ERÖFFNUNGSANSPRACHE DES ERSTEN VORSITZENDEN
DER DEUTSCHEN MORGENLÄNDISCHEN GESELLSCHAFT
Von Hans Robert Roemer, Freiburg
Magnifizenz, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Im Namen der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft begrüße ich Sie
zur Eröffnungssitzung des XVIII. Deutschen Orientalistentages. Es gereicht
uns zur Ehre, als Vertreter des Kultusministeriums Herrn Leitenden Mini-
steriahat Dr. Janus unter uns zu begrüßen sowie den Rektor der Christian-
Albrecht-Universität, Magnifizenz Buchloh, und als Vertreter der Stadt
Lübeck den Herrn Senator Steinbrecher. Ich freue mich, alte Freunde zu
begrüßen, vor allem Herrn Ministerialrat Dr. Petersen vom Bundesministe¬
rium für Bildung und Wissenschaft und Herrn Dr. Treue von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft. Grüße und Wünsche habe ich auszurichten von
Herrn Dr. Coenen, dem Generalsekretär der Fritz Thyssen-Stiftung, der
seine ursprüngliche Absicht, unserer Versammlung beizuwohnen, hat aufge¬
ben müssen, sowie von Herrn Dr. Gambke, dem Generalsekretär der Stiftung
Volkswagen werk, der aus gesundheithchen Gründen der Versammlung fern¬
bleiben mußte, sich aber durch Herrn Dege vertreten läßt. Herzhch willkom¬
men heiße ich die ausländischen Mitgheder unserer Gesellschaft sowie Ge¬
lehrte aus einer Reihe naher und ferner Länder, die die Mühen einer Reise
nach Lübeck nicht gescheut haben. Der Landesregierung in Kiel ist für die
Unterstützung unserer Tagung zu danken, dem Herrn Rektor der Christian-
Albrecht-Universität sowie dem Prodekan der Medizinischen Akademie Lü¬
beck, Herrn Professor Dr. Berndt, für die Gastfreundschaft, die er uns in den
Räumen der Medizinischen Akademie Lübeck gewährt, und dem Rektor der
Fachhochschule für Technik und Seefahrt, Herrn Küchler, dafür, daß wir
diese Eröffnungsversammlung sowie einige weitere Veranstaltimgen hier
abhalten dürfen. Besonderer Dank gilt Herrn KoUegen Winter und seinen
Mitarbeitern für die Mühe, die sie mit der Vorbereitung dieser Tagung auf
sich genommen haben.
Die Orientalisten der Bundesrepubhk sind bei der Durchführung ihrer
wissenschaftlichen Aufgaben in vieler Hinsicht a\if materielle Unterstützimg angewiesen. Sie erhalten sie in erster Linie von den Landesregierungen.
Sobald es sich aber um außerordentliche Unternehmungen handelt - und
außerordenthch sind fast alle größeren Arbeitsvorhaben -, sind sie auf
andere Geldgeber angewiesen. Das ist das Bundesministerium für Bildung
und Wissenschaft, das sind Stiftungen, die sich die Förderung der geisteswis-
xn Hans Robert Roemeb
senschaftlichen Forschung angelegen sein lassen, besonders die Fritz Thys¬
sen Stiftung und die Stiftung Volkswagen werk. Vor allem aber ist es die
Deutsche Forschungsgemeinschaft, die nun schon seit Jahrzehnten für unse¬
re individuellen und seit einiger Zeit auch für unsere kollektiven Unterneh¬
mungen eintritt. Ich möchte im Namen der deutschen Orientalisten den
anwesenden Vertretern dieser Institutionen von Herzen danken und sie
bitten, unsern Dank auch ihren Dienstherren oder Leitungsgremien zu über¬
mitteln.
Meine Damen und Herren !
Der Deutschen Morgeniändischen GeseUschaft obliegt nach ihren Satzungen
die Einberufung des Deutschen Orientalistentages. Nun schon seit fünfzig
Jahren - genau genommen sogar etwas länger: Nach einem Beschluß der
außerordenthchen Versammlung vom 7. Januar 1921 sollte nämlich die bis
dahin in Verbindung mit der aUgemeinen Versammlung übliche Vortragsver¬
anstaltung oder wissenschaftliche Tagung in den Deutschen Orientahstentag
umgewandelt werden, was dann auch erstmahg im Herbst desselben Jahres
in Leipzig geschah.
