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Studien zum Alltag in Konstanz 1945-1949

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Geisteswissenschaftliche Sektion Fachgruppe Geschichte

Studien zum

Alltag in Konstanz 1945-1949

Wissenschaftliche Arbeit

im Rahmen der Landeslehrerprüfung für das Lehramt an Gymnasien

Eingereicht im Februar 2003 von

Hanna Sophia Reich Bernhard-Göring-Str. 155

04277 Leipzig

Prüfer: Prof. Dr. Lothar Burchardt

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INHALT

Abkürzungsverzeichnis ...5

Anmerkungen zur Zitierweise ...5

EINLEITUNG...7

a. Thema der Arbeit ...7

b. Quellenlage...8

c. Forschungsstand...9

d. Zielsetzung und Gliederung der Arbeit ...11

I. LEBEN UNTER MANGELBEDINGUNGEN...13

1.1 URSACHEN DES MANGELS ... 13

1.1.1 Globale Ursachen ...13

1.1.2 Spezifisch deutsche Ursachen ...14

1.1.2.1 Kriegszerstörungen...14

1.1.2.2 Wirtschaftspolitik der Alliierten...17

1.1.3 Zonenspezifische Ursachen: Die französische Zone ...24

1.1.3.1 Ausgangslage und ökonomische Struktur der FBZ...24

1.1.3.2 Die französische Deutschland- und Wirtschaftspolitik ...26

1.1.4 Lokale Ursachen: Konstanz...29

1.1.4.1 Die Ausgangslage ...30

1.1.4.2 Requisitionen und Demontage...33

1.1.4.3 Alltagssorgen der Bevölkerung ...35

1.2 ORGANISATION DES MANGELS... 45

1.2.1 Das NS-Bewirtschaftungssystem ...45

1.2.2 Die Übernahme des NS-Bewirtschaftungssystems durch die Alliierten ...46

1.2.3 Die Bewirtschaftung in der FBZ ...46

1.2.4 Organisation des Mangels auf lokaler Ebene: Konstanz ...47

1.2.4.1 Aufgaben des WEA Konstanz...48

1.2.4.2 Städtische Maßnahmen zur Organisation des Mangels...50

1.3 FRAUENALLTAG IN ZEITEN DES MANGELS ... 53

1.3.1 Hausarbeit unter Nachkriegsbedingungen...54

1.3.2 Erweiterung der Hausarbeit ...59

1.3.3 Wertung der Frauenarbeit...61

II. LEBEN OHNE MÄNNER ...63

2.1 VIERZONENGEBIET ... 63

2.1.1 Flüchtlinge und Kriegsgefangene...63

2.1.2 Veränderungen in der Alters- und Geschlechtsstruktur ...64

2.2 FRANZÖSISCHE ZONE... 65

2.2.1 Flüchtlinge, Evakuierte und Kriegsgefangene...65

2.2.2 Veränderungen in der Alters- und Geschlechtsstruktur ...66

2.3 KONSTANZ ... 67

2.3.1 Flüchtlinge, Evakuierte und Kriegsgefangene...67

2.3.2 Veränderungen in der Alters- und Geschlechtsstruktur ...68

2.4 ALLTAG OHNE MÄNNER... 69

2.4.1 Frauenerwerbstätigkeit ...70

2.4.2 Veränderungen in den Familienstrukturen ...74

(4)

III. LEBEN MIT DEN BESATZERN...79

3.1 AUFBAU DER FRANZÖSISCHEN MILITÄRREGIERUNG ... 79

3.1.1 Aufbau der Militärregierung auf Zonenebene ...79

3.1.2 Aufbau der Militärregierung auf lokaler Ebene: Konstanz ...81

3.2 ALLTAG UNTER BESATZUNG ... 82

3.2.1 Der 26. April 1945: ‚Stunde Null‘ in Konstanz...82

3.2.2 Unsicherheit, Rechtlosigkeit und Informationsmangel ...84

3.3 DIE BESATZUNG IN DEN AUGEN DER BEVÖLKERUNG ... 90

3.3.1 Ablehnung und Selbstmitleid ...91

3.3.2 Persönliche Kontakte...94

3.4 FRANZOSEN UND FRAUEN... 96

3.4.1 Die Besatzer in den Augen der Frauen...96

3.4.2 Deutsch-französische Paare...97

3.4.3 Uneheliche Geburten ...99

3.4.4 Vergewaltigungen, Abtreibungen, Geschlechtskrankheiten ...101

3.4.5 Diffamierung der „Franzosenliebchen“...103

SCHLUSS...107

BIBLIOGRAPHIE ...109

A. QUELLEN ... 109

A.1 Ungedruckte Quellen ...109

A.2 Gedruckte Quellen ...109

B. SEKUNDÄRLITERATUR... 110

B.1 Monographien ...110

B.2 Sammelbände...112

B.3 Aufsätze ...113

ERKLÄRUNG ...119

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Abkürzungsverzeichnis

ABZ Amerikanische Besatzungszone BBZ Britische Besatzungszone

CCFA Commandement en Chef Français en Allemagne d.V. die Verfasserin

Ebd. Ebenda f. folgende Seite ff. folgende Seiten

FBZ Französische Besatzungszone Fn. Fußnote

GMZFO Gouvernement Militaire pour la Zone Française d’Occupation Hg. Herausgeber

Hgg. Herausgeber (plural) LEA Landesernährungsamt LWA Landeswirtschaftsamt NV Normalverbraucher OB Oberbürgermeister

SBZ Sowjetische Besatzungszone StA KN Stadtarchiv Konstanz

Vgl. Vergleiche

WEA Wirtschafts- und Ernährungsamt ZP Zuteilungsperiode

Anmerkungen zur Zitierweise

Bei Erstnennung steht die vollständige bibliographische Angabe. Z.B. Griesinger, Annemarie.

1995. Erinnerungen an das Kriegsende 1945. Schwäbischer Heimatkalender 106, 39-41.

Bei allen weiteren Nennungen werden nur noch Autor, Erscheinungsjahr und Seitenzahl aufgeführt. Z.B. Griesinger 1995:40.

Hat ein Autor mehrere Arbeiten mit gleichem Erscheinungsjahr veröffentlicht, stehen nach dem Erscheinungsjahr lateinische Lettern. Z.B. Klöckler 1995a = Klöckler, Jürgen. 1995a.

Die Stadt Konstanz in der unmittelbaren Nachkriegszeit (1945-1947). Aspekte der Wirtschafts-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte. Montfort 47, 216-230. Klöckler 1995b = Klöckler, Jürgen. 1995b. Zivilbevölkerung und französische Besatzung am Bodensee im Jahr 1945. Rorschacher Neujahrsblatt 85, 31-36.

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Einleitung

a. Thema der Arbeit

Thema der vorliegenden Arbeit ist der Nachkriegsalltag unter französischer Besatzung in der südbadischen Kleinstadt Konstanz am Bodensee.1 Ausgehend von der globalen und der gesamtdeutschen Situation nach 1945 soll dargestellt werden, welchen Bedingungen der Nachkriegsalltag in Konstanz unterworfen war, mit welchen Problemen sich die Konstanzer Bevölkerung konfrontiert sah, welche Ursachen diese Probleme hatten und wie sie gelöst wurden. Besondere Beachtung sollen dabei die Frauen finden, da ihr Alltag in außergewöhnlich hohem Maße von den Bedingungen der Nachkriegszeit geprägt wurde.

‚Alltagsgeschichte‘ wird hier als Geschichte der Sorgen und Nöte der ‚kleinen Leute‘

verstanden, als Geschichte ihrer Erfahrungen, ihrer Einstellungs- und Handlungsweisen, ihrer Lebens- und Aktionsformen, ihrer Ängste und Ressentiments.2

In einer so verstandenen Alltagsgeschichte der Nachkriegszeit kommt dem Aufbau der Parteien und Verbände wenig Bedeutung zu. Angesichts der katastrophalen materiellen Lage der Nachkriegsjahre fanden die Anstrengungen deutscher und alliierter Verantwortlicher zum demokratischen Aufbau Deutschlands3 in den Gedanken der Zeitgenossen nur wenig Widerhall.4 Ebenso wenig Interesse brachten die meisten Menschen der durchaus beachtenswerten französischen Kulturpolitik sowie den französischen Bemühungen zur Reformierung der Sozialpolitik oder dem französischen Sonderweg in der Entnazifizierung entgegen. All diesen Bereichen wird daher im Folgenden nur wenig Platz eingeräumt werden.5

Der zeitliche Rahmen der Arbeit umspannt die Jahre 1945 bis 1949. Dies entspricht den Jahren zwischen der Besetzung Deutschlands und der Gründung der beiden deutschen Staaten

1 ‚Baden‘ bzw. ‚Südbaden‘ werden im Folgenden synonym verwendet, da sich während der Besatzungszeit lediglich der Südteil Badens unter dem Namen ‚Baden‘ unter französischer Besatzung befand. Nord-Baden befand sich unter amerikanischer Besatzung. Vgl. Kapitel 3.3.1.

