Das diesem Dokument zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
unter dem Förderkennzeichen 16OH21005 gefördert.
Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt
beim Autor/bei der Autorin.
Bachelor/ Master IT Business Management BI 02/16 Rechtsanwalt Prof. Dr. Florian Heinze
1 Das Zustandekommen von Verträgen
Fall 1
K ist Jurastudent im ersten Semester. Um sich möglichst gründlich auf den Credit-Point Schein Zivilrecht vorzubereiten, beschließt er, einen „Palandt“ zu erwerben. Dazu begibt er sich zum Buchladen des V, in dessen Schaufensterauslage er den gewünschten Kommentar entdeckt. Laut Preisschild soll er 19,- EUR kosten.
K betritt den Laden und teilt dem Inhaber V mit, den Palandt zum angegebenen Preis kaufen zu wollen. Bedauerlicherweise stellt sich heraus, dass dem Angestellten des V bei der Preisauszeichnung ein Versehen passiert ist. Der Palandt kostet natürlich 79,- EUR, was V dem K auch umgehend mitteilt.
K, der durch den Besuch der Einführungsveranstaltung im Zivilrecht bereits fundiertes juristisches Wissen angehäuft hat, verlangt die Erfüllung. Dazu sei V „schließlich aufgrund des soeben abgeschlossenen Vertrages“ verpflichtet. V weigert sich, K den Kommentar zum Preis von 19,- EUR zu überlassen.
Wie ist die Rechtslage?
Fall 2
Der Nachtclubbesitzer N befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten.
Er beschließt, diesem Missstand mit Hilfe der Gäste Xaver (X), Yannik (Y) und Zacharias (Z) abzuhelfen. Er setzt drei Verträge auf, die jeweils zum Inhalt haben, dass der Vertragspartner eine Kiste feinsten Champagners zum „Freundschaftspreis“ von 5000,- EUR erwerbe. Der des Schreibens kundige und vor allem schlagkräftige Angestellte A wird beauftragt, für die erforderlichen Unterschriften zu sorgen.
X ist – wie immer – volltrunken und an seinem Tisch eingeschlafen. A legt ihm einen Kugelschreiber in die Hand und setzt so die Unterschrift des X unter den Vertrag, ohne dass dieser aufwacht.
Y – ausnahmsweise völlig nüchtern – ist nicht bereit, zu unterschreiben. A belehrt ihn eines Besseren, indem er seine Hand packt, einen Kugelschreiber hineinsteckt und trotz heftigster Gegenwehr des Y dessen Namen unter den Vertrag setzt.
Beim schreckhaften Z reicht bereits die Androhung von Gewalt, um ihn zum Unterschreiben zu bewegen.
Nunmehr verlangt N Zahlung, schließlich habe er drei Verträge – und diese sogar schriftlich.
Wie ist die Rechtslage?
Bachelor/ Master IT Business Management BI 02/16 Rechtsanwalt Prof. Dr. Florian Heinze
2 Fall 3
Der etwas trottelige Stadtmensch K, der seine Freizeit überwiegend damit verbringt, Sportsendungen im Fernsehen anzuschauen, beschließt, etwas für seine kulturelle Bildung zu tun und daher eine Kunstauktion aufzusuchen.
Er betritt die Auktionshalle, in welcher der Auktionator V gerade ein besonders schönes Gemälde zum Kauf anbietet. K entdeckt in diesem Augenblick voller Freude seinen alten Schulfreund S, dem er heftig zuwinkt, nicht ahnend, dass das Heben der Hand ein Gebot darstellt. V erteilt dem K den Zuschlag.
Muss K den Kaufpreis zahlen?
Fall 4
K beschließt, ein Lexikon der jüngeren deutschen Geschichte zu erwerben. Ein interessantes Angebot der V-GmbH entdeckt er in einer Fernsehzeitung. Die beiliegende Bestellkarte füllt er vollständig aus, beschließt dann aber, auf die Absendung noch zu verzichten und stattdessen zunächst einen Buchladen aufzusuchen, um Vergleichspreise zu ermitteln.
Die Reinigungsfachkraft des K entdeckt dessen Bestellkarte auf dem Schreibtisch und ist der Auffassung, dieser habe vergessen, sie in die Post zu geben. Nett, wie sie ist, sendet sie die Karte ab.
Leider hat K bereits ein wesentlich preiswerteres Lexikon entdeckt und keinerlei Interesse mehr. Die Reinigungsfachkraft teilt K abends mit, dass sie die Bestellkarte abgesendet habe. K ärgert sich und ruft zwei Tage später bei der Hotline des Versandhändlers an.
Auf Nachfrage des K erklärt die Dame an der Service-Hotline: „Woher sollen wir denn wissen, dass sie eigentlich die Karte gar nicht absenden wollten? Aus unserer Sicht ist ein Vertrag zustande gekommen. Sie müssen zahlen. Das Lexikon ist bereits unterwegs“.
Wie ist die Rechtslage?
Bachelor/ Master IT Business Management BI 02/16 Rechtsanwalt Prof. Dr. Florian Heinze
3 Fall 5
V bietet dem K am 01.03. einen Sack Kartoffeln zum Preis von 10,- EUR an. Das Angebot ist bis zum 15.03. befristet. K geht auf das Angebot ein und übersendet dem V eine Annahmeerklärung per Post.
Der Briefträger wirft das Schreiben am 06.03. bei V in den Briefkasten. Bedauerlicherweise ist der V jedoch schwer erkrankt und befindet sich im Krankenhaus. Erst am 20.03. kommt er nach Hause zurück. Die Kartoffeln will er jedoch nicht mehr verkaufen, da er bis zum 15.03. nichts empfangen habe.
Kann K Übereignung der Kartoffeln verlangen? Wäre es anders, wenn er die Karte am 15.03.
persönlich um 23.30 Uhr in den Briefkasten geworfen hätte?
Fall 6
V verkauft dem K in notarieller Urkunde die Parzelle Nr. 185 in der Gemeinde G. In Wirklichkeit waren sich beide Parteien darüber einig, dass die Parzelle Nr. 158 verkauft werden sollte.
Später verlangt K von V die Übereignung der Parzelle Nr. 158.
Mit Recht?