Wenn unsere diesjährige Zusammenkunft auch erst die Ordnungsnummer
achtzehn trägt - nicht fünfundzwanzig, wie hei dem vorgesehenen Zweijah¬
resrhythmus eigenthch zu erwarten -, so sind die Impulse, die von dieser
Einrichtung auf die verschiedenen in unserer Gesellschaft vertretenen Ar¬
beitsgebiete ausgegangen sind, beaehthch. Das zeigen die Berichte über die
Orientahstentage, zuletzt die drei Bände mit den Akten von Würzburg.
Es ist aber nicht nur die Information, der Gedankenaustausch, das Gespräch
und die fruchtbare Diskussion, also der unmittelbare wissenschaftliche Er¬
trag, den wir unseren Tagungen danken, sie haben auch noch andere Ergeb¬
nisse, nämlich Auswirkungen auf das Zustandekommen und don Fortgang
imserer großen Unternehmungen, nicht nur derjenigen der Deutschen Mor¬
geniändischen GeseUschaft, sondern auch der deutschen Orientalistik oder,
moderner ausgedrückt, der deutschen Asien- und Afrikaforschung über¬
haupt. Als Beispiele für manche andere sei nur erinnert an so verschiedene
Aktivitäten wie die Katalogisierung orientahscher Handschriften in
Deutschland, die Tätigkeit der Helmuth von Glasenapp-Stiftung oder das
Beiruter Orient-Institut.
Das sind einige von den Einrichtungen, die schon im Gange sind. Es gibt
aber noch andere Desiderata, deren Verwirklichung noch aussteht. Sie wer¬
den uns nicht in den Schoß faUen, und es wird unserer vereinten Anstrengun¬
gen bedürfen, sie durchzusetzen. Ich denke an das so dringend notwendige
Indien-Institut oder an ein zentrales Institut für besondere Forschungsauf¬
gaben, die an den Universitäten bisher nicht durchgeführt werden und wohl
Eröffnungsansprache xni
auch m Zukunft nicht durchgeführt werden können, darunter die gegen¬
wartsbezogene Orientforschung oder - um ein spezielles Projekt meines
Faches zu nennen - das Wörterbuch der Klassischen Arabischen Sprache.
Ich glaube, daß die Orientalistentage zur Verwirkhchung derartiger Ziele,
für die sie in der Vergangenheit nützlich waren, auch in Zukunft beitragen
können. Mögen die einzehien Disziplinen, mit denen wir uns beschäftigen,
sich auch noch so sehr differenziert haben, es bleiben viele und wichtige
Aufgaben, die wir am besten gemeinsam bewältigen können. So wie wir an
den Universitäten in Fakultäten und Fachbereichen oder Abteilungen als
Orientahsten, gleichviel welcher Fachrichtungen, am besten gemeinsam unse¬
re Ziele erreichen können, bedürfen wir auch der Kooperation im bundes¬
deutschen Zusammenhang.
Erlauben Sie mir, auf das Beispiel der Japanologie oder der Turkologie zu
verweisen, beides sind natürlich große Fächer - wer Gelegenheit hat, japani¬
sche oder türkische Universitäten zu besuchen, wird sich mühelos davon
überzeugen können -, an deutschen Universitäten müssen sie aber, einerlei
aus welchen Gründen, einstweilen noch hinter Germanistik und Anghstik
zurückstehen, und ihre Vertreter können sich, um mit den Worten eines
meiner japanologischen Fachgenossen zu sprechen, nur mit leiser Stimme zu
Wort melden. Wenn beide Fächer aber seit einiger Zeit bei uns einen gewis¬
sen Stellenzuwachs erfahren haben - ich räume ein: nur einen gewissen,
längst noch nicht den erforderlichen -, so danken sie ihn nicht nur den
Bemühungen der Japanologen und Turkologen, sondern sicher auch der
Solidarität ihrer Nachbarfächer, in der Regel orientahstischer Fächer. Es ist
dieselbe Sohdarität, der die Deutschen Orientahstentage zu verdanken sind,
für die sich im Lauf von fünfzig Jahren immer wieder Organisatoren gefun¬
den haben, uneigennützige Pachgenossen, die die Mühen des Einsatzes für
andere nicht gescheut haben.