2 Wolfrum, Edgar, Peter Fäßler & Reinhard Grohnert. 1996. Einleitung: Besatzungszeit als Erfahrung von Alltag und Politik. In: Wolfrum, Edgar, Peter Fäßler & Reinhard Grohnert (Hgg.). 1996. Krisenjahre und Aufbruchszeit. Alltag und Politik im französisch besetzten Baden 1945-1949. München: Oldenburg, 9-15. (=

Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland, 3), hier 14. Einen Überblick der neueren Forschung zur Alltagsgeschichte geben ebd. Fn. 19-21.

3 Ist im Folgenden von ‚Deutschland‘ die Rede, ist damit das Gebiet der vier Besatzungszonen 1945-1949 gemeint. Für die Zeit vor 1945 wird der Terminus ‚Deutsches Reich‘ benutzt.

4 Wolfrum, Edgar. 1996a. Selbsthilfe gegen Resignation und Franzosenfeindschaft. Antifas und Gewerkschaften.

In: Wolfrum, Edgar, Peter Fäßler & Reinhard Grohnert (Hgg.). 1996. Krisenjahre und Aufbruchszeit. Alltag und Politik im französisch besetzten Baden 1945-1949. München: Oldenburg, 53-74. (= Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland, 3), hier 64.

5 Den neuesten Forschungsstand zu Politik, Entnazifizierung und Sozialreformen geben wieder: Wolfrum, Edgar, Peter Fäßler & Reinhard Grohnert (Hgg.). 1996. Krisenjahre und Aufbruchszeit. Alltag und Politik im französisch besetzten Baden 1945-1949. München: Oldenburg. (= Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland, 3).

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im Jahre 1949. Dieser politisch definierte Rahmen mag für die alltagsgeschichtliche Ausrichtung dieser Arbeit unpassend erscheinen, doch decken sich sowohl 1945 als auch 1949 Ereignis- und Alltagsgeschichte. Mit der Besetzung Deutschlands - in Konstanz am 26.

April 1945 - begann für die Bevölkerung eine harte und entbehrungsreiche Zeit. Die alliierte Besatzungspolitik wirkte in hohem Maße in den Alltag der Menschen hinein, und die Anwesenheit der Besatzer strukturierte das tägliche Leben. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war Westdeutschland zumindest in Teilen zu einem souveränen Staat geworden. Der Einfluss der alliierten Besatzungspolitik auf den Alltag der Bevölkerung nahm damit rapide ab. Gleichzeitig entspannte sich sowohl die globale als auch die deutsche Wirtschaftslage, so dass das Ende des den Nachkriegsalltag prägenden Mangels abzusehen war.

b. Quellenlage

Seit der Öffnung der französischen Archive Ende der 1980er Jahre kann die Quellenlage zur französischen Besatzungszeit als reichhaltig bezeichnet werden.6 Die Colmarer Quellen fanden aufgrund der alltagsgeschichtlichen Ausrichtung dieser Arbeit allerdings keine Verwendung. Als sehr ergiebig für die Fragestellung dieser Arbeit erwiesen sich die S II Bestände im Konstanzer Stadtarchiv. Die entsprechenden Akten erhellten in besonderer Weise die Alltagssorgen der Konstanzer Bevölkerung und die städtischen Bemühungen zur Organisation des Nachkriegsalltags.7 Die Auswahl der benutzten Akten erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Angesichts der thematischen Breite der vorliegenden Arbeit konnten die Bestände des Stadtarchivs nur bedingt systematisch ausgewertet werden. Bei allen verwendeten Akten handelt es sich demnach um Zufallsfunde. Dies gilt auch für alle weiteren Konstanzer Quellen. Einen guten Einblick in die alltäglichen Sorgen und Nöte der Konstanzer Bevölkerung gab das bisher unveröffentlichte Tagebuch des Konstanzer Zeichenlehrers H.8 Hier sei Herrn Prof. Dr. Burchardt herzlichst für die freundliche Leihgabe gedankt. Das Tagebuch fand neben diversen Erinnerungsberichten Konstanzer Bürger in allen Kapiteln der Arbeit Verwendung.9

6 Wolfrum, Edgar. 1989. Das französische Besatzungsarchiv in Colmar. Quelle neuer Einsichten in die deutsche Nachkriegsgeschichte 1945-55. Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 40, 84-90.

7 Vgl. Kapitel 1.1.4.3 und 1.2.4.

8 Tagebuch H., Privatarchiv Prof. Dr. Lothar Burchardt, Universität Konstanz.

9 Beck, Alois. 1950. Donnerstag, den 26. April 1945. In: Stadtrat Konstanz (Hg.). 1950. Unser Konstanz. Ein Heimatbuch. Konstanz: o.V., 33-38; Griesinger, Annemarie. 1995. Erinnerungen an das Kriegsende 1945.

Schwäbischer Heimatkalender 106, 39-41; Hanloser, Manfred. 2000. Kriegsende in Konstanz. Erlebnisse um den Tag des Einmarsches der Franzosen in Konstanz am 26. April 1945. Badische Heimat 80, 528-532; Nägele, Karl Leo. 1988. Vor und nach der »Stunde Null«. Eine Plauderei. In: Maurer, Helmut (Hg.). 1988. Die Grenzstadt Konstanz 1945. Konstanz: Südkurier, 41-64; Schäfer, Franz. 1997. Petershauser Kindertage zwischen Vor- und Nachkriegszeit. In: Delphin Kreis (Hg.). 1997. Das Delphin Buch 5. Rund um Konstanz ... und dort selbst.

(9)

c. Forschungsstand

Die Geschichte der französischen Besatzungszone (FBZ) war lange ein Stiefkind der Forschung. Die FBZ war nicht nur die kleinste und bevölkerungsärmste, und daher uninteressanteste Zone, angesichts der bis weit in die Bundesrepublik hinein bestimmende Politik der angloamerikanischen Alliierten schien eine eingehendere Beschäftigung mit der FBZ auch wenig lohnenswert. Sie wurde zur „vergessenen Zone“.10 Bis Ende der 1970 blieb die FBZ, von einigen Ausnahmen abgesehen, weitgehend unbeachtet.11 Hier ist vor allem die Arbeit von F. Roy Willis zu nennen, die nach wie vor als Standardwerk angesehen werden kann.12

Im Zuge der intensiveren Beschäftigung mit der deutschen Nachkriegsgeschichte seit Ende der 1970er Jahre erhielt die FBZ erstmals einige Beachtung. 13 Bestimmend für diese Phase in der Forschung war die überaus negative Bewertung der französischen Besatzungspolitik. Die durchaus erkannten Leistungen der französischen Besatzungspolitik, etwa in der Kulturpolitik, erschienen vor der als außerordentlich restriktiv bewerteten französischen Wirtschaftspolitik lediglich als „accessoire“.14 Als Hauptvertreter dieser Forschungsrichtung gilt Klaus-Dietmar Henke.15

Mit der Öffnung der Colmarer Archive begann eine intensivere Auseinandersetzung mit der Geschichte der FBZ. Die Erkenntnisse, die aus den neu zugänglichen Quellen gezogen werden konnten, hatten eine weitgehende Revision in der Bewertung der französischen Besatzungspolitik zur Folge. Sie erschien nicht länger als unbarmherzige Ausbeuterpolitik, sondern als in allen Bereichen durchaus eigenständige, von den USA unabhängige und zukunftsweisende Politik.16 Hier ist vor allem die Habilitationsschrift von Rainer Hudemann

Konstanz: Labhard, 133-146. (= Konstanzer Beiträge zu Geschichte und Gegenwart. Neue Folge, 5); Sutter, Willi. 1989. 26. April 1945, neun Uhr. In: Geschichte und Geschichten aus Konstanz, Constanz und Constance.

Konstanz: Südkurier, 64-68; Zang, Gert. 1995. Margarete Dittrich - Briefe an die Mutter, Alltag auf der Insel Reichenau 1945-1947. Rorschacher Neujahrsblatt 85, 37-42.

10 Dieser Ausdruck wurde bereits 1947 von der ‚Süddeutschen Zeitung‘ geprägt. Vgl. Wolfrum, Edgar. 1990.

Französische Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945. Neuere Forschungen über die „vergessene Zone“.

