBEGRIFFE

Von R. G. Wagner, München

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