Meine Damen und Herren ! Zur Eröffnung eines Orientahstentages sind
einige Worte über die Lage der teilnehmenden Fächer am Platze. Daß bei der
derzeitigen Situation der deutschen Universitäten, die verschiedenen Diszi¬
plinen, die wir vertreten, keine rosigen Zeiten erleben, bedarf keiner näheren
Ausführungen. Ich bin denn auch nicht in der Lage, Widerspruch anzumel¬
den gegen die Äußerung eines diesem Bundesland besonders nahestehenden
prominenten Politikers, der vor einiger Zeit die unzulängliche staathche
Förderung der Orientahstik hervorhob . . .
Wo uns der Schuh drückt, das habenwirineiner Denkschrift näher ausge¬
führt, die soeben erschienen ist. Ihren Inhalt hier wiederzugeben, wäre ein zu
zeitraubendes Geschäft. Zudem wird sicher Gelegenheit sein, im Verlauf
unserer Tagung den einen oder anderen darin behandelten Punkt noch
eingehender zu erörtern und nach Wegen zu suchen, wie dringenden Nöten
und Mängeln abgeholfen werden karm.
XIV Hans Robert Roemeb
Bei der Vorbereitung unserer Denkschrift ist mir aufgefallen, daß Pach¬
genossen so gut wie aller Disziplinen die Notwendigkeit gegenwartsbezoge¬
ner Studien hervorhoben. Entsprechende Wünsche wurden nicht etwa nur
von denjenigen Kollegen geäußert, deren Arbeitsgebiet gewissermaßen in die
Gegenwart hineinragt, also Indologen, Iranisten, Arabisten, Sinologen usw.,
sondern sogar von den Vertretern altorientalischer Arbeitsgebiete, z. B.
Assyriologen und Ägyptologen. Insofern deckt sich also die communis opinio
der Wissenschaft mit Auffassungen, die seit Jahren immer wieder in der
Presse ausgesprochen werden.
Es hegt auf der Hand, daß mit diesem Wimsch naeh dem Verständnis der
Gegenwart asiatischer und afrikanischer Länder nicht der Verzicht auf das
philologische und historische Rüstzeug gemeint sein kann. Die Presse orien¬
talischer Länder und ihre moderne Literatur sind nun einmal ohne die
Kenntnis der betreffenden Sprachen nicht zu verstehen imd auch nicht ohne
das jeweihge kulturgeschichtliche Hintergrundwissen. Das ist aber nur eine
Seite des Problems. Orientahstische Ausbildung allein macht noch keinen
Orientkaufmann, keinen Orientjournahsten, keinen Orientdiplomaten. Erst
durch die Hinzunahme weitergehender Ausbildungsgänge, sei es sozialwis-
senschafthcher, wirtschaftswissenschafthcher, geographischer und vielleicht
sogar agrarwissenschafthcher und technischer Ausbildungsgänge, läßt sich
das Problem wirkhch lösen.
Es ist das Verdienst der Stiftung Volkswagenwerk, die hier liegenden
Schwierigkeiten erkannt und mit Versuchen zu ihrer Lösung begonnen zu
haben. Der Anfang hegt schon einige Jahre zurück, als ein Programm
,, gegenwartsbezogene Ostasienwissenschaften" eingeleitet wurde. Ich be¬
diene mich gern der Gelegenheit dieser Versammlung, auf ein Programm zur
gegenwartsbezogenen Islamkunde und ihr nahestehender orientahstischer
Disziphnen hinzuweisen, dessen Förderung die Stiftung Volkswagen werk
kürzlich beschlossen hat und dessen Verwirklichung jetzt gerade einsetzt. Es
richtet sich auf solche Studien- und Ausbildungsverbindungen zwischen
orientahstischen und anderen Fächern, von denen ich soeben sprach. Ange¬
sichts der in diesem Zusammenhang vor kurzem von so vielen Fachgenossen
geäußerten Wünsche möchte ich der Stiftung Volkswagenwerk an dieser
Stelle für den großzügigen und mutigen Entschluß danken, den sie mit
diesem Vorhaben gefaßt hat. Ich verbinde damit die Hoffnung, daß die
sachhch betroffenen Fachgenossen bei der Durchführung dieses Programms
im Rahmen ihrer Möghchkeiten hilfreiche Hand leisten, damit eine solche
Chance auch genutzt werden kann. Natürhch richtet sich dieses Programm
nicht auf die Förderung der Orientalistik im engeren Sinne. Doch kann es
den Arabisten, den Turkologen, den Iranisten und den Islamisten nicht
gleichgültig sein, ob es für ihre Studenten erstrebenswerte Berufsaussichten
dieser Art gibt oder nicht. Und ohne ihr Dazutun dürfte das Vorhaben, das
Eröffnungsansprache XV
nicht zwangsläufig zum Ziel führen muß, kaum wirkliche Erfolgsaussichten
haben. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß eine erfolgreiche
Durchführung des Programms außer praktischen auch wissenschaftliche
Ergebnisse bringen kann, an denen viele von uns interessiert sind, etwa im
Rahmen der auch in unseren Arbeitsgebieten stärker in den Vordergrund
rückenden Regionalstudien.