Neue Politische Literatur 35, 50-62, hier 50.

11 Vgl. Müller, Karl-Friedrich. 1987. Das Jahr 1945 in Südbaden. Frankfurt a. M.: Lang. (= Mensch und Strukturen - Historisch-sozialwissenschaftliche Studien, 3), hier 13f. und 391f.

12 Willis, Frank Roy. 1962. The French in Germany 1945-1949. Stanford: Stanford University Press. (= Stanford Studies in History, Economics, and Political Science, 23).

13 Vgl. den Forschungsüberblick von Hudemann, Rainer. 1983. Französische Besatzungszone 1945-1952. In:

Scharf, Claus & Hans-Jürgen Schröder (Hgg.). 1983. Die Deutschlandpolitik Frankreichs und die Französische Zone 1945-1949. Wiesbaden: Steiner, 205-248.

14 Henke, Klaus-Dietmar. 1983. Politik der Widersprüche. Zur Charakteristik der französischen Militärregierung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Scharf, Claus & Hans-Jürgen Schröder (Hgg.). 1983. Die Deutschlandpolitik Frankreichs und die Französische Zone 1945-1949. Wiesbaden: Steiner, 49-90 hier 68.

15 Vgl. den Forschungsüberblick bei Klöckler, Jürgen. 1992. Französische Besatzungspolitik in Konstanz zwischen 1945 und 1949. Magisterarbeit Konstanz, 11.

16 Vgl. den Forschungsüberblick von Wolfrum 1990.

(10)

zu nennen.17 Bis heute folgt die Forschung im Wesentlichen den revisionistische Thesen Hudemanns.18 Aufgrund der alltagsgeschichtlichen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit blieben die Ergebnisse der neueren Forschung zur französischen Besatzungspolitik jedoch weitgehend unberücksichtigt.

Die Frauen der Nachkriegszeit erhielten erst mit der Frauengeschichtsforschung nach 1968 wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Bis Mitte der 1980er Jahre überwog in dieser feministisch, teilweise marxistisch geprägten Forschung neben der berechtigten Bewunderung für die Leistung der ‚starken Frauen‘ der Nachkriegszeit19 die Annahme, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nach 1945 seien in besonderer Weise dazu geeignet gewesen, die überkommenen patriarchalischen Strukturen zu verändern. Da jedoch offensichtlich keinerlei Emanzipationsbewegung stattgefunden hat, wurde die Nachkriegszeit als ‚verpasste Chance‘ zu einer Emanzipation gesehen. Hier ist vor allem Annette Kuhn zu nennen, die mit ihren Arbeiten zahlreiche Wissenschaftlerinnen beeinflusste.20

Im Zuge der ‚Restaurationsdebatte‘ wurde dieser Ansatz einer ‚verpassten Chance‘

fallengelassen.21 Im Verhältnis der Geschlechter hat es genauso wenig wie in Politik und Wirtschaft eine ‚Stunde Null‘ gegeben. Seit Anfang der 1990er Jahre wird daher in der Frauenforschung davon ausgegangen, dass die Bedingungen der Nachkriegsgesellschaft lediglich auf dem Gebiet der privaten Geschlechterbeziehungen eine Veränderung zu Folge

17 Hudemann, Rainer. 1988. Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945- 1953. Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung im Rahmen französischer Besatzungspolitik. Mainz: Hase

& Köhler. (= Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland- Pfalz, 10).

18 Vgl. Wolfrum, Edgar, Peter Fäßler & Reinhard Grohnert (Hgg.). 1996. Krisenjahre und Aufbruchszeit. Alltag und Politik im französisch besetzten Baden 1945-1949. München: Oldenburg. (= Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland, 3).

19 Meyer, Sibylle & Eva Schulze. 1984. Wie wir das alles geschafft haben. Alleinstehende Frauen berichten über ihr Leben nach 1945; Meyer, Sibylle & Eva Schulze. 1985. Von Liebe sprach damals keiner. Familienalltag in der Nachkriegszeit. München: Beck.

20 Freier, Anna-Elisabeth & Annette Kuhn (Hgg.). 1984. Frauen in der Geschichte V: „Das Schicksal Deutschlands liegt in der Hand seiner Frauen“ - Frauen in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Düsseldorf:

Schwann. (= Geschichtsdidaktik, 20); Kuhn, Annette (Hg.). 1984. Frauen in der deutschen Nachkriegszeit. Band 1: Frauenarbeit 1945-1949, Quellen und Materialien. Düsseldorf: Schwann. (= Geschichtsdidaktik, 21); Kuhn, Annette (Hg.). 1986. Frauen in der deutschen Nachkriegszeit. Band 2: Frauenpolitik, Quellen und Materialien.

Düsseldorf: Schwann. (= Geschichtsdidaktik, 22).

21 Einen ausführlichen Überblick über die Frauenforschung zur Nachkriegszeit seit 1985 gibt Höhn, Maria. 1993.

Frau im Haus und Girl im Spiegel: Discourse on Woman in the Interregnum Period of 1945-1949 and the Question of German Identity. Central European History 26, 57-90, hier 58, Fn. 4-6. Zur ‚Restaurationsdebatte‘

vgl. Kocka, Jürgen. 1979. Neubeginn oder Restauration. In: Stern, Carola & H. A. Winkler (Hgg.) 1979.

Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1945. Frankfurt am Main: Fischer, 141-168 sowie die Beiträge in den Sammelbänden von Broszat, Martin (Hg.). 1990. Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte. München, Oldenbourg. (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 61) und Broszat, Martin, Klaus-Dietmar Henke & Hans Woller (Hgg.). 1988. Von Stalingrad zur Währungsreform.

Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland. München: Oldenbourg, 645-664. (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 26).

(11)

hatten, „nicht aber in politischen Verbänden oder gesellschaftlichen Institutionen.“22 Die vorliegende Arbeit baut auf diesen Erkenntnissen der neueren Frauenforschung auf.23

Zur Lokalgeschichte liegen seit Ende der 1980er Jahre zahlreiche Arbeiten vor. Hier seien vor allem Manfred Bosch und Karl-Friedrich Müller genannt, die sich beide mit der Geschichte Südbadens befassen.24 Seit Beginn der 1990er Jahre ist die Konstanzer Stadtgeschichte wiederholt Thema diverser Magister- und Zulassungsarbeiten an der Universität Konstanz gewesen.25 Für die vorliegende Arbeit wurden vor allem die Untersuchungen von Jürgen Klöckler und Karin Stei verwendet.26 Maßgeblich für alle Kapitel dieser Arbeit war der sechste Band der Geschichte der Stadt Konstanz von Lothar Burchardt.27

d. Zielsetzung und Gliederung der Arbeit

Ziel der Arbeit ist es, die Lebensbedingungen der Bevölkerung in der Nachkriegszeit am Beispiel von Konstanz zu schildern. Drei Faktoren prägten den Alltag der Nachkriegszeit:

erstens der Mangel an Lebensmitteln und sämtlichen anderen Gütern des täglichen Bedarfs, zweitens der durch die Kriegsverluste bedingte hohe Frauenüberschuss und drittens die Anwesenheit der Besatzer.

Im ersten Kapitel soll zunächst nach den Ursachen des Mangels gefragt werden. In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, wie der Mangel von den zuständigen Stellen organisiert wurde.

Das zweite Kapitel gibt einen Überblick über die kriegsbedingten Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur, die einen hohen Frauenüberschuss zur Folge hatten.

Im dritten Kapitel soll geschildert werden, was es hieß, unter der ständigen Anwesenheit der Besatzer zu leben.

22 Frevert, Ute. 1990. Frauen auf dem Weg zur Gleichberechtigung - Hindernisse, Umleitungen, Einbahnstraßen.

In: Broszat, Martin (Hg.). 1990. Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte. München, Oldenbourg, 113-130. (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 61), hier 118. Vgl. auch Möding, Nori. 1989. Die Stunde der Frauen? Frauen und Frauenorganisationen des bürgerlichen Lebens. In: Broszat, Martin, Klaus-Dietmar Henke & Hans Woller (Hgg.). 1988. Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland.

München: Oldenbourg, 645-664. (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 26) und Willenbacher, Barbara. 1988. Zerrüttung und Bewährung der Nachkriegs-Familie. In: Broszat, Martin, Klaus-Dietmar Henke &

Hans Woller (Hgg.). 1988. Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland. München: Oldenbourg, 595-618. (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 26). Zur Kritik an dieser These vgl. Kuhn, Annette. 1991. Der Refamilialisierungsdiskurs nach ‘45. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 33, 593-606.

23 Vgl. vor allem Kapitel 2.4.

24 Müller 1987; Bosch, Manfred. 1988. Der Neubeginn. Aus deutscher Nachkriegszeit, Südbaden 1945-1950.

Konstanz: Südkurier.

25 Vgl. die Biblographie in Burchardt, Lothar. 1996. Konstanz zwischen Kriegsende und Universitätsgründung.

Hungerjahre »Wirtschaftswunder« Strukturwandel. Konstanz: Stadler. (= Geschichte der Stadt Konstanz, 6) 575ff.

26 Klöckler 1992; Stei, Karin. 1992. Die Ernährungslage der Stadt Konstanz in der französischen Besatzungszeit.

Zulassungsarbeit Konstanz.

27 Burchardt 1996.

(12)

Am Ende eines jeden Kapitels wird untersucht werden, welche Auswirkungen die geschilderten Faktoren - Mangel, Frauenüberschuss, Anwesenheit der Besatzer - auf den Alltag der Frauen hatten. Es wird zu zeigen sein, dass die Arbeit der Frauen in hohem Maße zur Überwindung der Mangelwirtschaft beitrug. Dass aus dieser überlebenswichtigen Rolle der Frauen in der Nachkriegszeit jedoch keine Veränderung in der Verteilung der öffentlichen Geschlechterrollen resultierte, zeigt der Blick auf die Frauen im zweiten Kapitel. Im dritten Kapitel wird zu zeigen sein, dass die Anwesenheit der Besatzer in Form von Liebesbeziehungen mit all ihren Folgen durchaus Auswirkungen auf den Alltag der Frauen haben konnte, dass die weitaus größere Gefährdung der Frauen jedoch nicht von den Besatzern, sondern vielmehr von der sozialen Stigmatisierung der Frauen durch ihr Umfeld ausging.

(13)

I. Leben unter Mangelbedingungen

In der Erinnerung der Zeitgenossen ist die Nachkriegszeit hauptsächlich durch den allgemeinen Mangel geprägt. Es fehlte an allem, vor allem Nahrungsmittel waren knapp. Der allgegenwärtige Mangel strukturierte in außergewöhnlich hohem Maße den Alltag der Nachkriegszeit. Es ist daher für eine alltagsgeschichtliche Untersuchung unerlässlich, zunächst den Blick auf diese Mangelwirtschaft zu richten.

Im Folgenden sollen zunächst die Ursachen des Mangels dargestellt werden. Dabei wird ‚von oben nach unten‘, von der globalen Ernährungskrise der Nachkriegszeit bis zu den Verhältnissen in Konstanz, vorgegangen werden. Es wird zu zeigen sein, dass für die deutschen Verhältnisse der Nachkriegszeit die alliierte - und in besonderem Maße die französische – Wirtschaftspolitik weitaus negativere Folgen hatte als die durch den Bombenkrieg verursachten Zerstörungen an den Industrieanlagen und in der Landwirtschaft.

Den Abschluss dieses ersten Teils bildet eine Schilderung der Alltagsnöte der Konstanzer Bevölkerung, die aus dem so verursachten Mangel folgten.

Im Anschluss daran soll gezeigt werden, welche Maßnahmen Besatzer und deutsche Stellen trafen, um dem Mangel Herr zu werden. Hier wird deutlich werden, dass die wenig kooperative Politik der Alliierten bei der Organisation des Mangels ursächlich für die Probleme der Nachkriegszeit verantwortlich war. Die Bemühungen städtischer Stellen konnten angesichts dieses von den Besatzungsmächten gegebenen Rahmens nur noch wenig zur Verbesserung der misslichen Lage beitragen.

Die Auswirkungen der Nachkriegsprobleme auf das alltägliche Leben der Bevölkerung waren beträchtlich. Daher schließt das erste Kapitel mit einer Schilderung des Hausfrauenalltags unter Nachkriegsbedingungen ab. Da öffentliche Maßnahmen zur Organisation des Mangels immer weniger griffen, rückte der von Frauen geführte Haushalt immer weiter ins Zentrum privater Bemühungen zur Bewältigung des Mangels. Der Blick auf die Hausfrauen erlaubt daher eine besondere Sicht auf den Alltag der Nachkriegszeit.

1.1 Ursachen des Mangels 1.1.1 Globale Ursachen

Zumindest in ernährungswirtschaftlicher Hinsicht befand sich das besetzte Deutschland keineswegs in einem ökonomischen Vakuum. Weltweit sank die Nahrungsmittelproduktion um bis zu 30% im Vergleich zur Vorkriegsproduktion; die europäische Produktion fiel

(14)

kriegsbedingt sogar um 40% im Vergleich zum Vorkriegsniveau zurück.28 Missernten in den großen Getreideexport-Ländern Kanada, Australien, Argentinien und in den Donauländern verstärkten diese Entwicklung noch zusätzlich.29 Erst mit den Rekordernten von 1947 in den USA und in Kanada entspannte sich die Situation wieder.30

Die Ernährungskrise der Nachkriegszeit stellte also kein spezifisch deutsches Phänomen dar, sondern war vielmehr in eine weltweite Produktionskrise eingebettet, die sich auf verschiedene Teile Europas und Ostasiens erstreckte.31 Der durch Zusammenbruch und Zerstörung erhöhte Importbedarf Deutschlands ging damit mit einem weltweit gesteigerten Bedarf nach Importgütern einher. Da sich das Deutsche Reich auch vor dem Kriege nur zu 80% hatte selbst versorgen können, musste die Situation prekär werden, zumal das besiegte Deutschland nicht auf eine bevorzugte Behandlung in der Zuweisung der Importe rechnen konnte.32

1.1.2 Spezifisch deutsche Ursachen

Abgesehen von diesem globalen Wirtschaftrahmen prägten zwei Faktoren die deutsche Nachkriegswirtschaft und damit den allgemeinen Mangel: die Kriegszerstörung und die alliierte Wirtschaftspolitik. Wie zu zeigen sein wird, waren die kriegsbedingten Zerstörungen jedoch weit weniger ausschlaggebend für den Mangel der Nachkriegszeit, als zunächst angenommen. Lediglich die Zerstörung der Verkehrswege sollte ursächlich zum Mangel der Nachkriegszeit beitragen.

1.1.2.1 Kriegszerstörungen

Angesichts der in Trümmern liegenden Städte schien ein schneller Wiederaufbau der deutschen Industrie aussichtslos. Doch der Anschein des totalen Zusammenbruchs täuschte.

Unter den Trümmern waren je nach Industriezweig lediglich 10 bis 25% der Anlagen zerstört.33 Schwerwiegender als diese direkten Kriegsschäden waren für die industrielle Produktion die durch Bombenangriffe verursachten Verluste an Rohstoffvorräten sowie der

28 Stei 1992:5.

29 Stei 1992:5.

30 Stei 1992:12.

31 Klöckler, Jürgen. 1995a. Die Stadt Konstanz in der unmittelbaren Nachkriegszeit (1945-1947). Aspekte der Wirtschafts-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte. Montfort 47, 216-230, hier 219; Stei 1992:5; Grebing, Helga, Peter Pozorski & Rainer Schulze. 1980a. Die Nachkriegsentwicklung in Westdeutschland 1945-1949. Band 1:

Die Wirtschaftlichen Grundlagen. Stuttgart: Metzler. (= Studienreihe Politik, 7a), hier 26.

32 Stei 1992:6.

33 Abelshauser, Werner. 1983a. Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland (1945-1980). Frankfurt am Main: Suhrkamp, hier 21. Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:6. Die Bombenschäden erreichten damit nicht einmal den Umfang des Zuwachses des Industriepotentials von 1936-1943. Ebd.