Ich eröffne den XVIII. Deutschen Orientahstentag und spreche dabei die
Bitte aus, die hier vereinigten Vertreter der Orientalistik, der Asien- und
Afrikaforschung möchten die schon so oft bewiesene Sohdarität xmd die über
die Grenzen der einzehien Arbeitsgebiete hinaus bewährte Zusammenarbeit
auch diesmal wieder zur Devise ihrer Verhandlungen machen.
DAS ORIENT-INSTITUT DER DMG IN BEIRUT -
EXPERIMENT ODER MODELL ?
Von Stefan Wild, Beirut
Was ich Ihnen heute vortragen will, sind einige Gedanken zur grundsätz¬
hchen Bedeutung und Problematik des Orient-Instituts der DMG in Beirut,
wie sie mir während der vier Jahre gekommen sind, da ich die Ehre und die
Freude hatte, dort Duektor zu sein. Erwarten Sie also bitte keine detailherte Rechenschaftsablegung, erst recht auch keine Bilanz eines Erfolges, fürchten
Sie nicht eine Fülle von Zahlen und Daten. Lassen Sie sich vielmehr etwas
von denjenigen Problemen imseres Instituts berichten, die - wie ich meme -
für etwaige Neugründungen ähnlicher Institute wichtig sind. Diese Schwie¬
rigkeiten sagen außerdem etwas darüber aus, was ich die Entwicklung des
orientahstischen Bewußtseins nennen möchte - wenn Sie mir diesen hege-
hanisch eingefärbten Ausdruck erlauben. Ich möchte Ihnen diese Probleme
allerdings nicht formal abstrakt vortragen, sondern so, wie sie sich konkret
stellen, wie sie im Behauter Institut zu lösen sind, auf dem Hintergrund des
Stückes Orient, auf dem sich unser Institut befindet.
Ich muß zu diesem Zweck einiges über Situation und Geschichte des
Instituts sagen. Dabei möchte ich möghchst wenig Namen nennen, auch die
Namen derer nicht, die sich um das Institut am meisten verdient gemacht
haben. Wer sich für die Geschichte des Instituts im Detail interessiert, sei auf
die jährhch m der ZDMG erschemenden Jahresberichte der Institutsdhek-
toreii verwiesen. Weiter möchte ich von vornherein um Verständnis bitten,
wenn sich eine gewisse Subjektivität m meine Ausführungen einschleicht.
Ich bin dem Institut zu nahe, um vollkommen distanziert darüber reden zu
können.
Das Institut wurde 1961 gegründet. Der wu-tschafthche Boom, den die
Bundesrepubhk damals erlebte, kam bekanntlich auch der Orientahstik,
ihren Seminar bibhotheken und ihren Lehrstühlen zugute. Wie Sie wissen,
wird unser Institut vollständig aus Älitteln des Bundesministeriums für
Bildung und Wissenschaft finanziert. Unser letzter Institutshaushalt behef
sich auf rund 550000 DM. Unsere Zusammenarbeit mit den Behörden ist
stets in einer freundlichen und sachlichen Atmosphäre vor sich gegangen.
Wir haben insbesondere nie das Gefühl gehabt, bevormundet zu werden. Das
Bildungs- und Wissenschaftsministerium hat sich in vorbildhcher Weise
niemals m personelle oder wissenschafthche Entscheidungen eingemischt.
Die deutsche Industrie hat uns ebenfalls tatkräftig und großzügig unter-