(15)

Zusammenbruch des Verkehrsnetzes.34 Zudem hatte die Umstellung der deutschen Industrie auf die Kriegswirtschaft eine tiefgreifende Strukturveränderung bewirkt, die zum einen das Verhältnis zwischen Konsum- und Schwerindustrie zugunsten letzterer verändert hatte, zum anderen eine starke Überalterung der Betriebsmittel in der Verbrauchsgüterindustrie zur Folge hatte.35

Auch in der Landwirtschaft waren die direkten Kriegsschäden durch Bombenangriffe und Kampfhandlungen zu Lande relativ gering.36 Die empfindlichste Einbuße stellte der Verlust der Ostgebiete dar.37 Ostpreußen, Pommern und Schlesien hatten nicht nur ein Viertel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgemacht, sondern waren auch Überschussgebiete gewesen. So hatte der Osten 1937 60% der Roggen-, 60% der Kartoffel- und 70% der Zuckerrübenernte erzeugt.38 Diese Erträge fielen nun weg. Der Zustrom der Flüchtlinge aus eben diesen Gebieten verschärfte die Situation noch zusätzlich, da nun über 10 Mio.39 mehr Menschen von der verbliebenen Nutzfläche ernährt werden mussten.40 Wie auch die Industrie litt die Landwirtschaft aber weit mehr an veraltetem Gerät, für das Ersatzteile fehlten, und an dem zusammengebrochenen Verkehrssystem.41

Das Schienen- und Straßennetz sowie die Wasserwege waren Schwerpunktziele der alliierten Luftangriffe gewesen.42 Ein Übriges hatten die systematischen Zerstörungen der sich zurückziehenden deutschen Truppen getan.43 Dementsprechend hoch waren die Zerstörungen auf diesem Gebiet und im Gegensatz zu den Fliegerschäden an den industriellen Anlagen wogen sie weit schwerer.

34 Abelshauser,Werner. 1975. Wirtschaft in Westdeutschland 1945-1948. Rekonstruktion und Wachstumsbedingungen in der amerikanischen und britischen Zone. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, hier 152. (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 30).

35 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:6.

36 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:7.

37 Stei 1992:7; Gries, Rainer. 1991. Die Rationen-Gesellschaft. Versorgungskampf und Vergleichsmentalität:

Leipzig, München und Köln nach dem Kriege. Münster: Westfälisches Dampfboot, hier 27; Freier, Anna Elisabeth. 1986. Über die „naturwüchsige“ Deckung von Frauenhandeln und Tagespolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Kuhn, Annette (Hg.). 1986. Frauen in der deutschen Nachkriegszeit. Band 2: Frauenpolitik, Quellen und Materialien. Düsseldorf: Schwann, 39-54. (= Geschichtsdidaktik, 22), hier 40;

Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:7. Die Ostgebiete konnten demnach neben der eigenen Bevölkerung 5-7 Mio.

Menschen ernähren. Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:2.

38 Stei 1992:7. Die Ostgebiete waren außerdem Hauptlieferant für Saatgut gewesen. Auch hieran mangelte es der deutschen Landwirtschaft ab 1945, Stei 1992:8, Fn. 38.

39 Benz, Wolfgang. 1998. Deutschland 1945-1949. Besatzungszeit und Staatengründung. Informationen zur politischen Bildung 259, 3-50, hier 13; Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:15.

40 Stei 1992:7; Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:7. Am ungünstigsten wurde das Verhältnis von Bevölkerungszahl zu Anbaufläche durch den Flüchtlingszustrom in der BBZ. Gries 1991:28.

41 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:7ff.

42 Abelshauser 1975:151.

43 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:9; Abelshauser 1975:152.

(16)

So wiesen alle Einrichtungen der Eisenbahn - Bahnhöfe, Schienennetz sowie Lokomotiven und Wagen - gravierende Bombenschäden auf.44 Das wenige verbliebene Material war durch die starke Beanspruchung der Kriegsjahre zudem größtenteils reparaturbedürftig. Doch fehlten auch hier Ersatzteile.45 Dem desolaten Zustand des Eisenbahnwesens stand der erhöhte Transportbedarf der Nachkriegszeit gegenüber. Nicht nur Waren aller Art mussten transportiert werden, sondern auch immer mehr Fahrgäste. Die Verteilung der Ostflüchtlinge auf die Besatzungszonen, die Rückführung Evakuierter, die Repatriierung der nach Deutschland verschleppten Zwangsarbeiter und nicht zuletzt die zahlreichen ‚Hamsterfahrten‘

sorgten für ein Personenaufkommen, das das Vorkriegsniveau bei gleichzeitigem Materialrückgang46 um 20% überstieg.47

Auch das Straßennetz wies hohe Kriegsschäden auf. Zu den direkten Schäden durch Bombenangriffe traten auch hier Wartungsprobleme durch mangelndes Material und veraltete Maschinen hinzu. Zusätzlich erschwerte der dezimierte Bestand an Kraftfahrzeugen sowohl den privaten wie auch den öffentlichen Güter- und Personentransport. In Ermangelung einsatzbereiter Fahrzeuge war der private PKW-Verkehr größtenteils zum Erliegen gekommen. Der öffentliche Nahverkehr hatte, wie der Schienenverkehr auch, trotz allgemeinen Mangels an Treib- und Schmierstoffen sowie an Ersatzteilen noch zusätzlich mit einem erhöhten Personenaufkommen zu kämpfen. Einem am Vorkriegsstand gemessenem halbierten Fuhrpark stand eine verdoppelte Zahl an Fahrgästen gegenüber.48

Die stärkste Zerstörung durch Bombenangriffe erlebten die Städte, wobei die Schäden regional stark differierten. Einzelne Städte, wie z.B. Konstanz, blieben ganz verschont,49 andere mussten starke Verluste hinnehmen. So war das nahe Friedrichshafen zu rund 50%

zerstört, Großstädte wie Köln und Hamburg zu rund 70%. 50

In den drei Westzonen waren 45% der Wohnungen total zerstört, der restliche Bestand zu einem Großteil schwer beschädigt.51 Dies zog massive Raumprobleme nach sich, die durch die Unterbringung der Flüchtlinge, entlassener KZ-Häftlinge und der Besatzungstruppen noch verschärft wurden. Für das Leben der Bevölkerung bedeutete dieser Wohnungsmangel eine starke Belastung.52

44 Abelshauser 1975:152.

45 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:10.

46 Ende 1945 waren im Gebiet der ABZ und BBZ nur noch rund 40% der Lokomotiven betriebsbereit, rund 30%

des übrigen rollenden Materials war schadhaft. Abelshauser 1975:152.

47 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:11.

48 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:12.

49 Vgl. Kapitel 1.1.4.1.

50 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:14.

51 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:30.

52 Vgl. Kapitel 1.1.4.1.

(17)

Insgesamt gesehen blieben die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kriegszerstörungen in Industrie und Landwirtschaft hinter den Befürchtungen zurück. Das zusammengebrochene Verkehrssystem sollte jedoch zu einem der entscheidenden Faktoren des wirtschaftlichen Zusammenbruchs werden.53

1.1.2.2 Wirtschaftspolitik der Alliierten

Die Kriegszerstörungen in Deutschland waren also für den Mangel der Nachkriegszeit nur bedingt verantwortlich. In anderen Ländern Europas setzte trotz ähnlicher Ausgangsbedingungen unmittelbar nach Kriegsende ein wirtschaftlicher Aufschwung ein.54 Dieser Aufschwung blieb in Deutschland aufgrund der alliierten Wirtschaftspolitik aus.

Ausschlaggebend sollte vor allem die gescheiterte interalliierte Wirtschaftspolitik sein.

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1944 hatten sich die ‚Großen Drei‘ - Churchill, Roosevelt und Stalin - auf eine Teilung Deutschlands verständigt.55 Im Sommer 1945 wurden diese Pläne auf der Konferenz von Potsdam mit dem Potsdamer Abkommen bestätigt und konkretisiert.56 Das Deutsche Reich wurde in vier Besatzungszonen eingeteilt,57 die deutschen Ostgebiete kamen unter polnische Verwaltung. Jede Besatzungsmacht errichtete in ihrer Zone eine Militärregierung, die unter Leitung eines Militärgouverneurs stand. Hauptziele der alliierten Besatzungspolitik waren Entnazifizierung, Demilitarisierung und Demokratisierung der deutschen Gesellschaft sowie die Kontrolle über die deutsche Wirtschaft.58 Damit sollte zum einen ein Wiedererstarken Deutschlands ausgeschlossen werden, zum anderen die Reparationsleistungen Deutschlands an kriegsgeschädigte Länder gesichert werden.

Deutschland sollte keine zentrale Regierung erhalten, jedoch wirtschaftlich als Einheit behandelt werden.59 Um diese wirtschaftliche Einheit zu sichern, und zudem ein einheitliches Vorgehen der vier Besatzungsmächte, z.B. bei Demontagen, zu gewährleisten, war bereits auf der Konferenz von Jalta die Bildung des Alliierten Kontrollrates beschlossen worden. Er nahm im Juni 1945 seine Arbeit als oberstes Organ der alliierten Verwaltung Deutschlands

53 So konnten viele Industriezweige nicht produzieren, da die für den Betrieb der Maschinen erforderliche Kohle zwar, wenn auch in zu geringen Mengen, vorhanden war, aber nicht transportiert werden konnte. Vgl. Kapitel 1.1.2.1. Zu den Auswirkungen des Transportproblems auf die Versorgung der Bevölkerung mit Hausbrand vgl.

Kapitel 1.1.4.3.

54 Vgl. Kapitel 1.1.2.2.

55 Dabei sollte das Deutsche Reich nicht in mehrere einzelne Staaten zerstückelt werden. Zwar wurde der Morgenthau-Plan offiziell nicht revidiert, doch zeichnete sich bereits eine gemeinsame Besatzung Deutschlands durch die Alliierten ab. Abelshauser 1983a:13.

56 Vgl. den Auszug des Potsdamer Abkommens in Grebing, Helga, Peter Pozorski & Rainer Schulze. 1980b. Die Nachkriegsentwicklung in Westdeutschland 1945-1949. Band 2: Politik und Gesellschaft. Stuttgart: Metzler. (=

Studienreihe Politik, 7b), 12ff.

57 Zur Bildung der FBZ siehe Kapitel 1.1.3.2.

58 Die alliierten Vorstellungen waren dabei keineswegs einhellig. Zu den Differenzen in der Deutschlandpolitik vgl. Grebing/Pozorski/Schulze 1980b:4ff. Zur französischen Deutschlandpolitik vgl. Kapitel 1.1.3.2.

59 Vgl. den Auszug des Potsdamer Abkommens in Grebing/Pozorski/Schulze 1980b:14.

(18)

auf. Mitglieder des Kontrollrates waren die Militärgouverneure der vier Zonen, zur Beschlussfassung war Einstimmigkeit erforderlich. 60

Die beiden Eckpfeiler der alliierten Wirtschaftspolitik - Reparationsansprüche und industrielle Abrüstung zur Vermeidung einer erneuten deutschen Aggression - schlugen sich im ‚Plan für die Reparationen und das Niveau der deutschen Nachkriegswirtschaft in Übereinstimmung mit dem Berliner Protokoll‘, kurz ‚Industrieplan‘, vom 28. März 1946 nieder.

Die gesamte deutsche Wirtschaft stand damit unter alliierter Kontrolle. Jegliche kriegswichtige Industrie wurde ausgeschaltet, andere Bereiche durften nur eingeschränkt arbeiten. Das Industriepotential sollte auf den Stand von 1932 herabgesetzt werden, das heißt, auf 70% des Standes von 1936.61

Zunächst stellte der ‚Industrieplan‘ keine Beschränkung der deutschen Wirtschaftsentwicklung dar, da die allgemeine Lage 1946 sowieso keine höhere Auslastung der Industriekapazitäten erlaubte.62 Zudem kam er nicht zur Verwirklichung, da bald klar wurde, dass von falschen Voraussetzungen ausgegangen worden war.63

Der ‚Industrieplan‘ von 1946 ging wie das Potsdamer Abkommen vom Sommer 1945 davon aus, „daß Deutschland als wirtschaftliche Einheit behandelt wird.“64 Sehr bald aber zeigte sich, dass die Zonengrenzen auch wirtschaftliche Grenzen waren. Handel zwischen den Zonen galt als Außenhandel, sämtliche Ein- und Ausfuhren mussten in einem komplizierten Verfahren von Stellen der jeweiligen Militärregierungen genehmigt werden.65 Die Industrie litt stark unter dieser Zerschlagung alter Handelsbeziehungen, denn die Zonengrenzen erschwerten in ungeahntem Maße den Austausch sowieso schon knapper dringend benötigter Rohstoffe und Halbwaren.66

60 Grebing/Pozorski/Schulze 1980b:7.

61 Abelshauser 1983a:19.

62 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:43.

63 So zeigte sich nach der Volkszählung im Oktober 1946, dass sich bereits 66 Mio. Menschen im Vierzonengebiet aufhielten, eine Zahl, die im ‚Industrieplan‘ für 1949 angenommen worden war und auf deren Grundlage alle weiteren Berechnungen vorgenommen worden waren. Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:43f.

64 ‚Der Plan für die Reparationen und das Niveau der deutschen Nachkriegswirtschaft in Übereinstimmung mit dem Berliner Protokoll vom 28. März 1946‘, I.a). Zitiert nach Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:50.

65 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:48. Wie sehr diese Politik gerade auch die zivile Produktion hemmte, zeigt das Beispiel der Kunstdüngerversorgung. Lagerstätten und Erzeugungsorte der drei Komponenten zur Herstellung des Kunstdüngers - Kali, Stickstoff und Phosphorsäure - waren über alle vier Besatzungszonen verteilt. In der BBZ und in der SBZ befanden sich Kaligruben, Phosphorsäure wurde v.a. im Saar- und Ruhgebiet produziert und die FBZ besaß mit dem BASF-Werk in Ludwigsburg eine Anlage zur Stickstoffherstellung. Ein Austausch zwischen den Zonen kam jedoch nicht zustande, und so sank nicht nur die Kunstdüngerproduktion, sondern auch die Ernteerträge fielen immer schlechter aus. Denn jede Tonne Stickstoffdünger hätte einen Mehrertrag von 16 Tonnen Getreide oder 80 Tonnen Kartoffeln ergeben. Stei 1992:12.

66 Burchardt 1996:101.

(19)

Es wurde auch sehr bald klar, dass Deutschland keineswegs in der Lage war „nach Zahlung der Reparationen (...) ohne Hilfe von außen zu existieren“.67 Die Besatzungszonen drohten sich zu einem Verlustgeschäft für die Besatzer zu entwickeln. Amerikaner und Briten sahen sich sehr bald gezwungen, ihre Zonen durch Hilfslieferungen zu unterstützen.68 Sie drängten daher wiederholt zu einer wirtschaftlichen Vereinigung Deutschlands.69 Dies stand jedoch in Gegensatz zur französischen Politik, die die Dezentralisierung der deutschen Wirtschaft als Garant für die eigene Sicherheit sah. Zudem sahen sich die Franzosen nicht an die in Potsdam getroffenen Vereinbarungen bezüglich der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands gebunden, da sie an der Konferenz nicht teilgenommen hatten.70 Die Sowjets standen einer wirtschaftlichen Einheit Deutschlands zunächst positiv gegenüber. Dem amerikanischen Plan einer wirtschaftlichen Vereinigung der einzelnen Besatzungszonen stimmten sie dennoch nicht zu.71

So wurde lediglich für die am 1.1.1947 zur Bizone vereinigten Zonen der Amerikaner und der Briten im Sommer 1947 ein revidierter ‚Industrieplan‘ vorgelegt, der von weitaus realistischeren Zahlen ausging und eine Industriekapazität von 90% des Standes von 1936 anstrebte. Die Franzosen hielten bis 1948 an einer eigenen Wirtschaftspolitik fest. Erst unter dem Eindruck des sich verhärtenden Ost-West-Konfliktes gab Frankreich den angloamerikanischen Interessen nach.72

Besonders nachteilig wirkte die Außenhandelspolitik der Alliierten auf die deutsche Nachkriegswirtschaft. Vor dem Krieg hatten die deutschen Einfuhren zu 40% aus Rohstoffen und 35% aus Nahrungsmitteln bestanden.73 Die Ausfuhren hingegen zu 77% aus hochwertigen Fertigwaren und nur zu 10% aus Rohstoffen.74 Das Potsdamer Abkommen und alle weiteren alliierten wirtschaftspolitischen Maßnahmen untersagten aber gerade die Produktion derjenigen Industriezweige, die maßgeblich für den Export produziert hatten.75 Um die lebensnotwendigen Nahrungsmittel einführen zu können, mussten daher die drei Westzonen Rohstoffe wie Kohle und Holz ausführen.76 Dies war schmerzhaft, da diese Güter in Deutschland selbst dringend benötigt wurden. Zudem erhielt die deutsche Wirtschaft durch

67 ‚Der Plan für die Reparationen und das Niveau der deutschen Nachkriegswirtschaft in Übereinstimmung mit dem Berliner Protokoll vom 28. März 1946‘, 1.e). Zitiert nach Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:50

68 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:45.

69 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:45f.

70 Vgl. Kapitel 1.1.3.2.

71 Grebing/Pozorski/Schulze 1980b:132. Bestimmend für die sowjetische Politik war die Forderung nach der definitven Regelung der Reparationsfrage. Ebd.

72 Vgl. Kapitel 1.1.3.2.

73 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:49. Die Zahlen gelten für das Gebiet der Westzonen.

74 Abelshauser 1983a:30.

75 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:49.

76 Abelshauser 1983a:30.

(20)

den Export von Rohstoffen weit geringere Erlöse, als es durch den Verkauf von Fertigwaren möglich gewesen wäre,77 zumal Kohle und Holz von den Besatzungsmächten weit unter dem Weltmarktpreis verkauft wurden.78 Erst mit der Währungsreform, dem Greifen des Marshallplanes und dem Abbau der nationalen und internationalen Handelsschranken erreichten die deutschen Exporte wieder den Vorkriegsstand.79

Die Demontagen von Industrieanlagen, die zum Zwecke der Reparation von allen vier Besatzungsmächten bereits ab Mai 1945 vorgenommen wurden, erbitterten und empörten die Zeitgenossen ungemein.80

Zu besonders hohen Entnahmen kam es in der FBZ und in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ), da beide Besatzungsmächte nicht nur besonders hohe Kriegsschäden in den eigenen Ländern zu beklagen hatten, sondern zudem im Abbau der deutschen Industrie ihr gesteigertes Sicherheitsbedürfnis befriedigt sahen.81 Beide Besatzungsmächte hielten sich nicht an den im ersten ‚Industrieplan‘ festgehaltenen Reparationsumfang. Sowohl Briten als auch Amerikaner sahen das wirtschaftliche Gleichgewicht Deutschlands gefährdet, zumal die geschwächten Zonen zur Aufrechterhaltung der Eigenversorgung Lieferungen aus der britischen (BBZ) und aus der amerikanischen Besatzungszone (ABZ) benötigten, die wiederum auf Lieferungen aus der FBZ und aus der SBZ angewiesen gewesen wären. Nur durch Hilfsmaßnahmen der Amerikaner und Briten an ihre eigenen Zonen konnte diese Versorgungslücke ausgeglichen werden.82 Da die Briten und Amerikaner zu Recht fürchteten, dadurch indirekt die Reparationen an Frankreich und die Sowjetunion zu unterstützen, stellten sie im Mai 1946 die Entnahmen aus ihren Zonen vorrübergehend ein und verfügten einen Ausfuhrstopp an die FBZ und die SBZ.83 Das Postulat der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands war damit

77 Abelshauser 1983a:30.

78 Abelshauser 1983a:31; Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:49. Aufgrund solcher Befunde wird in der Forschung oft vermutet, dass die alliierte Wirtschaftspolitik nicht nur der Wiedergutmachung und industriellen Abrüstung, sondern auch dem Ausschalten deutscher Konkurrenten auf dem Weltmarkt dienen sollte. Vgl. Grohnert, Reinhard & Edgar Wolfrum. 1996. Demontagen, Kaufmonopol, Nahrungsmittelentnahmen. Französische Richtlinien zur Wirtschaftspolitik. In: Wolfrum, Edgar, Peter Fäßler & Reinhard Grohnert (Hgg.). 1996.

Krisenjahre und Aufbruchszeit. Alltag und Politik im französisch besetzten Baden 1945-1949. München:

Oldenburg, 230-238. (= Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland, 3), hier 232;

Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:44.

79 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:49.

80 Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie hielten 1951 über 20% der Befragten die Demontagen für den „größten Fehler, den die Besatzungsmächte seit 1945 gemacht haben.“ Die Wirtschaftspolitik der Alliierten wurde damit als ausschlaggebender Faktor für das negative Bild der Besatzungsmächte in der deutschen Bevölkerung angesehen, vor Lebensweise und Auftreten der Besatzung (14%), der Entnazifizierung (6%) oder der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten (3%). Noelle, Elisabeth & Erich Peter Neumann (Hgg.).

²1956. Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1947-1955. Allensbach: Verlag für Demoskopie, hier 140.

81 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:44.

82 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:45.

83 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:45.

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endgültig Makulatur. Die westlichen Besatzungsmächte kamen bald zu der Einsicht, dass eine zu rigide Demontagepolitik letztlich kontraproduktiv wirken würde. Bis 1951 wurde die Zahl der zu demontierenden Betriebe zunächst in der Bizone, dann auch in der FBZ sukzessive verringert, so dass von ursprünglich 1800 für die Westzonen veranschlagten Betrieben nur 667 demontiert wurden.84

Der durch die Demontagen verursachte Schaden an der deutschen Wirtschaft war, wie die Kriegszerstörung an Industrieanlagen, vor allem psychologischer Natur.85 Angesichts der in Trümmern liegenden Produktionsstätten musste der Abtransport der verbliebenen Anlagen wie eine zusätzliche Bestrafung erscheinen. Unter den gegebenen Umständen hätten die Kapazitäten jedoch gar nicht genutzt werden können.86 In den Westzonen wirkten sich die Demontagen kurzfristig nicht negativ auf die Volkswirtschaft aus, langfristig ermöglichten sie ab 1948 mit Hilfe des Marshallplans eine Modernisierung der deutschen Industrieanlagen, die unmittelbar zu dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er Jahre beitrug.87

Im Rückblick zeigt sich also, dass die direkte Kriegszerstörung weit weniger Ursache des allgemeinen Mangels der Nachkriegszeit war, als von den Zeitgenossen angenommen. Allen Industriebereichen gemeinsam war das Problem der zerstörten Verkehrswege. Sonstige Bombenschäden wirkten sich vor allem auf die Wohnungslage aus, weniger auf die Industrieanlagen. Auch die alliierten Demontagen schwächten die deutsche Wirtschaft in geringerem Umfang als es zunächst erschien. Viel gravierender waren zum einen das Verbot ganzer Industriezweige, die für den Export produziert hatten, zum anderen die unfruchtbare Zusammenarbeit der Besatzungsmächte auf wirtschaftlicher Ebene, die ihren Ausdruck in den undurchlässigen Zonengrenzen fand.

Gerade für die Nahrungsversorgung hatte diese Politik verheerende Auswirkungen. Alle drei Westzonen waren landwirtschaftliche Zuschussgebiete.88 Ein zentral geregelter Nahrungsmittelaustausch über die Zonengrenzen hinweg wurde jedoch bald aufgegeben, da er nicht funktionierte.89 Die Folge war eine überaus ungleichmäßige Verteilung des Vorhandenen, die durch die Transportprobleme nur noch verstärkt wurde. Daher differierten die abgegebenen Kalorienmengen teilweise erheblich zwischen den Zonen, aber auch

84 Abelshauser 1983:25; Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:46f.

85 Abelshauser 1983a:25.

86 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:47.

87 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:47.

88 Die SBZ war auf dem landwirtschaftlichen Sektor weitgehend autark. Vgl. Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:3.

89 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:29.

(22)

zwischen Regionen in den Zonen selbst.90 So erhielten die Bewohner der ABZ Mitte 1946 1300 Kalorien täglich, in der BBZ kamen 1050 Kalorien zur Verteilung, in der SBZ 1083. In der FBZ standen der Bevölkerung im gleichen Zeitraum nur rund 900 Kalorien täglich zur Verfügung.91 Da auch die Kalorienmenge der ABZ die vom Völkerbund festgesetzte tägliche Mindestmenge von 2.400-3.000 Kalorien unterschritt, stellte die in der FBZ zur Verteilung gekommene Menge nicht mehr als eine Hungerration dar.

Die Ernährung war denn auch das dringlichste Problem der Nachkriegszeit, unablässig kreiste das Denken der Menschen um dieses Thema. Die Besatzungsmächte stellten fest, dass die Moral der Bevölkerung auf das Engste mit der Versorgungslage verknüpft war.92 Das alliierte Ziel, die Deutschen zu Demokraten zu ‚erziehen‘, hatte unter diesen Bedingungen wenig Aussicht auf Erfolg. Die Menschen hatten wenig Sinn für den demokratischen Neuaufbau, solange sie mit der Beschaffung des Nötigsten beschäftigt waren.93 Die ungenügende Ernährung hatte zudem einen negativen Einfluss auf die Volkswirtschaft. Die langanhaltende Unterernährung schwächte die Menschen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Arbeitsausfälle infolge des Hungers zwar nicht ausschlaggebend für die erst langsam wieder in Schwung kommende Konjunktur waren, sie aber doch durchaus behindert haben.94

Trotz der für die Zeitgenossen desperaten Lage setzte in den drei Westzonen unmittelbar nach Kriegsende ein bescheidener wirtschaftlicher Aufschwung ein, der nur in der Bizone von einem Einbruch im Hungerwinter 1946/47 unterbrochen wurde.95 So erreichte die industrielle Produktion 1946 in der Bizone wieder rund 40% des Standes von 1936 (35% in der BBZ, 45% in der ABZ), in der FBZ knapp 30%.96 Dennoch unterschied sich die Entwicklung in den drei Westzonen wesentlich von der der übrigen europäischen Länder. Trotz teilweise gleicher Kriegszerstörung hatte dort unmittelbar nach dem Krieg ein wirtschaftlicher Aufschwung

90 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:29.

91 Bosch 1988:92.

92 Wolfrum 1996a:65.

93 Wolfrum 1996a:64; Wolfrum, Edgar. 1996b. Eine »irgendwie sozialistische Grundstimmung«.

Sozialdemokraten und Kommunisten. In: Wolfrum, Edgar, Peter Fäßler & Reinhard Grohnert (Hgg.). 1996.

Krisenjahre und Aufbruchszeit. Alltag und Politik im französisch besetzten Baden 1945-1949. München:

Oldenburg, 112-145. (= Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland, 3), hier 141; Kluge, Ulrich. 1988. Die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen der sogenannten »Stunde Null« 1945. Das Beispiel Konstanz. In: Maurer, Helmut (Hg.). 1988. Die Grenzstadt Konstanz 1945. Konstanz: Südkurier, 12-21, hier 18.

94 Abelshauser 1975:138. Als Beispiel für die hohen Arbeitszeitausfälle seien hier die Zahlen aus der Konstanzer Firma Herosé genannt. Bei Herosé verdoppelten sich durch Krankheit und Entkräftigung infolge des Hungers die Arbeitszeitausfälle. 1939 entfielen 3,7 Arbeitstage von 100, 1946 7 von 100. Stei 1992:83.

95 Abelshauser 1983a:36. Der Einbruch im Winter 1946/47 wird maßgeblich auf den Kohlemangel zurückgeführt, der viele Betriebe still legte. Der Kohlemangel wiederum ging weniger auf unzureichende Förderung als vielmehr auf fehlende Transportkapazitäten zurück. Für die FBZ lässt sich der Einbruch im Winter 1946/47 nicht feststellen. Vgl. Abelshauser, Werner. 1983b. Wirtschaft und Besatzungspolitik in der Französischen Zone 1945-1949. In: Scharf, Claus & Hans-Jürgen Schröder (Hgg.). 1983. Die Deutschlandpolitik Frankreichs und die Französische Zone 1945-1949. Wiesbaden: Steiner, 111-140, hier 123.

96 Abelshauser 1975:38.

(23)

eingesetzt, so dass das Vorkriegsniveau (Stand 1938) bereits 1947 um rund 10% überschritten wurde. Im gleichen Zeitraum lag die westdeutsche Produktion dagegen lediglich bei rund 50% des Standes von 1938. Gleichzeitig ist jedoch ab 1947 ein gleichbleibender Aufschwung zu erkennen, der bis weit in die 1950er Jahre anhielt.97 Die deutsche Entwicklung stellt sich demnach als eine Verzögerung des allgemeinen europäischen Aufschwungs dar.98

Die Gründe für diese Verzögerung lagen dabei weniger in der kriegsbedingten Zerstörung, die ja auch in vielen anderen Ländern Europas die Ausgangslage 1945 geprägt hatten, als in der Wirtschaftspolitik der Alliierten, die sowohl den Interzonenhandel als auch den Außenhandel massiv beschnitt. Eine ausreichende Versorgung der Industrie mit Rohstoffen und Halbwaren war dadurch unmöglich, so dass die vorhandenen Industriekapazitäten, die immerhin eine Produktion auf dem Stand von 1936 erlaubt hätten, nicht voll ausgenutzt werden konnten.99 Der ab 1947 verstärkt einsetzende Aufschwung ist demnach auch vor allem auf eine veränderte alliierte Politik zurückzuführen. Der sich abzeichnende Ost-West Konflikt und die Erkenntnis, dass bei gleichbleibender Politik die Besatzungszonen auf lange Sicht Zuschussgebiete bleiben würden, bewegte zunächst die Amerikaner, dann auch die Briten zu einer Änderung ihrer restriktiven Wirtschaftspolitik. Zudem waren vor allem die Amerikaner nicht länger daran interessiert, die deutsche Wirtschaft zu zerschlagen, sie sollte nun vielmehr im Dienste westlicher Ideen wieder funktionstüchtig gemacht werden.100 Dies schlug sich nicht nur in immer weiter verringerten Demontagezahlen aus, sondern vor allem in einer Zunahme von Rohstoff- und Halbwarenlieferungen.101 Hinzu kam das seit 1947 laufende Programm des Marshallplanes und die für 1948 vorgesehene Währungsunion.102 Nachdem Frankreich seit 1947 ebenfalls amerikanische Wirtschaftshilfe aus dem Marshallplan erhielt, konnten auch in der FBZ die Entnahmen aus der laufenden Produktion verringert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die schlechte Ernährungslage der Nachkriegszeit einerseits globale Ursachen hatte, andererseits aber durch spezifisch deutsche Faktoren bedingt war. Die Abtrennung der Überschussgebiete im Osten bedeutete eine harte Einbuße.

Die wenig kooperative Politik der Alliierten tat zusammen mit den kriegsbedingten Transportproblemen ein Übriges. Die Ursachen der schlechten Versorgung mit sonstigen

97 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:60.

98 Abelshauser 1975:19.

99 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:49.

100 Burchardt 1996:301.

101 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:67.

102 Zum Marshallplan vgl. Holzamer, Hans-Herbert. 1997. Der Marshallplan: Geschichte und Zukunft.

Landsberg: Olzog. Zur Währungsreform vgl. Brackmann, Michael. 1993. Vom Totalen Krieg zum Wirtschaftswunder: die Vorgeschichte der westdeutschen Währungsreform 1948. Essen: Klartext.

(24)

Gütern finden sich zum einen in der Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie während des Krieges. Zum anderen verhinderte die alliierte Wirtschaftspolitik die Wiederaufnahme der Außenhandelsbeziehungen, was zu akutem Rohstoffmangel und damit zu Produktionsstopp in der Industrie führte. Die Unterbindung des Interzonenhandels erschwerte darüber hinaus den Austausch mit Gütern unter den Zonen. Hinzu kamen die Belastungen der Industrie durch Demontage und Reparationsleistungen, auch wenn sie vergleichsweise geringere Folgen hatten als die Kontrolle der Handelsbeziehungen.

1.1.3 Zonenspezifische Ursachen: Die französische Zone

Fragt man auf der Ebene der französischen Besatzungszone nach den Ursachen für den allgemeinen Mangel der Nachkriegszeit, zeigt sich auch hier, dass weniger die kriegsbedingten Zerstörungen als vielmehr die restriktive Besatzungspolitik Hauptursache der Misere war. Dies wird besonders deutlich, da das Gebiet der FBZ im deutschlandweiten Vergleich verhältnismäßig wenig Kriegszerstörungen erlitt. So waren z.B. die Verkehrswege größtenteils unzerstört geblieben. Dieser vergleichsweise guten Ausgangslage stand jedoch die ungleich härtere Wirtschaftspolitik der Franzosen und die ungünstige industrielle Struktur der Zone gegenüber. Französische Wirtschaftspolitik und unzureichende industrielle Infrastruktur führten im Verbund dazu, dass die Alltagsbedingungen in der FBZ weitaus härter waren, als in der ABZ und der BBZ.

Im Folgenden soll nun zunächst die Ausgangslage und ökonomische Struktur der FBZ umrissen werden. Im Anschluss daran wird ein Überblick über die französische Deutschland- und Wirtschaftspolitik gegeben.

1.1.3.1 Ausgangslage und ökonomische Struktur der FBZ

Mit nur 8,5 % der Fläche des Deutschen Reiches von 1937 stellte die FBZ die kleinste Besatzungszone dar.103 Das Gebiet der FBZ verfügte mit den Kohlegruben und Stahlhütten der Saar zwar über einen wichtigen Teil der gesamtdeutschen Wirtschaft, auch die chemische, optische und lederverarbeitende Industrie war stark vertreten, in Bezug auf die Lebensmittelproduktion jedoch waren alle Länder der Zone im gleichen Maße wie die Bizone starke Zuschussgebiete.104 Lediglich bei Wein, Tabak und Obst waren vor dem Krieg

103 Abelshauser 1983b:112. Die FBZ verfügte außerdem über nur 8% der landwirtschaftllichen Nutzfläche von 1939, 8% der Bevölkerung von 1939 und 8% der Industriellen Produktion von 1936. Grebing/Pozorski/Schulze 1980:3.

104 Grebing/Pozorski/Schulze 1980a:3. Lediglich die SBZ war auf dem landwirtschaftlichen Sektor annähernd autark. Ebd.

Referenzen

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